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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189212180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18921218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18921218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-18
- Monat1892-12
- Jahr1892
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1892
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-— -M-" k» der Hanptrrpedttto» oder de» i» Gtadd» bezirk nad den Vororte« errichteten Ans« «abestellen abgeholt: vierteljährlichst4.5H bei jweimaltaer täglicher Zustellung in« Haus ^l 5.50. Durch di« Post bezogen für Deutschland »ud Oesterreich: vienelläbrlich S.—. Direct» tägliche Krruzbandseadung in» Ausland: monatlich . Die Morgen-Au-gabe erscheint täglich'/,? Uhr, di« Lbead-Ausgab« Wochentags 5 Uhr. NeLaction und LrpeLitio«: Aobannetgaffr 8. Tie Erpedition ist Wochentag» annnterbrochea gedssnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filiale«: vtts «e»m's r-rtim. Mlfre» Habt», Ulliversitülsilrab» 1, ^ , L-ulS Lösche. «athsrinenstr. 14. Port. on» KSoigsplatz Kg WM Anzeiger. Organ für Politik.Localgeschichte, tzandels^ündGeschaftsverkehr. J«sertio»SpreiA Die bgespaltme Petitzeile SO Psg? Reklame» unter demRedacttonsstrich (4g«« spalten) 50>tz. vor den Familienaachrichte» (8 gespalten) 40-4- Größere Schriften laut unserem Preis» verzetchnih. Dabeklarischrr und Ztffrrnjatz «ach höherem Tarif. tztra-Bella,r» (gefalzt), aor «st he» Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung ^l 60.—, »it Postbesörderung 70.—^ Ännahmeschluß siir Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Lei de» Filiale» und vanahmeslelle» j» «tu« halb« Stunde früher. Inserat, sind stets a» di» GxPebttia« zu richten. Druck «ad Verlag von L. Pol» b» Leipzig. .N 845. Sonntag den 18. December 1892. 86. Jahrganz Amtliche Bekanntmachungen. Oeffentliche Sitzung der Stadtverordneten Diittwach. den 21. Teremder 1892, Abends L'/, Uhr t« Ettzungssaale am Raschmarktr. Tagesordnung: I. Bericht des Verfassung;- und Finanzausschusses über Mit theilungen des Rathes, betr. di» Neuregelung der Besoldungen des Polizeidirectors und der bestehenden Rathsstrllen. H. Bericht des BerfassungsausschusseS über nachträgliche Ge- nehmigungsertheilung zu der Proceßeinqehunq aus die Klage des Herrn Franz Günther in Leipzig-Kleinzschocher. III. Bericht des Finanzausschusses über: u. Erhöhung der Position 22 in Conto 1 des diesjährigen Haushaltplanes; b. einen Nachtrag zu dem Haushaltplane der Parochie Leipzig-Plagwitz auf das Jahr 1892; c. schenkwrise Ueberlassung zweier Werthpapiere an die Kirche »gemeinde Leivzig-Lonnewitz: ä. ein Regulativ, betr. die Gehälter der Kirchendiener an den evangelisch- lutherischen Pfarrkirchen in Alt-Leipzig. IV. Bericht des Schul- und Bauausschusses über die Abrechnung über den Erweiterungsbau der Turnhalle der IV. Bezirksschule. V. Bericht des BauauslchnsseS über u. Einführung der Wasser leitung in das Grundstück Restauration zur Mühle in L.-Gohlis; d. Ausstellung eines WasserständerS für die Droschkenstation am Dösener Wege. VI. Bericht des Bau- und OetonomieausschusseS über: Rück- äußerung des Rathes auf die Anträge des Collegiums zu Pos. 8, 8o, 81—90, mit Ausnahme der Pos. 86s, i, t, u, v, rv der Gehaltsliste im Conto 1 des diesjährigen HauShaltplancs. VII. Bericht des Bau-, Oekonomie- und Finanzausschusses über: Ankauf de« Grundstücks Nr. 120 in der Reiyenhainer Straße. VIII. Bericht des Bau-, Oekonomie-, Finanz- und Schulausschusses über: Ankauf des Wezel'schen Grundstücks, Kohlgartenstraßr Nr. 41 in Leipzig-Reudnitz. H Bericht des Oekonoinieausschusse» über: die Belege, betreffend Ueberuahme der gärtnerischen Anlagen um die Leipzig- Lindenauer Kirche herum in städtische Unterhaltung. X. Bericht des Oekonomie- und StistuugSausschuffes über: Er bauung eine» Arbciterwohnhauses auf dem Rittergute Plaußig. XI. Bericht des Oekonomie- und VerfassungSauSschnsses über: Rückäußerung des Rathes wegen der Fußwegherstellung in der Edlichstrahe in Leipzig-Sellerhausen, Conto 38, Pos. 42d. XU. Neuwahlen für die staatlichen Einjchätzungscommisstoneu. 73StückEichen- Klötzev20—S4emMittenst.u. 2—13mLänge, 60 Weitzbucheu- - -20-50 - - -S,5-8.5- - 116 Rüster» » -19-74 . - - 3-14 - - 54 - Eschen- - .19-35 - - -3,5—7 - - 38 - Ahorn« » .20-35 - » - 4—8 - - 32 - Linden- - -20-54 - - - 4—8,5 - - 24 - Ellern- - -19-31 - - - 4-10,5- - 1 * Apfelbaum-Klotz sowie - 26 - » - 6 - * Oeffentliche Sitzung der Handelskammer DtruStag, den 20. December 1892, Nachmittag» S Uhr. tu deren Sitzungssaal«, Nene Börse, Tr. ch. I. Tagesordnung: 1. Registrande. L. Bericht des Herrn Lchiioar über di« jüngst« Sitzung d«S HandelStags-AuSschuffrS. 8. Wahl zur Ergänzung des VSrsen-vorftandeS. 4. Desgl. zur Erneuerung der Eammtsfisn für Notirung der Getreide-, Tel» und Spirituö-Pretsr. b. Bericht des Finanz-Ausschusse» über den HanShaltplan für die Handelskammer und die Börse aus das Jahr 1893. 6. Desgl. des KramerstistungS-AusschusseS Uber den HauShalt- pla» für die Kramerstiftung, einschließlich desjenigen für di« Orffrntliche Handels-Lehranstalt, auf da« Jahr 1893. 7. Berichte des Handelsgesetzgebungs-Ausschusses über u) das Ersuchen des Küuigl. Preutz. Landgericht« zu Erfurt, einen Handelsgebrauch im Lpcditionswesen betr.; d) die Bor- läge de» Raths der Stadt Leipzig, Erlassung eines OrtS- ftatut» für dt« Lohnzahlungen betr. S Berichte des Zoll- und Steurr-AusschusseS über ») die Zu schrift der Handels- und Gewerbekammer zu Lhemnttz, die Auslegung de« Vechselftempel-Gcfetze« betr.; d) den Antrag der Herren Schnoor u. Ben., die vörfensteuer betr.; e) die Eingabe der Firma Ferd. Tcrnau u. Gen., Erhöhung der Tara für Schweinefett betr.; ä) die Vor lage des Könlgl. Haupt-Zoll-Amts hier, Ennäßiguug des Zolles aus Mais zur Starke-Fabrikation betr. Hierauf nichtöffentliche Sitzung: 9. Bericht des Bank-, Münz- und Börsen-AusjchusseS über die Berufungen gegen die Vorsen-Umlag«. 10. Vorschläge de« Finanz-Ausschusses für di« Bertheilung der Erträgnisse de« Untrrstütziings Fonds. ' Lekanntmachuug. Di« Metzbörf« für die Sarn-Judustrie in nächster Nenjahr- messe wird Dienstag, de« 8. Januar 18SS Vormittag von 11—1 Uhr und Nachmittag von 5—7 Uhr in den Räumen der Leipziger vörsenhalle. Neue Börse, hier abgchalten werden. Leipzig, den 15. December 1892. Der Nath der Stadt Leipzh^ riutzholzauclion. Donnerstag, den 2V. Drermber d. I-, sollen von Bor mittags 9 Uhr an aus dem Kahljchlage in Abth. 22s des Eonne- witzer Forstreviers 232 Eschen-, Rüster-, Ahorn- »nd Eichcn-Schirrhölzer unter den im Termine öffentlich aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammrnkunst: aus dem Kahlschlage au der neuen Linie im sogenannten Horste. Leipzig, am 1b. December 1892. De» Raths Forstdeputatio». In Gemäßheit des 8. 1 der Borschristen für die Ausführung von Anlagen zur Benutzung der städt. Wasserwerke vom 6. Februar 1888 machen wir hierdurch bekannt, daß der Klempner Herr Robert Capelle, L.-Kleinzschocker, Hauptstraße Nr. 13, zur Ueberuahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Borrichtungen nachgewiejen hat. Leipzig, den 16. December 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 10350. vr. Georgi. Wolfram. I». L?30. vr. Georgi. liorche. Graf Taaffe und die Deutschen in Oesterreich. «- Wien, 16. December. Seit dem vom Kaiser Franz Joseph endlich genehmigten Rücktritt des deutschen ParteiminislerS Grafen Kuenburg ist die deutschliberale Partei, welche 108 ReichSrathSabgeordnete zählt, wieder völlig als Oppositionspartei anzusehen. Zum Glück bat sich bei den letzten Abstimmungen auch die über lS Mitglieder verfügende „deutsche Nationalpartei" der „Ver einigten deutschen Linken" angeschlossen. Am letzten Mittwoch hat vr. Steinwendcr mit vr. v. Plener über die nothwendige deutsche Einigkeit einen förmlichen Pact geschlossen, von dem wir Hessen wollen, daß er stärker ist als die zur nationalen Selbstzcrsieischuna führende deutsche Streitsucht. Es ist geradezu lächerlich, daß zwei deutsche Parteien, welche beide für die Erhaltung des deutschen BolkSthumS in Oesterreich und für Freiheit, Verfassung und Fortschritt eintreten, sich gegenseitig so oft bekämpfen — zur größten Freude und zum Vortheil ihrer nationalen und reactionaircn Todfeinde. Nach vieler Hinsicht klärend und entscheidend waren die Vorgänge vom 1. und 2. December im österreichischen Abgcordnetenhause. Wie das freisinnige deutjche Bürger thum über die jetzige Regierung denkt, das haben die Ab geordneten Pradc und Vr. v. Plener — ein Jeder in seiner Weise — klar und bestimmt ausgesprochen. Der Vertreter für Reichenberg hat die Behandlung der Deutschen in Oester reich durch die Machthaber Taaffe und Thun geschildert und für seine Behauptungen Beweise erbracht. Den Ausspruch Plener'S, der vor zwei Jahren siel und nun eine Auf frischung erfuhr, daß nämlich niemals schlechter in Oesterreich regiert worden sei, ergänzte Prade dahin, in Böhmen sei niemals ärger zum Nachtbeil der Deutschen gewirtbschastet worden. Auch aus Prade'S Rede kam der Schmerz darüber rum Durchbruch, daß man den Deutschen sogar ihr Vaterland Oesterreich in Frage stellt. Die Rede Plener'S aber war für die Regierung geradezu eine moralische Niederlage. Graf Taaffe und Gras Schimborn saßen nicht aus der Minister-, sondern auf der Anklagebank. Und der Ankläger war der in Plener verkörperte österreichische StaatSgedanke und das in Plener (der seit Jahren redlich einen Weg aus den Wirren sucht) schwer verletzte Vaterlandsgefühl. DaS war kein kleinlicher Parteistreit und kein ehrsüchtiges Streben nach Einfluß, son dern ein männlich deutscher Ruf über die unheilvolle Minir arbeit, die — von Taaffe und Schönborn stillschweigend ge duldet — gegen den Bestand und daS Ansehen dcS Staates gerichtet wird, zu deren Schutz die Minister bestellt sind. Grobe Unterlassungssünden sieben in der Ministeranklage, über die sich auch der Taafsc'sche Humor so leicht nicht hinwegsetzen kann. Bon allen deutschen Seiten ertönt aus freigewordener Brust der Ruf nach Opposition. Man soll unser nationales Bewußtsein und unsere Freiheit nicht ungerügt Niederdrücken. Endlich ist der Faden der deutschen Lammesgeduld gerissen. Di- Deutschen ziehen fS°" «ne Regierung, zu Felde, von der sie anzunehmen da g sichern vermag, noch den Besitzstand des deu scheu -Lolk-S ,u ,.cyer ^rder- für die Zukunft und E.nhe.t d-S R ch°S m t de licken StaatSkunst sorgt., ^ Ictzte ^cr,um ^jscke Aus- zur Herbeiführung des Fn "^. d ^ gle.ck, ist gesch-'tert -, lbn nack d n ^ ^ Weder ">"»» L-LLL'S r?ried n der Völker und d-S Staate- nothwendige Ord- m.ng im Land- bezwecken, während d.c offen und versteckt auf die Zerreißung des Staates (,,vo, nnsches StaatSrecht«) gerichtet sind, ohne d-b b" d°r aieruna aeaen solchen „Hochverrat!»" sich die gewünschte Klar ^k offe^rt Graf Taasi- mag noch so °st betonen, daß die Auslösung der Reichenbcrger Stadtvcrtretung weder geg die Selbstständigkeit der Gemeinde, noch gegen de,, deullchcn Charakter der Stadt gerichtet war — eine besondere Freund lichkcit gegen die Dcutschböhmen und ihre freie Selbstver waltung war angesichts des Deutschenhasses ,n. »Adenen slawiscken Prag" diese Auslosung auf keinen Fall. Und wie cS in Böhmen mit den Deutschen bestellt ist, viel besser 'st es auch in Mähren, Schlesien. Kärnthen und anderen Pro- vinzen de- Staate- nicht bestellt. ^ ;o Von allen österreickischen Polttikern und Patrioten ist augenblicklich vielleicht Plener der Einzige, der -m °stcr- reichische« Zukunft-Programm hat und eS freimütbig ent wickelt. Tie Durchführung desselben wurde auch ohne Schädigung der anderen (den Deutschen feindlichen) Nationalitäten geschehen können. Trotzdem und alledem aber wird nicht ein Plener leitender Minister werden denn er ist ein freisinniger Deutscher —, sondern die Leitung der Staatspolitik behält Graf Taaffe, der offen seine Hilf- und Gedankenlcstgkeit hinsichtlich der Zukunft Oesterreich» ausgesprockcu bat. „Wir müssen erst über die Losung der Sprachenfrage Nachdenken; denken Sie Alle darüber nach ker liebe Gott wird schon weiter Helsen!" In anderen Staaten wird man den Kamps Plener S für die Sraatöeinheit und Staatshoheit gegen einen leitenden Minister wie Taaffe schlechterdings nicht begreifen. Oester- reich ist wirklich ein — einziger Staat. Und der Parlamcn- tariSmuS, der Sieg einer Mehrheit ohne festen StaatS- gedanken, kann erst recht ein Unglück für Oesterreich werden. Nicht nur die deutschnativnale, sondern auch die patrio tische Pflicht, die Liebe und Treue zu Oesterreich und die Zukunst dieses Staates treibt die Deutschen in de» Kr,cg gegen diese Regierung. Und das deutsche Volk kann von seinen Vertretern fordern, daß sie im Abgeordnetenhaus- und im böhmischen Landtag die Opposition rücksichtslos führen, daß sie in schärfster Weise alle verkehrten Maßregeln der Regierung und die Mißstände verurtheilcn, daß sie der Regierung Taaffe'S und Tbun'S bei allen Abstimmungen Verlegenheiten bereiten. „Der Krieg ist der Krieg", heißt eS im französischen Sprich- wort. Und England, raS Reich des Parlamentarismus, zeigt, wie rücksichtslos die der Krone „allergetreueste Oppo sition" stets gegen die Regierung vorging. Unsere deutschen Volksvertreter sollen vor allen Dingen auch endlich daraus dringen, daß die Preß- und Versammlungsfreiheit in Oester reich, die gesetzlich verbrieft ist, überall geschützt wird. Denn ohne diese Freiheit ist die Bewegung der Opposition namentlich nach unten hin gehemmt. Ein Haupterforderniß des Kriege» aber bleibt eS, daß fortwährend au» den breiten Massen de» Volke» neue Kräfte für den Krieg geworben werben und daß der Besitzstand kraftvoll bewacht und verthcidigt wird. Mehr als je ist die deutschnativnale Kleinarbeit geboten. Aus ihr und den Erfolgen derselben müssen die deutschen Abgeordneten Kraft und Mulh zum Kampfe gegen die Re gierung und die slawischen Völkerschaften schöpfen. Deutsches Reich. * Leipzig, 17. December. Die „Leipziger Zeitung", das „Organ der königlich sächsischen Regierung", wie Herr ».Friesen in seiner bekannten Erklärung gegen diese» Blatt betont, läßt keinen Zweifel darüber, daß sie den bestimmten Auftrag hat, gegen antisemitische Aus schreitungen, Wik gegen die Protectoren derselben mit aller Entschiedenheit anszutrcten. Heute richtet da» Blatt an her vorragender Stelle an diese Protectoren mit der Bitte um Antwort folgende Frage: „Den wesentlichsten Punct, in dem wir älteren Conse» vativen uns von den jüngsten Antisemiten unterscheiden, bildet bekanntlich die „Judenaustreibung". Da» Gesetz vom 3. Juli 1869 soll ausgehoben, die Juden sollen aller öffent lichen Aemter für unfähig erklärt und au» dem Lande ge- trieben werden — so verlangen die „Jüngsten". Neuerdings nun ist es bei den Herren Antisemiten Sitte geworden, Stamm bäume zu veröffentlichen. Man übergiebt den Tagesblätlern Geschlecktsnachweise bis ins dritte und viert» Glied, um Len bün digen Nachweis zu liefern, daß alle Aorfahren des Herrn Antisemiten bis hinaus zum Großvater und Urgroßvater biedere deutsche Spieß bürger, ehrbare Staalsbeamte, fromme Kirchenväter oder dergleichen waren. Da« ist ja recht löblich und gut. Wenn es aber der Zufall nun fügen sollte, daß der Herr Urgroßvater, bei dem die christliche Ahnenreih« gerade „abschnappt", ehrlicher jüdischer Abkunst und der christlichen Kirche erst durch das Mittel der Taus« gewonnen war — wie steht es denn mit der Judenaustretbung dann? Bi» zu welchem Glied soll denn der Makel lüdischer Abkunst zurückwirkeu? Die Frage ist so unpraktisch nicht. Bei dem jammervollen Zu stande, in dem der Dreißigjährige Krieg die deutschen Kirchenbücher zurückließ, ist die Zahl der Geschlechter, die ihre Abkunft mit juristi- scher Sicherheit auch nur bis in daS spätere Mittelatter hinauf zurücksühren können, gar nicht so groß, lieber Jeden, der nicht zu dieser bevorzugten Minderheit gehört, schwebt also das Damokles schwert der Judenaustreidung, sobald man den juristischen Nachweis der Abstammung fordert; ganz sicher werden vor dem antisemttstcheu „Wohlfahrtsausschuß", den uns die „Jüngsten" als letzte Blitthe ihrer AgitationSarbeit vielleicht noch bescheere», voraussichtlich nur Wenige sein. Man vergegenwärtige sich nur den Fall einmal praktisch. Nehmen wir an, unser „Jüngster" trage den nicht ganz seltenen Namen Lehmann und sei ersolggekrönter Agitator aus dem Gebiete des jüngsten Antisemitismus. Nehme» wir ferner an, auch der Urgroß- vater habe Lehmann geheißen, bet seiner Geburt jedoch noch den patriarchalischen Namen Levi getragen. Wird der Antisemit Leh mann für die Austreibung des Semiteu-Lehmann auch in diesem Fall« eintreten? Oder hört die Wirkung der semitischen Abstammung bereits beim Großvater auf? Oder schon beim Vater? Wo ist da die Grenze? U. A. w. g." Berlin, 17. December. Die Steuervorlagen sind vor den Ferien de» Reichstags nicht mehr zur Verhandlung gekommen, werden aber in den ersten Plenarsitzungen nach Neujahr alsbald den Reichstag in erster Lesung beschäftigen. Sic werden jedenfalls in eine Commission verwiesen werden» sei cs, wegen ihres engen Zusammenhangs mit der HerreS- Resorm, in die Militaircommission, sei eS in eine besondere. Die Entscheidung Uber die Steuervorlagen kann natürlich erst erfolgen, wenn sich daS Schicksal des Militairgesetze» und der Umfang des durch dasselbe entstehenden finanziellen Mehr- bedürfnisseS erkennen läßt. Ein vollständiges Scheitern de» MiiitairgesetzeS würde selbstverständlich das Fallenlassen der Steuerprojecte sofort mit sich führen. Kommt aber eine Verständigung zu Stande, so ist eü wohl möglich, daß in Folge de» Nachlasse»- in den militairischen Forderungen auch nur ein geringerer Betrag an neuen Einnahmen erforderlich ist, als >ctzt in Aussicht genommen, und der Umfang und finanzielle Ertrag der Steuerprojecte ermäßigt werden kann. Im Allgemeinen erfreuen sich die Steuer vorlagen auch in solchen parlamentarischen Kreisen, die be reits ernstlich mit der Notywendigkeit der Beschaffung neuer Einnahmen rechnen, keiner besonderen Beliebtheit. Der Erhöhung der Biersteucr stehen insbesondere Rücksichten auf eine gesunde Volksernährung entgegen, der vor geschlagenen neuen Regelung der Branntweinsteuer die Abneigung gegen die Aufrechterhaltung des vollen Steuer- unterschiedS zwischen dem privilegirten und dem andern Branntwein, der Erhöhung der Börsenstcuer die Voraus sicht, daß bei der gegenwärtigen wirthschastlichen Lage die Erträge weit hinter der Schatzung zurückblciben und daher mit den Erschwerungen des Verkehrs in keinem rechten Ein klang mehr sichen werden. Indessen ein annehmbarer Vor schlag, die etwa nöthiq werdenden Mehreinnahmen auf anderem Wege zu beschaffen, >st bisher nirgends aufgrtaucht und kann auch nicht austauchen. Erweisen sich neue Einnahmen in Folge der Militairreform als nothwcnoig, so ist eS unvermeidlich, den Bedarf aus den vorliegenden Vorschlägen, die allerdings noch erhebliche Kürzungen erfahren dürsten, zu entnehmen. 6. R. Berlin, 17. December. Es ist der Gedanke angeregt worden, einen Fonds zu sammeln, um daraus strebsamen bildungsfähigen jungen Leuten aus den verschiedensten l Bcrufszweigen, technischer und rein wissenschaftlicher Arbeit, > die Möglichkeit zu verschaffen, durch den Besuch der Au». Feuilleton. Lchachtelspielwaaren. siaLdrvck «ersereii. Keine Kinderzeit ist denkbar ohne Näscherei und Spielzeug. Erfahrungsgemäß erfreut aber daS kindliche Gemüth am meisten daS Spielzeug, welche- — am leichtesten zerbrochen werden kann. Diese löbliche Eigenschaft besitzen in hohem Grade die meisten Spielsachen auS Holz, in den Augen spar samer Eltern daneben aber den Vorzug, daß mit etwa- Leim und einem Nagel die Wunde sich leicht wieder heilen läßt, welche ebenso oft Unverstand als Muthwillen dem lieben Spielzeug zuaefügt hat. Hierzu kommt der Vorzug einer erstaunlichen Billigkeit, so daß bis in di« ärmlichste Hütte eine Schachtel Spielwaare» den Weg zum Weihnachtstisch findet. Im Handel werden diese billigsten aller Spielsachen zuweilen noch als Nürnberger Maaren bezeichnet, aber von dort kommt wohl eigentlich die wenigste Holzwaare: Thüringen und vor Allem daS sächsisch« Erzgebirge sind die Gegenden der Anfertigung und neben Grünhainichen, Eppendorf, Wald kirchen ist der Ort Griffen, auch Seifen geschrieben, der Mittelpunkt eine- Bezirke» der Holzwaaren-Jndustrie, speciell aber derjenigen Spielwaare», die al» Schachtel«aare über die ganze Welt verbreitet ist. Wo siegt Seiffen? Im Erzgebirge. Mancher Großstädter sagt sich dabei, oben im Gebirge, wo, wie H. Heine einmal aussprach, von Obst nur gebratene Acpfel reis werden und der Sommer einem grünlackirten Winter gleicht. Bequemer al- vor Jahren gelangt man allerdings jetzt mit dem Dampfroß über Flöha nach Olbernhan, welche- bereit- der Stapelplatz der Sciffener Industrie geworden ist; in kurzer Zeit wird die Eisenbahn jedoch bi» Seiffen selbst Vordringen und dann mag jeder Naturfreund neben dem idyllisch im Wald gelegenen Bad Einsiedel und dem am rauschenden Flöhafluß malerisch gelegenen Schloß Purschenstein, neben Be steigung de- aussichtreichen Schwarten- und de» waldgeschmückten Ahvrnoergc», auch seine Aufmerksamkeit zuwenven dem Seiffener Grund, in dessen Mitte der Ort Seiffen gelegen ist. Hier wie in den umliegenden Ortschaften Heidelberg, Heidelbach, Neuhausen, Ober- und Niederseiffenback, Deutsch- katharinaberg u. A. sieht man freundliche Häuser mit hübschen Vorgärten und wird nicht bereuen, rin solche» Hau» einmal betreten zu haben. Ist die Bestellung de» Kartoffelacker» beendet, ist der Segen an Heu und amerikanischer Knollen frucht durch Einernlen dem oft unerwarteten Frost entzogen, so kennt der Bewohner dieser Ortschaften keine andere Be ziehung zur Natur, als den Wunsch, daß der durch seine Stube geleitete Bach nicht ganz versiegen möchte, denn wo irgend möglich, muß da» zu Thal fließende Wasser dir M-nsckrntraft unterstützen. Der Kraft bedarf e» zur Bewegung der Drehbänke, die von den Männern bedient werden, welche da» rohe Stück Holz zuerst in Behandlung nehmen. An» möglichst astlosen Scheiben von Fichtrnstämmen werden Reifen gedreht, welche dadurch verwerthbar werden, daß sie in Ü9—60 l- 70 m schmale Segmente zerlegt werden. Nun erst erkennt man, wa« diese reifenartigen Holzstücke für einen wertbvollcn Inhalt bargen. Ein Schock Thiere liefert der eine, ein Schock Menschenkörper der andere. Ob nun aus den ersteren Löwen oder Ochsen, Pferde oder Büffel werden sollen, bestimmt die N-ignng der Verfertiger, die Gewohnheit de» betreffenden Hause» oder auch Nachfrage und Bestellung, ebensowenig aber wartet man, ob der russtiche oder französische KriegSminister Soldaten braucht, man fertigt dieselben regimenterweise an und für Deutschland in gleicher Weise bedarf es nicht erst der Genebmigung von Millionen durch den Reichstag, da» deutsche Heer w»rd in ungezählten Massen auf den Markt geworfen, wenn auch die Nachfrage nach schwarzen Land-leuten etwa» di« Abnahme der deutschen Truppen beeinträchtigt haben soll. Wir aber entsteht diese Vielseitigkeit? Betrachten ^ d>- anderen Bewohner dcS Hause». Die Frauen und Kinder, d,e alten Bewohner und Nachbarn sitzen eng zu- kämmen ,n dem Arbeitsraum, einfache Instrumente, ein H^'-ner, .-,nig- Farbentöpfe und Leim bttdrn d.e Hilfsmittel, um mit Beifügung von Ohren "°psb-deck,mgen. Gewehr-.,, ost auch von Nasen Armen und Beinen diese Vielsachen 2 Arb-i,«tb-il.,na und Gewand- P i« erkiel.en b»artig-Massenartikel -inen »»ü ^ - i°st unglaublich erscheint. In die ^ ^fertigten Schachteln wervcn in Sorti- menten von M-nagerten, Bauernhöfen. Colonialanstckclungcn b.e Truppen ,n Krieg-sormation-n eingelegt, die Schachteln zu den Verlag-geschästcn in Tragkörben geschafft, von diesen aber al» Frachtfuhre in Kisten verpackt, der Eisen bahn zugesührt, um von hier au- die Reise in die weite Welt anzutreten. Wie bei so vielen Berbrauch-artikeln veranlaßt erst dieser Transport und der Verdienst der Zwischenhändler einen Preis, von dem die Verfertiger da» Wenigste erhalten. Die schön angestrichenen wilden und zahme» Tbiere werden fertig gelieArt für 1'/» bi» 2 Pfg. per Schock, ebenso viele stramme Soldaten, so vollständig einander gleich, wir es sich der strengste Feldwebel nur wünschen könnte, müssen schon sehr complicirte Aus rüstung haben, wenn sie mit l3 Pfennigen bezahlt werden sollen. Die zarten Kinderhände, oft bi» rum jüngsten Lockcnkovf herab, müssen aber helfen an Bemalung, Bewaff-, nung, Anleimen von Nasen und Armen rc., wenn ein ge schickter Arbeiter in einem Tage 40 Schock, also ein Regiment fertig stellen soll. Es ist schon oft die Mäßigkeit, Einfachheit und Bescheidenheit unserer erzgebirgischen Bevölkerung ge rühmt worden, aber hier, in dem Seiffener Spiclwaaren- bezirk, reicht selbst diese nicht au», um Elend und Noth fern zu halten; ost bleiben Aufträge aus, oft fehlt billige» und geeignetes Rohmaterial, zuweilen die geringe nothwendige Wasserkraft, oft gerathcn die einzig vorhandenen billigen LebcnSmittel, die Kartoffeln, schlecht, und dazu kam neuer dings die Bekämpsung der Staaten durch Schutzzölle, wodurch sich da- benachbarte Böhmen durch eine hohe Mauer abschloß, so daß Holz nicht von dort und Waare nicht dahin gelangen konnte, und die bekannte große Erschwerung für Absatz in Nordamerika entstand. Leider war für die Seiffener Spielwaaren bi- vor nicht
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