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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-19
- Monat1892-12
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Daß der Verlauf des konservativen Parteitages, auf dem Herr von Hammerstein Sieger blieb, abermals die Keime zu solchen Conflicten und Differenzen gelegt bat, tritt niit jedem Tage klarer hervor. Nachdem der Reichskanzler sein abfälliges Urthcil über den Verlauf dieses Parteitages geäußert bat, ergreift die osficiöse Presse aller deutschen Einzelstaaten das Wort, um dem Reichskanzler bei- zupslichtcn und daraus hinzuweisen, daß die Negierungen nicht in der Lage seien, der Mehrheit, die auf jenem Parteitage siegreich war, auf dem betretenen Wege zu folgen. Und wenn die Regierungen sprechen, so brechen natürlich auch solche conservative Kreise, die den Regierungen besonders nahe stehen und die vornehmste Ausgabe der Conservative» in der Unterstützung der Regierungen erblicken, das Schweigen. So finden wir heule im „Adels- und Salon- dialt" eine Besprechung des conservative» Parteitags, die mit ihrem Tadel des Verlaufes nicht zurückhält. Es heißt in dieser Besprechung: „In den wesentlichsten principicllen Puncten steht auch das neue conservative Programm ganz aus dem Boden des Programms von 1876, welches jetzt nur mit Bezug auf die die Gegenwart und die nächsten Jahre beherrschenden Tagessragen eine präcijere Form erhalten hat. Die Erhaltung und Kräftigung der christlichen Lebens- anjchauung in Volk und Staat und ihre praktische Belhätigung in der Gesetzgebung ist auch schon früher von der konservativen Partei a!s eine Grundlage von gesunder, staatlicher Entwickelung angesehen worden. Man hätte deshalb sehr gut aus dein Parteitage den Latz in dem Programmentwurf bestehen lassen tonnen, welcher die Ausschreitungen des Antisemitismus mißbilligt. Wir li'gcn die feste Hoffnung, das; mit der Streichung dieses Satzes der Parteilag nicht hat aussprechen wollen, daß er die Ausschreitungen des Antisemitismus billigt. Dann hätte allerdings die conservative Partei einen Theil ihrer alten ruhmreiche» Traditionen ausgegebcn und einen -chritt in das demokratische Lager hinüberaethan. Daß Conservativen die konfessionelle christliche Volksschule a/s oie Grundlage der Bolkserziehung betrachten, haben sie bei der Be- raihung des Zcdlitz'schen Entwurfes eines Bolksschulgejetzes deutlich gezeigt. In den grüßten Theilen unseres Staatsgebietes ist die konfessionelle Bvlksichule von jeher Regel gewesen, in den östlichen Provinzen ganz ausschließlich. Tie Zeiten sind vorüber, wo man glaubte, durch die gemischte Schule und die gemischte Ehe den konfessionellen Frieden fordern zu können. Tie vreußische Ver fassung hat das Richtige getroffen, wenn sie behutsam sagt: „Bei der Einrichtung der Volksschulen sind die konfessionellen Verhält- nisse möglichst zu berücksichtigen." Weiter aber zu gehen, liegt heute weniger Grund vor, als bei Berathung der Verfassung iin Jahre 184S. Es sind neue Provinzen in unseren Staatsverband geirrten, in welchen die Simuttanschuten ganz ausicrordcntlich segens reich wirke». In den Landestheilen mit grötztentheils polnisch redender Bevölkerung ist die preußische Schule aber noch auf Jahr zehnte eine Nothwendigkeit, wenn nicht das Deutschthum in der- selben verschwinden soll. Es lassen sich also auch gegen den Satz des conservativen Programms, welcher die christliche Volksschule als tie Grundlage jeder Volkserziehung betrachtet, gewichtige Be denken nicht ganz abweisen." Der bedeutungsvollste Passus der Besprechung lautet aber fclgendermaßen: „Es ist nur dankbar zu begrüßen, wenn eine große angesehene Partei sich auf ei» festes, alle schwebenden Fragen berührendes Programm einigt. Ob das bei dem conservativen Parteiprogramm nicht auch möglich gewesen wäre, ohne daß ein Theil der bis« herigen Anhänger desselben zum Austritt genöthigt wurde, wollen wir hier nicht erörtern." DaS citirte Blatt betrachtet hiernach den Austritt eines Tbestes der bisherigen Anhänger der conservativen Partei Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 66j ' Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Während Marie tief in Gedanken versunken dasaß, hüpfte Susette munter bin und her, schlüpfte wie eine Eidechse durch die Büsche zur Rechten und Linken, um irgendwo ein Guck loch zu finden, das die Aussicht auf den von Buderode kom- inciiden, über den Kamm des Hügels hinführcnden Weg ge sittete; ja sie legte sich ans den an die Büsche angrenzenden Nasen bin, um wie eine Nothbaut ein fernes Pferdegetrappcl leiser vernehmen zu können. Und in der Thar, es klang von scrnber wie Rosscsbufen und auch Marie vernahm den Klang. Susette war emporgesprungen und blinzte die Gebieterin nnl schlauem Lächeln an. „Doch nicht etwa Dein Basilio?" fragte Marie ärgerlich. ,O) nein . . der findet eber de» Stein der Weisen, als « zu Pferde steigt! Ter würde sich gut auSnebmen, hoch zu :>ikg . . wie ein Häufchen Unglück, daS man in die Steig- biigel festgeschnallt hat. Bor dem sind Sic sicher.. da käme lechstcnö das Roß allein an und er läge irgendwo in den Püschen. Nein, der ist'S nicht, doch ich will gleich sehen . ." Wer cS auch sein mochte, cS war für Marie eine unwill kommene Störung. Konnte sie nicht cininal hier, vor jtbem Uebersall gesichert, ihren Gedanken nackhängen? Das Pferd hatte offenbar seine Gangart ermäßigt . . . irie es schien, führte es der Reiter am Zügel . . . denn man hörte seine Schritte neben dem Husschlag des Rößleins . . dann ein Flüstern hinter de» Büschen. „Kommen Sie nur", tönte jetzt auf einmal laut und ver nehmlich Susettcn's Stimme; „ich babe Ihnen sagen lassen, t^ß Sie hier eine wichtige Miltheilung erhalten werden . . >::!v cS ist schön von Jbnen, daß Sie gekommen sind. Die Neugierde gilt zwar für ein Erbtbeil Eva's, doch auch Akam wollte gern wissen, wie der Apfel schmeckt. Tic Männer sink alle ebenso neugierig, wie die Frauen . . und ich babe mich nicht vergeblich an die Neugierde kcS gnädigen Herrn ge- als unabwendbar und sagt damit das Schärfste, was gegen den Lerlauf des Parteitages sich sagen läßt. DaS österreichische Abgeordnetenhaus ist in die Weihnachtsferien gegangen und soll erst am 17. Januar wieder einberusen werden, welcher späte Termin vom Grafen Ta affe absichtlich gewählt ist, um Zeit zu den Verhand lungen wegen Bildung einer festen Mehrheit zu gewinnen. Waö seit Beginn der Session geleistet wurde, ist kaum der Rede Werth. Mit Hilfe des „abgekürzten Verfahrens" sollte das Budget bis zum Jahresschluss fertig gestellt werden, allein es wurden nur einige Capitel erledigt, da die parla mentarische Krise dazwischentrat und mit dem Bruche zwischen der Bereinigten deutschen Linken und dem Cabinet Taaffe der Fortgang der regelmäßigen Arbeit ins Stocken ge riet!). Die Regierung erhielt statt des verlangten drei monatigen ein zweimonatiges Budgetprovisorium bewilligt und damit hat Graf Taaffe wieder eine kurze Frist gewonnen. Die Haltung, welche die Bereinigte Linke seil der Auseinander setzung mit dem Grafen Taaffe beobachtet, läßt leider annehmcn, daß sie mit der Eventualität einer Wiederannäherung des EabinctS rechnet und sich zunächst auf daS Abwarten zu ver legen gedenkt. Die maßgebenden Persönlichkeiten der Bereinigten Linken geben sich anscheinend der Erwartung hin, Graf Taaffe werde sich denn doch entschließen oder durch die Noth- wendigkcit dazu gedrängt sehe», die Bildung einer festen, ständigen Mehrheit in die Hand zu nehmen. Nach der officiösen „Montagsrcvue" wird hierbei an die Zuziehung der jungczcchischen Fraclion nicht gedacht, sondern Gras Taaffe will die künftige Mehrheit nach wie vor aus der deutschen Linken, dem Eoroniniclub, den Polen und jenem Theile des Hohenwartclubs bilden, der mit dem zu entwerfenden Pro gramm einverstanden ist. Vielleicht sind dem zurückgetretcncn Minister Graf Kucnburg, um dessen Verbleiben im Eabinelc Graf Taaffe sich so sehr bemühte, in dieser Richtung An deutungen gemacht worden. Anders wäre eS kaum zu ver stehen, daß die Linke, deren Wähler zu einer entschiedenen Opposition gegen die Regierung drängen, die günstige Ge legenheit beim Budgetprovisorium nicht dazu benutzt hat, dem Cabinet ernste Schwierigkeiten zu bereiten. Es fragt sich aber, ob die Linke sich nicht einer gefährlichen Täuschung hingiebt, wenn sic die Initiative zur Majoritäts- bitdung nunmehr vom Grasen Taaffe erwartet und seine Entschlüsse abwarten zn können glaubt. Graf Taaffe thut nichts, Was er nicht muß, unv wenn die Linke fort sährt, ihm das Budget zu bewilligen, so wird er sich gerade nicht gedrängt fühlen, auf ihre Idee» und Forderungen cin- zugchen. Mit der Zeit könne» sich dann für ihn Mittel und Wege zur Bildung einer Majorität gegen die Linke finden, und mit der Budgetvcrweigerung, die jetzt, wo noch die Jungczechcn principielle Opposition machen, unfehlbar dem Ministerium sehr unheilvoll werden müßte, würve die Linke dann nichts mehr ausrichten. Es fehlt in der Presse der Bereinigten Linken nicht an warnenden Stimmen, und ein Blatt erklärt gerade heraus, die Linke nenne sich eine Staatspartei, allein was sei das für eine Slaalöpartei, welche jeder Negierung, auch einer solchen, deren StaalS- maximcn sie für schädliche hält, die Mittel zum Wciter- regieren gewähre? Die seit gestern aus Paris eingelaufencn Mitthcilungcn sind von geringer Bedeutung. Es hat sich im Lause des Sonntags kein weiterer Zwischenfall in der Panama- Asfaire ereignet. Der Grundbesitz von Ferdinand v. Lesseps, dem Bruder des Carl v. Lesseps, kommt im Januar zur Lersteigerung, dock weiß Jener, welcher leidend ist, nichts davon. Es handelt sich offenbar darum, das Privat- vennögen Lesseps' gegen die civilgerichtlichen Ansprüche der Panama-Actionaire zu sichern. Bis jetzt wurde noch keine Haussuchung auf des alten Lesseps' Schloß Lachesnaie vorgenommen. Seine Gattin ist sehr Lesaßt, sie stickt ihn vor der Kenntnis; der Verhaftung des Sohnes zu sckützcn. Frau Lesseps fürchtet durchaus nickt den Proccß, da die Unschuld ihres Mannes und Sohnes sonnen klar daraus hervorgehen werde. Die Familie Lesseps erkält die rührendsten Beweise der Sympathie aus der ganzen Welt. Der Gcneralprocuratvr Tanon ordnete die Prüfung der Geschäftsbücher aller Pariser Zeitungen an, die angeblich Reclamcgelber der Panainagcscttschaft erhielten. Der Ber- waltungsralh Cottu traf am Sonntag Abend in Paris ein, uni die Untersuchungshaft anzutrctcn. Wie verlautet, sollen während der Weihnachtsferien zahlreiche Verhaftungen von Abgeordneten bevorstebcn, da in Frankreich die Ferien die parlamentarische Immunität unterbrechen. London ist bekanntlich die grösste Stadt der Welt, cs ist ein wahres Ungeheuer unter den Ansiedelungen der Mensch heit, wer aber glaubt, daß diese Riesenstadt nun auch an der Spitze der vernünftig, zweckmäßig und den Anforderungen der Neuzeit entsprechend eingerichteten Gcmciudcvcrwaltungeu marschirl, der befindet sich im Jrrlhum. Im Gegentbcil, es haben sich in der Londoner Communatverwaltung eine Menge sogenannter Zöpfe erbaltcn, die ibr schwerlich zur Zierde und zur Wohlfahrt gereichen. Es bat sich nun in der englischen Hauptstadt ein Rcformvcrein gebildet, der die Auf gabe einer Säuberung ihrer öffentlichen Zustände in die Hand nebmen will. Eine in diesen Tagen abgctmllcne Versammlung -tiefes Resormvereins dürste einen Wendepunct in der vielköpfigen Verwaltung der Stadt London bilden. Trotz des GrafschastS- ralhs ist London immer noch ein Pfarreicnlal'yriiitb, ans welchem die Eity als einzige geordnete Corporation bcroor- ragl und ihren Privilcgicnstolz der Anglicderung der übrigen Stadttheile entgegensetzt. Tic Conservativen haben das Verdienst, den Grassckastsrath geschaffen zu haben; die Gerechtsame der Eity anzutastcn, zauderten sic; auch gelang es ihnen nicht, den GrasschaftSrath politisch farblos, wie ursprünglich beabsichtigt!, zu er halten; die radicalen Elemente gewannen darin die Obcr- band, und augenblicklich ist er, gleich dem neuen Rcformvcrein, ein Anhängsel der liberalen Regierung, ein wirksamer Bun desgenosse bei zukünftigen Wahlen. Zwei Minister wohnten der Versammlung bei, Lord Roscbcry als früherer Prä sident des Grafschastsratbcs, und ASgnitb, der aufstrebende Minister des Innern, beide bemübt, England zu zeigen, daß Home Nule nicht der alles verschlingcnbc Minotaur des jetzigen EabinctS sei. Wie Alles, was Rosebery spricht, war auch seine Eröffnungsrede von Humor und Sackkenntniß ge sättigt, und höchst zutreffend erschien sein bildlicher Berglcich Londons mit den übrigen Stadtgenieinden Englands, die längst eine einheitliche Verfassung besitzen. Letztere kommen ihm vor, wie der Atblct Milo, der mit dem Kalb begann und schließlich einen Ochsen hob; London aber ist ein Riese, der als Kind in der Wiege lag, als Jüngling sein Bett nicht verließ, und jetzt, da er ansstehen und geben soll, wie ein hilfloses, ungefüges Menschenkind einherwankt. Dem Re- sormverein steckt Rosebery zunächst zwei Ziele: erstens die Umwandlung des Cily-Lord-MayorS in ein wirkliches Stadt oberhaupt, und zweitens, eine allgemeine Grundsteuer, wobei denn die bisher unantastbare City in erster Linie bluten muß. Das; sich in den Grafschaflsratb und den Ncformverein viele ehr geizige Elemente cindrängen, die gern Stadtrath und Staats rath spielen möchten, läßt sich nicht leugnen; auch ist nicht zu verkennen, daß das zukünftige geeinigte London mit seinen fünf Millionen Einwohnern die politischen Geschicke Groß britanniens anders beeinflussen wirb als das jetzige Niesen- dorf; daß es aber, wie Paris, der Wasserkopf Englands werden wird, davor wird cs der gesunde politische Sinn wendet. Oder gehen Sie hier auf Abenteuer aus? Sie wußten, daß Sie mick hier finden würden . . ei, ei, was würde Ihre Fräulein Braut dazu sagen! Erst freilich müßten Sie mit Basilio Kugeln wechseln. Doch kommen Sic —! Dort auf der Bank plaudert sichs bequemer; ich kann Ihnen besser sagen, was ich Ihnen mitzutheilcn habe . . oder . . vielleicht sagt es Ihnen eine Andere." Wie erschrak Marie, als auf dem Fußpfad aus dem Gebüsch Enrico hervortrat: cS war ein freudiger Schrecken; da stand er vor ihr, das verfehmte Bild ihrer Träume.. siegcSgewiß in jugendlicher Frische und doch voll männlicher Kraft. Und auch er erschrak, freudig zugleich und angstvoll wie sie; denn der Zauber ihrer Nähe balle cs ibm angelhan; er hatte ein Gesübl, als stände er vor einem langersehnten Glück; aber er durste ja nicht die Hände danach ausstrecken; cs war ja schon ein Frevel, daß dies Empfinden auf einen Augenblick seiner Herr wurde. Mitten in diesem Aufleuchten des Entzückens konnten sie Beite die Frage nicht unterdrücken, wie jie hier zusammen kamen? Keiner wagte es dem Andern zuzulrauen, daß er diese Zusammenkunft gewollt habe — und so trafen sie Beide das Richtige. „Ich wußte nicht . begann Enrico. Da hörte man Susettcn's Stimme, die sich mit dem lustig wiehernden Schimmel zu schassen machte. „Friß nur, mein Pferdchen, friß! Ich habe den Zucker für Dich initgebracht. Andere Leute brauchen nicht allein Süßigkeiten zu naschen." „Es ist abscheulich von Susette . sagte Marie, „eine böswillige Ueberlistung . . sie weiß es ja, daß wir nnS nicht sehen, nicht sprechen dürfen." „Eine Kammerzofcnintrigue", versetzte Enrico, „man weiß, woraus das hinaus will." „Dock, da es nun einmal so gekommen . . wir dürfen uns ja wie zwei Freunde begegnen und ruhig von unseren Erlebnissen sprechen." „Das dürfen wir . . und so setzen Sie sich ans die Bank neben mich; reichen Sie mir die Hand . . das ist nichts Unerlaubtes. O, ick babe Ihrer immer gedacht mit bitterem Web über Ihres Vaters Schicksal!" „Eö ist vielleicht besser so für ibn . . gewaltsam mußte Alles zerstört werten, was der krankhaften Aufregung seines Gemüthes stets neue Nahrung gab. Dann lenkt er vielleicht wieder ruhig in das rechte Gleis zurück. Ich kann indes; frei auf dem Gute walten und wirthschaftcn . . und cs war die höchste Zeit. Die Versicherungssumme» sind uns für den Brandschavcn auSgczahlt worden: die Scheuern werden neu aufgebaut; cS gehl jetzt Alles seinen sichern Gang. Meine arme gute Mutter bat der Schlag hart getroffen und darniedergeworscn; doch sie richtet sich jetzt wieder auf. . die freigebige Hand der Frau Locca hat des Vaters Schulden bezahlt." „Wohl um Nora's willen?" versetzte Marie, nicht ohne Zögern; es war ihr schwer, diesen Namen auszusprcchcn. „Es ist eine ebenso reiche, wie gute Verwandte! Was sic thut, sie thut eS meiner armen Mutter zu Liebe, der auch ick jedes Opfer zu bringen bereit bin. Doch auch für Sie, liebe Marie, ist eine schlimme Zeit gekommen. Gras Febrcntbal verhaftet . . wegen eines Mordversuchs . . ich wohnte in demselben Hotel mit ibm; ich habe davon sprechen hören." „Er ist wieder seinem bösen Nervenleiveii verfallen, und ich selbst. . ich bin sehr unglücklich, Enrico . . ich trage die Schuld, daß eö zu der schrecklichen Thal gekommen ist; ick rang mit dem Gedanken, mich von ihm loszusagen; mir war eine frühere Thai enthüllt worden, die mich an seiner Ehrenhaftigkeit zweifeln ließ. Frau Abraham hatte mir das mitgethcilt . . das erregte seinen Zorn gegen sic, er stürmte wild in die Nacht hinaus. Mich von ihm lvSsagcn, tonnt' ick dies? Mein Vater und ach . . meine Mutter . . dock ich hätte sie ernährt mit meiner Hände Arbeit; aber.. Sie kennen ja meine Eltern, wenn sie nickt im Glanze leben können, so würden sie den Tod verziehen." „Doch jetzt . ." versetzte Enrico, „jetzt, nachdem eine Thal geschehen, welche den Grasen zum Verbrecher »lackt?" „Ich hoffe auf eine mildere Bcurthciluiig derselben. Toctor Bingen eröffnet- mir die Aussicht daraus. Jetzt, wo er ins Elend aeratben ist, das ich selbst mit verschuldet, jetzt ist es meine Pflicht, treu bei ihm auSrukarren. Mein Plan steht fest . . wird er in eine Heilanstalt gebracht, so mietbe ick mick dort auck ein als seine Pflegerin. Er hat den Meinigen Gutes gcthan, sic vom Untergang errettet ... ick habe ibm die Schuld des Dantes abzuzahlen. O, daß ick dies nur einen Augenblick vergessen konnte. Daß ick einem answallcndcn Gefühl folgte, einem Gefühl, dem ich auck jetzt noch Recht seiner Bewohner bewahren muffen. Jedenfalls ist seine Einigung nur noch eine Frage der Zeit. Es mcbren sich die Anzeichen dafür, daß Schweden, das im Begriffe siebt, seine Landarmec zu verstärken und zu rcorganisiren, auch mit einer Vervollständigung seiner Flotte nicht mehr lange wird säumen können. Einen neuer lichen Weckruf bildete in dieser Richtung ein vor Kurzem in „Stockholms Dagblad" veröffentlichtes Schreiben des eng lischen Admirals EolombS über die „Möglichkeit Schwedens, sich gegen seinen einzigen wirklichen Feind, nämlich Rußland, zu vertbcidigen", sobald die neue Heeresordnung durchgeführt sein wird. Rach der Ansicht des englischen Admirals genügt es für diesen Zweck durchaus nicht, daß Schweden über ein Heer von 200 000 Mann verfügen kann; es müßte außerdem die Flotte entwickelt werden, denn cS sei wahrscheinlich, daß ein etwaiger Angriff Rußlands nicht von der Landgrenze her im hohen Norden, sondern von der Seefeste erfolgen werde. Wenn dieses Land in den Stand gesetzt werden solle, einen solchen russischen Angriff mit Erfolg abzuwehren, dann müsse eö über eine beträchtliche Anzahl von kleineren Schiffen nnv von Torpedobooten zweiter Classe verfügen, denn in diesem Falle würde cs für jede feindliche Flotte mit den größten Gefahren verbunden sein, sich den schwedischen Küsten zu nähern, welche durch ihre natürliche Gestaltung für eine erfolgreiche Bcrtbeidigiiiig besser geeignet seien als irgend eine andere Küstcnstrecke der Welt. In Norwegen, so wird der „Polst. Eorr." geschrieben, bat die Annahme des neuen Heeres- ordniiiigogesetzes durch den schwedischen Reichstag allgemein einen tiefen Eindruck gemacht. Die Zeitungen der unions- frciindlichen Partei äußern sich sehr befriedigt über die Durch führung der neuen schwedischen Heer-Organisation, und selbst ein so ratieales Blatt wie „Berdcns Gang" erklärte, daß die Norweger die Schweden, „ihre Nachbarn und Kameraden in Krieg und Frieden", zu der bevorstehenden Verstärkung ihrer Bertlicidiguiigsträftc mir beglückwünschen könnten. Das Blatt knüpft daran den Hinweis auf die Nothwendigkeit, auch das arg vernachlässigte Berthcidigungswcscn Norwegens zu verbessern. StambiNow bat seinen Willen durchgesctzt. Mit allen gegen fünf Stimmen hat die bulgarische Svbranje die Vortage angenommen, welche die Bersassunqs - Lende rn ng betrifft. Das; zu deren Ergänzung ein Ausschuß gewäblt wurvc, ist rein nebensächlich. Er wird an der Vor lage nichts streichen, den Sieg Stambulow's nicht beein trächtigen. Wie groß dieser Sieg ist und welches unbegrenzte Vertrauen die bulgarischen Volksvertreter zu dem leitenden Staatsmann ihres Vaterlandes haben, das kann man ermessen, wenn man sich den Eindruck vergegenwärtigt, welchen die Nachricht von der beabsichtigten PcrfassungS- Revision hervorrief. Er war überall ein peinlicher, und man zweifelte daran, daß die Sobranje einem Entwürfe zustimmcn werde, den noch in diesen Tagen der ehema'.ige Minister StranSky als eine Gefahr für das Land bezeichnet«:, der bei den besten Freunden Bulgariens Befremden erregte und nicht mit der politischen Nothwendigkeit gerechtfertigt werden kan». Und trotzdem haben sich nur fünf Männer unter mehr als dritthalbhundcrt gesunde», welche gegen die Vorlage stimmten. Allerdings hat Staiiibillow der öffentlichen Meinung Con- cessionen gemacht und die ursprüngliche Vorlage in manchen Puncten gemildert. Zwei derselben sind sehr wesentlich. Sie betreffen die Artikel .18 und 86 der bulgarischen Verfassung. Der crstcre schreibt vor, daß der Fürst von Bulgarien und seine Nachkommen sich zur griechisch- orthodoxe» Religion bekennen müssen, daß jedoch der erste erwählte Fürst, wenn er einer anderen Religion angebört, diese beibehaltcn könne. Artikel 86 bestimmt, daß aus je zchiltauscnd Einwohner ein Vertreter in der National-Ver- gebc, mag die Welt auch darüber die Achseln zucken ... ich muß cs schwer büßen. Nur das Eine vergaß ich . . . ich habe kein Recht mehr, meinen Gefühlen zu folgen ... o wie anders, Enrico, wenn ich nicht hätte darauf verzichten müssen! Wozu die Welt, die Menschen, konnten wir nicht hier in der Eiiilamkcit glücklich sein? Die Wipfel rauschen über uns, unter uns ... die Sonne geht still ihren Gang . . . schon wirft sie einen röthlicken Schein über die Wälder und Fluren . . . ach, wenn in so mildem Abendglanz die Seelen verschmelzen . . . das wäre der Frieden, daS wäre das Glück!" O jetzt hätte Enrico das liebliche Mädchen in die Arme schließen, an'ö Her; drücken mögen in seligem Selbstvergessen. „O wir hätten uns nicht Wiedersehen sollen", sagte er, sich gewaltsam beherrschend, denn aus ihren Augen blickte ihm die pflichtvergessene Sehnsucht jener Liebe entgegen, welche wie eine Naturgewalt die Herzen bannte. Und diese regte sich auch in ihm selbst; doch er bezwang sich, als wäre das Mädchen an seiner Seite eine unnahbare Berg- und Waldfce, an deren Krone zu rühren ein Verbrechen ist. „Auch ich habe Pflichten zu achten", sagte er, „Pflichten gegen ein Mädchen von seltener Schönheit des Charakters und von großem Edclinnth. Ich achte sie ... ich be wundere sie, aber zwischen unsere Liebe tritt ein un begreifliches Etwas. Sie liebt mich und ich werde diese Liebe nicht täuschen; doch cs ist oft, als wäre sie nickt für daS Glück der Erde geschaffen. Sie lauscht besonderen Osfcnbarliiigcn, sic bat ein Nervenleben, daS von Einflüssen berührt wird, die ii»S fern sinv; sic hat den Blick in die Ferne, den Zug in die Ferne, und darüber geht die Freude am Nächsten verloren. Sie hat die Ahnung der Zukunft, eine oft überraschende Sebcrgabc, sie glaubt an einen Genius, der über ihrem Leben schwebt, der ibr räth und befiehlt, welche Pfade sie wandeln soll. Uns Männern der TageS- arbcit ist diese Hoheit nachtwandelnder Seelen wohl an- stalinenswcrth; aber sic wandest über unseren Häuptern hin; sic gebt uns nicht zu Herzen Und dock schlägt in Nora's Brust ein edles Herr. Und wär cs nickt ein uiikcrgcßlickcs Unglück, daß ich Tick verloren habe ... ick würde im Besitze eines solchen Wesens noch glücklich sein lönncn." (Fortsetzung folgt.)
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