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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892122001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892122001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-20
- Monat1892-12
- Jahr1892
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I. .V z» 2. beziehentlich für Fleisch- und Fleischwaarcn, sowie Fische durch die Bekanntmachungen vom 20. und 27. August l. I. fest gesetzten Zeilen betrieben werde. Leipzig, den 19. December 1892. X. 10878. Ter Rath der Stadt Leipzig. De. Georgi. Brägel. Bekanntmachung. Nach 8- 57 der Schulordnung für die hiesigen städtischen Volks chulen vom 2. Januar 1891 sind in den Schulausschutz für das Jahr 1898 2 städtische ständige Volks,chutledrer von den räudigen Lehrern und Lehrerinnen dieser Schulen zu wählen. Die Wahlhandlung wird Mittwoch, den 21. dieses Monats, Nachmittag3-6 Uhr im Saale der I. höheren Bürgerschule stallfinden. Zu einer giltigen Wahl ist absolute Stimmenmehrheit er- orderlich; nur wenn eine solche auch im zweiten Wahlgange nicht erreicht wird, entscheidet im dritten Wahlgange die relative Stimnienuiehrheit. Tie Stimmberechtigten werden hiermit zum Erscheinen im Wahl termine und zur Vornahme der Wahl geladen. Leipzig, am 14. December 1892. Ter Vorsitzende des SchulauüschusseS. Walter. Bekanntmachung. Die Mrtzbörse für die Leder-Industrie in nächster New jahrsmesse wird Montag, den 2. Januar 1893, Nachmittags von 2—4 Uhr im Saale der „Neuen Börse" hier abgehalten werden. Leipzig, den 4. Noveinber 1892. Ter Naiv der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Morche. Bekanntmachung. Die nächste Ncujahrsmeffc beginnt mit dem 2. Januar 1893 und endigt mit dem 15. Januar 1893. Eine sogenannte Vorwoche, d. h. eine Frist zum Auspacken der Maaren uud zur Eröffnung der Metztocale vor Beginn der eigenü lichcn Messe, hat die Neujahrsmesse nicht. Jede frühere Eröffnung, sowie jedes längere Offenbalten der Metztocale in den Häuiern, ebenso das vorzritige AnSpackcn an den Ständen und in den Buden wird autzer der sosortigr» Lchlikizniig jedesmal, selbst bei der ersten Zuwiderhandlung, mit einer Geldstrafe bis zu 75 oder entsprechender Haft geahndet Verden. Leipzig, den 4. November 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Morche. Bekanntmachung. Es ist neuerdings, insbesondere in den westlichen Borortsbezirken zu bemerke» gewesen, datz der Sand, welchen unsere Margall-Ber- wallung auf üffeiillichcn Stratzen und Plätzen hat ansahren lassen, von Grundstücksbesitzern zur Bestreitung der Fußwege vor ihren Grundstücken weggeholt worden ist. Dieser Sand ist jedoch lediglich zur Verwendung durch die Arbeiter unserer Marskalls-Berwaltung bet Glatteis auf den von der Stadtgcineinde zu reinigenden Autzwegen und Futzwegübergängen bestimmt, während für die Beschaffung des Materials zur Bestreitung der Fußwege vor Privatgrundstücken die betreffenden Grundstücks besitz» selbst zu sorgen haben. Wir unterlagen daher jede Wegnahme derartigen Sandes und weisen darauf hin, datz die Zuwiderhandelnden sich einer strafbaren Handlung schuldig machen und die durch daS Strafgesetz angedrohte Llrase zu gewärtigen haben würden. Leipzig, den 14. December 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig Eiche Io. 6497. I)r. Georgi. iichoriu». Gefunden oder akS herrenlos angcmeldet resp. abgegeben wurden in der Zeit vom 1. bis 15. December 1892 folgende, zum Theil auch schon früher gefundene oder von verübten Diebstählen herrührende Gegen stände: Portemonnaies mit 43 -/! 15 -4, IS 26 -4, 16 58 12 37 ca. 7 >1. 3 .« 72 -4, 3 58 >4 und mit geringeren Beträgen, 2 Geldbeträge von je 3 ct»e goldcnr Herrrn-tthrkette. rt»e kleine Taschenuhr init eiugravirter Landschaft, einige Brillen, darunter eine aoldenc, et» goldener »Hemmer, ein neusilb. Klemmer ein goldener Herrcnrtng mit sogen. Blutstein, ein goid Damenring, ein gold. Medaillon, eine große K»vse»Denk> münze, mehrere Lcthhansschcine, ein Schirm, 2 Spazier stöcke, 3 Taschentücher, 1 Ttzv. Handtücher und einige Wischtücher, ein Sammetbeutel mit Strickerei, ein Packet mit wollenem Garn, Band re., rin gestreiftes Taillentuch, ein gröberer und kleinerer Tamen-Piüschkragen, ein Filzhut, ein Gummischuh, ein alter Winterüberzieher und eine Partie Kupser-Draht, eine graulcinenc Decke, mit Borde eingefaßt, eine wollene buntgestreifte Pferdedecke, ein Paar und eine einzelne alte dergl,, eine Handwaagc, mehrere Schlüssel, ein Packet Vorlegeschloss», ein kleiner Schraubstock, eine Kiste mit Holzformen, eine Niste mit ca. 4 Ttzd. Vttäser», eine größere Wagen-Sperrleisle, ein Handjchlitten nnd rin 2rüdrigcr Handwagen mit hellgelbem Anstrich. Zur Ermittelung der Eigenthüm» wird dies hierdurch bekannt gemacht. Gleichzeitig fordern wir auch Diejenigen, welch« im October und November vorige» Jahres Fnndgegenslände bei uns abgegeben haben, aus, diese Gegenstände zurückzusordern, andernfalls hierüber den Rechten gemäß versiigt werden wird. Leipzig, den 16. December 1892. Tas Polizeiamt der Stadt Leipzig. Bretschlieider. Ml Tie Offenhaltung d» iitütkrabscrttgnngSstrllrn »nd Güter schippen der fämmtlichen Leipziger Bahnhöfe findet künftig an den drei Messen nur noch am letzten Sonn- brzw. Festtage vor deren Beginn für den Empfang (Abholung und Muhr) — aiiSichließlich der für den Bormittagsgotlesdienst fest gesetzten Zeit — und am ersten Sonntag während der selben für den versandt und Empfang — ohne jede Unter brechung — statt. Für die Etlgntabsertigungrn haben die gleichen Bestim mungen Giltigkeit, soweit diese Stellen nicht ohnehin schon an Sonn- »nd Festtagen für da- Publicum geöffnet sind. Leipzig, den 17. December 1892. LSntgl. Vktrtebsohrrinsvertione« I «nd H, zugleich im Namen der königl. preutz. Eisendahn-vetriebsämter verltn, Halle a. L Magdeburg (Wittenberge-Let-ztg) und Wrttzrnsrl«. Ditbstaljlg-Ütkanntmachung. Gestohlen wurde laut hi» erstatteter Anzeige: 1> ein rother Carton. hufeisenförmig, mit schwarzer Sammeb einlage, enthaltend 26 Stück Cravattennadeln von Golddoublö, am 13. d. M,: 2) eine silberne Tainrn-Rcmontairuhr mit Goldrand, gerieft» Rückseite mit Schildchen, silb. Cüvelte, goldenen Zeigern mit Sternchen, owie anhängender kurz» Loublrkrtte mit Quaste und Anhänger in Hnzsorm, am 17. d. M.: 3) eine dunkelbraune Violine, am oberen Ende mit dem rin- gekritzelten Namen „X. Xekrkelck 1858" in einem schwarzen Geigen ästen mit deiectem Schloß, inwendig ein alter und neuer» Zettel mit der Aufschrift: Xltenus Ltrucluariu», Oremouensiz kaeiedat" bezw. „August Lleioel", am 15. d. M.; 4) ein brauner Papp-Carton, e»th. eine Frauentaille von grünem Wollstoff, mit grünieidenen Puffärmcln, grünem Einsatz mit rother Stickerei, Perlenvcrzierung und der Firma „llartwauu L OratL, Teipriie" im Taillcnbande, am 11. d. M.; 5) ei» Havelock, ziemlich neu, braungestreift, mit Kragen, braunen Stcinnußknöplen, Stoffhenkel und hellgrau-gestreiftem Fntt», am lO. d. M., 6) ein schwarzer Gebrock, säst neu, mit einer Reihe schwarzer Hornknüpse, Bvrdeneinsassung, Billettäfchchen und Stoffhenkel mit der Firma ,ck. vorn, voip^i«", am 14. d. M.; 7i rtn Wtnterüberrtehrr, getragen, von dunkelblauem, glattem Stoff, mit schwarzem Sammetkragen, schwarze» Sleinnußknöpsen mit verdeckt» Batterie, gelbbraunem gestreiften Fntt» und Kettchen henket, am 15. d. M.; 8) 8 Stück Spazicrstöckc von Eiche, mit Hirschhorngriffcn, neusilbernrn Ringe» und ebensolchen Zwingen, am lO. d. M.; 9) 8 Packele in grauem Papier, enthaltend eine Lnantität Posamenten, 16 Kisten Cigarren ü 166 Stück und bezw 1 Paar Herrenstiefetettr», neu besohlt, am 26. v. M.; 10) ein grüner Weidciikorb, enthaltend: rin französisches und englisches Wörterbuch, 2 Packctc mit 2 bezw. 6'. m Leinewand, eine Partie wollenes Gar», künstliche Blumen, 1 Paar Handschuh. 1 Paar Schlittschuh und diverse geräucherte Fletschwaarrn, am 5. d. M.; 11) rin graulrinener Sack ohne Zeichen, enthaltend 17 Kilo Mandeln und Citronat. am 12. d. M.; 12) ein Kübel Margarine, 18 Kilo schwer, mit dem Signum ,.U. k'. 0. 71699", am 6. d M.; 13) rin Ballen mit rothgestreiftem Jnletzrug, 10 Kilo schwer, signirt „0. 3.". am 14. d. M.; 14) eine Brückenwaage, mittelgroß, ziemlich neu, grün ge strichen, mit 10 Cent»» Tragkraft, am 15. d. M., 15) rin Handwagen, vierrädrig, blaugestrichen, mit ziemlich neuen ungestrichenen Leitern und der Firma „k. IV. bictwnüerr, Volllinnrsckort", am 10. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder üb» den Thäter sind ungesäumt bei unser» Lriminalabtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 19. December 1892. Ta» Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretschneider. seit „Deutsche Politik Lismarck's Entlassung 1890 1892". Bon H. Wiermann. (Berlin, Verlag von Conrad Skopnik, 1893.) Dem obigen Titel nach müßte man eigentlich eine ei» gebende sachliche Kritik der wichtigsten Acte der Politik des „neuen Curses" erwarten, beispielsweise der Handelsverträge der Colonialpolitik, der Landgemeindeordnung für die oft licken Provinzen Preußens, der Sieucrgesctze, deS Volksschul gesctzcntwurfü rc. Allein von einer solchen ist nur tbeilweise und nur mehr beiläufig die Rede. Den Hauptinhalt deS Buches bilden Betrachtungen und „Enthüllungen" über das, was man als „die Politik hinter den Coulissen" bezeichnen könnte, d. h. über den Antbcil, welchen an der „Deutschen Politik" der letzten zwei Jahre einerseits der Träger der Krone persönlich, andererseits dessen verantwortliche Nathgeber, die Minister, und an erster Stelle der neue Reichskanzler, daneben aber auch wohl allerhand „unverantwortliche" Personen in der Umgebung des Kaisers nach des Verfassers Kenntniß von den Dingen gehabt haben sollen. Der Ver fasser bat offenbar bei Allem, waS er sagt, aus sehr intimen Quellen geschöpft. Die Zuversicht, mit welcher er überall da spricht, wo es sich um das Verbältniß des Fürsten Bismarck zu der neuen Ordnung der Dinge »nd ihren Ver tretern bandelt, läßt cS als kaum zweifelhaft erscheinen, daß er sich der Richtigkeit seiner Behauptungen durch Erkun digungen an erster Stelle vergewissert hat. Auch erinnern seine Ausführungen vielfach an beglaubigte Acutzerungen des Fürsten gegenüber von Besuchern und Interviewern oder an Darlegungen in den dem Fürsten »abestehcnden „Hamburger Nachrichten". Unter dieser Voraussetzung gewinnen selbst verständlich die hier gegebenen „Enthüllungen" einen ganz besonderen Werth. Vieles von dem, waS wir hier lese», ist bereit« ans den oben bezeichneten Wegen in die Ocffcnt- lichkeit gelangt, allein mehr nur vereinzelt, bruchstückweise; hier wird eS unter bestimmte Gesichtspunkte gebracht und dadurch zu einem Gesammtbilde verarbeitet. Ter erste Abschnitt — mit der nicht ganz zutreffenden Ueberschrift: „Die politische und sociale Umwälzung nach Bismarck" — beschäftigt sich mit den Umständen, unter welchen die Entlastung deS Fürsten erfolgte. Da wird zuerst die neuerdings wieder in gewissen Preßorganen ausgcwärmie Legende, al« ob schon Kaiser Wilhelm I. daran gekackt habe, sich von BcSmarck zu trennen, schlagend widerlegt; da wird ebenso überzeugend nachgewiesen, wie Kaiser Friedrich III., obschvn er früher (in der ConslictS- zeit) Biömarck'S Gegner gewesen, dock schon 1878, wo er als Kronprinz nach dem Nodiling'schcn Attentat Stellvertreter eines schwerverletzten Vaters war, sich der Dienste Bismarcks nach seiner dereinskigcn Thronbesteigung im Voraus versickert und seinerseits diesem seinen Entschluß, ibn in seinem hoben Amte zu bestätigen und zu erhalten, kundgegeben habe. Da wird endlich, um zu zeigen, wie wenig Bismarck an einen so jähen Bruch zwischen dem jungen Kaiser und ihm, wie er gleichwohl erfolgte, habe denken können, auf verschiedene zweifellose Kunvgebuiige» des Kaisers verwiesen, welche dessen Hochschätzung des greisen Staatsmannes bezeugt kalken, so aus jenen Toast, den er als Kronprinz am 1. April 1888 ausgcbracht und worin er den Fürsten Bismarck als den „Bannerträger" bezeichnet?, „welcher,nachdem derFührer(Kaiser Wilhelm I.) gefallen, festen Fußes voranschreite", so aus jenes noch am letzten Tage des Jahres 1889 an den Fürsten er lassene Telegramm, worin cS hieß: „Ich bitte Gott, er möge Mir in Meinem schweren und verantwortungsvollen Herrschcr- berusc Ihren treuen und erprobten Rath noch lange Jahre erkalten." Wenn gleichwohl noch nicht drei Monate daraus Bismarck sich genöthigt sab, seine Entlassung zu nehmen, und zwar unter Umstände», welche eine Wiederannäherung zwischen dem Monarchen und dem in Ungnade gefallenen Staatsmann«: zwar nicht als unmöglich, aber doch als äußerst schwierig erscheine» ließen, so hätten, wie der Verfasser meint, die allcr- viclseiligslen Einrede» auf den jungen Kaiser zu diesem Ergeb- mß mitgewirkt — Einreden „von militairischen Seiten, von Privatleute», welche daS Ohr des Kaisers suchten, von Col lege» des Kanzlers, von conservativen FractionSsührern und von bökeren Stellen aus". ES möge dahingestellt bleiben, ob wirklich, wie hier berichtet wird, einer der höchsten RcichS- beamicn nächst dem Kanzler die Worte gesagt hat — ganz im Sinne jener sogenannten tlnttLiw hrugque, wie sie unter den Hosleutcn Ludwigs XIV. Brauch war —: „Wenn Ew. Majestät dem großen Friedrich nachstrebcn, so müssen Sie vor Allem den Fürsten Bismarck beseitigen!* Mit großer Pietät wird in der vorliegenden Schrift von der regierenden Kaiserin und deren Verhaltniß zu dem Alt reichskanzler gesprochen. Die geheimnißvolle Annäherung Windtborst's an Bismarck ganz kurz vor deS Letzteren Sturz findet hier einigermaßen ihre Aufklärung. In dem Abschnitte „Kanzlerfehde" werden diejenigen Acte des neuen Kanzlers scharf betont, welche eine entschiedene Feindseligkeit desselben gegen seinen Vorgänger athmctcn und Letzteren z» einer ebenso entschiedenen Abwehr nöthigten. Als einen solchen Act bezeichnet die Schrift das Circular vom 23. Mai 1890, worin die Gesandten des Reichs angewiesen wurden, den Regierungco, bei denen sie beglaubigt seien, anzudeuten, daß den durch die Presse verlautbartcn Acutzerungen des Fürsten BiSmarck „ein actueller Werth nicht bcizulegcn sei", — eine Anweisung, die allerdings den stärksten Conlrast bildete zu den Schlußworten des kaiserlichen Entlassungs decretS für den Fürsten, in denen „dis Zuversicht" auö gedrückt war, „daß deS Fürste» Rath und Tbatkraft, seine Treue und Hingebung auch in Zukunft dem Kaiser und dein Vaterlande nicht fehlen würden". Ferner rechnet der Ver fass» dahin die Thatsache, daß Kaiser Wilhelm II. beim ersten Iabresweckscl nach der Entlassung Bismarcks die Absenkung eines Glückwunsches an diesen „ans den Rath deS Herrn von C^aprivi unterlassen habe". DaS Stärkste von Allem endlich sei icncr dem Fürsten aus seiner Reise nach Wien (zur Hochzeit seines Svbncs) nachgcsandte „Steckbrief" gewesen, welcher die vom Kaiser Franz Joses dem Schöpfer des deutsch-österreichische» Bündnisses von 1879 in der entgegenkommendsten Weise ge wäbrte Audienz wieder rückgängig machte. Ucbrigens spricht der Verfasser es als seine Ueberzeugung aus, daß nicht so sebr diese persönlichen Angriffe des neuen Kanzlers auf den alten, als vielmehr die von der seinigeii abweichende Politik des Ersteren den Letzteren bewogen hätte, mit seiner Gegenstellung gegen seinen Nachfolger nicht zurückzuhaltcii. Was damit hauptsächlich gemeint ist, bekundet der Titel deS dritten Abschnittes „Ein conservativ klerikales Ministerium". In diesem Abschnitt werden scharfe Schlaglichter theilö aus einzelne Minister und Inhaber Kober RcichSämter, theilö aus die Gcsammtregierung, die preußische wie die deutsche, ge worfen, insbesondere auch mit Bezug auf deren Annäherung an das Centrum. Dem preußische» Ministerium wird Mangel an Einheitlichkeit und an Selbstsländigteit gegenüber dem „per sönliche» Regiment" vorgeworfen. BiSmarck, wird gesagt habe aus Beibehaltung der bekannten CabinetSordre von 18'>2 darum bestanden, weil nach seiner Ansicht sonst „die ganze Einrichtung des preußischen Ministerpräsidenten dem persön liehe» Regiment Platz machen würde, welches letztere immer in der Geschichte ein Regiment der Camarilla, der gegenüber die Minister in de» Schallen traten, gewesen sei." „Er hat da durch", fährt der Verfasser fort, „am Schluffe seiner amtliche» Laufbahn gegen seine persönlichen Interessen (bekanntlich war es jene CabinetSordre, welche den Haiiptanlaß zum Sturze des Fürste» gab) ein Zcugniß für die Nützlichkeit unserer constitu- tioncllen Zustände abgegeben, für welches ibm die aufrichtigen Freunde der Verfassung und der durch sie gewährleisteten Antheilnahine des Volkes und seiner Vertretung an der Re gierung nicht genug dankbar sein können." Die drei letzten Abschnitte des BuckeS, „Die englische und die russische Gesellschaft in Berlin", „Aus der diplomatischen Welt", „Politik »nd Kriegfübrung", beschäftigen sich wesent lich mit der auswärtigen Politik Deutschlands. Hier tritt daS Sachliche vor dem Persönlichen in den Vordergrund, und eS werden — immer, wie man annchmen dar nach bester Information an autoritativer Stelle — be deutsame Winke gegeben über die rechten Wege einer zielbewußten deutschen Politik und darüber, inwieweit von diesen Wegen abgewichen worden sei, womit zugleich angedeutct wird, wie man auf diese reckten Wege zurückkehren könne. Doch wir müssen, um unsere Besprechung deS Buches nicht über Gebübr auszudehnen, rücksichtlich dieser wichtigen Ab schnitte auf letztere« selbst verweisen, waS wir übrigens auch in Bezujz auf die früheren Abschnitte in der schon im Ein gange ausgejprochenen Annahme thun, daß wir bier noch ganz etwas Anderes, als die bloS subjektiven Ansichten unv Angaben de« Verfassers der Schrift vor uns haben. . X. L Deutsches Reich. ss. Berlin, 19. December. Da« große Antisemiten-Angeln, das die Conservativen mit ihrem Parteitag und ihrer Prvgrammäiiderung beabsichtigten, erweist sich schon jetzt als mißglückt. Und es ist Niemand anders als die „Kreuzreitung", die Seele des ganzen Unternehmens, die den Mißerfolg sest- lellt. Daß die Conservativen in Berliner Antisemiten-Ver- ammlungen unangenehme Dinge über ihr Verhalten in der Ahlwardt'schen Immunitäts-Angelegenheit zu hören be kommen, hat nicht viel zu sagen, es müssen aber nock ganz andere Anzeichen dafür vorliegen, daß der 8. December ein Fehlschlag gewesen ist. Denn di« „Kreuz peilung" bricht in die beweglichsten Klagen über die anti- emitische Undankbarkeit auS: „Sie (die Antisemiten) haben kein Wort der Anerkennung für daS gehabt, was aus dem Parteitag in ihrem Sinne geleistet worden ist. Wohl aber ind sie mit ihrer Krittelei sogleich zur Hand; weil die con- ervarive Partei, obwohl sie zur Iudcnsrage bestimmte Stel lung genommen hat, auch andere Rücksichten gelten läßt, als es die auf antisemitische Votksthümlichkeit sind, wird sie schon verketzert, fast des „Verraths" geziehen." Die „Kreuz- zcitung" weiß sogar zu berichten, daß die Antisemiten einen „Kleinkrieg" gegen sie und ihre Freunde planen. Es iolgen bittere Vorwürfe, daß Ahlwarbt nach dem conservativen Parteitag noch dasselbe Ansehen und Vertrauen genießt, wir vorher. Die „Kreuzzeitui.g" in ihrer Verblendung hatte es nämlich anders erwartet und erlebt nun die wohlverdiente und seine engeren Gesinnungsgenossen werden sich auch in diese Lage bald gefunden haben und, da sie den AntisemitiSmS nicht zu führen vermögen, sich von ihm führen lassen. Für den weniger scrupelloscn und überdies gesellschaftlich be engte» Freiherrn v. Mantcuffel ist die Verlegenheit eine weit größere. Nicht der in das Programm ausgenommen« atz gegen da« Iudentkum, wobl aber der weggebliebene gegen die Ausschreitungen der Antisemiten bildet für die nicht n allen agitatorischen Stücken fälligen Conservativen eine elbstgelegte Schlinge. Nachdem die Mißbilligung der anti semitischen Ausschreitungen einmal vom Parteivorstande be antragt war, bedeutet der Verzicht auf diesen Passus veS Pro gramm« geradezu die Billigung Ahlwardt'scher Excesse. Anders ist die Beschlußfassung des Parteitags auch von der großen Mehrheit der Theilnebmer nicht aufgefaßt worden. Nun ist die Erhaltung des Mandatbesitzes auch für einen Baron Man- teusscl eine Huldigung für den Antisemitismus Werth, aber der Schmerz ist, daß der Lohn für die Selbstverleugnung nicht gezahlt wird. Die Antisemiten — und da« haben die klügeren Conservativen, die sich vom Parteitage zurück- bielten, vorausgeschen. — Die Antisemiten betrachten da« Enlgegenkommcii deS Parteitages als einen Act der Noth- wendigkeil für die Conservativen, sie sind der Meinung, daß der ConservatiSmuS obnc den „Tropfen antr- semitischcn OcleS", mit dem er sich am 12. December gesalbt hat, dem Tode geweiht wäre. AuS diesem Grunde sieht sich der Antisemitismus nicht nur nicht zu der von der „Kreuz- rcilung" so schmerzlich vermißten Dankbarkeit gemüßigt, er findet vielmehr, daß durch die Anerkennung des antisemitischen Gedankens, dessen Vater und berufener Träger ja dock er ist, die konservative Partei sich in die Gefolgschaft der Anti semiten begeben und demgemäß sich als Gesührte und nicht al« iführerin zu betrachten habe. Und diese Auffassung ist insofern berechtigt, als der Parteitag in der Thal nichts weiter producirt bat, als eine positive Erklärung gegen die Juden und eine negative für den Antisemitismus. Wenn die.Kreuzzeitung", wie angeführt, dem antisemitischen Geiste, der den Köder von der Angel gefressen, ohne hängen zu bleiben, jetzt vorhält, baß die conservative Partei „noch andere Rücksichten gelten läßt, als eS die auf antisemitische Votksthümlichkeit sind", so war davon in der Paricipresse und namentlich auf dem Parteitage nicht das Geringste zu merken. Beschlossen hat der Parteitag außer dem Iuden-PassuS gar nichts Greifbare«, »nd der Ton der MchrheitSrcdner verrieth ausschließlich die Absicht, die antisemitische Volkstbümlichkcit für die Partei zu sructisiciren. DaS trat überall, am schärfsten in dem wüsten Lärm hervor, mit dem die warnende Stimme des Kamiiierherrn von Blumenthal niedergeschrien wurde. Die „Kreuzzcitiina" und ibre Gefolgschaft, sowie auch Frhr. von Manleussel haben Anspruch aus jenes eigenartige Mit leiden. das man den Dupirtc» zuwendet, nicht aber auf Anerkennung einer politischen Redlichkeit, die sie nicht an den Tag gelegt haben. Voraussichtlich ernten die Deutschconser- vativen de» gleichen Lobn für die gleiche Sünde, die sie in St» b»i-Marien wer der begangen, indem sie den Polen den Wahlkreis in die Hände spielten. Der UltramontaniSmuS, selbst wenn er ein ehrlicher Geschäftsfreund wäre, kann den Conservativen niemals vergüten, was sie durch die Abkehr von ihren nationalen Ucberliescrunqen einbüßen. Für da« „deutsch" in ihrem Partcinamcii haben sie sich durch die Unterstützung eines Polen die Anführungszeichen ebenso redlich verdient, wie für das „conservativ" durch die Rechtfertigung des Demagogischen. 0. N. Berlin, 19. December. Die Socialdemokraten hatten seiner Zeit durch den Stadtverordneten Stadthagen den Antrag eingcbracht, der Magistrat möchte Einrichtungen für eine geordnete ärztliche Untersuchung und lieber» wachung de« Gesundheitszustandes der Schulkinder der Gemeindeschulen schassen. In der Novembersidung kam es darüber zu sehr lebhaften Debatten; der größere Theil der Stadtverordneten glaubte den Antrag nicht ganz von der Hand weisen zu können, da in ihm ein gesunder Kern stecke, und beschloß daher, den Antrag dem Magistrate mit dem Ersuchen zu überweise», denselben zunächk derDeputationfür öffentliche Gesundheitspflege zur Vorprüfung zu über geben und sodann eine entsprechende Vorlage zu machen. Der Magistrat ist jedoch nicht gewillt, diesen Beschluß der Mehrheit der Stadtverordneten-Bersammlung zur Ausführung zu bringen. So ständen wir vor einem kleinen kommu nalen Conslict» wenn nicht in der nächsten Donnerstag- sitzung, in welcher die Antwort des Magistrat« aus den Be schluß der Stadtverordneten-Bersammlung zur Sprache kommt, einzelne Stadtverordnete ihr Votum ändern. Der Magistrat ist
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