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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921223013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892122301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892122301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-23
- Monat1892-12
- Jahr1892
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Aborruementspreis f» der Hanptexpeditioa oder den im Stadt» tezirk and den Vororten errichteten Au«» »«bestellen abgeholt: vierteljährlichst 4ckH »ei zweimaliger täglicher Zaslellaag in» Haas 5L0. Durch di« Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: dierteliäbrlich >l ü.—. Direct« tägliche Kreuzbandsendung iu< Ausland: monatlich 9.-- Die Morgenausgabe erscheint täglich'/,? Uhr, die Abead-Ausgabe Wochentag- 5 Uhr. Nedaction un- LrpeLition: JshanueSgaffe 8. Die Ervedition ist Wochentag- ununterbrochra geöffnet vo» früh 8 bi» Abend- 7 Uhr. Filialen: ktts klemm- e-rtim. Hahtl). Uaiversität-ltrab« 1, LonI» Lösche. -athariaeustr. 14, pari. and König-Platz 7. Anzeiger. Lrga« für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Jusertionspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Reclamea unter dem Redactiou-strtch (4 g«» spalten) 50-H, vor den Familieanachrichtn» (S gespaUra) 40-4- Größer« Schriften laut unser«, Preis verzeichnis Tabellarischer und Zissrrnjatz »ach höherem Daris. Vrtra-Vetlage» (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördekuog 00.—, wlt Postbesörderung ^ll 70.—- Annahmeschluß für Znserale: Abeud-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 UHL Sonn- und Festtaa- früh '/,S Uhr. 8«i de» Filialen und Annakmestcllea j« edm halde Stunde früher. Inserat« sind stet- an dt« Ertzetzitt«» zu richten. Druck and Berlag von E. Pol> in Leipzig. ^-654. Amtliche Beklutnlmachungen. Wnhllachts-Näälneivkrkkhr. Bei dem Postamt 10 (Packet-Postamt, HoSpital- straße) und dem Postamt 4 (Miihlgasse), sowie bei den Postämtern in den einverleibten früheren Bor orten von Leipzig findet die Paiketausaabe am ersten Weihnachtsfeiertag (25. December) wie an den Werktagen, am zweiten Weihnachtsseiertag (26. December) wie an Sonntagen statt. Bei dem Postamt 1 (Augustusplay), woselbst nur die als postlagernd bezeichnten Packte zur Aushändigung gelangen, ist der Packetausgabe schalter an den gedachten beiden Feiertagen wie an Sonntagen — von 8 bis 9 Uhr Vormittags und von 5 bis 7 Uhr Nachmittags — geöffnet. Leipzig, 21. December 1892. Ter Kaiserliche Ober Postdireetor. Walter. Bekanntmachung. Den uns zur Kenntniß gebrachten Wünschen entsprechend, haben wir beschlossen, am Sonnabend, den 24. d. M., die Markthalle auch während der Zeit von 1—1 Uhr Nachmittag» für den Marktverkehr offen zu halten. Leipzig, am 22. December 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi.Lindner. Bekanntmachung. Da die Bezeichnung der unserem Stadt-Steueramte Vorgesetzten Beamten alS: „Steuerbuchhalter" uud „Steuer-Bicebuchhalter" dem Wesen der mit diesen Stellungen verbundenen amtlichen Obliegen heiten und Verrichtungen in keiner Weise mehr entspricht, so haben wir beschlossen, den» seitherigen Buchhalter den Titel: „Obersteuer inspector" und dem Bicebuchhalter den Titel: „Steuerinspector" beizulegen. Leipzig, am 20. December 1892. Str.-Reg. 1 ä,. 2775. Ter Rath der Stadt Leipzig. 187b. vr. Georgi. Frenzel. Nutzhoh-Äuclion. DikNStgg, den 3. Januar 1893, sollen von Vormittag« 9 Uhr an im Forstreviere Connewitz die auf dem Mittelwald, schlage in Abth. 7». dem sogenannten Apitzsch, ausbereiteten Nutzhölzer, als: ca. Ä) Elchen- Klötze v. 32—118 cm Mittenst. u. 2,ü— 9 m Länge, « 42 Weißbuchen- - - 25— 48 - - - 3 — 7,5 - 3 Ahorn- » - 19— 24 - » - 4 — 6 » 13 Eschen- » - 22— 38 » » »3 — 9,5 - 23 Nüstern- » - 18— 50 - » » 5—13 < » 15 Ellern» » » 19— 35 » » » 4,5— 8 - 1 Kirschbaum-Klotz- 29» .»4 --u. - 1 Apfelbaum « 33 » » » 4,5 sowie 33 Eschen, unter den im Termine und Rüstern-Lchirrhölzer öffentlich aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: aus dem Holzschlage im sogenannten Apitzsch der hohen Brücke an der Zwenkauer Straße bei Connewitz. an Leipzig, am 21. December 1892. De» Raths Aorftdeputalton. ca. Nutz- und Lrennhch-Auclion. Mittwoch, den 4. Januar 1893, sollen von vormittags 9 Uhr an im Forstreviere Connewitz, Abth. 7a und 11a, dem so genannten Apitzsch Eichen-Rntzscheite, Eichen» > Weißbuchen- > Vrennscheite, Rüstern- 1 starker Abraum- und Schlagreisig (Langhaufen) öffentlich aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem Holzschlage im sogenannten Apitzsch an der Hohen Brücke bei Connewitz. Leipzig, am 21. December 1892 De« «alh» Forstdeputalion. unter den 6 Nmtr. . 57 . . 1 » . 2 - > 50 Haufen > 4b im Termine Bekanntmachung. Von Herrn Kaufmann verthold Siegt»«»«» hier ist unS der Betrag von 800 zu Weihnachtsgaben für in den Alt-Leipziger Armcndistricten wohnende Arme, welche keine öffentliche Unter, slützung erhalten, überwiesen worden. Mit herzlichstem Danke bringen wir die« hierdurch zur öffent- lichcn Kenntniß. Leipzig, am 22. December 1892. Das Armendireetortum. 4. k. 1266. Heaischel. N. Bekanntmachung. Kasernen-Rrudau in Varna detr. Die Ausführung der Tischler-Arbeit-n zu dein Maunschafts-, dem Untrrofficierwohn- und dem Wirthschasl-gebäud«, einschließlich Lieferung aller Materialien, soll vergeben werden. Ti» Berdingungsanschläg» sind gegen Hinterlegung von 1>t bei dem Unterzeichneten Stadtrathe zu entnehmen. Eine Probe-Thür ist im hiesigen Stadthause, 1. Grstock, zur be- liebigen Ansicht ausgestellt. Die allgemeinen und speciellen Bedingungen können bei dem Unterzeichneten Stadtrathe oder bei Herren Architekten 8el>mlckt sd sobllxo in Leipzig, Weststraße 10. eingesehrn werden. Di« Angebot« sind mit entsprechender Aufschrift versehe» bis Sonnabend, den 31. December 189», Rachmttta,» S Uhr UN den Unterzeichneten Stadtrath einzuseudrn. Tie Auswabl unter den Bewerbern und die etwaig« Ablehnung wer Gebot« behält sich der Stadtrach vor. Borua, am 21. Decembrr 1892. Der Stabtraktz. Lösch,». SreitaH den 23. December 1892. Zchönefeld. Ausschreibung. Für den Renban eines zweiten SchulgrbiindcS sollen weitere nachstehende Arbeiten vergeben werden: 1) Tischserarbcitrn, 2i itzlase»arbeiten, 3) Schlosserin beiten, 4) vlltzabtrituuasarbeitcn, 5) Klrmpiicrarbriten, L) Tachdeckerarbrtten, 7) Maler- «ud Anstreichcrarbeite». Die Anschlagsformulare nebst Bedingungen können von beule ab gegen Erlegung der Copialgebühren im hiesigen itzcmcinücaiiitc entgegengenomnien werden. Ebendaselbst sind auch Zeichnungen und Vertragsbedingungen cinzuseben. Die Angebote sind versiegelt und mit entsprechender Aufschrift versehen bis zum 4. Januar 1893 portofrei anher einzureichen. Die Auswahl unter den Bewerbern, wie überhaupt jede Ent- chließung bleibt Vorbehalten. Schöneseid, am 21. December 1892. Ter Schulvorstand. Gemeindevorst. Lorenz. Vors. Rußland, Frankreich und Deutschland. * Ein seit mehr als 20 Jahren in St. Petersburg lebender Deutscher schreibt uns: Es würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Tagen von hier aus einem Londoner Blatte — denn diese haben in Petersburg die phantasievollsten Correspoiidenten — gemeldet würde, die neuesten Vorgänge in Paris hätten in die Kesselpauke der russisch-französischen Freundschaft ein Loch gestoßen. Denn in der That hört man hier über die franzö sischen Freunde, die aus einer KrisiS in die andere fallen und ihre schwarze Wäsche vor aller Welt mit wahrem Fanatismus waschen, recht abfällige Urtheilc. Nicht etwa, daß man hier einen besonderen Abscheu vor schwarzer Wäsche bätte — vor solchen Empfindungen schützt den Russen die Gewöhnung an Enthüllungen unsauberster Art, die hier an der Tages ordnung sind. Auch das ist unseren Tagespolitikern im Allgemeinen höchst gleichgiltig, wer in Frankreich an der Spitze deS Cabinets und der einzelnen Ministerien steht und wie oft ein Wechsel sich vollzieht. Aber was setzt in Frankreich sich ereignet und vorbereitet, muß die Besorgniß erwecken, daß dort mit dem Vertrauen in die Stabilität der Verhältnisse und in die Solidität der Finanz welt die geschäftliche Unternehmungslust sinkt und daß das Capital seine Taschen noch fester verschließt. Mil einem Worte: man fürchtet hier, daß im jetzigen Frankreich nichts mehr zu holen sein werde, und da man in Rußland be kanntlich sehr selten platonisch liebt, so fühlt man auch die Liebe zu Frankreich erkalten, seitdem man besorgt, der fran zösische Schatz stehe auf dem Puncte, zu verarmen oder doch zu werden. a aber in keinem Lande der Welt die öffentliche Meinung so geringen Einfluß besitzt, wie in Rußland, so wäre es jedenfalls sehr voreilig, aus der Stimmung der Gesellschaft unv der Börsenkreise ans die Stimmung in jenen Kreisen zu schließen, in denen die Politik gemacht und das Berhältniß zu Frankreich wie zu allen anderen Ländern geregelt wird. Bon der Stimmung, die in diesen Regionen herrscht, erfährt ein englischer Correspondent ebensowenig etwas, wie jeder andere. Selbst bei den Botschaften ist man nur sehr mangel haft über das unterrichtet, was die leitenden Personen denken und planen. Man kann sieb anderwärts, wo Parla mente einen Einfluß besitzen und Aufklärung über die wich tigsten Ziele der Regierung-Politik fordern dürfen, wo die Regierung an ParlaiiientSbcschlüssc sich gebunden sicht und die Minister immerhin eine gewisse Fühlung mit den Führern der Parteien unterbalten müssen, nur sämier eine Vorstellung von den Verhältnissen in Rußland machen. Die Diplomatie kann das, was man ihr sagt, nicht mit dem vergleichen, was in parlamentarischen Verhandlungen zu Tage kommt. Sie muß lauschen, Worte deuten, Blicke und Mienen erratben und „com- binircn", wie eS ehedem in anderen absolutistischen Staaten nöthig war. „Wir müssen combiniren, Grumbkow, combi- nircn", — das ist noch beute das Losungswort in der diplo matischen Welt St. Petersburg«, und wer gelegentlich i» diesen Kreisen zu verkehren Gelegenheit bat, glaubt oft genug einer Borstcllung von Gutzkow'S „Zopf und Scbwerl" bei- zuwobnen. Die ofsiciöse Presse, überall mekr zur Bcrwirrung als zur Aufklärung benutzt, dient in Rußland einzig dem Zwecke der Verwirrung; sie redet nur oder wird nur zum Reden gebraucht, um die Gedanken der Negierenden zu verbergen. Und da cS keine durch parlamentarische Bühnen- und Eou- liffentbäligkeit geschulten Politiker zieht, so giebt es eigentlich auch keinen Privatmann, der einen auch nur eiiiigcrmaße» begründeten Anspruch darauf erheben kann, als unterrichteter Beurtheiler der Regierungspolitik zu gellen. ES fällt mir daher nicht ein, mich auck nur mit dem bescheidensten Mit- alicde des deutschen Reichstags, geschweige denn mit Herrn Eugen Richter, in Bezug auf seine Kenntniß von den An- und Absichten der Regierung gleichzustellcn. Ich kann nickt« als combiniren, gar nichts. Aber weil ich ab und z» Ge legenheit habe, Diplomaten combiniren zu kören, auch zu weilen Uber die Grenzen Rußlands hinauSkommc und ans der Entfernung Manches, was hier vorgebt, besser sehen und verstehen kann, als inmitten des russischen Nebels, so glaube ich wenigstens mit demselben Rechte, mit dem andere Leute von hier aus ihre Combinalioncn in die Welt schicken, auch die meinigen hinaussenken zu können, zumal ich so ehrlich bin, sie für nicht» Anderes und Besseres auSzugeben. Und nach meiner unmaßgeblichen Meinung — so sagt man ja wohl in Deutschland, wenn man sich für besonders klug und bellsehend hält — liegt nicht der geringste Anlaß zu der Annahme vor, daß auch das vfficiclle Rußland mit dem Verlauf der Dinge in Frankreich unzufrieden sei oder gar eines solchen „Freundes" sich schäme. Schäme! Aller dings giebt eS Menschen, die sich eines Freunde« schämen, weil er sich Dinge erlaubt, die man sich selbst gestattet. Aber da« sind Philister. Und philiströs ist das officielle Rußland doch wahrhaftig nicht. Wenn cS diesen Borwurf verdiente, bäne eS weder die Marseillaise angehört, noch FreundschaftS- küsse mit Leuten auSgetausckt, die für die Revolution schwär men. Nein, da« officielle Rußland ist kein Philister, aber ein praktischer Erzieher, der den Teufel mit Beelzebub ausr reibt. Diese ErziehungSthäligkeit bat eS auf der Balkanhalbinsel seit langen Jahren mit große» Kosten, aber auch mit bestem Erfolge ausgeübt. Und hier hat es Leute genug gegeben, die unmittelbar nack der Verbrüderung in Kronstadt de» Braten rochen und keinen Augenblick daran zweifelten, daß der wahre Zweck dieser Komödie die „Erziehung" des republikanischen Frankreichs zur Monarchie oder zur Dictatur sei. Und es hat uns sehr gewundert, daß selbst Gras Eaprivi, der freilich damals »och nicht Gras war, diesen Zweck nicht erkannte. JedensallS war der Plan fein anSgedacht und mit genauer Berechnung der Wirkung entworfen, die der Kuß deS Zaren auf die bis dahin vergebens nach einem Bündnisse dürstende Republik auSüben mußte. Vor diesem Kuße dachte ganz Frankreich nur daran, die Republik bündnißsäbig zu machen, sie als stabil erscheinen zu lasse»; alle Wünsche richteten sich auf diesen einen Punct. Mit der Erreichung dieses Zieles hörte der Antrieb, hörte das Streben auf, die individuellen Wünsche zu unterdrücken, dem persönlichen Ehrgeiz Zügel anzulegen, die Republik wenigstens als stabile, sich selbst schirmende Einrichtung erscheinen zu lassen. Der Kuß deS Zaren entfesselte den persönlichen Ehrgeiz, das wilde Ringen nach Einfluß und Herrschaft, kurz alle jene schönen Erscheinungen, welche die Republik reif gemacht haben, einem Dietator zur Beute zu fallen oder wenigstens die Zügel einer mo»archischen Herrschaft zu dulden. Und eines Freundes, den man mit solchem Erfolg erzogen, mit solchem Erfolge reif gemacht zur wahren Bündniß- fähigkcit mit dem zarischcn Rußland, sollte man sich einiger Schwindeleien aus der Uebergangszcit schämen? Einem solchen Freunde sollte man gerade in dem Augenblicke, Wo er dem Erzieher die höchste Ehre macht, de» Rücken kehre», weil cs ihm, wie vorauSzusehen war, im Häutung«- und Länteruiigsliioiiiente an etwas Kleingeld fehlt? Heiliges Rußland, womit hast du es verschuldet, daß man dich für so engherzig und für jo sträflich dunim hält? Hast du deine vorschaneiide Weisheit, deine vollständige Freiheit von phili strösen Rücksichten und die Größe deiner für alle guten Zwecke bereiten Mittel nicht in Bulgarien dem blödesten Auge gezeigt? .... Das freilich wäre nicht undenkbar, ja nickt einmal un wahrscheinlich, daß unsere irdische Vorsehung der ersehnten und voraussichtlich kommenden irdischen Vorsehung Frankreichs ein böses Gesicht zeigte, ui» ein vorzeitiges Losjchlagen an der deutsch-französischen Grenze zu verbüken. Der diktato rische oder monarchischeBeherrscher Frankreichs soll sürRußland die Kastanien auö dem Feuer holen, nicht aber Rußland nöthigen, die Waffen für die Revanchegelüste Frankreichs zu ergreifen und dann zu warten, bis das im besten Falle ruhebcdürftige Frankreich so weit sich erholt hat, die russischen Dienste durch Gegendienste zu belohnen. Und wenn Väterchen dem ersehnten französischen Besieger der republikanischen .Krankbeit ein böses Gesicht zeigt, wird der Sonnenschein des Antlitzes des Zaren naturgemäß nach Deut sckland fallen, — selbstverständlich »nr so lange, bis der Zweck erreicht ist und ohne großes Aufsehen das längst präparirte Feuerchen sich aiizünden läßt, das Franreich nöthigt, dcm Zaren die Kastanien aus diesem Feuerchen zu holen. Wenn dieser Brief zu Ihnen kommt, zeigt sich, wenn ich recht conibinire, schon zarisch-russischcr Vollmond in Deutsch land, während Frankreich sich mit russischem Neumond be gnügen muß. Welche Wirkung wird dann der Vollmond auf Tculjchland, oder sage» wir vorsichtig auf das officielle Deutschland haben? Früher wäre» wir darüber nicht im Zweifel gewesen; aber seitdem das officielle Deutschland den wahren Zweck des russischen Bruderkusses auf die Lippen des republikanischen sranzösischcn Liebchens verkannt hat, sind wir nickt recht im Klaren darüber, ob nicht auch der wabre Zweck eines nach Berlin gesendete» Kußliändchens verkannt wird. Vielleicht sind Sie darüber mehr im Klaren. Ldcr gebt es heutzutage den deutsche» Privalpolititern trotz Reichstag ebenso wie uns blutigen Laien in Rußland? Müssen auch Sie sagen: „Wir müssen conibinire», Grumbkow, combiniren?" Deutsches Reich. * Leipzig, 22. December. Zum konservativen Partei tag schreibt der „Leipz. Ztg." „ein sächsischer Conservativcr": „Jeder ruhig denkende, den extremen Richtungen abholde, Eonservative wird von dem Verlaufe unseres Parteitages — er mag den Einzelnheiten desselben zustimmcnd oder ablehnend gcgenübersteben — schmerzlich berührt worden sein. Wir glauben, die unliebsamcii Vorkommnisse im Wesent- licken auf zwei Fehler zurücksühren zu müssen. Der eine trifft die, >m klebrigen gewiß auzucrkeiinende, Berliner P a r te i i e i t u n g. Das Co»iit6, welches die Ein berufung in die Hand genoiiimen batte, bestand nur aus adeligen Mitgliedern. Hierin lag unverkennbar eine Ver letzung der, mindestens ebenso chrenwerthcn, nickt adeligen Mitglieder — Schreiber dieses gekört auch dem Adel an — und die Auslassungen des Herrn Uklig sind zweifellos dadurch beeinflußt worden. Auf diese wollen wir hier nicht näher cingehen, allein wir müssen sie, als eine Folge des hier Erwähnten, als berechtigt anerkenne», hätten aber im allgemeinen Interesse der Partei gewünscht, daß sie unter blieben wären. Der zweite Fehler war die Annahme des Belhagen'schen Antrages aus Wegfall des Satzes im Programm in Bezug auf die antisemitischen Be strebungen. So harmlos dies auf de» ersten Blick klang, hat der Wegfall der bekannten Worte im Programm doch eine um so tiefer gehende Erbitterung bei den ander« Denkenden Hervorrufen müssen, als diese Acnderung die einzige im Programm war. Unsere Stellung zu der Frage ist, daß Vorsicht und Abwehr gegen die tbcilwcise gefahrbringenden Bestrebungen der jüdischen Raffe zwar geboten, aber die antisemitiscken Verfolgungen, wie sie jetzt bervortrrten. ungerecht und unchristlich sind. Wir kommen nnn zum Schluß, doch zugleich zur Hauptsache: wer sich einen weiteren Blick bewahrt hat in Bezug auf unsere Zeit und ihre Verhältnisse, hat eS tief zu beklagen, daß die mächtige eonservative Partei durch kleinliche Streitig keiten sich ihren Einfluß zu beeinträchtigen droht, »nd wir richten deshalb an die Berliner Parteileitung den dringenden Mahnruf, mit Hintansetzung aller persönlichen Antipathien 86. Jahrgang und Sympathien den einen hohen Zweck zu verfolgen, den jetzt bestehenden Zwiespalt auszugleichen und die sich feiiidlick gegenüberstehenden Elemente zu versöhnen. Mit gutem Willen ist viel zu erreichen. Nie aber darf die kon servative Partei vergessen, daß sie eine Stütze sein soll dem Negimente im Staate." 88. Berlin, 22. December. Wer ohne Voreingenommen heit den Ursachen der antisemitischen Erfolge nach spürt, muß zu der Erkenntniß gelange», daß diese Richtung denn doch nicht ausschließlich ihr Dasein von der Erregung von Hah gegen das Judenthuni fristet. So zeichnet manche ibrer Vertreter ein Frcimuth gegenüber den Großen und Mächtigen aus, die mit demagogischer Frechheit nichts gemein hat. Herr Ulrich in Chemnitz, der auf dem confer» vativen Parteitage sagte: „Fürckten wir uns nicht allzu sehr vor dem Wörtchen demagogisch", hat im Stöcker'scken „Volk" einen offenen Brief an den Reichskanzler Grafen Eaprivi erlassen. Er sagt, daß die jüngsten Ausführungen de- leitenden Staatsmannes „zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß geben", und fäbrt fort: „Als Se. Majestät der Kaiser das verantwortungsvolle Amt des Reichskanzlers in die Hände von Ew. Excellenz legte, da wurde Ihnen auch das köstlichste Kleinod anvertraut, welches ein Monarch besitzen kann. Es ist ein reicher Schatz von Liebe und Vr»» ebruiig, welcher sich von unserem unvergeßlichen Kaiser Wilhelm I. auf den Enkel vererbt bat. Sorgen Sie dafür, Herr Reichskanzler, daß Sie dermaleinst, wenn Sie Rechen schaft abzulegen haben über das Ihnen anvertraute Pfund, es thun können mit reinem Gewissen und mit dem Bewußt sein, deni Kaiser nicht Hnnderttausende von deutschen Herren entfremdet zu haben ... — Der Antisemit hat natürlich nur die jüngste antisemitische Kundgebung deS Kanzlers im Auge, also etwas, was wir nicht zu tadeln vermögen, aber wir gestehen: Diese Methode, für seine Meinung einzutreten, imponirt nn«. Als Graf Eaprivi im vorigen Jahre im deutschen Reichstage einem Welfe» gegenüber die Verant wortung für die Ereignisse des JabreS 1868 in einem Tone ablehnte, die eine Verurtheilung derselben wenigstens nicht ausschloß, da bekam er von den in jenem Fall Berufenen nichts zu hören, was der Sprache des Herrn Ulrich an die Seite zu setzen wäre. Und doch hatte der Kanzler in jener Rede die geschichtliche Grundlage des deutschen Nationalstaates, dessen erster und einziger verantwortlicher Beamter er ge worden war, gelinde gesagt, als etwas behandelt, über dessen Werth oder Unwerth sich streiten ließe. Auch als Graf Eaprivi im verflossenen Sommer dem Mitbegründer deS ReickeS bei seinem Wiener Aufenthalt eine die ganze Nation beschämende Behandlung widerfahren ließ, ist ihm nicht direct, Mann gegen Mann, gesagt worden, wie der größte Theil des deutschenVolkes überfein Verfahren dachte.DerTon,den der anti semitische Eonservative aus Sachsen in einer Parteisache findet, stand den nationalen Politikern nicht zu Gebote, als eS sich u»i weit höhere, um die höchsten Dinge handelte. Da« fordert den Neid heraus und Besorgniß für die Zukunft. Die Nation sebnl sich in der gegenwärtigen dumpfen Zeit nach offenen rücksichtslosen Worten; und wer solche Worte sprickt, bat Aussicht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Die Sprache des Herrn Ulrich wird ihm die Anerkennung von Tausenden zuwenden, die mit Inhalt und Zweck seiner Erklärung nicht einverstanden sind. Und die Gcnuglhunng über die Form kann leicht daS allmälige Befreunden mit der Sache herbei führen. Berlin, 22 December. Vor einiger Zeit hatte die Vereinigung deutscher Maschinenbauanstalten an das Reichs amt des Innern den Antrag gerichtet, daß die Unfall- Entschädigungsverpflichtung gegenüber Hilssmanu- sckasten, welckc bei Montirnngcn von Maschinen tbätig sind »nd nicht von den Verfertigern derselben gelohnt werden, derjenigen BcrusSgenosscnschaft anbeimfällt, welcher die Besteller der betreffende» Maschinen angehören. Auf diesen Antrag bat bas NeichSvcrsicherungSanit, an welche- derselbe zur Entscheidung abgegeben war, eine ablehnende Antwort ertbeilt »nd dieselbe n. A. damit begründet, daß auf den gestellten Antrag auch deshalb nickt eingegangen werden könne, weil die Auffassung de« Ncichs-VersicherungsamtcS in dieser An gelegenheit wesentlich mit auf der Rechtsprechung der RecurS- collegien beruht, deren Entscheidungen nach tz. 88 de« Unfall- versichcriingSgesctzes endgiltige sind und einer Einwirkung von außen, auch etwa von Seiten des ReichSamtS deS Innern, nicht unterliegen. Die an dieser Frage interessirten Kreise wollen nunmehr versuchen, bei der in Aussicht ge nommenen Revision des UnsallvcrsichcrungSgesetze« ihre Anschauung zur Geltung »nd im Gesetze selbst zum Ausdruck zu bringen. Allerdings wird sich in der lausenvcn Reichstags tagung dazu schwerlich eine Gelegenheit bieten. Denn, wie wir kören, ist eS sebr wahrscheinlich, daß der Entwurf über die Reform der Unfallversicherung, an dein schon seit längerer Zeit von den zuständigen »eickSbebördlicken Stellen gearbeitet wird, erst in der nächste» Reichstagstagung die gesetzgebenden Factoren im Reich beschäftigen wird. HI Berlin, 22. December. Erhalten die von der Social» demokratie angestecktcn Arbeiter festen Lohn, io fühlen sie sich verkürzt und „ausgebeutet", die Accordarbeit aber, die sie al- „Mordarbcit" bezeichnen, verwerfen sie noch mehr, sie verlangen vielinehr, entsprechend einem socialdemokratischen Lehrsatz«, den „vollen Ertrag ihrer Arbeit". Was hierunter zu verstehen fei, dar über sind sich die Arbeiter durchaus nicht im Klaren. Daß e- ihncn aber überhaupt kein Arbeitgeber recht machen kann, beweist ein soeben in London ausgebrochener Streik. Tort wurden die Möbclpolirer der Möbelfabrik von Hermann L Lo. seit mehreren Jahren aus Stücklohn beschäftigt, auch particivirten sie am Ge- sckäftegewinn. Diese Art der Entlohnung haben die Möbel- polirer jetzt verworfen unter der Motivinma, daß sie nicht genug verdienten; sie forderten deshalb fixen Wochenlohn, worauf aber der Fabrikant nicht einging. Nun sind die Arbeiter in einen Streik eingetreten. — Daß die Socialdemokraten nicht im Stande sind, die Arbeiter sämmtlicher Gewerke zu sich berüber- zuzieben, giebt jetzt selbst die Generalcommission der Gewerkschaften Deutschland» zu. Dieselbe erklärt in ihrem Organ, daß eine ganze Reih« Berufe, wie Bäcker. Kellner, Barbiere und Schlächter, nur mit Hilfe anderer organisirter Arbeiter zur Gründung von Zweig vereinen kommen könnten Sie, die Generalcommission, habe die Leiter der Verwaltungsstellen der Lentralvereine wiederholt gebeten, sich lener noch nicht am Orte organisirtrn Berufe anzunehmen, da sei aber nicht geschehe». Ebenso wenig hätten die Gewerkschaft«, cartelr sich der Unorganisirtea angenommen. Zu diesen Klage«
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