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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921223024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892122302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892122302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-23
- Monat1892-12
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Es ist kein Zweifel mcbr, daß Constans' Rackefeldzug auch gegen Warnet selbst gerichtet ist. Dieser batte seiner Zeit kein Hehl daraus gemacht, daß er an der gewaltsamen Entfernung des Herrn Constans aus dem Eabinct im Februar d. I. nicht unbctheiligt war. Earnot batte damals direct betont, daß er Herrn EonstanS niemals mit der Neubildung der Regierung betraut haben würde, weil Eonstans sich geweigert habe, Rochefort'S „Intransigcanl", der ihm vorgeworsen batte, daß er in seiner srübcren Stellung als Generalgouverneur von Tontin Bestechungen zugänglich gewesen sei, zur gerichtlichen Beranlwortnng zu zicl,en. EonstanS war also selbst seiner Zeit der Bestechlichkeit be schuldigt worden, aber schon damals war er ini Besitz des Materiales gegen die in die Panama-Angelegenheit ver wickelten Persönlichkeiten. Hatte er doch als Minister deS Innern selbst durch einen Photograpbenlcbrling die berüchtigten 26 Checks aus dem Thierrec'fcken Bankbaus photographiren lassen. Daß EonstanS sein Anklagematerial seither ver vollständigt hat, sehen wir daran, daß jeder Tag neue Ent hüllungen bringt, welche säst ausnahmslos durch Mitlbeilungcn der Blätter, die von Constans oder von dem durch diesen vorgeschobenen ehemaligen Polizeipräfecten Andrieux inspirirt werden, veranlaßt worden sind. Was nun die jetzt gegen Carnot erhobene Beschul digung betrifft, so sei zunächst hervorgehoben, daß die von Freund und Feind anerkannte Lauterkeit seines Charakters den Präsidenten der Republik davor schützt, daß auch er eirect in den Bestechungsskandal hineingezogen wird. Eine solche Beschuldigung würde sich schließlich nur gegen Die jenigen richten, welche sie verbreiten. Carnot'S Ehrenhaftigkeit ist unantastbar. Was man ihm vorwirst, ist all zu große Nachsicht. ES ist genau sv, wie bei Grevy. Auch diesem war persönlich nichts vorzuwcrscn; das Berbrechcn, um ressen willen er zurücktreten mußte, obwohl er sich mit ängstlicher Hartnäckigkeit an sein Amt anklammcrte, war seine Nachsicht gegenüber seinem Schwiegersohn Wilson, dem „Schwiegersohn der Republik", wie man ihn spöttisch nannte. Aber gegen den Präsidenten Carnot ist jetzt die Anklage erhoben, daß er die Liste der bestochenen Parlamentarier schon seit geraumer Z eit gekannt und daß er trotzdem Bestochene als Minister geduldet habe. Diese das Oberhaupt der Republik schwer belastende Behauptung, die erst noch als wahr erwiesen werden soll, macht natürlich in Paris den peinlichsten Eindruck. Entspricht aber diese furchtbare Anklage den Thalsachen, so ist — das unterliegt nicht dem leisesten Zweifel — Carnot als Präsident »»möglich geworden, und wir stehen nnmittelbar vor einer Präsibcnlenkrise, welche vielleicht noch schneller verlaufen würde, als die Krise, durch welche vor »unmebr genau fünf Zähren Herr Sadi Carnot an die Spitze des französische» Ttaatswesens gelangte. — Wir lassen im Anschluß hieran ti- wichtigsten der vorliegenden telegraphischen Meldungen felgen: * Paris, 22. December. Tie Beschuldigungen in der Panama- Affaire beschäftigen sich nunmehr auch mit der Person des Präsi denten Carnot und verschiedene Blätter behandeln die Eventualität seines Rücktritts. Derselbe wird beschuldigt, schon seit vier Jahren im Besitz der Namen sämmtiichcr in der Afsaire compromiitirten Politiker gewesen zu sein. Die öffentliche Meinung ist äußerst er- regt und die monarchistischen und imperialistischen Blätter ziehe» bereits eine Regierungsänderung und im weiteren Verfolg die Ciiancen ihrer eventuellen Landidaten in Erwägung. Tie Existenz des Cabinets ist eine rein formelle und jede Stunde kann neue Feurlletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 70f Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Leonie erfreute sich nur an dem Feuer, mit dem Lothar sprach, an dieser glühenden Erregung, die seine scharfen Züge verschönte; der Inhalt seiner Worlo war ihr fast gleickgiltig. Sie würde „Dynamit" lesen, wie jeden andern Roman »nd an den Stellen, die ihr gefielen, Lesezeichen cinlegen, damit sie dieselben rasch wiedcrsindc. Die bezeichnet«:» Stellen waren jedenfalls die pikanten, über die ein heutiger Staatsanwalt nachgedacht hätte; dock für die Literatur selbst batte sic nickt die geringste Tbeilnahme und am meisten interessirten sic Romane, die erlebt wurden, und sie pries sich glücklick, jetzt selbst einen Roman erleben zu könne». Darum war ihr die Mittkcilung Lothar'S über das erhaltene Honorar die wichtigste; denn davon hingen die nächsten Capitel ihres RomanS ab. „Und cs bleibt jetzt dabei, daß wir reisen?" „Gewiß ... ich bin jetzt frei »nd unabhängig und kann Tich begleiten als mein eigener Herr, nicht als ein Neise- Eavalier in Deinem Solde. Und wie vorsichtig war's von Tir, das Legat nicht in Papieren anzulegcn, sondern zunächst das baare Geld zu behalten. So sind wir für eine weite Reise ausgerüstet." „In der That", versetzte Leonie, „es ist mir hier AllcS unerträglich! Ter geistesschwache Gatte, die entsetzliche Ein samkeit, zn der ich vcrurtbeilt bin.. ich wäre ja nur noch ein Schatten." „Den ich zum Leben wachgeküßt habe und etwas Ge spenstiges habe ich dabei nickt bemerkt." „Spotte nur ... ick spreche mir von meiner Seele! Doch setzt, wo wir vor dem großen Entschlüsse stebcn . . . jetzt, wo uns eine entzückende Freiheit winkt, aufsichtslos, störungslos . . . jetzt faßt mich doch ein leiser Schauer: Ueberraschungen bringen. — Hailptmann Driant wird sich wegen Veröffentlichung des Löwe'scbeii Briefes zu vcrantivorien haben. * Paris, 22. December. Tie Erklärung des Kammer präsidenten Floquet vor der Panama-Unlersuchungs-Commission wird von mehreren Abendblätter» abfällig besprochen. Ter „Jour" erblickt darin ein Gesländniß, daß Floquet im Interesse der Republik die Intentionen der Vcrtheiier des Panama-Geldes beeinflußt habe. Die „Cocarde" erklärt, Floquet müsse sein Amt als Kammerpräsident niedcriegcn; Rouvier sei von seinem Posten aus geringerer Ursache zurückgetreten. * Paris, 22. December. Die Panama-Untersuchungs- ComMission vernahm im weitere» Verlause ihrer Sitzung den ehemalige» Polizeipräfecten Andrieux, der eine photographische Abbildung des Verzeichnisses voriegie, welches die bereits bekannten Namen der Empsänger der von Thierree aiisgeflclllen Checks ent hält. Andrieux theiite ferner mit, daß er bei Cornelius Herz ein Schriftstück mit dem Nainensverzeichiiisj von 104 Tcputirten ge sehen habe, an weiche Arion 1350 000 Francs vertheilt haben solle. Ec «Andrieux) besitze jedoch keinerlei Beweise bezüglich der Richtigkeit dieser Namen, und die Wahrhaftigkeit Reinach's sei ihm zweifelhaft geworden. Ter Tepntirte Casarclii, weicher hieraus verhört wurde, bestätigte die Mittheiiung von Pve-s Guhot, wonach Carnot die Namen aller Teputirten, weiche in die Panama-Angelegenheit ver wickelt seien, gekannt habe. * Paris, 22. December. Panama-Untersuchungs-Commission. Das von Andrieux in photographischer Abbildung vor- gelegie Schriftstück enthielt eine Bemerkung, wonach der mit dem Namen Aigouin quittirte Check über 20000 Frcs. für Floquet be stimmt gewesen sei, und ferner Angabe» über Checks im Betrage von 80 000 FrcS. Die Empfänger derselben seien vier Deputirte gewesen, darunter eine sehr einflußreiche Persönlichkeit, deren Namen er jedoch nur vor dem Untersuchungsrichter nennen wolle. Andrieux erklärte bei seiner Vernehmung noch, Cottu hätte ihm eine Mit- theilung Reinach's wicdergegeben, wonach Floquet für Zwecke des politischen Parteikampses 750000 Frcs. verlangt habe. Cott» hätte Floquet selbst sprechen wollen, habe aber nur mit CIS- mcncean als dessen Stellvertreter in Verbindung treten können. CtSmenceau hätte Cottu gegenüber geäußert, daß den Bestrebungen des Gouverneurs des „CrSdil foncicr", Chriswpkle, welcher gegen das Panamacaiiat-Unteriichmen arbeite, erfolgreich entgegengewirkt werden könne. Cottu habe hierauf, durch diese Mittheilung beun ruhigt, eingewilligt, die verlangte» 750 000 Francs zu zahlen. Andrieux theiite weiter mit, Cottu habe hinzugesügt, daß die für den Empfang dieses Betrages ausgestellte Quittung de» Vermerk „Für PcröfsentlichuiigSzwecke" getragen. Cottu, weicher sich später mit Reinach erzürnt habe, hatte von dem Letzteren die Wieder erstattung deS Betrages gefordert. Darauf sei der völlige Bruch der Beziehungen erfolgt. Aufsehen erregte die gestrige Vernehmung des Abgeordneten Andrieux durch die Unterinchungscommissivn, da diese Aussage sich auf »nnmstüßliche Beweise stützte. Ter Ex-Polizeipräscct legte die Photographien sämmtiichcr Checksabschnitte vor. auf denen auch die Unterschriften deutlich erkennbar waren. Es schic» nur die Name» von 4 Abgeordneten. Aus die Frage der Commission, ob ihm auch diese Namen bekannt seien, antwortete Andrieux: „Ja, ich kenne sie alle, nur mag ich sie nicht nenne», um nicht als Tcuunciant be zeichnet zu werden. Ans die Frage des Richters allerdings durste ich die Antwort nicht verschweigen". Da Andrieux noch viel mehr zn wissen scheint, dürste die Bernchmling große Ueberraschungen bringen. Andrieux theiite u. A. mit, Laß die Artikel in Trnmviil's „Libre Parole", die in letzter Zeit am meisten Aussehen erregt hätte», von Reinach selbst geliefert waren, um dadurch die Aufmerksamkeit von sich abzulcnken. Ten Artikel in der „Cocarde" batte ConstanS gciiesert. Andrieux erinnert sich ferner, von Cottu gehört zu haben, daß Floquet einst von Reinach 750 OM Fr., und zwar sofort verlangt, sich aber auf Reinach's Widerstreben hin mit 300000 Fr. begnügt habe. " Paris» 23. December. Die Regierung beobachtet mit steigender Furcht die bonapartistischcn Umtriebe. In den letzten Tagen be- gaben sich die Häupter der bonapartislischen Partei nach Brüssel, um mit dem Prinzen Victor Napoleon einen Ausruf gegen die Republik auszuarbeiten, der in den nächsten Tagen erscheine» soll. Die Regierung ließ aus das Gerücht hin, daß der Prinz in Paris eingelrossen sei, eine Untersuchung anstelle», die jedoch ergebnißlos verlief. Man macht sich hier aus eine» enticheidende» Schritt des Thronwerbers gefaßt. — Heute früh haben Hausdurchsuchungen in der Villa Rouvier's im Vorort Neuillh und in der Wohnung von Juies Roche stattgesunden: die Polizei beschlagnahmte die gesummte Privatcorrefpondenz der beiden Exministcr, Rouvier machte ick Weiß nicht, ist's Furcht, ist's GlückSgenibl, isl'ö eine Regung deS Gewissens? Man hat doch auck Pflichten . . . das hat nian ja früher gelernt und man küminertc sich nickt viel darum; man übte seine Pflicht gedankenlos; eö verstand sich ja Alles von selbst; jetzt denkt man darüber nach, da sich'S nicht mehr von selbst versteht, was man tbnn will." „Also doch GowisscnSbissc? Liebe Leonie — ich habe Dir schon öfters gesagt, da§ Gewissen ist nicktS Angeborenes, etwas Angelerntes. Die Rohheit bat kein Gewissen. Der Kannibale verzehrt mit Behagen seine eigenen Eltern: die Sckickt von Begriffe», aus Lenen das Gewissen se.nc Nahrung zieht, stobt zu koch über seinem Kopfe; aber auch daö Genie hat kein Gewissen und braucht keines zn habe»; den» jene Sckickt steht zu tief unter ihm; cS atbnict bock darüber die freie Alpenlust des Geistes und sicbt's zu seinen Füßen stürme» und blitzen zum Schreck des gcängstigten Pöbels." „ES ist auch langweilig", versetzte die Baronin, „sich mit auälenden Getauten hernmzuscklagen. Man muß sich das Leben einricktcn wie eine Hängematte und behaglich träume», wenn sie saust sich bin und her schaukelt. TaS Gewisse» ... nun ja . . . damit kan» man sich abf'indc»; doch da ist noch etwas . . . noch so ein schwarzes Pünctchon, daö mir vor de» Augen tanzt ... der gute Ruf." „Ta brauchst Tu nicht weit zu reisen, um den zn ver lieren; den hast Du vielleicht jetzt schon verloren. ES giebt nicktS, was man leichter verlieren kan», mit und obnc Schuld . . . das fällt Einem nur so aus der Tasche. Es lohnt nickt, sich danach nmznsehcn. Und was ist der schleckte Ruf? Nickt mehr als der Schwefelgeruch, den der verschwindende Mephisto verbreitet; er fährt einen Augenblick i» die Nase und gleich darauf ist er in alle Lüfte verwebt und Niemand merkt mcbr etwas davon." „Du hast eine reizende Art, Alles zn beleuchten; man siebt die Tinge in ihrer wahren Gestalt. Mir ist cS auch glcick- giltig, was die meisten Menschen von mir denken; nur etwa« fällt mir auss Her; .. daß ich bei meiner Tochter kein gute- Angcdenken bintcrlassc." „Eine gute Tochter verzeiht ihrer Mutter Alles . . sonst wäre sie ein undankbares Kind." „Aber die Hochzeit ohne mich . einem Berichterstatter des „Gaulois" ein Geständniß, daß 1889 etwa 150 Revublikaner nur durch die Panamageider gewühlt wurden. Das Geständniß ruft großes Aussehen hervor. politische Tagesschau. * Leipzig, '23. December. Der Reichstag wird sich alsbald nach Wiederbeginn seiner Sitzungen mit einer focialdcmokratischcn Inter pellation über die zur Abwehr des herrschenden NothslandcS beabsichtigten Maßnahmen zu beschäf tigcn haben. Gegenüber einer ganzen Reihe von Stadtver waltungen ist bereits die Forderung erhoben worden, öffent liche 'Arbeiten, die für die nächste Znknnfl beabsichtigt waren, ungesäumt in Angriff zu nehmen, und vielfach hat diese Forderung auch, soweit eS möglich war, Berücksichtigung ge funden. Auch das Reich und die Bundesstaaten haben mancherlei öffentliche Arbeiten zu vergeben, deren Aus führung zur Milderung der vielfach herrschenden ArbcilS- josigkcit beschleunigt werden kann. Ohne Zweifel wird in dieser Beziehung an allen betheiligten Stellen Rücksicht und Entgegenkommen soviel wie irgend möglich bewiesen werte». Es muß aber auch bei dieser Gelegenheit darauf hingcwicson werden, daß daö gegenwärtige Darnicderliegcn unserer wirth- schastlichen Verhältnisse, der Truck aus dem ganzen nationalen Erwerbsleben zum großen Thcil Schuld der 'Arbeiter selbst ist, welche nicht einsehen wolle», daß ihre Interessen mit denen der „Arbeitgeber" eng verbunden sind. Die beständigen Kämpfe, welche die Industrie mit den Arbeitern zu führen hat, die daraus entspringende Unsicherheit aller wirthschast- licken Berbältnissc, die wachsenden Schwierigkeiten des Wett bewerbs ans dem Weltmarkt haben nicht wenig zu dem Tarniedcr- liegcn unserer gesamnilcii ErwcrbSthätigkeit beigetragen. Nimmt bas Geschäft wieder cimnat einen Aufschwung, so kan» man sicher sein, daß alsbald Lohnstreitigkeilen und Arbeitsein stellungen störend dazwischen treten und die Nutzbarmachung einer günstigere» Lago verhindern. Die Folgen sind dann notkwcndig wieder Einschränkungen der Production, Ent lassungen von Arbeitern und Notbstand. Unter den eigent liche» Ursache» der Arbeitslosigkeit darf darum auch die s ocialdcmokra 1 isch e Agitation nicht vergessen werden, welche ersprießliche Verhältnisse in der industriellen Arbeiter Welt gar nicht mehr anskommcn läßt und damit die Grnnd- tagen zerstört, aus denen die Wohlfahrt der Arbeiter selbst beruht. Bei der weiteren Berathum; der Militairvorlage werden voraussichtlich die Vorgänge in Frankreich eine große Rolle spielen, denn die principielle Opposition ist ver blendet geling, ans diesen Vorgängen zn folgern, daß von Frankreich sür längere Zeit nichts zn fürchten und daher eine Verstärkung des deutschen Heerwesens gegenwärtig über flüssiger als je sei. Dieser Auftastung gegenüber bat der Deutsch-Russe, der im Leitartikel uuscrs heutigen Morgen- blattcS über die Einwirkung des Panamascandals ans Ruß land sich ausgesprochen hat, rechtzeitig vor der Auftastung gewarnt, daß dieser Scandal das Verbältniß Frankreichs zn Rußland ernstlich erschüttern könnte. Eine ähnliche Warnung finden wir jetzt auch in der „Post", die besonders auf die Folgen cingcht, welche der Scandal in Frankreich selbst haben kann. Das sreiconservative Blatt schreibt darüber: „Es wäre unrichtig, aus der tiefen Corrnptio» in den regie renden Kreise» Frankreichs ans eine Schwächung der kriegeri sche» Kraft zu schließen. Tie Geschichte lehrt bezüglich der romanischen Voller das Gegeniheil. Von Rom ab, welches parallel mit der durch König Jugurlha's bekanntes Wort geken». zeichnete» Corruption die höchste kriegerische Leistung entwickelte und die Weltherrschaft errang, liege» hierfür zahlreiche Beispiele vor. Ebensowenig darf auS der Thatsachc schwerer innerer Wirren, welche unter Umständen auch die Verfassung des Landes gefährden können, daraus geschlossen werden, daß von der kriegerischen „Man ist eigentlich bei Hochzeiten sehr überflüssig: denn die Hauptpersonen nehmen ja bald reißauS. Und diese tbörichtc Ehe des hübsche» Mädchens mit dem verrückten Grasen. Wenn Du einmal Talent und Neigung zn Gewissens bissen hast, so mache Dir darüber einige Scrupcl." „Es mußte sein, wir waren sonst verloren. Marie hat daö auch cingoscbcn; cS ist ein gutes Mädchen. Eine große Beruhigung ist mir nur . . die Ausstattung ist längst scrlig, eine sehr anständige Ausstattung. Selbst mein Mann, der am Kanssicbcr leidet, hat gelegentlich dafür cingekanft . . mehrere schwere Kasten voll. Eine seine Ausstattung! Man braucht bloS noch in die Wäsche die gräfliche Krone sticken zn lassen. Sie ist gut versorgt . . das ist die Hanpliackc." „Nun, dann ist ja Alles gut! Das Fräulein wird sich bald an de» Gedanke» gewöhnen, daß Du nicht mehr in HclmerSbcim bist. Eö ist merkwürdig, wie rasch man ver gessen wird . . und das ist sehr beruhigend! Wir brauchen indes! auch nickt viel zurückzudcnkcn. Dazu gönnt uns die entzückende Gegenwart keine Zeit und die Freude an der Welt, die nnS ihre Pforte» öffnet. Denke Dir, in den Koben Alpen- päsien zn den Gletschern auszuschcn nnd die Lawinen . . o eö giebt jetzt schon Lawine». Unk dann in das herrliche Italien .. au die Etsch .. in die Stadt von Romeo und Julia. Hinüber nach Venedig . . wir ruben Arm in Arm in der schwarzen Gondel, die uns über den großen Canal fährt . . vorüber an den verfallenen Palästen und ihrer verwitterten Romantik. In Florenz . . wir bewundern die Bilder vvn Tizian in der Akademie nnd im Pallazo Pitti . . Las ist Schönheit und Leben! In Rom . . wir lassen nnS vom Papste segnen nnd klettern den merkwürdigsten aller Bergze hinan, den Scberbenbera; dann sieben wir auf den Höben der Welt geschichte. Und in Neapel . . der Vesuv . . ach, ich würde Lust bekommen mick in den stammenden Krater zu stürzen, wie jener berühmte Wellweise sich hinunterstürzte in den Aetna, um die nähere Bctanntschast der dort unten arbeiten den Cnklopcn zn machen; ick würde Lust bekommen, wenn Tn nicht an meiner Seite wärst »nd mir nickt schönereFlammcn winkten anf der Oberwelt im Lickt der bespcriscken Sonne." Doch auch der trübe Novembertag verstattete glühende Küsse. Kraft kein Gebrauch gemacht werden wird. Im Gegentbeile ist die Befürchtung nicht abzuweisen, daß, je größer die Schwierigkeiten im Innern werde», je näher die Versuchung liegt, sie durch eine kriegerische Verwickelung »ach außen ab- zutetten. Wer aus dem jetzigen Chaos als Sieger hervorgehen wird, laßt sich nicht übersehen, wahr,cheinlich aber ist e« doch, daß schließlich das Regiment in die Hand einer energischen und kräftigen Natur gelangen wird. Gerade bei der Natur der Franzose» und der fascinirenden Wirkung, welche kriegerischer Ruhm aus sie ausnbt, bietet sich die Ableitung innerer Schwierigkeiten nach außen dem Gedanken hier mehr dar als anderwärts, und ein um die eigene und iim die Existenz des Staates ringender kräftiger und entschlossener Mann wird in Frankreich weniger vor dieser Ultimi» rat!» zurückschrecken, als sonst wo. Wenn daher eine friedliche Wirkung der Panamalrlsis nicht ausgeschlossen ist, so gilt dies doch in dem gleichen Maße von dein Gegentheile." Ganz in derselben Weise spricht sich die „Nat.-Lib. Corr." aus; sic schreibt n. A.: „In der allgemeinen Verwirrung, welche eine innere Katastrophe hervorrusen würde, könnte es leicht komme», daß Derjenige die Qberhand gewänne, welcher das Volk mit einem di« Leidenschaft Aller ohne Unterschied der Partei entstammenden Worte sortzureißcn verstände. Und es gäbe kein anderes Wort, welches diese Zauber kraft in dem Grade bejäße, wie die Vergeltung für 1870. Jcdensalls ist e-Z wahrscheinlicher, Laß die erwähnte Katastrophe den Ausbruch bcsKriegeS beschleunigen, als daß sie ihn verzögern würde. Man sage auch nicht, daß die Aussichten eines russisch- französisch en Zusammenwirkens verändert seien. Es mag ja sein, daß LcrZar durch den neuesten Gang der Tinge in Frankreich nicht wenig verstimmt ist. Aber jede neue Gewalt, die in Frankreich ans Ruder käme, würde zunächst nach der Hand Rußlands suchen, und es ist nicht abzuschcii, wie diese Gewalt dem Zaren minder spuipathisch oder, sagen wir vielleicht richtiger, »och unshmpathischer sein sollte, als die gegenwärtige aus der Revolution hervorgegangene Republik. Wollte man selbst einen Sieg des rothcn Socialtsmus voraus- setzen, so würde derselbe doch nur einen kurzen Uebergangs- znsland zur cäsarijchen Diktatur bilden. Aber auch die Möglichkeit einer Restauration des KünigthumS erscheint nicht ganz ausgeschlossen. Einerlei aber, ob Cäsar oder König, die Haltung Rußlands gegenüber einem so conslituirten Frankreich würde zum Mindesten nicht unfreundlicher sein als bisher." Wir fügen noch hinzu, daß vielleicht das russische Volk in seiner Knechtung eine besondere Vorliebe für die republika nische SlaatSsorin in Frankreich hat und den Sieg eines Cäsars oder Königs nur ungern sehen würde, daß aber gerate deshalb das ofsiciellc Rußland ohne Zweifel seinen ganzen Einfluß aufbietcn wird, dem französischen Staatswesen wieder eine cäsarische oder königliche Spitze zu geben. Und wie Hroß dieser Einfluß in Frankreich ist. haben jausend Vorgänge bewiesen. Bringt man daher die Vorgänge an der Seine mit der deutschen Militairvorlastc in Zusammen hang, so kann man sie eher für als gegen dieselbe verwerthen. In England soll der deutsche Handlungsgehilfe ausgcrottet werben. Iemehr man dort zu derErtennlniß gelangt ist, daß man vielfach versäumt Kat, sich den Zeit- nmstänten anzupasscn, desto mehr macht sich das Bestreben geltend, die begangene» Unterlassungen und Fehler nach Kräften wieder gut zu machen. Augenblicklich hat man in dem „deutschen Commis" einen Krebsschaden entdeckt, der in schrecklicher Weise am Leibe der englischen Wohlfahrt wuchert, nnd dieser Schaden soll nunmehr gründlich be seitigt werden. Kein Geringerer als der Lordmayor von London bat sich am Mvntag in einer Versamm lung mit dieser Angelegenheit beschäftigt, auch andere Redner waren der Ansicht, daß „das englische Comptoir dem englischen Commis gehöre". Auch Herr Balsour Kat sich in einer Versammlung zn Manchester in ähnlichem Sinne aus gelassen. — Und so weit wäre ja auch Alles ganz schön und gut, aber man scheint bei der Sache vergessen zu haben, daß die Schaffenskraft, die Intelligenz und die Bescheidenheit, durch die fick der deutsche Handlungsgekilse im Allgemeinen anszeichnct, einem Engländer schwerlich einzuimpfen find. „Ich will Dich glücklich machen, so viel ich'S vermag." „O Du vermagst viel! Du hast, was mich entzückt . . daö Paradiesische, dieses ikoloo für niviite, diese Seele, die so ganz im Körper aufgeht, die nicht mit SchmetterlingS- slug aus der Blume herausstrebt. Doch nun ein rascher Ent schluß . . noch zwei Tage, um Alles zu besorgen und wir fahre» mit dem Nachtzuge »ach Nom." Leonie batte dock wenigstens Herzklopfen . . nnd der Ge liebte mußte sich selbst davon überzeugen. „Tu siebst, cs ist nicht Alles so paradiesisch ruhig wie Du glaubst." „Solch rin rebellischer Muskel wird doch wohl Ordre pariren! Du mußt jedenfalls vorher in die Stadt und im Hotel absteigen." „Mein Gatte ist ungefährlich, der kümmcrt sich jetzt um nichts. Nur Susette ist cine Gefahr; sie ist neugierig, hat ihr NäSchen überall, gefällt sich auch darin, Bemerkungen zu machen und Schlüsse zn ziehen." „GescllschaftSfränlcin und Kammerzofen . . die sind doch zu bestecke». Am besten ist'S freilich, wenn Susette nichts merkt. Wohl. . ick weiß einen Ausweg! Ich schicke Dir einen Packer nnd Fracktbcsorgcr; den nimmst Dn in Deine Gemächer nnd läßt Niemand sonst eintretcn. Er packt Deine Sacken . . und im Schlosse wird verbreitet, es seien Aus- statlnng-sachen Mariens, die anf daS Schloß des Grafen Febrentbal gebracht werken sollen. Unser Geschäftsmann erkält indcß geheime Ordre, Alles alsbald auf den Bahnhof zu schaffen. Und Suselte beurlaubst Du an diesem Tage." „Waren wir nur schon auf dem Vesuv", versetzte Leonie, „mir würde woblcr sein." „Bald sitzen wir ruhig im Waggon . . kein Gatte ver folgt nnS mit geladener Pistole. Du flüchtest vor dem Blöd sinn nnd solche Flucht gehört zu den unveräußerlichen Menschen rechten." Noch einige Verabredungen und Leonie war allein, trostlos allein; denn nun erst kam über sie daS Schreckliche, einen festen Entschluß fassen zu müssen .. welcher, war dabei ganz gleichgillig, die Anstrengung blieb dieselbe! Und nun gar Vorbereitungen, Anordnungen zn treffen — sie musterte ihre Toilette! Welche Kleider sollte sie mitnchmen, welche zurück-
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