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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921231022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892123102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892123102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-31
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AboxnemeutsPreiS R» der Hanytexpeditioa odrr den tm Etadt» de»tri und de» Vororten erricht«»» All- pabksikükn abgeb olt: vtertrlläbr'.lch^lsüü. vei zwetmoliger täglicher Zustellung in« Hau« b.S6. Durch die Dost bezogen sur Teuttchloud und Oesterreich: vierleuädelich -.—. Direct» tägliche Kreu-bandiendnug ins Aullaad: monatlich ^ Di» Morgenausgabe erscheint täglich'/»? Uhr. di« Abend-Ausgabe Wochentag« b Uhr. Abend-Ausgabe. Nedaltioa und Lrveditioa: Johannes,asje 8. Die ged dition ist Wochentag- ununterbroche» ' von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filinlkn: Vtt» «e»»'s k-rtiui. <M»r»h Hahn), llniversilätsstiaß« 1. Louis Lösche. üathariaeastr. 14, pari, und Löaiglpla» 7. WM.MMM Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesMe, Handels- «nd Geschäftsverkehr. JrrsertioaSprei- Die 6 gespaltene Petitzeile Aü Reel«»«» «nt« h«»> «^lte») bO>ch, »or de» sS^wal-,) 40-A- Seötz^r Schriften laut »»joro« ^Urrtl« lerzeichuii TaLellorischer uad Zifs«»iotz »och höherem Tarts Extra-veila,e« lg«f°l»t>. »«r «it de» Moegea-Ansgabe, ohu« Poftdeftrdernng li-, «i» ' "" » tXI- Postdesärdekuag 70.- Iinuahmeschlnß für Z«ser«1e: Ab»»d-Au«gabe: vormittogl 1ü Uhr. Mor,» »-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- uad Festtags früh '/^> Nhr. v»t de» Filialen und Annahmestelle» je «t»l halb» Stund« srührr. Anserat» siod stets a» dt» Expehttla« t» richten. Lrnck und Brriag von E. Pol» t» Leipzig. .z° 868. Sonnabend den 31. Dccember 1892. 86. Zahrganz Zur gefälligen Beachtung. Unsere Erpeditiou ist morqen Sonntag, den 1. Januar, Vormittags nnr bis Uhr i/vstilet. Lxpeültiv« UL8 I-Lip/iLser !>. Politische Tagesschau. * Letp»i,, 31. Drcember. Die gestern an dieser Stelle mitgetheilte und besprochene Auslassung des CentruniSfübrer« vr. Lieber über die Haltung seiner Partei gegenüber der Militairvorlage hat begreiflicherweise überall großes Aufsehen erregt. Die gcsammte Presse beschäftigt sich mit ihr und wirft die Frage auf. welche Aussichten für daS neue Jahr sich eröffnen, nach dem der genannte Abgeordnete erklärt hat, das Centrum werde nur so viel an Geld und Mannschaften bewilligen, als nöthig sei, um innerhalb der gesetzlich cinzufükrenden zwei jährigen Dienstzeit die jetzige Frieden-Präsenz aujrechl zu er halten, „darüber kinaus aber keinen Mann und keinen Groschen". Die „Nat.-Lib. Eorresp." antwortet auf diese Frage: „Wenn wirklich Herr Lieber im Namen der Lentrumssraction, und zwar der gesammlen, gesprochen hat, dann ist allerdings das Gesetz gescheitert und die hochernsten Consequenzen dieses Ereignisses werden sich alsbald einslellen. Sie können einmal in dem Rücktritt deS Reichskanzlers, in der Zurückziehung der Vorlage, in der vorläufigen Vertagung der M i l i t a irr e s o r m, sei es, dop man sie ganz fallen läßt oder sie später aus anderen Grundlagen wieder aus. greift, oder aber in dem Ausharren des Reichskanzlers aus seinem Posten und bei seiner Vorlage mit einem neuen Anruf der Wähler bestehen. Etwas Anderes giebt es nicht, wenn Herr Lieber bei der Gcsamintheil deS Centrums seiner Sache jo sicher ist, wie er sich den Anschein giebt. Wir möchten es einstweilen für einen Theil seiner Partei doch noch bezweiseln, wenn auch der Flügel Huene augenblicklich ossendar stark zurückgedrängt ist. Da« Eentnmi kann »ei neuen iKeichSlogswahlen unter den gegenwärtigen Umständen nichts gewinnen, wohl aber eine Reche von Mandate» an ein« sehr bedenkliche Sorte von Ultramontanen verlieren. Mit der Sonn« der RegierungSgunst wäre es dann wohl auch aus geraume Zeit vorbei. Und was die andere Wendung, den Rücktritt des Grasen Caprivi, betrifft, so haben wir guten Grund, anzunehmeu, Last sein Nachfolger dieser Partei weit weniger genehm sein würde, als der Befürworter der VolkSschulvorloge. Es werden schon allerlei Namen genannt, von denen der eine zu sehr interessanten Betrachtungen Anlaß giebt. „Ter Trumpf heißt jetzt Centrum", verkündigte Herr Lieber mit dem prahlerischen Uebermuth, der seine Partei jetzt kenn- zeichnet. Am Ende könnte das Kartenspiel trotz des Trumpfes für das Lentrum doch verloren gehen/' Richtig ist an dieser Darlegung jedenfalls, daß das Centrum von einer Auslösung deS Reichstags ebensowenig etwa- zu erwarten hat, wie von einem Rücktritt de- Grafen Caprivi oder einer vorläufigen Vertagung der Militairresorm. Gerade deshalb aber glauben wir auch nicht, daß die Kundgebung de« Herrn vr.Lieber da« letzteWort deSCentrum« in derMilitairfrage sei und daß sie einen anderen Zweck, als den eines Druckes au die verbündeten Negierungen habe, um diese zu Concessionen in der Iesuitenfrage geneigt zu machen. E« würde Herrn vr. Lieber, wenn er derartige Concessionen in Aussicht stellen könnte, ein Leichtes sein, seine Parteigenossen zur Bewilligung noch vieler Männer und vieler Groschen zu bewegen. Gerade deshalb aber muß man sich überall im Reiche, wo man in der Aufbebuug des IesuitengesetzeS eine schwere Gefahr für den inneren Frieden erblickt, bei Zeiten rühren, bevor hinter den Coulissen eine Abmachung bezüglich jenes Gesetzes erfolgt. Werden deui Centrum die Handelsstraßen ver legt, so wird die Aussicht auf eine Berständigung über die Militairvorlage nicht schlechter. Denn eben weil diese Partei weder von einer Auslösung reS Reichstags, noch von einem Rücktritte deS Grasen Caprivi, noch von einer vorläufigen Vertagung der Militairresorm irgend welchen Borthril für ich erwarten darf, muß eS auch ohne Gegcnconcessionen die Hand zu einer Verständigung bieten, sofern die verbündete» Regierungen ihre Forderungen auf das nachweislich Unerläß liche beschränken. In Wien hat am Donnerstag unter dem Vorsitz de« KaiserS rin Ministerratb stattgcsunden, welcher den Pro- rammentwurf de- Grafen Taaffe für die neue iarlamentsmehrheit genehmigte. Die Verhandlungen mit den Parteiführern werden demnach unter dem Drucke der Tbatsachc geführt, daß das Programm die Billigung der Krone gesunken hat. Das Programm stellt, wie auch der „Voss. Htg." bestätigend gemeldet wird, die Anerkennung des Dualismus voran und entspricht im weiteren Inhalte der letzten Thronrede. DaS Parlament soll die socialpolitische Reform durchführen, die wirthschastliche Entwickelung fördern, Ausgleichung der socialen Gegensätze anbahnen, dem Klein gewerbe besondere Fürsorge zuwenden, die Iustizpflege ver bessern, die Steuerreforni durchführen und auf dem Boden der sachlichen Arbeit alle Parteien vereinigen. Die Linke soll auf die Betreibung des böhmischen Ausgleiches, die Klerikalen auf Erneuerung der Schulanträge, die Slowenen auf Fort setzung der Slowenisirung verzichten. Die Annahme des Programm- werde allmälig größere Personalveränderungen ini Parlament herbeisübren. Der Speisezettel ist also fertig, das Essen dürste aber nicht gekocht werden, denn Graf Taaffe wird selbst nicht glauben, daß bei den heutigen Nationalitäteiikämpfen in Oesterreich eine gedeihliche gemeinsame Reformarbcit möglich ist. DaS Programm wurde auch nur für die Krone ausgestellt, um jene Parteien, die nicht aus die ministerielle Leimspindel gehen, als „sactiös" bezeichnen zu können. Wird aus der Mehrheits- bildung nichts, so denkt man daran, den ReichSrath auszu» lösen und Neuwahlen auszuschreiben. Wesentlich andere Parteiverbältnisse würden diese auch nicht bringen, aber cs würde Zeit gewonnen, und da« ist für die Regierungskunst des Grafen Taaffe die Hauptsache, die ja nur in dem einen Begriffe besteht: „Fortwursteln!" Eine charakteristische Probe der Stimmung, die in der schweizerischen Presse gegen Frankreich zum Ausdruck - . . . ... ^ . kommt, enthalten die „Basler Nachrichten", indem sie m. einem sehr scharf und witzig geschriebenen Artikel mit der>?E - Frankreich ausgezeichnete Beziehungen un Ueberschrifl: „Was nun?" den Franzosen folgende Liebens würdigkeiten zum Angebör geben: Es haben sich im französischen Parlament 338 Stimmen ge- fundeu, welche das Handelsabkommen mit unserm Lande abgelehnt und die Thore Frankreichs uns verschlossen habe». 338! Das Ding ist. wenn nicht begreiflich, so doch erklärlich; es geht von Leliten aus, welche seit Jahren an latenter Boulangitis kranken, an chronischer Moskowitomanie leiden, an permanenter Germanophobie laboriren, wozu kürzlich eine acute Panamatiadis getreten. — Keine Kammer, ein Spital! t^uos ckupiter perckero rult, uemenlat. Was nun? Der Bundesrath wird gegen Westen den Generaltaris in Kraft setzen, er wird, wenn noihwendig, und das ist es, gewisse französische Ausflihrartikel mit besonderen Steuern belegen. Er wird z» voll ständigerer Erreichung seines Zweckes den Grenzwächtercordon ver stärken. überhaupt Alles thun, wo« die von Frankreich geschaffene handelspolitische Lage erheisck». Ist das genug? Nein, das ist nicht genug! Einem Lande gegenüber, das wir mit vollem Rechte an 1871 erinnern dürfen, das seither nie ermangelt hat, in ollen Tonarten seiner Dankbarkeit und seiner Freundschaft uns zu versichern, das unter Hintansetzung aller und jeder internationalen Connivenz, von crassem Eigennutz und sinnloser Selbstüberhebung getrieben, »Hut, was Frankreich un- thut, dem gegenüber braucht es drastischerer Mittel I Diese Mittel bestehen darin, daß das Schweizervolt seine Sache selbst in die Hand nimmt, Herr» Msline und seinen 337 Kameraden be- weist, daß wir die französische Phrasenschmiedekunst satt haben und daß sie von heute an nicht mehr bei uns verfangen wird. Wie Frankreich gegen »ns, so sperren wir gegen Frankreich. Je hrrmelischer der Abschluß, um so bester! Es ist möglich, daß es Einzelnen schwer fallen wird, gewissen Gewohnheiten zu entsagen: Ter Cognac- und Lhartreujeliebhaber wird den Bundessprit uad den „Herdöfler" trotz der Reinheit, die Herr Milliet garantirt, viel- leicht nicht so bald »ach Verdienst würdigen, doch gebt Probiren über Studiren und Schnaps bleibt Schnaps, ob Lue Ldampag;ue, Träsch oder Whisky. — Wir möchten übrigens die specielle» Freunde des Gläschens erinnern, daß von Deulschland, Italien und Spanien aus sogenannte Feinschnäpse i» Handel komme», welche dem Cognac, ja selbst dem Cognac aus Cognac z. B., i» nichlS nachslehen. In diesem Tone gebt eS in dem Artikel der „Ba-i. Nachr." fort. Den Schluß bildet eine kräftige Hinweisung darauf, daß die Franzosen sich nicht wundern möchten, wenn im Falle eines künftigen Kriege« die Sympathien der Schweizer sich noch mebr, aiS schon seither geschehen, von Frankreich ^»bwenden würden. Wir können und wollen nur wünschen, daß diese Stimmung nicht bloS das Product einer augen blicklichen GemütbSaufwallung ist, sondern daß die Lection, welche die französische Kammer den Schweizern gegeben hat, von andauernder Wirkung ist. Der schweizerische BundcSrath hat hekanntlich die Angaben des Fürsten Bismarck i» Betreff der im Jabre l87l angeregten Abtretung eines TheileS des Elsasses an die Schweiz für unrichtig erklärt. Daß an der Sache aber doch etwas Wahres gewesen ist, da« bekundet jetzt eine Auslassung des Pariser „Matin", dem Herr L. Peyramont Folgendes schreibt: Verschiedene Manusactiirtreibende von Mülhausen wollten aus patriotischen oder industriellen Gründen versuchen, der Annexion durch Deutschland zu entgehen. Zu diesem Zwecke setzten sie sich mit den Fabrikanten von jenseits des RheineS ins Einvernehmen, für welche die Concurrenz der eisässischcn. Prvducle den Ruin bedeuten mußte. Eine lebhafte Agitation oraanisirte sich im Großherzogthum Baden und in anderen Gegenden Deutsch lands. Damals war eS, daß Graf Bismarck Herrn Kern, den Gesandten der helvetischen Republik in Paris, nach Versailles kommen ließ »nd ihm den Vorschlag machte, der Schweiz den industrielle» Tbeil des oberrheinischen Departements, d. h. Mmhamen «nd eine iemüch ausgedehnte Zone der Nachbarschaft, zuzuweisen. Jules Favre, der von dielen Vorschläge» uuterrichtet wurde, gab zu d»nselben sofort seine volle Zustimmung. Tic an der Spitze der Bewegung siebenden Mülhauser Industriellen Men damals drei Abgeordnete nach Bern zu Herrn Schenk, dem Päsideiiten der Eidgenossenschaft. Dieser hielt ihnen folgende Rede: „Meine Herren! Unser Minister Kern in Pari« hat uns wtrklich von Seiten des Herrn von Bismarck vorgeschiagen, der Schweiz die Stadt Mülhausen und ihren industriellen Ruyon zu geben, damit daraus ein neuer Kanton geschassen würde. ^ kgewiesen. Wir und Hallen darauf, sie zu bewahre». Es wäre der Eidgenossenschaft nicht würdig, aus dein Unglück Frankreichs Stutzen zu ziehen, um uns aus seine Koste» zu vergröbern. Wir baden nicht nöthig, irgend Jemand zu plündern. Frankreich würde uns das nie verzeihen, und eS hätte Recht. Früher oder später wird Frankreich seine Situation von ehemals wieder einnehmen; e« wirb die Landestbeile zurllckveriaiige», die man ihm nimmt; dann müßten wir das gefährliche Geschenk zurück- geben, das man uns jetzt anbietet. Alles Geld, das in unserer neuen Erwerbung ausgegeben worden, wäre verloren und wir ständen in der Gefahr, mit unserm mächtigen Nachbar in schwere Zerwürfnisse zu geratben. Die Schweiz kann einen solchen Weg nicht einschlagen und solche Risiken nicht übernehmen." Die Delegirten drangen aus Erfüllung ihres Wunsches; sie machten sich anheischig, die Zustimmung der französischen Regierung und eine Petition beizubringen welche mit der Unterschrift aller Bewohner des ganzen zu anncctirenden Gebietes die Verbindung mit der Schweiz verlange. So wäre die schweizerische Republik gedeckt und gegen jede Even tualität geschützt. Herr Schenk unterbrach die Worte, indem er sagte: „Es nützt Alle- nichts; wir haben daS Angebot zurück gewiesen." Die Agentur Dalziel bestätigt in einer Depesche auS Bern, daß der BundcSrath alle Vorschläge wie die obengenannten entschieden zurückgcwicsen habe Was nun die Vorsckläae betrifft, die von Seiten der MUlbauser auSgegangen sind, so erinnert sich die „Neue Zürcher Zeitung" an die Mittheilung eines BaSlers, die derselben vor Jahren darüber gemacht worden ist. Der Basler, der mit den Mülhauser Verhält nisten wohl vertraut war und die dortigen maßgebenden Persön lichkeiten kannte, erzählte:Anfang« de« Iabre«l87I, alsdicAb- trennung Elsaß-LotbringcnSsest beschlossene Sacke geworden, tagte in Mülhausen eine Notabelnversammlung, meisten« große In dustriellen und Kausleule.um überdieFrage zu entscheiden,ob man Schritte zur Einverleibung in die Schweiz lhu» wolle. Tie Meisten sprachen sich in einem für den Anschluß an die Schweiz günstigen Sinne aus. Der Vorsitzende traute aber der Sache nicht recht und veranstaltete eine geheime Abstimmung: Siebe da! Boa den 42 Anwesenden verlangten 40 die Anne-ion an Deutschland und nur zwei die an die Schweiz. Die GeschästSinleressen waren eben doch mächtiger als die politischen Sympathien. Die tonangebenden russischen Blätter 7. stigen ich in lebhafter Weise mit dem Panama»S n a. 'Md der Lage, in welche Frankreich dadurch gcrakhe nt . , e den Einwirkungen de« Skandal« auf das russisch- > ' ' c Bündniß. Die „Now. Wremja" ist der An iyi, da« einzig denkbare Mittel, um in Frankoeich wiederum r in Lust zu schaffen, sei eine Neuwahl der Deputirlen- kammer, doch unbedingt erst nach Beendigung der gerick->' licke» Procedur gegen die VerwaltungSräthe der Pan-m Gesellschaft und die Ubiigen Augeklagten. Neuwahlen vcr Schluß de« Processes könnte» dagegen zum Zusammenbruch cr parlaiuciitarischeiiNepublikführen. Man könnenicht länger daran zweifeln, daß der kolossale Panama-Skandal mit seinen zahllose.. Enthüllungen" iu Frankreich die Hoffnungen aller Gegner der parlamentarischen" Republik neu belebt habe. Beweis da für sei daS Gebabren Ankrieux', Dsroulödc'S, der Bonapar- tisten und der stillvergnügt im Hintergründe lauernden Orlcanisten. Alles deute auf eine förmliche Verschwörung gegen die gegenwärtige Ordnung der Dinge. Die zur Klärung der Situativ» notbwcndigc Auslösung der Deputirten- kaunner dürfe indessen nicht überstürzt werden. Die Neu wahlen wären in der gegenwärtigen Minute undenkbar ohne di« höchste Gefahr, daß die Kammer durch diese Wahlen eine starke Majorität der Gegner der parlamentarischen Republik erhalte. „Bor dem Schluß des Panama-Processes könne Carnot und da» Ministerium Ribot es nimmermehr ri-kireu, Neuwahlen vornehme» zu lasten. Das einfache Gefühl des Patriotismus muß Hinweisen aus die Nothwendigkeit, mit allen nur möglichen Mitteln der grgea- wäitige» Orgie der „Enthüllungen" ein Ende zu bereiten, dieser Orgie, durch welche Frankreich in kurzer Zeit fast aller Bortheil» jener internationalen Stellung, die ihm aus den Ereignisse» der letzten zwei Jahre erwachsen sind, verlustig geworden ist. Nicht rkenuender ohne guten Grund ergeht sich dir deutsche Presse in aner Belobung der „hohen Ehrenhaftigkeit der Motive", Li» ihrer Dar stellung nach für dir Urheber der „skandalösen Panama^iachüllrutgru" allein inaßgebend gewesen." Fürst MeschtscherSki äußert sich in dem .Tages berichte" de« .Grashdanin" sehr unzufrieden mit der Gleichgiltigkeit und Apathie, mit welcher die St. Peters burger sich verhalten zu dem Bilde vollkommener moralischer Insolvenz eben derselben Gesellschaft, „mit der wir noch gestern bereit waren, unter den Klängen der Marseillaise Arm in Arm nach Berlin zu marschiren" ... „Ich kann mich des schlimmen Gedankes nicht entschlagen, daß, wenn unsere moralische Kraft und Energie nicht allsreicht, um Eut- rüstiing über jene Vorgänge zu hegen, oder durch sie enttäuscht zu werden, dies daher kommt, daß eS unter uns selbst allzu viele „Ponama-Leute" giebt. Es scheint mir, daß wir unter dem Einfluß der althergebrachten Hinneigung zum scanzöstschen Grsellschaslsleben und zur französischen Civitijation da« Niveau unserer Sitten so lies herabgedrückt haben, daß viele von uns hinsichtlich der Beurlheilung des Panama-Skandals «in« ähnliche Stellung einnehmen wie jene Pariser, die, ohne irgend wie belheiligt zu sei» an dem Skandal, demselben doch kein ernsteres sittliches Interesse widmen und sich einfach darauf beschränken, banale Neugierde ihm zuzuwenden." Daß die Mahnung de« „Grashdanin" viel fruchten werde, erwartet das Blatt wobl selbst nicht. Ueberhaupt kann den Auslassungen der russischen Presse über die Vorgänge in Pari« nur geringe Bedeutung beizelegt werden. Die Haupt sache ist und bleibt, wa« der Zar darüber denkt. Und bat dieser sich so geäußert, wie der „Figaro" erzählt (französische Untersuchungen und Gerichtsverhandlungen gingen ihn nichts an, er kenne nur da« Volk und die Regierung Frankreich«), so sieht er mit Geinigtbiiung dem Unsturze de« republikanische» Nrgimenl« in Frankreich entgegen. Deutsches Reich. O! Verltn, 30. Dccember. In Nr. 635 d. Bl. reprodu- cirten wir eine Mittbeilung de« frühere» Mitredacteur- Liebknecht'« am „VolkSstaat", Hcpner in St. Loui«, über Liebknecht « damalige« Gehalt, da« bei der Begründung des „Volksstaat" 40 Thaler monatlich betragen habe, während Fenilletsn. Viimmerullgen. Roman in drei Büchern von Rudols von Gottscholl. 76j Nachdruck verdolen. (Schluß.) Da« ist ein Prachtkerl unter den Bergen; diese rüpel hafte göttliche Grobheit, mit der er die Leute anspeit, va« dumpfe Grollen in der Tiefe, diese cingesperrten Ungewitter, die da unten Hausen, diese neuen Eruption-krater, die er gelegentlich bildet, wie ein Genie, das sich neue Wege sucht, und dann seine glänzenden Debüt« ... erst die Aschenwolke, da« Gebeimniß, in da« sich anfangs alle« Große büllt, dann Donner und Blitz und glühende Lava, die Ergüsse beißer Leidenschaft ... ick fühlte mich recht wohl, als ich diesem Berggenir aus die Schultern gestiegen war und den heißen Boden unter meiner Sohle süblle. Da« Sprichwort sagt: wir tanzen aus einem Bulcan; dir ganze Gesellschaft tanzt darauf; die Literaiur aber ist selbst ein in der Tiefe grol lender Vulcan. Leonie fand die Tour etwa« ermüdend ... man versinkt ja beim letzten Ansteig iu der Asche und muß sich von den Führern am Gängelband« bmaufschleppen lassen. Wir gingen lange am Rande des Krater« aus und ab: al« wir zurückkamen an dir Stelle, wo wir zuerst festen Boden gefaßt, kam eben eine neue Gesellschaft emporgeklettert . . . und vor mir stand ... Lord Sinclair. Ich hätte ihn am liebsten in den Vulcan binabgrstürzt, wo er am tiefsten ist, damit die Eyklopen ,bm seinen Job» Bull-Sckädel zusanimen- bämmrrten. E« ging dann binab in« Restaurant... und wir mußte» mit ihm Lacrynia Cbrifti trinke», ein Getränk, da« mir so fatal ist wie sein Gefickt und da« mir dir«mal einen ganz katzenjämmerlichen Beigeschmack batte. Natürlich stand für Leonie rin Reitpferd zur Verfügung vom Osscrvatorio abwärts ... und ick mußte aus einen allen Maulesel binauf- klettern. Cie ritten mir weit voran . . . und ich maro- dirte kläglich hinterdrein. „Ich Überschläge wieder einige Blätter... sie sind sehr weltschmerzlich angehaucht. Sie zogen hinaus nach Portici ... der Lord folgte ihnen! Jetzt kommt das wichtigste Blatt ... Teresa! Du wirst auf einmal in da« Drama verwebt, da« am Fuße des Vesuv« sich abspielt." „Ich, ums HimmelSwillen!" Unsichtbare Fäden spiiinen die Schicksale der Menschen über Land und Meer! So höre, wa« Lothar hier schreibt: Meinetwegen . . . und wenn'« zu Ende geht . . . junge Dichter, die der Tod ereilt, sind Lieblinge der Götter . . . und ewig schmücken sie die frischen Kränze deS Ruhms. Und der Tod klopfte an bei mir . . . vielleicht! Er batte eine jugendliche Gestalt und sah aus wie da« Leben selbst. In einem Hotel in Portici ... weiß Gott, wie er'« ausfindig gemacht, erschien ein junger blühender Osficier in Civil. Es war Lieutenant von Schollen, wie seine Karte auswies ; er theilte mir mit, daß ich mich mit ihm schlagen müsse; er werde mir seine Secundante» schicken; ich hätte das Mävchen, da« er geliebt, verführt und treulos ver lassen, um dann mit einer anderen Dame in der Welt herum- zuabrnleuern; ich hätte e« ihm unmöglich gemacht, der in Berrus gekommenen Geliebten seine Hand zu reichen und da« Glück seine« Leben« beimzuführen. Er fordere Rechen- schast von mir . . . für ihr zerstörte» Leben da- meinigr Wohl, ich bin in einer Stimmung, um den Teufel nick« zu fürchten, wenn er im Schornstein de« Vesuv« au« der Hölle emporsticge und mit feurigen Nüstern mir die Pistole entgrgenhielte. Am liebsten schöss ick mich mit meinem Gegner oben am Rande de« Krater«, daß der Fallende gleich hinunter stürzte in« Flamniengrab. Nun. in einer Bcrgsalte de« Vesuv« wird die Begegnung stattsindrn ... der alte Feurrriesr wird seinen Segen darüber sprechen, und wa« bleibt mir übrig ... der Lord, dem ich am liebsten eine Kugel ins Herz schösse, wird mein Decunvant sein. Ich zögere nicht, die Forderung anzunebmen ... ich üble mich schuldig. Diese Leonie verräth mich, aber Teresa « anfte« Bild taucht im Dämmer der Ferne aus, webmütbig lächelnd . . . v, e« war ein liebe«, ein süße« Kind! Der Osficier bat Recht, daß er mich nicdersckießen will. E« dämmert in mir ein Lickt auf, daß ich eine Art von Eanaille bin . . . ick war es jenem entzückenden Mädchen gegenüber! Al« Schutzgeist darf ich sie nicht anrufen; aber wenn auch verhüllt und abgewandt, streue sie mir Blumen auf den Weg, den ich wandeln muß. Komm herab, o Madonna Teresa, und drücke mir den sausten Kuß der Liebe oder de« Tode« aus die Lippen. Teresa war weinend aufgesprungen . . . allzumächtig stürmten alte Erinnerungen auf sie ein. „Und das nächste Blatt, da« nächste Blatt", rief sie dann in krampsbaster Hast. „Die« war da« letzte . . . und sie alle geboren dem Nach laß meines Bruder« an." Mit einem Aufschrei brach Teresa zusammen und verbarg ihr Gesicht in den Sopbakiffen. „Mein Freund »nd Studienaenosse, ein junger Gelehrter, der an Palmieri'S Seite am Osservatorio de« Vesuv« an- gestrllt ist, Kai mir diese Papiere geschickt, zugleich mit der Kunde, daß Lotbar von dem deutschen Osficier im Duell erschossen worden sei; Leonie sei mit Lord Sinclair zu Schiff nach England gereist." E« trat eine lange Pause ein . . . Teresa kämpfte einen schweren Kampf. Sie batte dem Tobten längst ver ziehen . . . dann richtete sie sick auf und wollte sich an da« Herz de« Gatten Wersen, doch Oswald hielt ihr abwrhrend die Hand entgegen. „Noch ein« ... ich bin nicht unschuldig an Lothar « Tod! Da« Alle«, wa« diese Briefe erzählen, spielt einige Monate vor unserer Hochzeit ... ich hielt es geheim vor Dir. Damals batte Lotbar seinen ersten und einzigen Brief an mich geschrieben; er gab mir seine Adresse an und bat mich, seinen Verleger, der niit dem Honorar im Rückstand war, um Einsendung der fälligen Summe unter dieser Adresse zu malmen. Da kam Lieutenant von Schollen zu mir und fragte mich nach Lotbar'S gegenwärtigem Aufenthalt. Hinter dieser Anfrage lauerten feindselige Absichten . . . da« wußte ich . . . und doch zögerte ick nicht, dem Osficier da- Hotel in Portici zu nennen, wo Lothar wohnte. Ein Jeder ist der Tbäter seiner Thaten und mag ritterlich für sie cinstehen ... er darf die gerechte Sühne nicht scheuen. Der Schatten eines Brudermordes streift nicht meine Stirn ... ich erhebe sie frei. Ich beklage einen Bruder, den Nächsten, den ick auf Erden hatte; ich beklage sein schöne« Talent, seinen sprühen den Geist; aber ich glaubte nie a» seine Zukunft. Ich lieb« einen gesunden RcaliSmu«, da« bängt mit meiner ganzen Welt- und LebenSanschauung zusammen ... aber die Männer wie Lothar sind hirnverbrannte Romantiker, die mit jenem Namen prunken. Ich beklage ihn um so mehr, al« ihn ein« krankhafte Anlage zu jenen, geistigen DämmerungSssug ver» urtheilte, an dem so viele begabte Talente zu Grund« gegangen; aber gefährlich sind die Verirrungen solcher Aus- nabmcmoral, und sie mag Red« stehen allen Denen, welche fir gekränkt hat. Und die« Recht wollte ich Niemandem ver kümmern, Niemandem ... ich batte e« mir selbst genommen, wenn ich nicht sein Bruder gewesen wäre." Teresa war Anfang« zögernd zurückgewichen vor O-wald's Bekcuutniß; dann aber kämpfte sie jeden Zweifel nieder und sagt«, ibm an« Herz sinkend: „Du hast da« Größte gethan ... Du hast sein Opfer gerettet! Auf ewig Dein, Geliebter!" Dem schwermüthigen Tag folgte ein heiterer Abend . . , da« BerlobungSfrst auf Schloß Helmer-Heim. Enrico hatts
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