DIE KUNST IM GRAPHISCHEN GEWERBE AUS EINEM VOLKSHOCHSCIIU LKU RSUS FÜR GRAPHISCHE BERUFE lies ift fchon dage- wefen! — Dielen an lieh gewiß wahren Satz wenden ober flächliche Menfchen gern an,wenn fiefich dem Vorwurf ent ziehen möchten, das Neue zu verachten und nur gewohnte Pfade zu trotten. Wir Buch drucker haben uns in den letzten Jahren fehr vielem anpaffen müffen, und viele von unshaben es vielleicht auch gern getan und werden auch zukünftig fich den künfllerifchen Strömungen anzupaffen wiffen,foverfchiedenartigdiefe auch fein mögen. Wohl ift vieles fchon dagewefen! Aber ift das nicht der gemeffene Gang der Natur? Kehren nicht alle natürlichen Formen in der Kul tur feit Jahrtaufenden wieder? Welche Kunft- epoche in der Gefchichte der menfchlichen Kultur weift nicht übereinftimmende Formen mit vor aufgegangenen oder nachfolgenden Perioden auf? Genau oder beinahe fo wandelt fich die Gutenbergifche Kunft, die fdiließlich doch nur die Formen der alten Handfchriften vielfältig verändert wiedergibt. Auch in der Schrift fühlen wir unbewußt das Schöne heraus, weil alles Schöne natürlich ift und beftimmte äfthetifche Gefetze erfüllt. Wenn darum ein Könner, der die Gefetze der Kunft meiftert, alte Schriften in neuem Gewände wiederbringt, fo freuen wir uns deffen; denn meift wird die alteKunftform diefer Schrift ja dem zeitgemäßen Empfinden ange paßt: fie ift verfeinert und idealifiert. Es muß an erkannt werden, daß die Buchdruckerkunft der Gegenwart, gemeffen an der Vergangenheit, fich auf einem recht hohen Stand befindet. Aber wir wiffen nicht, was nach uns kommt. Der Satz: »Der Stil hat fich noch nicht geklärt«, ift eine ge- wiffe Gedankenlofigkeit. Muß die Typographie überhaupt eine Stilrichtung haben? Nein, dann wäre fie nicht das, was fie fein foll. Unfre Hand- werkskunft ift Vermittlerin aller menfchlichen Gedanken und Empfindungen, und je formen- reicher ihr Ausdruck, um fo idealer ift das Ge- famtbild ihrer Leiftungen. Deshalb ift auch die Entwicklung der jetzt in unferm Gewerbe fdhaf- fenden Künftler notwendig, und es ift von be- fondermWert,daßdadurchftändig neues Leben in die Werkftätten Gutenbergs geführt wird. Wohl bedingen eine Anzahl derart führender Perfönlichkeiten eine vielfeitige Beeinfluffung der typographifchen Geftaltung und laffen keine übereinftimmenden Richtungen aufkommen; doch das ift ja auch nicht notwendig. Die Künft ler geben mit ihren neuen Werten, die fie dem Buchgewerbe bieten, zugleich auch die Anwen dung diefer Schrift und jener Ornamente, fo daß gar kein Mißverftändnis entliehen kann. Und noch immer haben wir Buchdrucker auch ver banden, dem Leitgedanken des Künftlers zu folgen. Aber follen wir denn nicht das Recht der Kritik haben, wenn Künftler etwas fchaffen, was in der Praxis nicht zu verwenden ift? Ja! Wir können kritifieren; kein vernünftig denkender graphifcher Künftler wird das Urteil des Fach mannes ganz ablehnen. Wieviel Leute (oft her vorgegangen aus unfern eignen Reihen) fich Künftler nennen, ohne Könner zu fein, wiffen die Buchdrucker zur Genüge. Wenn diefe foge- nannten »Künftler« dann die typographifche Geftaltung»beeinfluffen« wollen, ift unfre Kritik nur Verteidigung. Doch audi wirkliche Meifter der Form können fich vergreifen und etwas fchaffen, das im Gebrauch der Werkftatt nicht zum Leben kommen kann und deshalb nur ein