01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940112018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894011201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894011201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-12
- Monat1894-01
- Jahr1894
-
-
-
246
-
247
-
248
-
249
-
250
-
251
-
252
-
253
-
254
-
255
-
256
-
257
-
258
-
259
-
260
-
261
-
262
-
-
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugsPreis -I tz» Haapt«rvediston ode» dm nn Stadt- dezirk »ad dm Vororten errichteten Au». ^«bestellen ad geholt: merteljödrlich.<4.S0. jei zweimaliger täglicher Znnrlliing Hau? 5L0. Durch die Post bezogen für Deuiichland und Oesterreich: vierteliäbriich 6,—. Direkte tägliche Kreuzdandiendimg i»1 Ausland: monatlich 7ckO. Tie Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/,? Uhr, die Ldeud-Ausgabe Wochentag» 5 llhr. LeLarlion und Lrvrditivu: Johannes,asie 8. Die Expedition ist Wocheniag» ununterbrochen gedgae« voa ftüh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ltt» Me«« « Larti«. sBlkreh Hatz»), Universitär«,kratz» t. L.nt» Lösch». Kathartnmstr. 14. van. und NönigsvlaH 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Pelitzerle SO Psg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 g«- lpallen) 50^, vor Len Familicnaachrichteii (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis!. Tabellarischer und Ziffern!»» nach höherem Tarif. Extra-Beilagen lgemlzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poslbesörverulig 60.—, mit Postbesörderung 70.—. 'Annakmkschluk für Änzeitzkn: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- and Festtags früh '/»O Uhr. Bei den Filiale» und Annabniesielleo ;« eise halbe Sttinde jrüher. Aaieigea sind stet- an die Gxprditt«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzlg. Freitag den 12. Januar 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Das 1. Stück des die-iadrigen Retchs-t-csetz-BIatlrS ist bei un^ eingegangen und wird bis zum 8. k. M. aus dem Rathhaus- saole zur Einsichlnahme öffentlich auShängcn. Dasselbe enlhält: Nr. 2139. Handels-, Zoll- und Schifffahrt-Vertrag zwischen Lein Deui scheu Reiche und Rumänien. Vom 21. Ocl. 1893. Leipzig, Lm 9. Januar 1894. Der Math der Stadt Leipzig. l)r. Georgt.Krinnbiegel. Lekailntinachuny. Hoher Verordnung zufolge bringen wir hierdurch zur Kenniniß, daß der Kirchenvorstand der Matlhüigemrinde aus folgenden Mit gliedern besteht: Herrn Piarrer v. Johann Paul Kaiser, Vorsitzender, . Sladtrath Vr. zur. Johannes Schund, slellvertretender Vorsitzender, - Buchhändler und Rittergutsbesitzer Albtn Ackennann- Tcubncr, » privat. Lauimann Richard Aprer, » Jusiizrath Emil Barwtntcl, » »ausmanii Emil Drrtzicr, » Hofpianofonesobrikuiil Dhrophil Francke, » Diakonus Alfred Fritzsche, - Lchuldirecior vr. pbil. Johann Friedrich Ehrrgott beim, » Procurisi 8. Oskar Hugo Hilbert, - Archiiekl Moritz Münch, » Archidiokonus Max vhristoph Peschtlk, - Rector Professor l)r. pliil. Richard Richter, - Versicherungsdirecior Hcrniaini Ruppert, - Cchlossermeisier Julius Lchwartze und - Rechisanwalt Hofraih Friedrich von Zahn. Leipzig, am 10. Januar 1894. Ter Nirchcnvorstand zu Tt. Matthäi. l>. Kaiser. Lekanntmachung. Tic Lieferung der zu den diesjährigen städtischen Schleusten, ballten erforderlichen 7LOOOO Schlenireiisteine jKeii- und Wölb, steine), 80 000 Form steine und KO 000 Steine vo« Rsrmal- sormat soll an einen Unternehmer vergeben ivero-n. Tic Bedingungen für Liese Lieferung liegen in unserer Tiefbau Verwaltung, Raihhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23, aus und können dort eingesehrn oder gegen Einrichtung von 50 die auch in Brief,narkcn eiiigesendel werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt niit der Aufschrift: „Lieferung von Lchlruszenfteine»" versehen im oben bezeichnen,, Geschäftszimmer b>S zum 22. d. 8 5 Uhr Nachmittags einzureichen. Ter Rach behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, Len 10. Januar 1894. Io- 107. LrS RattiS der Stadt Leipzig Snafzendaudeputation. ^utzholz-Äuction. Mittwoch, den 17. Januar 1804, sollen von Vormittags -10 Uhr LN aus dem Mittclwaldschlage in Ablh. 6 des Vurganrr Forstreviers in der Rühr des srührren alten ForsthauseS bet Böhlitz-Ehrenderg die nachstehenden Hölzer, al« 35 Eichen- Rutzklotzr von 40— >07em Tiärke r 22 Buchen- 37 Rustern- 12 Linden- 7 Eschen- 1 Ahorn- 7 Masholder- 2 Apielbanm- 9 Ellern- 19 Stück Eschrn-Tchit-rhiilzer, nnicr den im Termine anshangenden Bedingungen und der iiblick)«» Anzahlung an Ort und Stelle meistbietend verlaust werden. Zusammenkunft: aus dem obengenannten Schlage. Leipzig, am 3. Januar 1894. Des Raths Forstdeputation. ErmittkluilgSiilifruf! Beier, Wiliwe, Augusle Therese geb. Kühne ans Leipzig. Um Ermittelung und Bekanntgabe des jetzigen Aufenthaltsortes derselben wird gebeten. Arnstadt, den 6. Januar 1894 Fürstlich Schwarzb. Amtsgericht m. Er. Langbein. 24—iV 2-8 - s 22—77 - 3-10 - a 26-73 4-12 . - - 19-43 - 4—9 - s - 30 - k . LI-33 - 8-8 - s - 31-32 - 4—6 - s - 18-23 - - - 4—8 . - n. Die Zustande in des Siri ien nach Erhebungen Parlaments. X. rV. San Nemo, V. Januar. WaS seit langen Jabren jeder Einsichtige befürchten nAißtc. ist nunmekr in tcui unglücklichen „italienischen Irland" eingeircten: dein unerträglichen Druck stellen sich an den verschiedensten Orten Aufstände gegenüber, der Belagerungszustand ist vcrbängt, zahlreiche Opfer werden der Bewegung anbcimfaUe» und es werden nicht immer die Schuldigste» sei», welche dabei zu Grunde geben. Kaum aber konnte cS ander« kommen. Die Erhebung ist eigener Art. cS bandelt sich nickt um bobe Politik, nickt um republikanische Bestrebungen, nickt um Sontcrgelüste bezüg lich einer Trennung vom Gcsammtstaatc Italien — nm deS Lebens Nokkdurfl bandelt eS sick — Arbeit oder Tod ist daS Losung-wort. In der italienischen Presse kört man fast nur die eine Stimme: cs »inst gcbolfen werden. Selbst verständlich ist cS die erste Ausgabe der Regierung, die öffent liche Ordnung wieder berzustcüe»; damit ist aber nickt-, gar nicht« gelban und geschaffen; alsbald nach der Be wältigung de« Aufruhrs muß der Staat die Revo lution selbst in die Hand nebmen, muß tbalkräftig und rücksichl-IoS mit dem socialen Unflakb anfräumen, de» sich seit geraumer Frist aus Sicilien angebäuft, muß der in jeder Hinsicht gesunkenen Bolksmenge die Möglichkeit ver bürgen, nur überhaupt leben zu können — von einem „menschenwürdigen Dasein" wirk noch lange keine Rede sein Aber selbst vaS wird nickt >m Handumdrehen zu erreichen sein; da- Hebet ist zu alt und eingewurzelt, dir Mißbräuche werden allzu sehr von einflußreicher Seite gestützt und ge- chützt -, der Erbarmungslosigkeit, dein Treubruch so vieler Be> ätzenden ist die List und Scklaubeit der verdummten Armen nicht gewachsen — kurz, eS wird noch mebr als rin Ministerium an diefer Karten Speise zu kauen baden. ES ist nickt z» leugnen, daß von Seiten der Regierung bislang viel zn wenig Eifer bewiesen worden ist, auch nur einen verbeißungSvollcn Anfang zum ernsten Kampfe gegen da- Nebel zu mache»: bittere Vorwürfe erbeben sich jetzt gegen Giolitti; viel bofst man von EriSpi; aber eS wird eines gewaltigen Aufwandes von Kraft und Ausdauer, besonder- vieler, vieler Geduld bedürfen, um nur einigermaßen erträgliche Zustände zu schaffen. Um ein Nebel zn beseitigen, sagt das Wort, muß man eS gründlich kennen — das bat da» italienische Parlament auch erkannt, cS bat jahrelang, von 187? bis 1884, eingebcnte Forschungen über dir Ursachen de- Elends aiigestellt; jedoch von praktischen Folgen verlautet bi» heute — nach zehn Jabren! — wenig oder nichts. A»S den durch jene Er- bedungen entstandenen umfänglichen Acten s..3tti ckell' bu- etlissta kann inan Grnnd und Ziel der jetzigen Bewegung würdigen lernen. An eine» socialistischen Schwarmgeist mit den Idealen ist nickt entfernt z» denken, bei den Arbciterverbändrn (b'agci) kaum, die sich nun reißend schnell über die Insel auSgcbrcitct baden- wenn irgendwo, so ist cS aus Sicilien die wahre, bittere Magen srage, welche den Armen die Herzen uinwendct. Jedenfalls wird eS auch für deutsche Leser von Interesse sein, dir Ergebnisse der erwähnten, siebenjährigen Erörterungen in kurzen Zügen kennen zu lernen; wir meinen, cS wird sich auch snr deutsche Verhältnisse, so bimmelboch sie über den italienischen stehen, noch Manches daraus lernen lasse», namentlich in Bezug auf die Ziele mancher Agrarier und aus die bildung-freundlichen Bestrebungen deS demokratisch an gestrichenen EcntrumS. Die Erhebungen über die Zustände der Landbevölkerung auf Sicilien in wirthscbasllicher, sittlicher und socialer Hm sich! sanken unter der Leitung deS siciliscbcn Abgeordneten Abele Damiani statt, welcher selbst die LandeSvrrhältniffe genau tennt und von bereulcnren Männern bei der schwierigen Arbeit unterstützt wurde: — welch erschütternde- Bild hat sich da herausgeskellt. Bei der Bereinigung der verschiedenen Einzelstaal?» Italiens z» Einem Reiche waren in alle» ei.'.relnen Tdeilcn gewaltige Hindernisse zu besiegen, die zum größte» Tbeile in der Verschiedenheit der früheren Reckte und Zustände lagen; am meisten war daS — und sehr begreiflicherweise, wenn man die Geschichte de» Landes betrachtet — in Sicilien der Fall. Nicht gegen den freieren Geist ver Einrichtungen lehnte man sich aus, mau sträubte sich aber in dunklem Gefühl — wie anderswo auch! — gegen so manche neue Form, weil sie ungewohnt war und unwillkommen als störende Neuerung. Die besten Zustände sanden sich in den östlichen Thcilcn der Insel, vorzugsweise in den Kreisen von Messina und Eatania, in denen auch der Geist wahren Familienlebens herrscht, da hier die traurigen Uebelstänke nickt hervorlratcn, durch welche die Familienbande ui sämmIlicken übrigen Provinzen gefährdet wurden. Diese llebel sind Haupt sächlich: die Ungesundheit und Beschränktheit der häuerlichen Wohnungen — der Mangel an ländlichen Wohnungen über haupt —, der Mangel an bequemen und schnelle» Verkehrs wegen, welcher um so süblbarer wird, da der Acker, den der Bauer zu bestellen hat, oft in weiter Entfernung von seiner Behausung gelegen ist, oft so weil, daß der Mann nickt jeden Abend an seinen Herd zurückkehren kann, ja ihm oft Wecken und Monden lang fernbleibt! Außer diesen mehr das Acnßere betreffenden Wurzeln de» UebclS führt der amtliche Bericht nun noch zwei das geistige Feld berührende an: den sittlichen (?), oft verderblichen Einfluß der Priester, welche meist unwissend oder schlecht ober gar Verführer sind, und dann die alte Unwissenheit des Landvolks. Einige Kreis« der Provinz Eatania theilen auch diese moralischen Gebrechen: unsittliche Verhältnisse sind an der Tagesordnung; die Geistliche» selbst sind »ickl ausgenommen »nd machen kein Geheimnis! daraus Der Prälor von Ravanusa sagte aus, daß die Väter ibrc Töchter verschachern. Kuppelei, Blutschande, Gaitcnnwrd (zumeist durch Gift), Unzucht, unebeliche Geburten nehmen ciitictzlich überhand und — was schlimmer ist — man schämt sich solcher Dinge nicht, man handelt thierisch, blödsinnig. Inmitten alle- Dessen stcbl der crassestc Aberglaube, die äußerliche Religion — Heiligenbilder an jeder Straßenecke, in jeder Hütte. Die Reform de- Wahlrechts hat aus die Bauern keinerlei Einfluß auSgeübt — viele sind auch jetzt nicht wahlberechtigt, und dir cS sind, sind unwissende Mensche», die an öffent liche» Dingen keinen Antheil nebmen. Die Geistlichkeit ist im Allgemeinen ungebildet und zum große» Tbeil verdorben; welchen Einfluß sie aus die Elaste der Lanbleure ausüben, liegt ans ver Hand. Der siciliscbe Bauer kommt nur mit zwei Personen i» Verkehr: mit dem Psarrer und dem Steuereinnehmer — der Priester dient ibin iiiilunter alS^ Gelvmann, oft als Erzieher, stet« al« Nalb- geber; der Steuermann kennt nur die eine Aufgabe, die Er träge zu schätzen und zn besteuern. Ein innig religiöse- (»Ksnhl gicbt e- nickt, Wortbruch und Meineid sind nicht selten, die Ausnahmen sind cs! Von geordneter Obrigkeit »nd deren Würde hat man keine» reckten Begriff; die Autorität und deren Träger werden stet- verweckielt. daher glaubt man allgemein, daS Gesetz sei nur für die Reichen da, in jeden. Streite unterliege der ärniere Töcil. Der Hauptgrund zur Unterdrückung der Bauern liegt »i ihrem Vcrbältnist zum Grundbesitzer. eS ist, nach den Angaben der OrlSbeöörden. das deS öelaven zum Herrn. Ihr Vertrag gebt nämlich in der Regel kabin, daß der .Bauer", der den Boten bestellt, nur einen kleinen Tbeil des Erträgnisse- für sich bekommt, den Löweuantbcil nimmt der Besitzer, oft genug noch mehr, als iiuu eigentlich zutäine — der Arbeiter wag« nicht zu widersprechen. Der schon er wähnte Mangel an ländlichen Wodnunzen nöibigt ibn, in jede Ungerechtigkeit zu willigen, und der Patrone hütet sich weislich, diele», Mangel abzukelfcn. Der Groß-Grundbesiy aber, jene Latifundien, von denen man sich auch in anderen Staaten Vortbeilc verspricht, sie sind bicr der Uebel schlimmstes geworden! Je größer der Grundbesitz, desto weiter auch der Abstand zwischen Eigenrbüincr und Arbeiter, er bringt zwischen beite» einen Dritten: den Erwerbscapitalistcn, de» Trost- pächter (ßabollnto); dieser nimmt daö Gut im Ganzen in Pacht und verpachtet eS dann, soweit er cS nicht selbst bc- wirtbschaftcl, in kleineren Loosen. So entschwindet der Eigcn- thümer dem Auge des kleinen Pächter-, ein Dritter tritt da zwischen, der kein anderes Interesse kennt, al» in der Zeit, so lange sein Pacht läuft, den Boden nach Möglichkeit aus- zubeiiien und vom Unterpächter und Bebauer die größtmög liche Leistung für den möglichst kärglichen Lohn zn baden! Kleine Grundbesitzer giebt eS nur in geringer Zahl. Wobl werken Gcmeinkegruiikstlicke in kleineren ParccUcn ver kauft, das hilft aber dem Bauer in seiner jetzigen Lage nickt«: idm fcblen die Mittel zur rechicn Bewirtblckaflung, und nack kurzer Frist sicht er sich gezwungen, sein Eigenldum wieder z» verkaufen. Alle solche kleineren Güter werden, wenn sic zum Verkauf kommen, von etlichen reichen Leuten ausgckaust — und so ist ein neues Latifundium begründet. In einem Zeiträume von zehn Jahren, 1872—>882, wurden in Sicilien wegen rückständiger Steuern allein nickt weniger als «3713 Güter versteigert — 693 davon gelangten zum Wieder verkauf, >3 029 verblieben der Domaine. Wie die Taglöhner mit Handarbeiten auf den kleinen Pachtdöfen sich ernähren und wie sie wohnen, darüber sagt der Präfect von Messina: „Rur dieGroßpäckter erzielen einen Gewinn, aber auch einen erklecklichen, den Unterpächtern (morrackri) bleibt von der Ernte nur wenig, und die länd licken Arbeiter einer Meierei sind echte Proletarier. Ibre Wohnungen sind meist armselige, enge, abscheuliche, baufällige, ungesunde, an die Mistgrube anstoßende Hütten. Aus der ganze» Insel hat das Hau» de» ländlichen Arbeiter» einen Flächeninhalt von etwa 25 Geviertmcicr, inan wobnt ans dem rohen Erdboden, oft ist nur eine Oeffnung vorhanden, die zugleich als Thur, Fenster und Rauchsang dient. In der Gegend von Mvdica tritt an die Stelle eine- solche» Locke» oft sogar nur eine feuchte Felsenhöhle. Die Leute nähren sich ausü Dürftigste von Brot, vielleicht mit etwas Suppe oder pon Gemüie, daS wenig oder gar nickt ongemackt ist, mitilu.n- haben sie rin wenig Wein t-azu. Fleisch essen sie nur, wenn sie eS heimlich einmal von einem verendeten Vieh holen können! Wen» sie krank werden, baden sie kein Geld zur Arznei und »rüstiger Speise, sie siechen dahin und sterben nach langem pbynschc» und moralische» Kanipsc Dabei sind die armen unwissenden Arbeiter von Messina nüchtern, fleißig, fügsam, voll Respect vor den Bürgern, sie spielen nicht, sind weder »ach Schnaps, neck nach Wein lüstern sie wären vielleicht keines Verbrechen- fäbig, wenn sic sich nicht zu Werkzeugen von Inlrigue», von Racke oder Eiser sucht an irgend einen Höbergeslelllen hergcbcn müßten." So spricht der Präfect von Messina. Wie ist es mit dem öffentlichen Unterricht bestellt? Die actcnmäßigc Zählung besagt, daß nach der Volks zäblung von 188! Sicilien 2 927 901 Einwohner besaß; vo» diesen konnten 2 459 477 nicht lesen und schreiben — cS ergeben sich somit nickt viel weniger als 81 Procen Sckriftnn kundige! Die Erhebung bat ergeben, daß in vielen Gemeinden und in säst allen Provinze» daö Gesetz deS allgemein verbinclichen Unterrichts nur aut dem Papiere stebt; man errichtet keine Schulen, wo cS geboten wäre, man nöthigt die Eltern nicht, ihre Kinder zur Schule zu schicke», und die Familien entziehen sich ihrer Pflicht auf icke Weise, damit nickt etwa wegen ver mehrter Schülerzahl ein weiterer Lehrer anzcstellt werten muß, der doch wieder der Gemeinde Geld kostet. Auch hier ist die Arniutl, der Hauplgruiid. Der Bauer im Allgemeinen ist durch Enlbchrun» abgestumpft, er soll bei «argem Lohne eine zahlreiche Familie erhalten, er ist nolbgedrunge nüchtern wie ein Einsiedler, geduldig wie Hiob, arm wie Lazarus, ebne Aussicht aus eine bessere Zukunft, gleich einem Sudsee-Iiisulaner oder einem Fellab, er ist »„wissend, miß tranisch, schlau, abergläubisch, er nimmt AlleS, was die Ge sellschaft ihm dielet, nur mit Widerstreben an, wenn nicht sofort ein klingender Voribeil dabei herausspringl. Tivtz alledem muß anerkannt werben, daß sich auch unler der Land bevölkerung — hier mehr, dort minder — ein Verlangen nach Bildung kuavgirbt, da» früher durchaus nicht zu be merken war. Ader — es darf auch nicht verschwiegen werden, daß die» weniger dem Einfluß der Schule znzuschreibcn ist als — rem Dienste im Heere! Wie kann geholfen werden? Unser Gewährsmann, der Abgeordnete Damiani, schloß keinen Bericht: „Diese Tbatsackcn sollten den gebildeten Elasse» und der Regierung zu deute» geben. Mckl mit gleickgiltigem Zusedrii oder mit Vonderbandweisen löst man solche Fragen, noch weit weniger mit Gewalt. Hilfe ist nicht möglich, so lange der Bauer nicht ökonomisch und moralisch gehoben wird; wo aber die Mcnschenivnrdc mangelt, ist rin sittlicher Wandel nicht zu boisc» Wahr lich , waS sollen diese Bauern für die wohlhabenden Elassen empfinden, welches Interesse sollen sie snr Er kaltung der gesellschaftlichen Ordnung haben? Wie soll man von solch einem Bolle Hingebung, Tugend, Opferwillig- teil erwarten, wenn es, unter glühendem Sonnenbrand oder vom Schauer der Malaria durckbedt, eine» Boden baut, der ibm nicht gehört, für einen Lohn» der es nicht ernährt? Ist eS zn verwundern, wenn ein solches Volk, dein nichts als Arbeitslast, Hunger, Entbehrung, Tod deschiedc» ist, losbricbt mit Brausen zur Währung seiner Reckte und mit verächt lichem Zorne? Wer vermag vvra»Sz>lsebeii, wobin dieser Zustand der Erniedrigung führen kann? Vergessen wir nickt, daß in Zeiten der Revolution die Bauern es waren, welche die Besitzenden an Leib und Gut angnffen — I8l8 und >860 waren zwei fürchterliche Iabre, wo Mord und Brand walteten, um die Schande de» Elends zu rächen, welche die Besitzenden Uder n»S gebracht baden." So schrieb vor mehr als zebn Jabren ein Sicilianer in einer vsficirllrn Schrift: — man kann nicht sagen, sein Rath sei nicht zeitig genug gegeben worden. Deutsches Reich. Berlin, 1t. Januar. Es ist bereits berichtet worden, das; in allernächster Zeit eine Berattmng zwischen preußischen »nd bayerischen Eoniiiiissaren über die Staffeltarife statt linken wirk. Die Frage ist sonach noch nickt zum Abschluß zctoinnicn nnd man tan» noch ans eine günstige Lösung bosscu Wie wir hören, widerstrebt allerdings der preußische Eisen babnniinister aus finanzielle» Gründen dieser Maßregel, weil er davon eine Beeinträchtigung der Frachtcinnabincii bc- lürcbtet und die Klagen der süd- und westdeutschen Land wirtbe unk Müblenbesitzer über die große Schädigung durch die Frachtermäßigungen für übertrieben hält. Ucker diese Wirkungen sind genaue Rachweisungen. namcnl lich znm voraus, natürlich nickt zn liefern. Tbatsacke aber ist es nun einmal, daß die landwirtbschaitlichen .Kreise des Süden- und ganz ebenso Rheinland-, Westfalens, Hannover- und anderer preußischer Provinze» eine erhebliche Schädigung ihrer Interessen in diese» Staffeltarifen erkennen, und darin werden sie sich durch eine allgemeine Versicherung, diese Maßregel könne ihnen nicht viel sladen, nicht erschüttern lassen. Es ist sogar die Behauptung verbreitet, die Staffel tarife sollten auch noch aus Vieh ausgedcbnl werden, was in jene» Kreisen neue Mißstimmung erregt bat. Der Aushebung des Idcnlilälsiiachwciseö siebt man in den eben bezeichnelcn Landschaften scbr liibl, wenn nicht ablehnend, gegenüber, tveil sie lediglich dein Osten zu Gute lemmcn werde. Soll eine Annäherung an die landivinhschaftlichcn Kreise versucht werde», so ist mit dieser Maßregel wenigstens im Süden nnd Westen gar nichts zu erreichen. Wenn aber für den russischen Handelsvertrag günstigere Aussichten geschaffen werden sollen, so inüß'e cS der Regierung ganz besonders daraus ankonimeii, de» Widerstand in Bayer» »nd den Rbein landen, wo die Opposition des EentrumS ibrc» festesten Sitz bat, zu mildern. Man lese nur Aeußer,ingen klerikaler Blätter, wie der „Germania": „Bei den Landw'irlben und BolkS Vertretern des deutschen Westens und Südens wird die Ans Hebung deS Identitätsnachweises selbst dann die oppositionelle Sliinniuiig stärken, wenn sie mit der Aushebung der Staffel tarife verbunden würde, geschweige denn erst ohne die letztere". Wir wollen hoffen, daß sick» auch die Regierung dem Eindruck dieser Erwägungen nicht cntziebt Sic müßlen gewichtiger sein, als die Rücksicht ans ein mäßiges Mehr oder Weniger der Eisenbabneinnalmien, deren Gestaltung unter der Wirkung der besprochenen Maßregel zudem Niemand genau über sehen kann. lD Berlin, N. Januar. Die Bnchliandlnng de» „Bo, wärtS" vertreibt jetzt eine kleine, zur Landagitation be stimmte Broschüre „Der märkische Volkstalender snr >894", die >nr Verlage von Arthur Pohlitz hier erschienen ist. Es ist eine socialdemokratis'chc Agitationsschrift niedere» Ranges, in der die Phrasen vornehin lick an die Kleinbauern »nd Hand werter gerichtet werte». Fast säiinnlliche Arttlcl nehmen aus einen „Vampyr" Bezug, der im erste» Artikel geschildert wird und nnicr dem die iiitircclen Stenern zn verstehen sind. Es bcißl darin u. A.: „So wie ei» solcher Vampyr wirke» an? LnS Volk die sogenannten „indireclcn" Steuern, die Stcnei», die vo» den Leben-»»ileln, vom Petroleum, vom Tabak, von» Salz und anderen VedursniUcn er hoben weide». Tu Armer, wenn Tu nichts nielir Han, kann der Steuererheber nichts mehr von Dir hole». Deshalb sin- die Aller ärmsten von de» Slciiee», die der Steuererheber cinz:eyt, auch krei. Nun komint aber der Vainvyr, die indieecte Steuer, die muß auch der Aeriiiste vo» seiner elendeneu Armulh bezahle». Armer Arbeiter. Tagelöhner, Bauer oder Handwerler! Tn inusjl mit jedem Picnni, rechnen. Tu lparst und darbst. Da toniml der Vampyr und iaugr Tir das Blut ab, ohne das, Tn es inertst. Teine Fra» holt Brod. Cie hat den Brvdzoll mit bezahl!. Eie weiß es gar nicht. Tein,- Frau hol! Petroleum. Ter Vampyr bat ihr eini-ze Pirnniqe ab- gelogen. Tn kaussi Dir eine Psciic Tabak. Der Nainvnr sitzt an Deiner Brust. Es sind immer nur Piennige, nur einzelne Blulc rropicn, sie sammeln sich aber, sie bänien licki a». sie werden za großen Geldsummen. Sie sind Dir Armen abgeiogen, ohne daß Tr: eS merkst. L„ suhlst Deinen Hunger, Deine Schwache, Dein Elcnl Woher es aber kommt, das sagt mau Dir »ichl Denk - einmal nach!" In einem kleinen Aussatz „Arme Lenle, reiche Leute", in dem in üblicher Weise gegen die in Lnrns und Wo usr lebenden „Reichen" gehetzt wirk, finden wir folgenden sicucr rcformcrischcn Vorschlag: „Wer bis 1000 ^ Einkommen hat, braucht Alles und kann auch nicht eine Mark missen, er lat zu wenig Einlvmmc». Wer 5lllX) .« Einkommen hat, »rag vielleicht 200 .« ahgebeil könne», ohne dadurch an seinem Leben eine Einbuße zn erle.de», wer 10000 Einkommen liat, kan» ohne jede Gesahr >000 ./L jährlich z'hlen, wer 30 000 Einkommen hat, dein ichadct ein Abzug von lKlOO .«! nichts und wer lOOlXIO »I einnimnn, dem könnte man wohl 25 0M al§ Steuer abnehnikn, ohne ihn In Noid zn setzen." Ob Herr Liebknecht, der ans dem Berliner Parteitage erklärte, mit 7000 Gebälk nicht auSkommen zn können und deshalb noch eine» Nebenverdienst sucken zu muffen, der Verfasser dieses "Artikels ist? * Berlin, 1t. Januar, lieber die in Aussicht genommene Entschädigung ,iii schuldig Ver», t b c> l I c r erfährt die „Voss. Ztg." Folgendes: „Während die tcnlsche Slrasproceß ordnung nur besagt, daß »olbweiikige Auslagen eines n» schuldig Veriirlbcilten aus der SlaalSrassc erstattet werden können (tftl 499, 5»5), alio eine Eiilick-ädigung von überaus dürftiger Natur in daö Ermessen des Wicklers stell«, soll künftig dein unschuldig Vcrintbcille» die volle Entschädigung, soweit riese überbaupt möglich, als ein Neckt zugebilligl werden. Die Enlschäkigiingspsiicht des Staates erstreck! sich nicht ans solche im Wiekkrausiiabnlcversahrcn sieigesprockene srnbcre Vcrurtbcille, die ibrc Vcrurtlieilniig absichtlich berbeigesübll balle», und ebenso soll eine Eniss äkigung »ickl slaiisindcn, wenn in dem Wicrkla»s»abmcven'ahrcn leine Freisprechung, sondern nur ein milderer Slrafsatz erzielt worden ist. Die EutichärigiiiigSsrage soll nickt zum Gegenstände einer richterlichen Enllchcirnng gemacht werden, da cs sich um die Ausgleichung cincS Eonsiieis des formellen RecklS mit eine-, höheren male-icllen Gerechtigkeit bandelt, cS soll vielmehr die oberste Iustizvcrwa l t ungSbc b Lr de des betreffenden Staates über den Entschädigungsanspruch entscheide», nach rem die vorbereitenden Handlungen durch daS sreispreck'enke Gericht auSgeiübrt worden -sind. Die Staarscaffe kann gegen den Schuldigen die Klage ans Ersatz deS Schaven« erbeben."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht