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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940117027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894011702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894011702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-17
- Monat1894-01
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VV0 auSgetzrochea sei. daß dieser die gransermste» Unterdrückung«, maßregeln «geordnet und unter Anderen auch den Fürsten von Gallabai bab« tödten lassen; trotzdem aber sei er der Unruhe dis jetzt noch nicht Herr geworden. Wiewohl man glaubt, daß der Mahdi infolge der an allen Ecken und Enden seines großen Reiche« auSgebrochenen Empörungen und Unruhen seine «Ltreilkräste zu seinem eigenen Schutze in Lmvurman aöthig haben werde, hat man es doch für gut befunden, die südlichsten der zu Egypten gehörende» Oasen aus- Neue durch Truppensendungen zu verstärken. Die rindeinnschc und egyptensreundliche Presse betont schärfer als je die Notbwen- digkeit, so bald als möglich zur Wiedereroberung des Sudan« zu schreiten, und zwar odnc jede Beihilfe von England. Man hält den günstigsten Augenblick zu einer derartigen Action jetzt, da dem Mahdi in seuiem Reiche täg lich neue Feinde erwachsen, für gelonimen und giebt der Be fürchtung Ausdruck, daß. falls nicht bald Energisches unter nommen werde, die Italiener Egypten zuvorlommen und sich einen Thril de« ehemals egyptischen Sudans aneigncn werden. Deutsches Reich. * Berlin, 16. Januar. Graf Caprivi hat, wie mit getheilt wurde, sowohl gegen den Redacteur beS „Volks", Herrn Oberwinder, wie gegen den Frhrn. v Thüngcn selbst wegen de« von diesem an ihn erlassene» offenen Brieses durch die Staatsanwaltschaft zu Berlin Strafantrag wegen Be leidigung gestellt. Frhr. v. Thüngen ist bayerischer Unterthan, und da außerdem der unter Anklage gestellte Brief zuerst in einem bayerischen Blatte erschienen ist, auS dem ihn das „Volk" angeblich ohne Willen und Wissen des Verfassers abdruckte, so bestreitet Frhr. v. Thüngen dir Zuständigkeit der Berliner Gerichte und verlangt, vor einem bayerischen Gerichtshof abgeurtheilt zu werde». Die Richtigkeit dieser Einwändc vorausgesetzt, wäre da« Verlangen des Frhrn. von Tbüngen um so verständlicher, als in Bayern Preßvergehen vor die Schwurgerichte gehören. Ob aber diesem Verlangen Folge gegeben werden wird, erscheint der „Voss. Zig." nach dem Beispiel der gegen den Verleger der anti semitischen Bilderbogen. Glöß, kürzlich verhandelten Pro- cesse wegen Eaprivi-Äcleidigungen als zweifelhaft. Herr Glöß wandte ein, daß sein Wohnsitz Dresden sei und daß die incriminirlen Druckschriften zuerst in Dresden erschienen seien, ehe sic in anderen Orten vertrieben wurden, Dresden mithin als Erscheinungsort anzusehen sei: troydcm erachtete sich die erste Strafkammer des hiesigen Landgerichts l. in zwei ver schiedenen Fälle» für zuständig, nachdem der StaaiSanwalt aus die Entscheidung des ReichSgerichlS in der Strafsache Paasch verwiesen batte. * Berlin, 16. Januar. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt vssiciös: „Tic „Volts-Zeitung" vom 5. Januar I. Is. bringt „im Anschluß an de» Fall Kirchhofs" einen Artikel auS der in Stuttgart erscheinenden Wochenschrift „Die neue Zeit" zum Abdruck, welcher einen Fall bchanoelt, der zu Anfang deö Jahres 1885 bei dem Schwurgericht in Cassel zur Ab- urtbeilung gekommen ist. Es bandelte sich damals um ein Mädchen, welches längere Zeit hindurch ein Vcrbältniß zu einem Ossicier gehabt halte und diesen mit einem Revolver schuß verwundete, als er die Beziehungen zu ihr lösen wollte. TaS Schwurgericht verurtbeilte sie wegen versuchten Todt- schlage- z» lss, Iabren Gesängniß, reichte aber gleichzeitig ein Immediatgesuch um gnadenweisen Erlaß der Strafe ein. Der Artikel schließt nun mit den Worten: „„Indessen Las Gnadengesuch wurde abschlägig beschieden. Verantwortlich für diesen Act der Krone war natürlich der Krieg«. minister. iLs war damals wie heule ein Bronsart v. Schellendorfs/'" Diese Ausführungen enthalten zwei thatsächliche Unrich tigkeiten. Erstens wurde das Gnadengesuch nicht ab schlägig beschicken, sondern die Strafe wurde im Gnadenwege bis aus die Tauer von sechs Monaten ermäßigt, und zweitens gehörte die geschäftliche Bebandlung de« Gnadengesuches zur Eompeten; des InstizministerS, nicht zu der dcS dainaligen KriegSministerS Bronsart von Schcllenborff" — Die Frau Prinzessin Friedrich Karl von Preußen ist in den letzlen Wochen vv» einer schweren Krankheit heimgesucht gewesen, von der sic noch nicht wieder ganz genesen ist. Gleich nach Weihnachten erkrankte sie sehr heslig an der Influenza, zu der bald starke Nervenichinerzen hinzulraten, die eine Bewegung des Körper« fast unmöglich machten, linier der Behandlung deS Geh Sanität«, raihs vr. Mayländer und der unermüdliche» Pflege der Hofdame Gräfin Eulenbnrg ist die Prinzessin gegeuwärtig wieder soweit her- gestellt. Lay sie seit Sonntag täglich aus zwei Stunden das Bett hat verlassen können. — Da« Herrenhaus wählte sein bisheriges Präsidium, Fürst Stolberg, v."Manteiiffel und Oberbürgermeister Bötticher wieder. — DasAbgeordnetciihauS wird übermorgen sein Präsidium wählen. Tic Wiederwahl der beiden ersten Prä sidenten, des Abg. von Köller, der sich trotz vielfacher Anfechtung seines Gesundheitszustandes zur Annahme hat bereit finden lassen, und dcS Abg. von Heere man steht sest. Sie dürste durch Zuruf erfolgen. Den zweiten Vieepräsidentcn haben die Nationalliberalen vorzuschlagcn. Wie bekannt, will Abg. von Bcnda wegen vorgeschrittenen AlterS eine Wahl nicht wieder annchmc». Die Fraction dürfte an seiner Stelle einen der Abgeordneten Dr. Gras, Krause und Schmieding zur Dahl Vorschläge». Die Entscheidung ist, wie in Berichtigung einer telegraphischen Meldung mitgetheilt sei, noch nicht getroffen. — Ein Gesetzentwurf, betreffend den Handel mit An- theilen und Abschnitten von Loosen zu Privatlotterirn und Ausspielungen, ist dem Herrenbause zugegangen. Derselbe besteht auS dem einzigen Paragraphen: „Wer ge werbsmäßig geringere al« die genebmigten Amhrile oder Ab schnitte von Loosen zu Privatlotter>ea und Ausspielungen oder Urkunden, durch welche solche Antheile oder Abschnitte zum Eigenlhum oder zum Gewionbezuge übertragen werden, seil» bietet oder veräußert, wird mit einer Geldstrafe von >00 bi- >500 bestraft. Dieselbe Strafe trifft Denjenigen, welcher ein solches Geschäft als Mittelsperson befördert. — Wie der „Hannov. Cour." berichtet» sind der Ent schließung der ReichSregierung bezüglich der Aushebung de« Ide ii rilätSNachweises sehr umfassende Erhebungen in den östlichen Provinzen und Verhandlungen mit namhaften Personen auS den dortigen Interessentenkreisen voraufgegangen. — Fürst Hohenlohe, Statthalter ln Elsaß-Lothringen, ist zum Orden-feste hier eingetrosfen. — Kuin Nachfolger de« Grasen Leyden im Generolconsulat in Kairo iy, der „M Z." zufolge, Baron Hcyking, bisher deutscher Generalconsul i» llalcutta, bestimmt. Herr v. Heyking ist «in ge borener Livländer, trat aber zu Beginn der AVer Jahre in den Dienst unseres Auswärtige» Amtes. Ter Posten in Kairo gilt als llebcrgangSstelle zu höheren diplomatischen Posten. — Prinz Coinatsu von Japan, der am Hose Gegenstand lebhaster Aufmerksamkeit ist, hat das Großtceuz des Slothen Adler- orden« erhalten. Ter Prinz reist heute aus 2 Tage nach Dresden. — Der LandlagSabgeordnele Cröner-Tccklenburq, bisher als sractionSloS bezeichnet, ist der nationalliveralen Fraction beigetreten. Diese zählt damit lll Mitglieder, ein schließlich zweier Hospitanten. Das Cenlrum hat nur noch einen Vorsprung von vier Mitgliedern. — Die „Antisemitische Vereinigung für Nord deutschland" braucht Geld zur Deckung von „Ehren schulden". Ein Ausruf besagt u. A.: „Im Eifer des Wahlkampfes haben Einzelne sich für die Sache geopfert, sind Verpflichtungen für die Gesammtheit eingegaugen. Diese Ehrenschulden müssen endlich getilgt werde», auch die Freu- digkeit bei der Arbeit für unsere Sache darf nicht getrübt werden. Gesinnungsgenossen! .. . Wie unsere Vorfahren in den Be» sreillngskriegen opferten, so opfert jetzt Euer Scherslein. Gebe Jeder nach seinen Kräften. Auch die kleintte Gabe ist willkommen." — Tie Beilage der letzten Nummer des „Socialist" wurde wegen eine« ausreizenden Aufrufe« de- Anarchisten Rodrian an die Arbeitslosen confiScirt. — Nach Ostern soll hier ein deutscher Innung-- und H andwcrker tag abgchalten werden. * Halle a. 2.» >5. Januar. Aus Grund des kürzlich mit- getheillen ErkeniilnisseS deS hiesigen Landgerichts, betreffend den Religions-Unterricht der Dissibenlen-Kinder, durck> welche« die bekannte Ministerialversügung des CultuS- iniiiisterS von Zedliy-Trützschler für ungiltig erklärt wurde, bat der betreffende Familienvater, (Holportagebuchbändler Brandt, von Neuem beim Magistrat die Befreiung seiner Kinder vom Religionsunterricht beantragt. Der Magistrat hat dem Gesuche nunmehr, da die Staatsanwaltschaft Be rufung nicht eingelegt hat, stattgegeben. * Mainz, l6. Januar. Der Zwischenfall Miquel- Micliel erweckt die Erinnerung an einen ähnlichen Vorgang, den Herr Michel, der Vorsitzende unserer Handelskammer, bei der Eröffnung deS Mainzer Hafens berbeiführte. Er wendete sich damals gegen den Großherzog Ludwig IV. von Hessen und seine Minister, denen er vorwarf, dem Hafcn- unlcrnebmen jede Unterstützung versagt zu haben. Die Rede, die in Gegenwart der Kritistrten gehalten wurde, erregte damals dasselbe peinliche Aufsehen wie die jüngste oratorische Leistung deS genannten Herrn. * Mannheim, l5. Januar. Der hiesige Stadtrath ist nunmebr auf die Forderung der Arbeitslosen eingegaugen, die AuSlöbnung beim Stcinklopfcii nicht mehr auf der Grund lage deS Collectivaccorts vorzunebme», weil bei diesem AuS- lohitung-system der fleißige Arbeiter mit für den Faulen und Trägen schaffen müsse, ein Bekenntniß der Arbeiter selbst, welches die Socialisten auch bei der Beurthcilung il»eS ZukunstSstaateS in richtiger Weise verwerthe» sollten. Von beute an werden die mit Steinklopfen beschäftigte» Arbeits losen in drei Gruppen eingctheill, und zwar in zwei Gruppen für fleißige Arbeiter und m eine Gruppe für träge Arbeiter, d. h. für solche Arbeiter, die mehr leisten könnten, wenn sie den guten Willen dazu hätten. Man darf gespannt darauf sein, wie sich diese Neuerung bewähren wird. * München, l6. Januar. Kammer der Abgeord neten. Bei der Fortsetzung der Debatte über den Etat des Ministeriums erklärte der Minister dcS Innern. Freiherr von Fcilitzsch, gegenüber dem Abgeordneten Grillcnberger, die bayerische Regierung Halle eine weitere „Vereinheitlichung" der Versicherungsanstalten für unmöglich, erstrebe aber eine Vereinfachung der Verwaltung. Die Verzögerung der Ent- scheivunge» über Bewilligung von UnsallSrenten sei durch den gesetzlichen Geschäftsgang begründet. DaS Wahl- versahrcn der Berussgenossenschaften bedürfe einer Reform. Oesterreich -Ungarn. * Nie», l6. Januar. Der Kaiser reiste AbendS zu mehrwöchigem Aufenthalte nach Pest ab. * Pra>, 16. Januar. Der Landtag überwie« heute einen Antrag deS Iungczechen Vaschaty auf Errichtung eines Obersten Gerichtshofes für die Länder der böhmischen Krone mit allen Stimmen gegen diejenigen der deutschen Linken einem SpecialauSschusse. — Im Om» ladina-Proceß wurde die Verlesung der Anklageschrift, welche um lv Ubr begonnen halte, um 6 Uhr beendet. Es ist kein Zwischenfall vorgekommen. Morgen beginnt die Vernehmung der Angeklagten. — Mit welcher Frechheit die Mitangeklagten Iungczechen wäbrend der Bcrbanvlungen auslreten, zeigt folgende kleine Episode von gestern: Nach der Nominiruna der Vertrauensmänner bemerkte der Vor sitzende, rS sei einleuchtend, daß nur eine beschränkte Anzahl der Vertrauensmänner der Verhandlung werte bei wohnen können, da der Raum nicht für Alle äusrciche. — Angeklagter Czizck: Wir beharren dabei, daß alle Ver trauensmänner zugelassen werben, wiewohl wir im vorhinein wissen, daß bezüglich dieser Verbandlung gewisse Befehle gegeben worden sind — Vorsitzender: Das ist eine Lüge. Der Gerichtshof bat keine Instructionen erkalten. Ich lasse mich und den Gerichtshof nicht beleidigen und be merke, daß jeder Angeklagte, der sich unanständig beträgt, aus dem Saale enlsernt werden wird. Wenn noch eine solche Bemerkung gemacht werben wird, werde ich sie im DiS- ciplinarwege bestrafen. * Prag, >6. Januar. Das Organ der Altczechen „HlaS Naroda" wurde wegen Wiedergabe einer incriminirlen Stelle au- der Anklage im O m l a d i n a - P r o c e ß c o n s i S c i r t. * Pest, >6. Ianuar. Der Katholikentag ist heute Nachmittag unter dem Vorsitze deS Fürst Prima« Ba-zary und unter Belbeiligung fast deS gesammten Episkopats, dcS KleruS, vieler Reichslagsmitglieder, sowie eines zahlreichen Publicum- eröffnet worden. Fürst Prima« VaSzary kielt eine mit großem Beifall aufgenommene Rede, in welcher derselbe den katholischen Standpunkt betonte. Präsident Ferdinand Zichy tbeilte mit, daß der König auf ein an ihn abgesandieS Huldigungstelegramm dankend geant wortet habe. Diese Mittbeilung wurde mit begeisterten Eljenruscn ausgenommen. Schließlich wurden Resolutionen über die Pflichten der Katboliken, die Autonomie der Schulen und die Ehcfrage dem katholischen Standpnncte gemäß an genommen. Im Lause der Sitzung traf der apostolische Segen deS Papstes ein.—Der frühere Ministerpräsident Graf Szapary hat dem Präsidenten dcS liberalen ElubS seinen Austritt auS der Partei angezeigt. Ter „Bukapester Eorrespondenz" zufolge erklärte Graf Szapary seinen AnSlritt, weil der Ebegesetzentwurs Bestimmungen enthalte, denen er auf Grund seinerUeberzeugung nicht beistimmen könne. Graf Szapary verwahre sich dagegen, daß er durch seinen Aus tritt den Kisker von der Partei befolgten Principien untreu geworden sei; er erkenne dieDringlichkeit und Schwierigkeit der aufgeworfenen Fragen an, finde aber die Art der Lösung, wie sie in rem Gesetzentwurf vor geschlagen sei, zur Beruhigung der erregten Gcmüther nicht geeignet. Frankreich. * Pari», l6. Januar. Die Deputirtenkammer nahm (wie noch in einem Tbeil der heutigen Morgenausgabe te« „L- T." telegrapbisch mitgetheilt werden konnte) den Con- versionSaesetz-Entwurf mit 495 gegen eine Stimme an. — Im Beginn der Sitzung kegle Finanzminister Burdeau das Project der Conversion der 1>/,pro- centigen Rente vor uüd verlas den Motiven bericht, welcher auSfübrt, man könnte für die Durchführung der Conversion in Anbetracht der ruhigen, friedlichen Situation Europas kaum einen günstigeren Moment als den gegenwärtigen abwarten. Die Regierung wählte den Zinsfuß von 3>,z Procent, um die Interesse» der gegenwärtigen Rentenbesitzer zu schonen. Die 3-procenIige Renle trage beim Eonrse von 98 3,96 Procent, die neue 3>/,procentige Rente werde 3,33 Procent tragen. BehufS Durchsührung der Eonversion wird im Gesetzentwürfe die Inansprucknabme eines CrediteS von 3 850 990 Franc« be antragt. Ferner wird in rem Molivcnbcrichte die Ermäch tigung verlangt, eventuelle Remboursements durch die Aus gabe neuer 3>'.procentiger Rentenlitcl zu leisten. — Poin- carrö beantragte die Dringlichkeit der Bcratbung. Terrier wie- auf Baiffemanöver hin, welche mehrere Financiers gestern eingeleitel Kälten. Burdeau betonte, die Regierung habe ein wachsames Auge auf die erwähnten Vorgänge, und sprach sich alsdann ebenfalls für die Dringlichkeit der Berathung aus, wekche auch angenommen wurde. — Im weiteren Verlause der Sitzung hob der Finanz- minister Burdeau hervor, die Regierung werde die der Landwirtbschaft gemachten Versprechungen halten und in dem Budget Steuernachlässe für den Verkauf von Immobilien beantragen. Die Kammer nabm sodann mit 280 gegen 240 Stimmen den ersten Tbeil des Zusatz artikels Iaure's an, wonach der Gewinn an der Conversion für eine Herabsetzung der Steuer rische Ausbeutung ich aber eigentlich als StaaiSanwalt hätte Vorgehen iiiüssen. Bleiben Sie ruhig, lieber Schwiegcr- papa", unterbrach er sich, als Trübe unruhig aus dem Sessel bin- und hcrrulschte. . . . „Nun bin ich jetzt in Amt und Brod und babe eine gute Carriöre vor mir, aber diese Schulden drücken mich. Ich habe mich daher entschlossen, mich Ihnen anzuvertraucn und von Ikncn Hilfe zu erbitten. ES ist nicht zu schlimm, was ich haben muß. Der ganze Krempel betragt nur etwas über sechstausend Mark und wenn Sie mir vielleicht in diesen Tagen die Hälfte geben Würden, so wä« mir schon gedient. Was meinen Sie?" Trübe mackte eine jämmerliche Miene. Berger schien dadurch betroffen. Er sagte: „Ich meine, daß Sie mir ein offne« Wort nickt übel nehmen werden. Es ist für mich al« Beamter durchaus nolb- wendig, geordnete Verhältnisse zu baden und ich babe e« für meine Pflicht gehalten, Ibnen reinen Wein emzusckenken. Ich babe Sic >a auch früher schon durch gelegentliche Worte daraus hingewiesen." „Ja, ja," scilszte Trübe, „Schulden haben ja alle jungen Leute, da« ist schließlich nicht schlimm, wenn man sie nur bezahlen kann." Berger lachte. „DaS ist cS eben, daß ich sic nicht bezahlen kann. Sit sollen mir helfen und ich denke keine Fehlbitte gethan zu haben." In Trübe kämpfte »nt> gäkrlc cS. Am liebsten hätte er seinem Schwiegersohn seine Lage entdeckt und dann wäre doch reiner Tisch gewesen, aber er genirtc sich vor ibm. Hatte er sich dock oft genug in seinem berechtigten Stolze al« selbstgemachler Mann scharf absprcchcnd über Speculanten geäußert, die Alle« auf eine Karle setze», balle er oft genug aus die Börse geschimpft, balle er aber auch wieder die Beamten verlacht, die iiniiicr nach dem ihnen vom Staate gemessenen Maße lebe» müßlen. Nun sah er sich selbst als Speculant, selbst als einen Man», der Alle- aus eine Karte setzlc, dessen Vermögen in einem Stück Land und in Steinen und Holz steckte, die, wenn sie nicht Weiler verbaut wurden, nickt« wert» waren Aber er batte nock eine Hoff nung. Er balle an seine» Bruder geschrieben und ikn nock mal- uni Gelb gebeten. Er batte ein Äccept von sich ein gelegt und wenn ihm dir Bank diese« abnahm, so hatte er noch vier Wochen Frist und in vier Wochen konnte seine Geldklemme gehoben sein. Er konnte sein Grundstück an der Sandstraßc verkause», vielleicht auch seine Druckerei, er konnte Hypotheken finde», kurz, dann schien die Lage lange nicht so verzweifelt, wie sie jetzt auSsab. Er wollte aus keinen Fall Berger die Wahrheit sagen. Vielleicht machte dieser dann gar die Verlobung rückgängig und er war noch mehr blamirt. Aber andeuten wollte er ihm die Lage. „ES ist jetzt eine schlechte Zeit, lieber Berger, das Geld ist rar. Ick babe mich ein bischen lies in die Bauerei gesteckt und daS hat meine Mittel so ziemlich erschöpft. Daß die Easerne nicht an die Mumpendorser Ekaussee kommt, ist für mich sehr schlimm, denn sonst hätte ich sehr gut einige Plätze verkaufen können." „So. die Caserne kommt nicht dorthin, ich glaubte eS sei so gut wie fest bestimmt." „Na ja. der Minister hat sich den Platz angesehen, er bätte ikn wohl auch genommen, aber mein Bruder war im Sladlverordnetcncollcgium sehr dagegen. Er hat dann schließ lich den Platz im KarlSviertcl turckgesetzl" „Ter Onkel?" «Ja. ja. mein Bruder. Es ist eigentlich sehr schlecht von ibm, mich so im Stich zu lassen. Er bat ja selbst Areal bei dem meinigen liegen, aber da« hat ihn nicht gehindert so zu stimmen. Nun bin ich natürlich scheußlich knapp." „Aber ich begreife gar nickt, wie der Onkel daS thun konnte, cS schien mir der beste Platz dort zu sein. Immerhin sind doch Ihre Mittel so groß um eine günstige Consunclur abzuwarten." „Mittel, ja Mittel die sind schon noch da, aber sest- gelegt sind sie. Man kann sich nicht bewegen, da» ist da« Schlimiiie." „Nun, Ihr Bruder kann da doch Helsen, lassen Sie sich doch von ihm ein Paar Tausend Mark geben." Trübe schlug eine gellende Lacke auf. „Ein Paar Tausend Mark, die Helsen mir ja gar nicht« mehr. Da bedarf ich vielmehr. Und mein Bruder. Ich habe sitzt wieder aus die Bank geschickt, daß sie mir einen Wechsel diScontire, den ich mir von Ludwig bade geben lassen. Aber der Burscht bleibt recht lauge. Wenn sie die-mal nicht diScontiren, sitze ich ganz fest." „Dann wird nächste Wocke Ratb werden, lieber Schwieger papa." Berger suchte den sich immer mehr in Acrger hinein redenden Trübe zu beruhigen. „Lieber Gott, nächste Woche ist cS zu spät. WaS hilft mir die nächste Woche, wenn ich heute das Geld brauche." Berger schien allmälig den Ernst der Lage zu begreifen. Er mußte aber unter allen Umständen Klarheit haben. „Ein Mann wie Sie, Herr Trübe, muß dock überall Credit haben. Ich kenne da einen gewissen Äildcnhain . ." „Wildenbain? Diesen Schurken kennen Sie auch? Der Kerl ist ja an dem ganzen Unglück schuld. Hätte der mir damals nickt die Bauplätze ausgeschwindelt, ,ck> hätte mein schönes Geld noch und Kälte ich mich nickt auf die Vorschläge de« sauberen Hager eingelassen mit der Trennung der Grund stücke, dann wäre cS auch besser gewesen. Und jetzt sitze ich hier und babe kein Geld . . ." In diesem Augenblicke wurde die Comptoirtbiirc geöffnet und Frau Trübe trat mit Melanie ein. Neugierig wandte sich Trübe gegen seine Frau, während Berger Milli entgegcn- ging und sie begrüßte. „WaS wollt Ihr denn hier" herrschte Trübe die Ein tretenden an. „Ihr wollt mir Wohl auch noch den Kopf warm machen?" „WaS hast Du denn, Julius", fragte die Frau, „Du bist ja ganz außer Dir, hast Du wieder Aerger mit Deinem Baue gehabt?" „Ob ich ihn babe, mehr als genug!" „Ick babe eS Dir immer gesagt. Du sollst Dich nicht in die Geschichte einlassen, nun hast Du eß, Dein schöne« Geschäft . . „Sckwkig", rief Trübe seiner Frau zu, er wollte nicht, daß Berger k,e ganze Wahrheit erfuhr. „DaS gebt Dich nicht- an, für unS isi nur die Haupt sache, daß Wilhelm da« Geld bringt, damit ich die Leute da draußen bezahlen kann. E« ist ja die höchste Zeit." Und Wilhelm trat wirklich eia. Aller Augen dingen mit Spannung an seiner Tasche. Er legte sie sehr umitändlich auf den Tisch, al- bereite e« ibm Vergnügen, seinen Principal warten zu lassen. Dann öffnete er die Tasche und nahm — einen Brief heraus. Noch ehe er ihn Trübe gab, sagte er frech: „Ich bekomm« auch »och »rin» Lohn!" auf nicht bebaute« Grundeigeuthum verwendet werden soll. Sodann wurde mit 49S gegen 79 Stimmen der zweite Tbeil de« Zusatzartikel« Iaure'S angenommeu. wonach der ConversionSgewinn auch denjenigen Grundbesitzern und Landwirthen »u Gute kommen soll, welche ihr Land selbst bebauen. Burdeau erklärte, wenn der Zusatzartikel in seiner Gesammtheit angenommen würde, könnte die Regierung nicht die Verantwort lichkeit für diesen Beschluß übernehmen Der Minister- Präsident Casimir Pcrier forderte die Kammer aus, im Interesse der Conversion selbst jede» andcru Antrag sernzuhalten. Andernfalls würde die Kammer die Ver anlworllickkeil, welche die Regierung nicht würde übernehme» können, auf sich nehmen. Der Ministerpräsident versicherte sodann unter dem Beifall de« Hause«, daß die Regierung der Landwirtbschaft ihre volle Fürsorge zuwente. Der Zusatzartikcl Iaure's in seiner Gesammlbeit wurde darauf mit 306 gegen 20l Stimmen abgelehnt und die Regierungsvorlage im Ganzen angenommen. * Paris, 16. Ianuar. DaS Ministerium deS Aus wärtigen giebt eine Note aus, welche den Rücktritt des deutschen Botschafter« Grafen Münster und dessen Ersetzung Lurch den Brüsseler Gesandten von AlvenS- leben anzeigt. * Paris, l6. Ianuar. Das Amtsblatt veröffentlicht den Beschluß, wonach das Brüsseler Lnarchistenblall „Liberlaire" für Frankreich verboten wird. — Lockroy hat eine Inter pellation über die allgemeine Lage der sranzösische» Marine angekündigt. — Da- Pariser Rührstück „Vaillam" wird immer romantischer: Jetzt ist die Tochter des Bombenwerfer«, um deren Erziehung und Adoptirung sich halb Pari- reißt, entführt worben. Die Geliebte des Verurtheilten, „Madame" Marchal, verweigert nähere Aufschlüffe und sagt nur so viel, daß daS Kind sick bei Freunden befinde. Eine Nachbarin erzählt, daß sieben Männer und eine Frau kamen, mit denen da« Mäbcken jvrl- ging. Es ist zweifellos, daß sich die Anarchisten der Kleinen bemächtigt haben. Nun wird der Schmerz der Herzogin von Ujest groß sein! Belgien. * Brüssel, 17. Januar. (Telegramm.) Der Minister- Präsident Beernaerl erhielt gestern wegen de« glücklichen AuSgangS der Krise Hunderte von Glückwunsch telegrammen. — Gestern Abend veranstalteten Studenten im Alkazarlheater während der Vorstellung eine große Kundgebung zu Ehren mehrerer im Saal anwesender Professoren, die sich in der Assaire RccluS auf Seite der Studenten gestellt hatten. Nach Mitternacht durch zogen Studenten die Stabt mir dem Rufe: „Es lebe RccluS!" * Brüssel, l8. Januar. Heule ist hier ein Brief von Eli RecluS eingetroffen, worin derselbe den Antrag der Studenten, einen CursuS außerhalb der Universi tät abzuhalten, annimmt. Die RecluS anhängenten Professoren der Universität sind entschlossen, zu de missioniren, falls der BerwaltungSrath den Beschluß gegen RecluS nicht zurückzieht. Italien. * Rom, 16. Ianuar. Crispi Halle eine lange Unter redung mit Rampolla zur Herbeiführung der Pacifi- cation von Sicilien durch Zusammenwirken von Krone und Kirche. — In Livorrw ist der gestrige Abrnt rubig verlausen. Heule wurde überall die Arbeit wieder ausgenommen. Die Stadt hat ihr gewöhnliche« Aus sehen. — Nach den letzten Meldungen aus Massa ist da selbst eine neue Ruhestörung nicht vorgekommen. Gegen etwaige neue Unruhen sind alle Maßnahmen getroffen. * Rom, 17. Januar. (Telegramm.) Die letzten Meldungen auS Carrara besagen: Rcvolutionaire bewaffnete Bande» durchziehen die Straßen. Unter der Be völkerung herrscht unbeschreibliche Panik. Dynamit - attentate. die an verschiedenen Orten zur Ausführung kommen sollten, konnten noch glücklicherweise verhütet werde». Gestern Abend sind neueTruppcnverftärkungcn in Carrara eingetroffen. Wie die „Agenzia Stcfani" aus Palermo meldet, verhaftete in der vergangenen Nacht der Polizeidircctor an Bord de« nach Turin gebenden Dai»pserS„Bag»ara" dcnEhcs desPalcrmitanischen Arbeiterbundes, Garibaldi BoSco, sowie zwei andere einflußreiche Führer des ArbciterbundeS, Bernardino Verro und vr. Barbato, gegen welche BerhaftSbcfehle Vorlagen. * Palermo, 17. Januar. (Telegramm.) Seit einigen Tagen bewacht die Polizei die Wohnung des Prinzen Bassins, welcher schon seil längerer Zeit in« Lager der Socialisten übergegangen ist. Eine Haussuchung, die gestern bei dem Prinzen staltgefundcn, soll Beweise dafür ergeben haben, daß ihm ein großer Tbeil der Schuld an dem Aufruhr auf Sicilien beizumessen ist., Spanien. * Madrid, 16. Ianuar. Ter Minister des Aeußeren theilte dem Minister dcS Innern mit, daß ein Complot aus- Trübc schien diese Worte zu Überbören, aber Berger übersah die Lage und die linke Hand Wilhelms mit eiserner Faust umspannend, fragte er ihn kurz, wie viel er bekäme. „Fünfzehn Mark und lassen Sie mich nun gehen!" Berger griff in die Tasche und gab dem Burschen daS Verlangte, und indem er ibn zur Thür sührte, sagte er: „Nun machen Sie, daß Sie hinaus kommen und lassen Sie sich nickt wieder seben!" Ein Schub und Wilhelm war draußen. Während dieses kurzen Intermezzos hatte die gcsammt Familie Trübe still und erwartungsvoll dagestanden. Jetzt öffnete Trübe den Brief. Herrn Buchdruckcrcibesitzer Julius Trübe hier. Für den unS zum DiScont gesandten Wechsel über 5000 aus Zimmermcister Ludwig können wir Ihnen nickt den Gezenwcrlb schicken. Wir haben denselben vielmehr an uns behalten und Ihnen den Werth mit 5000.— abzügl. 5 o/o DiScont per 3 Monat 62.50 1 o,'o Provision 50.— 125 — >/« v'o Courtage 12.50 .-S 4875.— gut geschrieben. Da Ihr Conto deSungeachtct noch eine Ueberschrei- tunz deS vereinbarten CreritS von IK244 .-«l zeigt, so ersuchen wir durch dieses um umgehende Deckung. Hochachtend Volksbank. Trübe sank wie vernichtet auf den Stuhl. „TaS ist schändlich", rief er aus. „Ich wollte ja Ludwig die Hälfte von dem Gelbe geben, der braucht eS ja auch so nöthig, und jetzt behalten die Menschen den Wechsel." Berger nahm ihm den Brief auS der Hand. „Hat de» Brief Ihr Bruder unterschrieben?" Trübe sab gar nicht hin, er saß ganz gebrochen da, aber seine Fra» blickte auf die Unterschrift. „Natürlich bat daS Dein sauberer Bruder geschrieben. Da- muß eine Wonne für ibn gewesen sein, seinen leiblichen Bruder so ins Unglück zu stürzen. D» ist gewiß die Papier - Prinzessin mit im lsviel. Sie will ja immer mehr jem al- wir. Jetzt hat sie ihr Müthchen gekühlt." (Fortsetzung folgt.)
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