Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940119025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-19
- Monat1894-01
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
44V Mslcharwicht her,»stellen. Der „TempS", dessen Beziehungen zur -keaitrung notorisch sind, schreibt in dieser Beziehung: »Zwei Ministerien nehmen uns außerordentlich viel Geld weg. Im Namen der nationalen Bertheidigung haben wir seit zwanzig Jahren siir Heer und Flotte Geld, ohne viel dabei zu rechnen, auSgegeben. Wir batten Recht, so zu bandeln. Aber vielleicht ist nun doch der Augenblick gekommen, da« Budget und die Rechnungen dieser beiden Ministerien etwa« näher anzusehen. Wenn man Ersparnisse machen will, s» ist e« ziemlich unnütz, sie in anderen Ministerien zu suchen, die sich mit dcni dringend Notbwendigen begnügen müssen. Dagegen sind wir vollkommen überzeugt, daß man sie da finden kann, wohin wir gezeigt haben Immerhin muß »an sich aus die Art der Untersuchung verstehen, welche eine solche Revision erfordert. Sie muß auf eine Weise ge führt werden, daß die in der Organisation der nationalen Bertheidigung gewonnenen Resultate nicht gefährdet werden." Wenn man bedenkt, daß in Frankreich bi» jetzt da» Parlament, ohne lange zu fragen, gegeben hat, was KriegS- und Marineministerium jewcile» verlangten, daß überhaupt diese beiden Ministerien als außerbalb der parlamentarischen Control« betrachtet wurden, Alle« mit Rücksicht ans die Rüstungen für die künftige Revanche: so muß eben jetzt doch auch in Frankreich der Zeilpunct gekommen sein, da man mit den Finanzen rechne» muß. Und am beiiierteiiS- wertheste» ist e« dabei, daß die Anregung dazu von einem Blatte auSgeht, da« mit der Regierung in sehr naher Ver bindung siebt. Daß e« über die Erfparnißfrage im Schooßc de« Ministerium« selbst bereits zu MelnungSverfchieben- heiten gekommen ist, wurde bereit« gemeldet. Fiuanzminister Burdeau hat versucht, den Etat de« Marine- und de« KriegS- minisier« nicht unwescntlichzubeschränken, wogegenMercier und Lesövre entschieden protestirten. Sollten sich die Enthüllungen ClSmenccau'S über den unzulänglichen Zustand der Flotte und der Flottcndcpot« als de» Thalsachen entsprechend Herausstellen — und e« ist sicherlich viel Wahres daran —, so wird der Marinectat allerdings kaum euie Einschränkung vertragen. Jedenfalls wird auch diese Angelegenheit in der Kammer zur Sprache kommen und zu heftigen Debatten Anlaß geben, in denen die Radikalen Ausschluß darüber ver langen werden, wie die französische Flotte in einen so derangirtcn Zustand gerathen kvnnte, obwohl die Bolks- vertretung jährlich enorme Summen gerade für die Marine bewilligt hat. Hat da« gegenwärtige französische Ministerium seine» Fortbestand nur dem Attentate Vaillant'S und der instinctiven Reaclion aller staatSerhaltenten Elemente gegen den An archismus zu verdanken, oder wird ihm die Deputirten- kammer auch in den kommenden parlamentarischen Kämpfen sichert Gefolgschaft leisten ? Da« ist die Frage, deren Beant wortung durch die nächsten Ereignisse man innerhalb wie außerbalb Frankreichs mit Spannung entgegcnsiekt. Tic vorgestrige Abstimmung der Kammer über da» Eonver- siünSprojecl der Negierung und da« Amendement des socialislischen Abgeordneten IauröS war in dieser Beziehung besonders lehrreich. Iaurüs beantragte, daß das voraussichtliche Ergebniß der Eonversion, 07 Millionen, in die Tasche» der klcineu Grundbesitzer und des kleinen Bauern standes fließen sollte. Sein Antrag wurde io seinen beiden Theilen mit großen Majoritäten angenommen, verdankten doch mehr als zwei Drittel der Abgeordneten ihre Mandate den Stimmen der Bauern. Erst al« der Ministerpräsident in der Kammer erschien und die Eabinetssrage arrswars, gelang eS, die republikanische Mehrhci' wieder uni die Re gierung zu sparen, und ihrer Vorlage unter schließlicher Verwerfung der socialtemokratischen Amendements zur An nahme zu verhelfe». Offenbar wollte die Kammer «ine neue Ministerkrije im gegenwärtigen Momente verhüten Casimir Perier hatte gesiegt, aber es war eine Art Pyrrhussieg, denn er hatte den Erfolg ausschließlich seiner DemissivnSdrohung zu verdanken. Wird er aber diese« äußerste Mittel nochmals anwcudeu können? Er hat schon einmal, als es sich um die Aiinahme von verschärften gcsetz licheu Maßregeln gegen die Anarchisten unter dem unmittel baren Eindruck des Vaillant'schcn Attentates handelte, ein Vertrauensvotum prvvocirt, und zwar mit Erfolg. Wird e« ihm auch ein drittes Mal gelingen? In vieler nach der vorgestrigen Abstimmung sehr wahlberechtigten Zweifelsfrage liegt die beste Charakteristik für die Unsicherheit der Stellung des Ministerium«, das in der Thal nur ein Product Le ersten anarchistischen Schreckens gewesen zu fein scheint, der den Deputirten in die Glieder gefahren war. Die Radical-en i» Tcrblrn scheinen zu befürchten, daß derKöni g ihnen eine ähnlicheUeberra schung bereiten könnte, wie er sie den Liberalen am »3. April vorige» Jahre« niit dem Staatsstreich hat zu Tbeil werben lassen. Daß zwischen Alexander l. und den Extremen im Cabinet eine große Spannung besteht, geht unter Andern» auch aus unserer telegraphischen Mitlheilung über da« Benehmen de« CultuS- niinislerS WcSuitjch auf einem Ofsicicröballc hervor, aus welchem der König mehrere Verthciviger der angeklagte» Minister in demonstrativer Weise auszeickinctc, in Folge dessen Herr WeSnitsch wiederum seine Demission gegeben hat. Ob dir übrigen Minister, welche bisher mit de« Lolleg» gemeinsame Sache machten. WeSnitsch folgen werden, ist noch zweifelhaft. Der Gegensad zwischen dem Könige und dem CultuSminister ist hochpolitischer Art. Letz terer stammt au« Novibazar und hat sich schon früher al« Lehrer durch eine lebhafte Agitation für die „Befreiung der Bosnier au« der österreichisch-ungarischen Knechtschaft" hervorgethan. In einer von ihm zu einer Broschüre über die staatsrechtliche Stellung Bosnien« und der Herzegowina geschriebenen Vorrede sagt We«uitsch. daß der Berliner Congreß in Betreff dieser Länder einen „unmenschlichen und lächerlichen Beschluß" gefaßt habe, und in diesem Sinne möchte Herr WeSnitsch nun auch als Mitglied der Re gierung die auswärtige Politik Serbiens geleitet sehe». Die Gefahren einer solchen Politik hat natürlich auch der junge König erkannt und er möchte sich je eher je lieber von so gefährlichen Nathgcbcrn frei machen. Der Vorfall auf dem OssicierSballc verdient um so mehr Beachtung, als WeSnitsch der Erste in der Slupschtina war, welcher die Anklage gegen das frühere liberale Cabiuet vertrat, an dessen Spitze Avakumowitsch stand — derselbe Avakumowitsch, in dessen Hause WeSnitsch als armer Junge Nnterkunst gesunden, und durch dessen Fürsprache er ein Stipendium zum Ctudircu erhalten batte. Tie Extremen unter den Radikalen würden, wenn sie die Dinge aus die Spitze treiben, ibrem Baterlante ebenso schaden, wie der König durch eine» neuen Staatsstreich, welchen die Radikalen befürchten, der aber Alerandcr l. ein ähnliches LooS wie Alexander Batten berg in Bulgarien bereiten könnte. Deutsches Reich. * Berlin. 18. Januar. Wie schon gemeldet, ist dem Hause der Abgeordneten der Entwurf eines Gesetze« über die Landwirt hschastSkammcrn vvrgelegl worden. Er lautet in seinen EingangSbestimmiingcn: tz. l. Zum Zwecke der korporativen Organisation des landwirtbschaftlichen BerufSstandcS werden Landwirth- schastSkammcrn errichtet, welche der Regel nach da- Gebiet einer Provinz umsassen. Im BedUrsnißfalle können für eine Provinz mehrere LandwirthschaflSkammern gebildet werden. 8 2. Die LandwirtbschaftSkammern haben die Bestim mung, die Gesammtinteressen der Land- und Forslwirlh- schast ihres Bezirks wabrzuuehmen, zu diesem Vebuse alle auf die Hebung der Lage de« ländlichen Grundbcsitze- ab- zielenden Einrichtungen zu fördern und die Verwaltungs behörden bei den die Land- und Forslwirtbschaft betreffenden Fragen durch »halsächliche Mittheiluiigen, Anträge und Erstattung von Gutachten zu unterstützen Insbesondere haben die LandwirthschastSkammern auf Erfordern nicht nur über solche Maßregeln der Gesetzgebung und Ver waltung sich zu äußern, welche die allgemeinen Inter essen der Landwirthschaft oder die besonderen landwirth- ichastlichcn Interessen der betheiligten Bezirke berühren, sondern auch bei allen Maßnahmen mitzuwirken, welche die Organisation de« ländlichen Credit« und sonstige gemeinsame Aufgaben betreffen. Die Landwirth- schasiskammern haben außerdem Len technischen Fort schritt der Landwirthschaft durch zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern. Zn diesem Zweck können sie die Anstalten, sowie die Verpflichtungen und da« gesammte Ver mögen der bestehenden landwirtbschaftlichen Vereine zur bestimmungsmäßigen Verwendung und Verwaltung über nehmen, oder solche Vereine in der Ausführung ihrer Auf gaben unterstützen Den LandwirtbschaftSkammern kann eine Mitwirkung bei der Verwaltung der Produktenbörsen und bei den PreiSnotirungen bei diesen, sowie bei Märkten übertragen werden. tz. 3. Die Errichtung einer LandwirtbschaftSkainmer erfolgt auf Grund eines den Vorschriften dieses Gesetze« entsprechenden, nach Anhörung des Provinzial-LandtageS zu erlassenden Statuts durch königliche Verordnung. Aenderungen de« Statut« bedürfen, soweit die königliche Verordnung nicht etwa« Anderes bestimmt, der königlichen Genehmigung. DaS Statut, sowie Aenderungen desselben sind durch den Staats- Anzeiger zu veröffentlichen. tz. 4. Da« Statut muß innerhalb der durch dieses Gesetz gegebenen Vorschriften Bestimmungen enthalten über: 1) den Sitz der LandivirlliichaslSkaiiuner; 2) das nach dem Grundsteuerreinerlrage onzngebende Mindest- maß des zur Theilnahme an der Wahl berechtigenden Grund besitzes ; 3) die Zahl der Mitglieder und ihre Lertheilung auf die Wahlkreise; 4) die Reihenfolge de» Ausscheidens der Mitglieder; ü) di« für die Brschlußsähigkeit erforderlich« Zahl der Mitgliederj; 0) die Wadl und die Zusammensetzung deS Vorstandes, die Be fugnisse des Vorstandes und deS Vorsitzende«!; 7) die Form für die Legitimation de» Vorstandes und seiner Mitglieder; 8> die Voraussetzungen und die Form für die Zusammenberufung der Laiidwirthschasl-kammer; t>) die Bezeichnung der Gegenstände, welch« der Beschlußfassung der Landwirtlijchastskammer vorbehatien bleiben; 10) die Form der Bekanntmachungen: 11) da« Verfahren bei Aenderungen de« Statuts. * VerN», 18. Januar. Der HLu«lich« Zwist in der ehemals deutschfreisianigea Partei wagt sich wieder einmal in die Oeffrntlichkeit. Herr Barth hat neulich in der »Nation" einen Aussatz gegen die freisinnige Volkspartei gebracht, worauf sein früherer Genosse, Herr Eugen Richter, in der »Freisinnigen Zeitung" de« Langen und Breiten er widert. Da wird unter Anderm dem Herr» Barth Nach stehende« zu Gemüth« geführt: „WaS berechtigt überhaupt de» Abg. Barth, mit solchem hohen staatSmännIichen Sklbsidewußtseii», wir eS ln der „Nation" zam Ausdruck kommt, sich als Lehrmeister gegenüber der Freisinnigen BolkSpartei auszuspielen? Abg. Barth schreibt zwar geistreiche und mitunter sogar radikal angehauchte Artikel, aber überall, wo er in der praktischen Politik selbstständig agirtr, ha« er als Stratege gründlich AiaSc» gemacht." Der .Stratege" Eugen Richter bat natürlich niemals FiaSco, geschweige denn gründlich FiaSco gemacht — auch nicht in den letzten Reichstags- und LandtagSwahl-Feldzügen! — Heute Vormittag um 8'/« tlbr unternahm der Kaiser eine Ausfahrt nach dein Thiergarten, begab sich aus der Rück fahrt in da« PalaiS des Reichskanzler» Grasen Caprivi, um dessen Vortrag entzegenzunehnien, und empfing nach der Rückkehr ins königliche Schloß den KriegSuiinistcr. Daraus arbeitete er bis zur FrühstückStafel mit dem Gcncraladjutantcn v. Hahn kr. — Ueber die nächsten geschäftlichen Dispositionen im Reichstag besteht die Absicht, nach Beendigung der Weinsteuerrebalte, welche wohl erst Sonnabend staltsinden dürfte, zunächst einige noch rückständige erste Lesungen von Gesetzentwürfen vorzunehmen und dann die Finanzreform- vortage zur Lerathung zu stellen; dann soll der Etat vor- gcnommcii werden. — In der „Krenz-Ztg." werden die abfälligen Urtheile der Presse über de» Verlauf der deutsch-französische» Kamerunconserenz als unzutreffend bezeichnet. .Von französischer Seite wurde die Berufung eines Schiedsgerichts mehrmals in Aussicht gestellt, da nian beim Beginn der Ber- hantlungcn an ein zu erreichendes Einverstäntniß bei der schwierigen Lage nicht recht glauben konnte. Alles das bat sich im Lause der Beralbungen geändert; die französischen Bevollmächtigten sind mit den deutschen in gute? Einvernehmen gekommen, und heute besteht in höherem Grabe als vor einem Monate die Hoffnung, daß die Unterhandlungen zu einem Abkommen führen werden." — Der Zollbeirath für die russischen HandelS- verlragöverha » dlungen hielt heute wieder eine Sitzung ab. Wie verlautet, haben die bisherigen Ergebnisse starken Wider- spiuch aus conservaliv-agrarischer Seile gefunken. Die Tarifsätze sind jetzt vollständig a bgesch lvssen, aber der eudgillige Abschluß LeS Vertrages mit der Vorlegung an den Reichstag wird immerhin noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. — Der Bund der Landwirthe bat, der „Voss. Ztg." zufolge, den ReichStagSabgeordnele» v. Uuruhe-Bouist auf- geforvert, sein Mandat iiiederzulegen, da er für Len rumä» irischen Handelsvertrag gestimmt hat. (!) — Eine Unterredung mit dem UnlerstaatSsecretair v. Nottenburg halte am 9. d. MtS. eine Deputation der Freie» Vereinigung der Vureauangestellten. Es handelte sich um da« Gesuch, die Ardriterstalistik auch auf die Bureauangestelllen auSzudehnen. Gestern Abend wurde in einer Versammlung berichtet, daß Herr von Rottenbura die Deputation sehr zuvorkommend empfangen habe. Zur Sache babc er jedoch darauf hingewiesen, daß dem Wnnsche der Bureauangestelllen der tz. l des Regulativs der ReichScom- missiou entgeaenstehe. Man möge baker zunächst beim BundeS- rath, beim Reichskanzler und der ReichScommission um Ab änderung dieses Paragraphen pclilioniren, er werde diese Petition unterstützen — Die „Pommersche RcichSpost" enthielt die Nachricht, daß von konservativer Seite, u. A von Frhrn. v. Manteuffcl und Gras Kanitz, Verhandlungen mit der Regierung gepflogen würde», um den russischen Handelsvertrag durchzubrinaen, wenn er nur aus kurze Zeit abgeschlossen würee. Die .N. Pr. Ztg." ist in der Lage, diese Nachricht als völlig ans der Lust gegriffen zu bezeichnen. — Ter Fürst und die Fürstin Georg zu Schaurrib urg- Lippe sind nach Biickeburg wieder zurückgekehrt. — Der Bevollmächtigte zum BundrSrath, Senator der freien Hansestadt Bremen Or. Pauli, ist hier angekommen. — DaS sckarf« Vorgehen der Polizei nach der Auflösung der ArbeitSlosenversammln»g scheint nicht gerecht fertigt gewesen zu sein. Die .Post" schreibt hierüber: „Trotz der große» Ruhe, mit der sich Alle« abspielt», kam e« schließlich durch de» Uebereiser einiger Unterbeamten der Polizei zu einigen Scene», die allgemein gemißbilligt wurden." * Königsberg t. Pr., 18. Januar. Der Magistrat beschloß, den Oberbürgermeister Hoffman» für das Herrenhaus zu prä- senliren. * FrtrdrlchSrnh, l8. Januar. Im Gegensatz zu den in süddeuischcn Zeilungen verbreiteten unqüniiigen Nachrichten über daS Befinden des Fürsten Bismarck verlautet nach der „Allg. Ztg." authentisch, daß dasselbe sich im Gegen- theil wesentlich gebessert und der Fürst seine Ausfahrten wieder ausgenommen hat. * «»« »er Provinz Lschseu, 18. Januar. Dem Ueberhand- nehmen de« Poleuthum« in Schlesien and Preußen entspricht auch dt« gar nicht so unbedeutend« Verbreitung der Polen in unser-r Provinz; in den Regierungsbezirken Merseburg und Magdeburg und angrenzenden Theilen der Provinz Hannover mögen gegen- wärtig ungefähr 4000V Polen ihren dauernden Wohnsitz haben Ci» sind ganz überwiegend katholisch, wenig anspruchsvoll, willige Arbeiter »nd Arbeiterinnen, meist als Bergieule, namenllich in der Landwirthjchast aus de» Zuckerrübenseldern und in den Zuckerfabriken beschasltgt. Ter deutsche» Sprache sind sie größlenlhril« sowen mächtig, als ihr Berus e« verlangt. Wenn sie dei»g,i»äß auch an dem deutschen Gottesdienste bisher ohne Ausland theilgenommen haben, so geht dem Vernehmen nach jetzi diese polnische Gruppenbevölkerung mit dem Plan um, von der katholische» geistlichen Bebörde einen polnisch sprechenden Geistlichen zu per- lange», der reihum die Orte besuchen und bedienen soll, wo polnische Katholiken sich angejammelt haben, ein Verlangen, da- unter abu- lichen Verhältnisse» in Westsolen und am Rhein schon erfüllt ist. Unsere Polen wolle» in den ersten Togen des nächsten MonalS in Magdeburg zu einem jörmlicheo Parteitage zusammentreten und Im Gesühle der Zusammengehörigkeit geeignete Einrichtungen besprechen. Tag zwischen dieser Erscheinung und gewissen Ereignissen letzter Zeit in uujern rcmpvliiisch«» Landeslheile» ei» innerer Zusammen, dang vorhanden ist. wird sich kaum verkennen lasten. Besonder- verdient Las selbstständige Herantrelen mit Wünschen an das Kikchenregiment als bis jetzt ungewöhnlich wohl bemerk! zu werden. (Köln. Ztg.) * Wiesbaden, 18. Januar. Der preußische HantklS- minister hat alle Rcgierung-präsikenlen der Monarchie ersucht, ihm alljährlich zu berichten, in welche» Städten mit Gewerbegcrichlen städtische Arbeitsämter »ach dem Muster deS für Stuttgart beabsichtigten eingerichtet worden sind. * Ulm. 18. Januar. Der „Fränk. Cur." läßt sich melden, daß die hier vor Weihnachten au die Truppen verausgabten neuen Gewehre als mangelhast sich erwiesen Halle». Die ans der Loewe'schcn Fabrik stammenden Haupttheile seien brauchbar, aber die in Spandau angescrliglen, erst in Uli» eingesetzten Schlösser zeigten ConstructionSfehler, so daß die Soldaten oft nicht laden könnten. Wir übernehme» diese Meldung, nicht weil wir sie für richtig halten, sondern weil erwartet werde» muß, daß solche alarmirende» Nach richten, die geeignet erscheine», das Vertrauen in die Schlag- scrtigkeit unserer Armee zu erschüttern, schleunigst von amillcher Seite auf ihren Werth geprüft und gegebenen Falls richtig gestellt werden. * München, 18. Januar. Tie Kammer der Abgeord neten beendete heute die Bcralhung deS Etat« deS Innern und genehmigte die verschiedenen Positionen nach den An trägen deS Ausschusses Tie Kammer der ReichSrätbe er ledigte ohne Debatte mehrere Etat» gemäß den Beschlössen der Abgeordnetenkammer. Lesterreich-Ungarn. * Wien, l8. Januar. Nach der „Politischen Correspondenz" wird in hiesigen diplomatischen Kreisen die Auszeichnung viel bemerkt, welche der Kaiser dem französische» Gesandten Lozö zu Thcil werden ließ. Zur Hostasel seien sämmtlicke Mitglieder der Botschaft geladen gewesen — ein Fall, der hier noch nicht vorgekoiiimcn ist; auch toll cs dem Botschafter überlassen gewesen sein, den Tag des Diners auSzuwählen. * Prag, 18. Januar. Landtag. Bei der Fortsetzung der zweiten Lesung de- CoinmiisioliSberichleS über die Durchführung des Gesetzes, betreffend die Förderung de« Eisenbahnwesens, beantragten die Iungczechen, daß die Mitglieder deS Eisende, hurathes beider Landessprachen mächtig sein sollen. Der Antrag wurde abgelehnt. Der vom LandeSauSfchuffe eingebrachle Ver- miltelungSantrag, nach welche», bei der Einsetzung LeS EisciibahnratbeS die Gleichberechtigung der beiden Landes sprachen strengstens gewahrt werden soll, wurde gegen die Stimmen der Iuiigczechen und Altczechen angenommen. * Prag, 19. Januar. (Telegramm ) Bei der gestrigen Präsidentenwahl für die Prager Handelskammer verließen die deutschen Mitglieder unter Protest da« Wahllocal, weil die Czechen bei der Wahl der HandelSzerichlSbeisitzer den einzigen deutschen Candi- baten, Len kaiserlichen Rath Bungcl, von der Liste gestrichen haben. * Prag, l8. Januar. Der Präsident theilte im weiteren Verlauf deS OmlabinaprocesseS mit, daß der Angeklagte Hoch nach London geflüchtet sei. Der Staatsanwalt beantragte die Verlesung eine« Schriftstückes über Her stellung von Petarden a»S den Acten Cizek'S. Der Ver theidiger erhob hiergegen Einspruch und erging sich in Ausfällen gegen den Staatsanwalt, weshalb er von de», Präsidenten zur Ordnung gerufen wurde. Gegen dieAngeklagte», welche sich durch geheimeZeichen verständigten, schritt der Präsident mit encrgischen Rügen ein. Der Angeklagte Cizek gab an, daß die Betheilignug der jungczechifchen Abgeordneten Gras Kaunitz und Kaizl an de» Versammlungen der Oinladina in Kladow und Wien stattgesunde» bade Die Lmladina bestände auS 22 Vereine», die aus verschiedene Gebiete verstreut feien. Nachmittags wurde die Vernehmung der Angeklagten fortgesetzt, von denen einer, der 19jährige Fabrikarbeiter Schultz, von einem Gesangenausseher be- geschästen mit Wildcnhain zusammen zumeist Baugcschäste sehr zweifelbastcr Natur. Er selbst tritt nicht bervor, sonder» läßt Andere für sich arbeiten. Co hat er beispielsweise der Frau Zacher draußen an der Miiiiipcndorscr Straße, der eine Hypothek gekündigt war, etwa lt Acker abgelockt, indem sie, um eS nicht zui» Acnßcrstcn kommen zu lassen, ihm da« Object abtra». Er hat dafür eincn Preis gegeben, der lächerlich gering ist. Dieses Land bat dann Ibr Bruder, Ludwig und Runge von der angeblichen Schwägerin Wilden hain'- gekauft »nd Hager bat Bangelder vorgeschosscn. Die Gelder bat er sich gegen Wechsel bei un« verschafft »nd da Herr Kühne wußte, daß Ihr Bruder draußen der Haupt- detheiligte ist, hat er Hager den Eredit cingeräunit, Ihrem Bruder aber, da ihm so die Sicherheit doppelt schien, den Credit nach und nach versagt. Jetzt liegt die Sacke nun so, daß Hager zu Gunsten der Sparkasse, welche die erste Hypothek gegeben hat, in die zweite Reibe gerückt ist und daß er nun auch keine Bangelder mehr vorschicßt. Es ist daher zu erwarten, daß, da die Bauherren keine Bangelder mehr auslreiben können iind natürlich auch keine Zinsen zahlen, er die Snbhastation beantrage» wird und so, da er die Häuser kaust, reckt billig zu sechs oder ackt Gebäuden kommt. Denn daß die Handwerker mit ihren Forderungen auSsallen, ist doch klar. Ick habe niir eine Rechnung gemacht, nach welcher Hager, wenn man »och seine sogenannten eigenen Lieferungen an Ziegeln u. s. w berücksichtigte 122 000 -4 an dem Geschäft verdient. Trübe hatte stillschweigend zugehört. Dann sagte er: „Ich babc den Hager nicht für eine» soliden Man» gehalten, sür einen solchen Schurkcn aber doch nicht. Wissen Sie mehr?" „Die Sache ist noch schlimmer. Sa Hager bei der Ziegelei schon solche Schiebungen vornahm, so hat er sich dicSnial auch wieder eiiieZwischenperson gesucht und diese ist Ihr Herr Bruder." „Mein Bruder? Warum läßt denn der sich zu so etwa« gebrauchen, er kann sich ja an mich wenden " „Verzeihen Sie Herr Direktor, da scheint dock nickt alle- so zu liegen, wie Sie glauben, denn die Aeußeruiigen, welche Ihr Herr Bruder über Sie geldan haben soll — ick bade sie nicht gehör», lassen nur aus ei» Zerwürfniß schließen und wenn ich weiter reden darf." . . „Gemrcn Sie sich nicht nicht, lieber Westphal", rrmunierte »h» Trübe, „es ist besser man erfährt etwas au» e»ncui auf richtigen Munde al« hinten heruni mit den üblichen Augen- ausschlägcn. auS denen man nicht klug wird." „. . . So kann ick nickt unterlassen Ihnen einige Beobachtiiiige» »litzutheilc», die ich gemacht habe. Man ver leumdet Sie in jeder Beziehung. Ai» schlimmsten und stärksten machen e» jetzt der Ziminermeistcr Ludwig und der Glaser Runge. Sie suchen in den Kreisen der Gewrrblreibentcn zu Hetze». Sie sprechen gegen Ihre Stellung in, Sladt- verordnetciicolleginm, sic werfen der Bank, sogar Ihnen be sonders Eigennutz in städtische» Angelegenheiten vor." Die Andeutungen Westphal- brachten durchaus nickt die Wirkung bervor, wie dieser wohl angenommen hatte. Trübe batte de» Erörterungen lächelnd zugehört und al« Westphal geendet hatte, klopfte er diesen auf die Schulter und sagt«: „Sie meinen eS mit mir gut, lieber Westphal, aber Sie sehen zu schwarz. DaS kann unmöglich sein, daß die Leute, denen ich nur Gute» erwiesen habe, aus mich einstürmcn sollten, am allerwenigsten mein Bruder, der mir doch einigen Dank schuldig ist. Allerdings ist mir auch ausfällig, daß er sich an diesen Hager gewendet hat, aber eS kann mit diesem Herrn doch „nmoglick so schlimm stehen, sonst Kälte Herr Kühne ihm nicht diesen Eredit einzeränmt. Imincrhin danke ich Ihnen und ich werde sobald als möglich Gelegeuhril nehmen, mit Herrn Kühne über die Sache zu sprechen." Trübe reichte Westphal die Hand, zum Zeichen, daß dieser entlassen sei. Westphal ging aber nicht. Er hatte noch etwa« zu sagen, zögerte aber es auSzusprcchcn. Trübe merkte da-. „Haben Sie mir noch etwa« zu sagen?" fragte er. „Ja, ich bitte »ebmcn Sie mir eS aber nicht Übel." „Durchaus nicht, sprechen Sie nur." „Herr Direktor, c» thut mir leid, baß Sie meinen Worten so wenig Gewicht beilegen, ich meine eS wirklich ehrlich" Trübe machte «ine zustimmrnde Bewegung. „Erlauben Sie mir wenigstens, daß ich Ibnen gelegentlich die Beweise für meine Behauptungen bringe." „Ich kann Ihnen da» nickt verwehren. Sei e» denn. Macken Sie meinetwegen auch über mein Wohl", setzte Trübe lackend hinzu, indem er anfstand. Westphal verstand den Wink und ging. Als die Uhr siebe» geschlagen hatte, war der Direktor mit den Unterschristen fertig und verließ in fröhlichster Laune da« Conlor. Er glaubte nicht an die Gespenster, die Westphal sah. Schnellen Schrittes eilte er nach Hause, denn heute batte ihm Frau Auguste sein Leibgericht in Aussicht gestellt. Auf der Straße begegnete er Ludwig und Runge, die im eifrigen Gespräch begriffen waren. Als sie Trübe s ansichtig wurden, schienen sie eincn Augenblick verlege», WaS der Elftere freiliw nicht bemerkte, sie zogen aber sehr hastig den Hut und Trübe beantwortete den Gruß in sreundtichster Weise. „WaS nur der Westphal will", dachte Trübe, „die Leute sind ja so srcundlich und höflich." Am Hause empfing ihn schon Frau Auguste mit einem herzlichen Händedruck, dem im Zimmer ei» herzhafter Kuß folgte „Es ist hübsch von Dir Karl, daß Du so bald gekommen bist. Du wirst Dich freuen. Willy hat heule von seinem Professor eine Anerkennung wegen seines Fleißes bekommen und ist natürlich ganz außer dem Häuschen. Er wollte Dich nicht stören, kann eS aber kaum erwarten. Dir die frohe Bot schaft mitzutheilen. Mick hat e« so gefreut, daß ich heute noch etwas besonderes zum Abendessen gemacht habe. Fricea ist auch da und sogar Eckart hat sich cingesunden. Willy hat ihn geholt. Er traf auch den Assessor und lud ihn ein, doch dieser hat sehr kalt abgclehnt. Es wundert mich überhaupt, daß er sich gar nicht sehe» läßt. Er ist doch schon lange auS seinem Coiiimissorium zurück. Auch Melanie kommt nicht. Möglich, daß sie viel mit ihrer Ausstattung zu thun hat. Na. eS schadet auch nicht. Ich habe eS nicht gern gesehen, daß Eckart gekommen ist, weil Frieda da ist. Kühne könnte viel leicht darin ein Einverständniß der Beiden mit mir sehen. Ich werde aber aufpassen, daß nickt- geschieht." „Ei, ei", unterbrach sie hier Trübe, „seit wann spielst D» denn die Rolle einer bösen Fee, Du hast doch früher da« Verbältniß begünstigt." „Nein Karl, begünstigt habe ich da» Verbältniß durchaus nicht, da« ist zu viel gesagt, aber ick weiß, daß sich die jungen Leute lieben und ick meine, daß sie ein recht bllbsche- Paar werden würden. Wenn Kühne aber einen so großen Wider willen gegen die Verbindung hat, so »,uß man nicht gegen den Dillen de« Vater« bandeln. Ihm steht dock zurrst die Sorge sür die Zukunft seiner Tochter zu. Freilich bat wohl auch Kühne seine Meinung über Eckart geändert, Frieda er zählte mir, ihr Vater habe ihn neulich auS ganz freien Stücken gelob». Da« giebt ihr wieder Hoffnung und sie ist daher wieder so lustig wie früher." Die gute Laune Trübe'« wurde noch mehr durch die Worte seiner Gattin erhöbt, und als er Lader in den Garten trat und Willy aus ihn znellte und ihn, die Kunde von seines Professors Lob bringen wollte, »ahm er seine» Sohn beim Kops und gab ibi» einen berzhaiten Kuß. „Es ist schon gut, Willy, Mama bat mir Alle» gesagt. Ich freue mich reckt sebr über Dick. Fahre so fort und T» wirst nicht nur Deinen Ellern, sondern Dir selbst Freute bereiten." Mit Herzlichkeit begrüßte er dann Frieda und Eckart. Den Letzteren fragte er »ach seiner Oper. „Sie ist bald sertig", antwortete Eckart. „Ich habe viel gearbeitet und eS ist nun »icine Sorge, sie sobald als möglich beim Theater einzureiche». Der Elavieran-ziig ist auch sertig »nd wenn ich erst einmal Gelegenheit habe, einige Stelle» daran« an der entscheidenden Stelle vor- zuspielen, so bin ich überzeugt, daß man sie annimmt. Dann »st mein Glück gemacht," fügte er mit einem von den Anderen unbemerkten Blick auf Frieda hinzu. Frieda senkte ihr Köpfchen und wurde sehr roth. „Nun dann «bun Sie »ur reckt bald Schritte, lieber Eckart", sagte Trübe, „und wenn ich Ihnen irgend wie be hilflich sein kann, so rechnen Sic auf mich " „Ich danke sehr, Herr Trübe", entgegnet« Eckart, „Loch bossr ich auch so a»znko»i»leii Es muß uiein Stolz sein, auS eigener Kraft etwa« sertig zu bringen". Wieder glitt ei» Blick zu Frieda und diese fühlte unter diesem Blicke ihr Herz stärker klopfen „Da thun Sie gewiß Recht daran", meinte Trübe, „allein trotzdem stelle ich mich Ihnen gern zur Verfügung Ich weiß am besten, wie dornenvoll die Laufbahn ansängt und weiß auch, wie schnell oft Hindernisse durch daS Wert eine« Anderen beseitigt werden." Eckart wollte daS im Allgemeinen zugeben, allein ihn, waren die Segel der Hoffnung so gcsckwellt, sein Selbstbewusstsein war niit seiner Arbeit so gewachsen, daß er in seinem Falle Trübe durchaus nicht Recht gebe» wollte. Zui» Beweise wollte er gleich morgen den Tbeaterdirector aufsnchen. Ta« Thema wurde bald verlassen und in gemüthlichcr Weise ver strich der anregende Abend AIS e« Zeit zum Ausbruch war, gab Frau Trude ibrem Will» einen Wink, infolge dessen derselbe sick zur Begleitung Frieda« anbot. Eckart ver abschiedete sich zur gleiche» Zeit. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder