Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940120029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894012002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894012002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-20
- Monat1894-01
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
V-z«s--Vrei» t, »« Hanptvdittoa od«r d«» tm Stadt. d»dck lmd d«i Vororten «richteten An». »Aestellea abgeholt: vierteljährlich.X4.S0. bei zweimaliger täglicher ZufreNung in» -an« öLO. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: vierieliäbrlich 6.—. Direkte tägliche Srcuzbandiendung in» Aulland: monatlich 7.SO. Dv Movgen-AuSgabe erscheint täglich ' ,7 Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentag» ö Uhr. Lröactiou und LrpeLition: -«danneSgafit 8. Die Ervedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filiale»: ktt« Klemm s Lortt«. tAtsrc» Hat»), UniversitätSstraße 1, L-uiS Lüsche, iktharinenstr. I», pari, und KönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Änzeigeir.ProrA die 6 gespaltene Petitzeile >0 Plq. Neclamen unter dem Rehactronsfrrrch zig», spalten) bO-Z. vor den Familiowachrichten i6 geipalten) 40 aZ. «^rohere schristeu laut unserem Preis- vcrzeiktiniß. Tabellarischer und Ziffern'atz nach höherem Tarif. «Sptra-vrila,r» lgeialzt), nur mit der Morgen-Änrgabe, ohne Postbesärderuug 60.—, mit Postbesorderung 70.—. Auaatimeschlnk für Anzeige«: Abend-AuSgab«: Vormittag» 10 Uhr. Margeu-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- und Festtags früh ',0 Uhr. Bei den Filialen uud Annabmestrllca ie eia« halbe Stunde seither. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 20. Januar 189-1. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den Ä1. Januar, Bormittags nur bis /»tt Uhr geöffnet. LxpLiUttoi» Iltz8 ?»8ed1»tte8. politische Lagesfchau. * Leipzig. 20. Januar. Endlich einmal hat sich im Reichstage etwas Unerwartetes, woraus man durch die Auslassungen der Presse nicht vorbereitet war, ereignet. (Hellern hat sich c in Abgeordneter für die Werustcucrvorlagc erklärt. Es war der srei- conierrative Abg. Gamp, der freilich nicht einmal aus die Zustimmung seiner Fraktion wird rechnen dürfen. Diese schwalbe verwandelt den Winter des allgemeinen Miß- rerdnügenS. den die Vorlage in ganz Deuischland kerdci- .iksubrt hat, nicht in Sommer. Alle übrigen Redner i'aden sich vorgestern und gestern gegen den Entwurf iu-gesprochen, uud wenn auch einige von idncn erklärte», das; in eventuell für eine Besteuerung der wirklichen Lupusweinc »nt der Schaum und Kunslweinc zu baden seien, so zerstörte ler StaatSsecrelair v. PosabowSky die Hoffnung, daß wenig en» ein solcher kleiner Rest der Vorlage gerettet werten leiinlc, durch die Erklärung, daß cs einfach unzulässig sei, schäum- und Kuiistwcinc unter Freilassung der übrigen Beine zu besteuern. Es fehlt nur blos noch, daß morgen t>: Vertreter der würtlcnibergischcu, der badischen und kcr hessischen Regierung, die im Bundcsrathc gegen ne Wcinsteucr gesummt habe», ihren Standpunet ver- irelen und dadurch das ungewohnte Schauspiel bieten, tag im Reichstage eine Vorlage der verbündeten Regierungen auch rcgicrnngSscirig bekämpft wird. Jedenfalls ist durch die bisherigen Debatten über diese Vorlage bereits so viel sest- zcnelll, daß eine Verweisung des Entwurfs an eine Com- mssn», vollständig überflüssig ist und daß die verbündeten Kgicrungen am Besten thun. wenn sie die Zeit, die sic ans eine Nrsechtung der Vorlage in einer Commiffiou verwenden nutzten. zur Fertigstellung eines aussichtsvolleren Entwurfes eerwendcn. Der SocialSciuolratic bat die Berliner Polizei einen ziehen Gefallen erwiesen, indem sie vorgestern gegen eine Äujammlung von Arbeitslosen in einer Weise ciiuchritt, die cs dem „Vorwärts" möglich macht, allerdings unter den 'chwcrsten llebcrtreibungen, aber doch mit dein Anschein der Äercchiiguiiz, von einem Ueberfall der Polizei aus friedliche Arbeiter, von Bruialitäl, Provocatione» n. s. w. zu reden. Auch Berichterstatter solcher Blätter, die sonst de» social- temolratischc» Verhetzungen auf das Schärfste cntgegentreten, icben sich zu Mißbilligenden Auslassungen über die Art jenes Einschreitens veranlaßt. So schreibt man der „Köln. Ztg." aus Berlin: „Tie Versammlung war in allergrößter Stube .zu Ende gegangen, und es mar unvermeidlich, Laß, als die Arbeiter Las Local ver- ließe», die Menge sich nicht im Augenblicke verlausen tonnte. Slalt ihr hierzu Zeit zu lassen, trieb die Polizei die Leute gleich in der bier beliebte», sagen mir iniireundlichen Weise auseinander und es >ain dabei zu Austritten, bei denen der Vortheil nicht aus Seiten der Polizei mar. Ter furchtbare Schlacht bericht, den der „Vorwärts" bringt, ist allerdings ganz übertrieben, aber richtig ist eS. daß die Polizei wieder ein- mal an falscher Sielte ein Uebermaß von Eifer gezeigt hat. das in hohem Grade bedauerlich ist. Gerade in linieren Zeiten sollte die Polizei es sorgsainsl vermeiden, sich den Arbeitern gegen- über moralisch ins Unrecht zu sehen und dadurch Erbitterung zu errege» und die Möglichkeit zu ausregcnde» klebcrtrcibungeu zu gebe», die dann von de» Führer» der Sociaidemokratie mit bekanntem Geschick ausgebeuiet iverden. Schon sehr oft hat daraus hingewiese» werden müsse», das; die Berliner Polizei, was Mcntchcnbchandtnng betrifft, nicht aus der Höhe der Zeit stehl und daß sie cs namentlich nicht zu begreifen scheint, welcher Unterschied besteht zwischen einer ruhigen Menschen- menge und einer Ausschreitungen begehenden Bande. Daß sie letztere i» der rücksichtsloseste» Weise auseinandcrsprciigt, finden wir begreislich und durchaus am Orte, ruhige Leute soll sie aber in Ruhe taffen und namentlich nicht von ihnen das Unmögliche ver- langen. Unmöglich ist es aber, daß eine von Meirichen dicht gedrängte Straße sich aus Beseht der Polizei in eincrn Augenblick entleert. Dazu muß Zeit gelassen werden, und wenn die Polizei, statt das zu begreif», sofort gegen die Leute gewalliam vorgeht, so gicbt sic selbst den Anlaß zu den Unordnungen, die sic zu ver- hüte» berufen ist. ES könnte nicht schade», wenn die Spitze inrsercr Berliner Polizeiverwaltung einmal von oben ber daraus ausmerksain gemacht würde, daß in dieser Beziehung eine bessere Anweisung unserer Schutzleute durchaus nöthig ist." Man kann nur wünschen, daß die in unserem heutigen Morgenblattc telegraphisch gemeldete Nachricht sich bestätigt und der Berliner Polizeipräsident eine Untersuchung anstcllt, die zur Ermittelung der Schuldigen führt und ähnliche „Mißverständnisse" für die Zukunft auöschließt. Die gerade;» scandalösen Zustände, die sich jetzt an der ersten belgischen Universität, in Brüssel, infolge der Afsaire RccluS abspielen, haben natürlich in den Re- gicruiigSIreisc», in Lenen mau mit den belgischen Anarchisten und socialistcn genug der Sorge bat. sehr böses Blut gemacht. Die Regierung billigt entschieden daS Auftreten der UniversitälSbchördcn, und der hockofsieiösc „Patriotc" erklärt mit dürren Worten, daß die Regierung auf Grund des Ausländer - Gesetzes, wenn die Gegenwart des Herrn Reclus in Brüssel selbst zu Wirren oder für die öffentliche Ruße beunruhigenden Kundgeblingen den Anlaß geben sollte, ihn nicht über die Grenze lassen werde. DaS war vorauSzusehen. Trotz dieses Winke« dauert der Krieg, den die Radicalen schüren, mit wachsender Erbitterung fort. Die Professoren bekämpfen sich unter einander, so das; Reelvr Denis sie zilsammenbcruscn will. Die 17 slndenlischen Vereine und die polytechnische Schule protcstiren jetzt solidarisch gegen den Verwaltung« ratb, in» vereinzelte DiSciplinannaßiiahmeii »»möglich zu machen. DaS von dem FortschrittSführer Janso» geleitete Comiiö unterhält und schürt einen vollständigen Krieg gegen den Verwaltungsratk der Universität und hat alle Professoren, früheren und jetzigen Studenten zu einer Monstre- Versammlung aus beute einberufen. In den Gemeinderälben der Brüsseler Vorstädte IxcllcS und Saint Gilles ist, wie mitgetbcilt, schon beantragt worden, die bisherigen Zuschüsse für die Univcrsiläl Brüssel nicht mebr zu zahlen — kurz die Wogen gehen immer höher. Der VerwattuiigSrall, der Universität hat ans Bei'orgiiiß vor Anschlägen die unter seinem SitzmigSsaalc befindlichen Räume schließe» lassen. — Das conscqncnte Verhalte» der Negierung macht nach innen und außen den besten Eindruck, und es ist unerläßlich, daß dieselbe sich nicht noch in letzter Stunde zu schwächlicher Nachgiebigkeit verleiten läßt, wenn ibr die verrotteten Uust veri'itäts Verhältnisse res Landes nickst »och völlig über den Kops wachsen sollen. Im schlinunsicn Falte dürfte die Re gierung selbst vor einer Schließung der Universität »ich! znrückscl» ecken. Gerückstweisc verlautet, der akademische Rath habe dieselbe bereits gestern beschlossen, da 400 Studenten ihm den Gehorsam verweigern, doch ist eine Bestätigung dieser Nachricht erst noch abzuwarlcn. Für die Initiative der Ichwrizor Socialistcn, betreffend die Einführung der n» entgeltliche» Krankenpflege, wird in Wort und Schrift im ganzen Lande herum äußerst eifrig gearbeitet, und die 50 0,n» Unter schriften, auch mebr, werten sich ebenso sicher finden lassen wie für das Recht auf Arbeit, aber sie stößt aus so ernste Be denken und so vielseitigen Widerstand, daß ihre Aussicht aus Erfolg mehr und mebr schwindet. Da daS Jnitialivbcgehrcu auch die Errichtung deS TabakmonvpolS Vorsicht, die Verfassung aber eine Vereinigung von zwei verschiedenen Gegenständen in der nämlichen Initiative verbietet, so wird cs von den Einen als verfassungswidrig angefochtcn. Andere weisen nach, daß der Ertrag des Tabakmonopols bei Weitem nickt ge nügen würde, und scbr Biele wollen wenigstens abwartcn, welche Form das große, seil Jahren vorbereitete Projcct der allgemeinen Kranken- und Unfallversicherung von der Hand der Bundesversammlung erhält, che sic das ibr in den Weg geworseuc soeialistisck-ultramontane Erpcriment unterstütze». t)cuu wird dieses auck von einem Tbeil der katholischen Presse im Stich gelassen, weil man aus dieser Leite zur Erkennt»,»; gelangt ist, daß das Volk nicht mstmachen würde. Sb die Jniliativbcwcgung, die dem Bund zu Gunsten der tan to nalen Finanzen vorerst einmal 6Millionen abzapfen will, angeblich für (sch ul zwecke und Armenpflege, besseren Erfolg haben wird, ist schwer zu sagen. Man muß da mit dem Wachsen der föderalistischen Ansprüche und der kanto nalen und örtlichen Begehrlichkeiten rechnen, und die fort schrittlich und national gesinnten Kreise werten fest und ein heitlich anstrcien müssen, wenn sie diese Schwächung des Bundes verhindern wollen. Die Nachrichten aus Italien lauten insofern für die Regierung günstig, als der Verlaus der Dinge zeigt, daß die Elemente des Aufruhrs und der Zuchtlosigkeit zwar hier und dort örtlich begrenzte Krawalle hcrvorzuruscn ver mögen, daß sic aber, trotz alles ihnen von den ausländischen Socialistcn und sonstigen Feinden der bestellenden Ordnung geleisteten Vorschubes doch gänzlich nuvermvgend sind, das Volk als solches mit sich sortzureißen. Vielmehr siebt Letzteres immer klarer ein, wie schlimm cs bcrathcn sein würde, wenn cS nach Lei» Rcccpte der Anarchisten verfahren und daS Unterste zu Oberst kehren wollte Die „Cur" wäre taiisenkmal schlimmer als daS liebet Wenn die materiellen Verhältnisse breiter Schichten der Bevölkerung wirklich so unbefriedigend find, daß cS in der bisherigen Weise nicht mebr fortgeht, so ist cs dock) gewiß die allervcrkehrlcste Taktik, durch vlanloseö, blindwütliiges Zerstören und Verwüsten des öffentlichen wie des Privatcigentbums die allge meine Miff-rc noch zu vergrößern. Eine andere Wirkung aber haben weder die Putsche aus Sicilicn. noch auf dein Festlaiide gehabt. Was jetzt Noth thnt, ist dies, daß die demnächst znsammentrclcndc Deputirtenlammer sieb ent schließt, nicht blos den Partei und Fraclionsinteresscn, sondern auch den Wünschen der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen, alles parlamentarische Gezänk vorläufig auf sich beruhen zu lassen und im Einvernehmen mit der Negierung die Maßregeln zu beschließen, welche zur Wiederherstellung des materiellen Gleich gewichts ini italienischen Erwerbsleben nolbwcndig er scheine». Dieselben werde» jedenfalls felir durchgreifender Art sein müssen und an die patriotische Opserwilligteit der Nation hohe Anforderungen stelle». Für den Parstcigeist bleibt da kein Spielraum; entweder die Rücksicht aus das Gemeinwohl oder die parteipolitische Jntriznc muß daS Feld behaupten. Aus den Sieg der Letzteren hoffen alle, welche den Absichten Erispis Opposition machen, auch ohne sie irgend näher zu kennen. Sie wollen gar keine Beilegung der italienischen Verlegenbeilen, sondern eine Zunahme der Verwirrung. Dem Volke ist aber schon durch die bisherigen Erfahrungen in Sieilicn und aus dem Festlande der Geschmack am Revolutcon- machcn so gründlich verdorben, daß cs die Armee als Boll werk der nationalen Freiheit überall begrüßt, wo immer die Truppen als Hüter der bedrohten Ordnung auf der Bild- slächc erscheinen. Tie vonun« scheu gewürdigtcnDemcntiS.wclchc der radicalc „Odjcl" den K» iseiimetdunge» aus Lrrbic» entgegensetzt, werden auch dort nicht ernst genommen. In allen politischen Kreisen ist cS ein öffentliches Gebeimniß, daß die Krise den ernstesten Charakter angenommen hat und daß eS sich nur noch darum handelt, ob sic in eine CabinctSkrise oder in eine Systemkrisc auslausen wird. Der König be obachtet die größte Zurückhaltung, doch herrscht auch in seiner unmittelbaren Umgebung die Ueberzeugung, daß der junge Monarch am Vorabende wichtiger Entschlüsse stehe. Die Frage hat sich derart zugespitzl, daß nur die Alternative möglich ist, ob Pasilsch oder Nikolajewitsch, das heißt, ob mit der radieatcn Partei oder gegen die radicalc Partei regiert werten soll. Im legieren Falle würde die gesammle radicalc Partei in die äußerste Opposition treten, was eine große Gcsabr im Gefolge hätte, da dieselbe alStann möglicherweise versuchen würde, die dynastische Frage auszurollen, was Verwickelungen I eransbeickwörc» würde, die selbst auf die enrepäische Silualien ihre Rückwirkung äußern könnten.'Ei» Ministerium Nitolajewilsch könnte mit der jetzigen Stnpschlina „»möglich regieren. Einigen Spielraum besäße es in dieser Beziehung iuioseru, als daS Budget bereits votirt in. Aus welchen Elementen Nikolafewttsch daS Eabinel bilde» würde, ist ganz unberechenbar, da er weder einer Partei angchörl, noch einen Anhang besitzt. Nikolajewitsch gehörte ursprünglich der radicalen Partei an. sagte sich jedoch später von derselben los nnd näherte sich den Fortschritt- l c r n. Nikolajewitsch ivac Proseffer der serbischen Literatur an der Belgrader Hochschule und hielt vor drei Jabrcn als Rector derselben bc. einem Banket zu Ebren Milan's eine über raschende aiickrebc, worin er Milan aussorbcrlc, den Thron wieder zu besteigen und der radicalen Hydra mit dem Schwerte den Garaus zu mache». Der damalige Regent Ristitsch verfügte hierauf seine sofortige Dieniieittlaffnng. Seither ist Nilolalc witsch ein eifriger Anhänger Milan's. Auf Wunsch Milan's gelang es Tolilich in den Flitterwochen nach dem Staatsstreiche vom lil. April, die Wahl des Er-Professors Mkolajewilsch zum Staalsralbc bei der jetzigen Slupfck'lina durchzufetzc». Entsprechend diesen Anlcccteittien würde ei» Ministerium Nitolajewilsch einen eminent milan i st isch cn Cha rakter tragen. Wie daiielbc obnc Suspcntlrung der Ver fassung austomnie» soll, i'i icdoch taum verständlich. Von dem Eintriite radiealer Nolaöililälen in eine solche Combi- nativn lann nicht die Rede sein. Man versichert, die Königin- Mittler Nalalic bade, ebenso wie Milan, der von Paris mit dem Cnrs nach Serbien soeben abgercist ist. gleichfalls von gewagicil Erpcrimeiiten abgeralbe». In mttcrrichtelen Kreisen wird immer noch die Bildung eines aus Mitgliedern der verschiedenen Parteien znsaiiiiilcngcsctzlc» Cabincls sür wahr scheinlich geballt», was wir schon »icbrfach als den einzigen Weg zur Lei'nng der Knie bezcichnclen. Tie l>»l,i>>rnl1>e Regierung i»r neuerdings wieder von Rußland a» die .Zahlung der seit tdV.» rückständigen Raten rer O c e»palionsschuld aus dem Jahre l883 er innert werden. Dicscloe beläuft sich noch auf 3 200 noe, Rubel, Feuilleton. ^uf und nieder. k8j Roman von Edwin Heinz. Rechic vk>«?ilir>i) (Fortsetzung.) Dill» war durchaus nicht der Manu, sich alS An- ßandsdamc gebrauchen zu lassen. Ihm machte die Zuneigung der beiden jungen Leute viel zu viel Spaß, als dai; er nicht gern ein wenig Vorsehung gespielt hätte. Galant bot er Frieda den 'Arm uud im lauten Gespräch unter Lachen und Scherzen enlscriiten sie sich. Eckart ging an Willv's Seite. Als sie um die nächste Straßenecke ge bogen waren, ging Will» bedeutend langsamer. Er sing an, in ausgesucht banaler Weise zu phaittasirc», sprach von Mondschein »nd Poesie, von Heine und Roguettc, von Wellcngcflüster und Rofeiidust, io das; cS Frieda reckt leicht war. ihm nicht zuzubörcn, sonder» ihre Aufmerksamkeit Eckart zuziiweiidcu, der nach und nach eine Schwenkung gemacht batte und an ihrer Seile schritt. Noch sprach er kein Wort. Er wollte wobl etwas sage», aber sobald das Wort aus der Zunge gebildet war, schluckte ec cs wieder binuittcr und dabei blieb cS ibm im Halse sitzen. Das Blut strömte il m zuni Kopf und zum Herze», ein leiser Schauer überrieselte ilm, er »icrkte cs, er befand sich in großer Aufregung. Heute mußte er ein Wort zu Frieda sagen, um zu wisse», woran er wa-, beute mußle er eine» Schritt lbun, von rem er wußte, daß er entscheidend für sein ganzes Leben war. Er war dicht a» Frieda heraiigctrcteii. leise suchte er ihre rechte Hand zu fasse», doch sic entzog sie ihm. Willy schien mit dem Mond zu spreche» Er sagte allerlei confuscS Zeug, gab gar nicht auf seine Begleiterin Ackl. sondern fuchtelte mit der linken Hand in der Lust herum. „Za. Tu Mond i» Deinem silberne» Glanze!" phanlasirte er gerade an einer Stelle, wo die Büsche und Bäume der Promenade das Lickt der Laterne versinstertcir und weit nnd breit kein Schritt ein menschliches Wesen als die Drei rerrielb „Mit Deinem silbernen Glanze . . wiederholte er sehr nachdrücklich und blieb stehen. Da faßte sich Eckart ein Herz. Er würgte lange, ebc er die Worte berauSstoltertc, erregt, hastig, schluckend: „Fräulein Frieda!" Willy hatte trotz seiner Phantasien lauernd gestanden. AlS aber Eckart den Versuch iiiackle, mit Frieda ein Gespräch anzuknüpfen, wollte er ihnen eine gewisse Freiheit verschaffen. „Sieh da, der Kater frißt den armen Vogel!" rief er und mit einigen Sprüngen war er im Gebüsch verschwunden. Frieda drehte sich um. „Wo — wo, Will«?" 'Aber Will» hörte nicht mehr, er war verschwunden. „Fräulein Frieda", wagte jetzt Eckart wieder schüchtern zu sagen. „Ach. wo ist der Willy hin, Herr Eckart'?, ich fürchte mich so sehr." „Sie sollen sich nickt fürchten, wenn ich bei Ihnen bin, Fräulein Frieda!" Er ergriff ihre Hand, die sie ihm nach einem nicht ernst lich gemeinten Versuche, sie ihm zu entziehen, ließ. Er drückte sie und sie wurde blulroll, im Gesicht. Ihr Busen hob und sciilte sich, ilirc Nasenflügel vibrirlen, ihre Augen wandten sich ab »nd suchten unstät in dem Gebüsch nach einem etwas, über das sic sich selbst nickt Rechenschaft abzulegcn wagte. Sie zitterte. Schnell entzog sic Eckart wieder ihre Hand und sagte, einige schnelle Schritte machend: „Lassen Sie uns gehen, Herr Eckart. Will» wird sich schon finden." Eckart selbst war so verwirrt, daß er nicht ein Wort sagte, mechanisch ging er einige Schritte an il'rcr Seile. Von Will« war leine Lpur zu entdecken. Er versuchte nock einmal das Gespräch anzulnüpsc», aber eine innere Angst, die Baiigiglcil vor der Eittscheitung, die ihn so lies berührte, hielt ilm ab. Sic schritten beide schneller. Ta sab Frieda plötzlich au« dem Gebüsch einen Mann in Hast aus sick zutrcte». Der Hut war tief in die Stirn gedrückt, der Rock schien von unbcslinimtcr Farbe, die Aermct waren weiß, der Nock dunkel, die Hosen waren ausgestreist, daS Haar hing in das Gesicht herein. Ter Un bekannte machte mit seinem Stock eine Bewegung, als ob er das junge Mädchen a»gre>feii wollte. Eckart hatte, La sein Blick aus den Boden gerichtet war, nichts bemerkt. Frieda überkam Furcht. „Halloh — lic — Du", stieß der Unbekannte in tiefe» grunzenden Töne» aus uud griff nach Frieda. Ganz erschreckt fuhr sie zusammen. Sie drängte einen Schritt zurück, so daß sie Eckart berührte, nmsaitte feinen Arm und fick hinter ihm verkriechend ries sie: „Fritz." Eckart War aus feinem Sinne» erwacht, er begriff sofort die Lage, stürzte auf den Unbekannten loS und faßte ilm an der Brust. Der ließ sich daS ruhig gefallen, brach aber in ein trampsbaslcS Lachen auö, nahm den Hut ab '.ind präscu- tirte sich als Willy. „Wie Tu mich erschreckt hast, Willy!" Frieda batte sich von Fritz loSgcmachi. „Na, das war doch endlich ein Spaß und ich habe wenigstens meinen Zweck erreicht." „WaS sür einen Zweck?" fragte Eckart. „Es ist hier nicht die Zeit, das auSciiialidcrzusctzc». Wenn ich aber bedenke, wie lange cS gedauert hat, che Eckart zum zweiten Male „Fräulein Frieda" sagte und wie schnell >ctzt Frieda „Fritz" rufen konnte, dann muß ick mir selbst Las Lob erstbesten, daß ich meine Sache sehr gut gemacht habe." Frieda sil'icn noch nicht zu begreifen, aber in Eckart däm- merstc cö. Er übersah jetzt die Lage völlig. „Kan» man Dir de»» zu Deinem Fritz gratuliren?" Will» sagte es im scherzenden Tone, indem er Frieda die Hand cntgegeiistrccklc. .letzt begriff sic auch, was sic gelban batte. Sic lnelt die Hände vors Gefickt »»d ries »ist einer vom Schluchzen »itterbrochcneil Stimme: „Ungezogener Willy." Ter mackste sich aber nichts taraus. Indem er seinen Rock, den er verkehrt angezogen, um Frieda zu erschrecke», uiittvaiidtc, ciilgegnclc er beiter: „Wer weiß, wie lange cs gedauert hätte, cl,e Ihr Euch Eure Liebe gestände», denn Fritz ist schüchtern wie ein IlciiicS Rcb und Du bist ängstlich wie eine kleine Ma»S. Jetzt wißt Ihr nun, woran Ihr seid, und könnt Euch cinnial wie ein Paar Verliebte betragen." Aber Willn's Wunsch ging nicht in Erfüllung. Frieda stand de» Blick zu Boten gesenkt nnd Fritz fab auf die andere Seite der Strafe. Endlich faßte sich der Letztere ein Herz, trat aus das junge Mädcken zu, ergriff ihre Hand, drückte sie und sagte: „Frieda, sind Sie mir gut?" Leise erwiderte sic den Truck, dann sab sie ihm mit ihre» klaren Augc» roll ins Gesicht, ihre Gestalt hob fick. cS war, als ob ein anderer Geist in sie fahre nnd mit wür digem Ernst sagte sie: „Ja, Fritz, dock lasten Sie uns geben. Hier ist nicht der Ort, weiter darüber zu sprechen." Will» war heim Aiiblia dieser würdevollen Erklärung ein spaßiges Wort im Halse flecken geblieben, aber Eckart schien ganz verklärst von der Hoheit seiner Braut Er bot ibr nick: einmal de» Arni an nnd als sie gingen, schritten (ic Alle Drei schweigend neben einander ber. Nur ihre Hand wagte Fritz zu drücke». Sie hatte nur wenige Schritte zu geben. Daun bat sic Fritz, zurüctzubleibe», da ibr Vater sic wahrscheinlich, am Fenster sitzend, erwarte. Eckart'S Herz war zum Zerspringen voll. Am liebsten wäre er ibr jetzt zu Füßen gefallen und hätte sein Gelickt in ikrcn Schvoß vergraben und geweint vor Seligkeit. Nock, einmal reichte sic Fritz die Hand nnd jetzt lonittc er nicht mehr zurückbaltcu. Ein heißer Kuß brannte daraus. Gesprochen wurde nichts. Eiligen Schrilles nnd mil hochklvpsindcn Herzen eilte iic. begleitet von Willy, den, väterliche» Hause z». Ein Druck aus die Klingel und das Dienstmädchen össucie. Bald trat sie in ibr Stübchen. Licht machte sie nickst. Aber der Mont, der mit feinen milden Strablen dcks ileine Gciiiach erhellte, konnte sehen, wie fick ein jmiges Kind ck»f das Sopba warf, wie heiße Frcnrcnlhräiicn ihren Augen entguollen, wie sie immer wieder die Hand, aus der neck der .Kuß des Mannes brannte, an ihre Lippen führte. 'Was in ihrer Seele vorging, konnte auch der Mond nicht sehen, aber wer darin lese» konnte, würde aus dem weißen Blatte ihres Herzens mit Flammcn- schrist eiiigcgrabeii gestillten haben: ...ick bin glücklich." lX. Am andern Morgen packle Eckart die Noten feine« Clarstcranszngs sehr säuberlich zusammen, schlug einen weiße» Bogen Papier darum, ließ fick von seiner Wirlbin einen reiben Faden geben nnd schnürte dann das umfängliche Bündel zu. Er trlintc nickt umhin, seiner Wirtin», die ibn. seit er so fleißig war, noch mehr bcmultcrlc als trüber, von dem wichtigen Gange Kenntnis; zu gebe». Fröhlich klopfte er ibr aus die Schütter. „Frau Kugler", ries er a»S, „nun wird cS bald werden. „Heute gebe ich zum Tbcalcr Tircctor und reiche meine Oper ein." „Ack. wie freue ick mick". erwiderte die Atlc, „nun wird alles gl», den» daß Jkr Stück dann a»cl> gleich anigesührt wird, das ist doch »icher und, »ickl waln, Heer Eckart, Sie besorgen mir cm Billct dazu Umsonst will ich cS nicht haben. Wissen Sie, so der zweite Ranz oder auch der dritte, ^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite