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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940125025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894012502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894012502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-25
- Monat1894-01
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v-zugr-Vrei- tz, h« -anptetzpedttk»» »d« de» km Stad». und d«r Bororten errichtet«» Aue- grbestellra ebgeholt: vierteljährlichst 4.50. bei zweiwaliaer täglicher Zustellung ins Hau« »öchO. Durch die Post bezogen für Deutichl>iid und Oesterreich: vierteljährlich k.— Direkte tägliche ttreuzbandleadung irt LuSIaud: monatlich 7.50. Die Norgen^luSgab« erscheint täglich '/.7 Uhr. di- Adend-ÄuSgab« Wochentags 5 Uhr. Ledactiou und Lrveditiou: AohauneSgafie 8. vieLrpeditiou ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: vtto tle»«'» Bortim. («lfrr» Hahn), Uoiversitätrstraße 1, Voni» Lösche. tatharinenstr. 14, Part, uod Aönlgkvlatz 7. Abend-Ausgabe. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anzetgeu-Preis die «gespaltene Petitzetle 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4go- s palten) 50-^. vor den FamUieanachrtchten (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höheren« Tarif. V«c1ra-Beilage» (getalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, obne Posibesorderuug 60.—, mit Posidesörderung 70.—. Ännahmrschluk für Änzkigen: Abend-AuSgab«: BormittagS 10 Uhr. Marge n-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ' «9 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzet-en sind stet« an die Srpevitio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig- ^45. ' Donnerstag den ^5. Januar 18SL 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Let-zig. 25. Januar. lieber den Tag, an dem die Rcichshauplstadt dem großen Ereignisse des «rsucheS des Fürsten Bismarck am deutsche» llaisertzsfe entgegensehen darf, geben auch beule noch die Meldungen auseinander. Denn während aus Hamburg be richtet wird, Professor Schweninger sei mit der Reise des Fürsten nach Berlin vor Ablauf von mindestens 14 Tagen nicht einverstanden, wird der Fürst nach einer Meldung der „Nat.-Ztg." in nächster Woche in Berlin er wartet. Die ,Freuzztg." stellt in Aussicht, daß der Fürst schon morgen in Berlin eiiilreffcn werde, und die „Berl. Polil. Nachr." melden sogar: „Wie verlautet, wird Fürst BiSmarck am Freitag mit dem von Hamburg um 9 Uhr Vormittags abgehenden, hier um 12 Uhr 55 Minuten aus dem Lehrter Bahnhol eintressenden Courierzuge nach Berlin kommen und es heißt, daß Se. Majestät der Kaiser die Absicht haben soll, den Fürste» vom Bahnhose abzuholen und nach dem königlichen Schlosse zu geleiten, wo sür den Fürsten Bismarck die Zimmer nach der Lustgartenseite bestimmt sein sollen. Dem Vernehmen nach besand sich Prosesjor vr. Schweninger in den letzten Tagen in Friedrichsrud und ist von dort hier eingetroffen. ES scheint sonach, Laß der Leibarzt de» Fürsten Bedenken gegen dessen Reist nicht erhoben bat." Damit stimmt die folgende Meldung der „Nat.-Lib.-Corr." überein: „Die Ankunft de« Fürsten Bismarck in Berlin steht, wie wir zuverlässig erfahren, aus nochmaliges Anschreiben des Kaiser« bereit- am Freitag um 12,57 Mittags aus dein Lebrler Bahnbos bevor. Fürst BiSmarck wird sich alSbald durch dar Branden burger Thor und die „Linden" in das königliche Schloß de- geben, wo er Quartier nimmt und bereits die Gala-Parterrezimmer »ach der Terrasse sür ihn hergeslcllt werde». Gras Wälder iee und Professor Schweninger waren in Friedrichsruh: Lebterer bracht« über das Befinden LeS Fürsten Bismarck günstige Nach- richten." An diese, wie gesagt, von FriedrickSrub auS noch nicht bestätigte Meldung schließt daS nationallibcrale Parteiorgan noch die folgende: „Graf HerbertBismarck war für heute Abend (24. Januar) zur Cour geladen. Wenn hier und da bervorgehoben wirb, daß der Kaiser den Grafen Herbert bei dem Lrdensseste nicht angesprochen habe, so wird dies in unterrichteten Kreisen aus die Erwägung des hohen Herrn zurückgesührt, daß der Ausdruck der kaiserlichen Huld bester zuerst dein alte» Fürsten gegenüber erfolge. Ileder-di» Haltung von hohen Reichsbeamt»« zu der Reis« des Fürsten sind verschiedene Versionen im Umlauf. Von der freudigen Erregung im Volk, namentlich in Süd deutschland, zeugt, daß heute aus mehreren Städten, z. B. Heidelberg, Reichstagsabgeordiieten Depeschen zugegangen waren, worin die allgeineineBeslaggung derHäuser berichtet wird," Aus die Vorgänge beim Ordensfeste, die wir bereits als die Einleitung zu der Entsendung des Adjutanten Grafen Moltke nach FricdrichSrub bezeichnet haben, kommen über haupt viele Blätter und Eorrcspondenten zurück, die indessen in der Hauptsache mit dem übereinstimmen, was gestern unser Berliner «s.-Eorrespondent gemeldet Kat und heute von der „Nat.-Lib. Eorr." berichtet wird. Einer unserer Herren Berichterstatter will sogar erfahren haben, der Kaiser kabe laut und freundlich geäußert: „Ich werde mich doch lieber gleich an den Fürsten Bismarck wenden." Unser Gewährsmann fügt hinzu: „ES verdient hcrvorgehoben zu werden, daß die Gesinnungen, welche der Kaiser seiner Zeit in der Absendung der Depesche aus Güns bekundete, auch wiederholt im Herbst und Winter hervor- «treten sind. So können wir aus zuverlässiger Quelle millheilen, aß der Kaiser mehrere Male um die Weihnachtszeit bemerkt hat: „Er möchte gern dem Fürsten BiSmarck etwas zuWeih- nachten schenken." Warum die Ausführung dieser Absicht unterblieben und die Sendung der nun historisch gewordenen Flasche Wein — an geblich stcinberger Eabinet l842er Jahrgang, von dem nur noch wenige Flaschen iin Besitze deS kaiserlichen HochaltrS sich befinden — erst jetzt erfolgt ist, sagt unser Berichterstatter nichts. Aber daran-, daß die „Nordb. Allgem. Zlg." die Vcrmutbung der „Köln. Ztg.", die DcnkmalS-Ange- le gen beit stebe mit der Sendung de- Grafen Moltke in Verbindung und der Kaiser habe gewisse ibm gemachte Vor- würfe unmittelbar zurückweiscu wollen, an kervorragender Stelle wieberziebt, berechtigt zu der Annabme, daß cS in der Thal die Denkmals-Angelegenbcit gewesen ist, die den Kaiser veranlaßt bat, gerade jetzt dem Antriebe seines Herzen- zu folgen und sich direct an den Fürsten Bismarck zu wenden. Der Kaiser hat damit Lenzesbauch inS Land ge bracht. Freudige, hoffnungsvolle Erregung durckzitterl die Gemülhcr ob deS Entschlusses, mit kräftiger Hand aus dem Wege zu räumen, was sich zwischen idu und den Fürsten BiSmarck gestellt hat. AngesicktS der bleibenden nationalen Bedeutung dieser beglückenden Wendung verschmähen wir cS, daS Beispiel Derer von NechtS und Links nachzuabmen und an dem berzerwärmenden Feuer unsere Parlcisuppe zu kochen. Und ebenso, unS in Bermutbunaen über den mögllchcn oder wahrscheinlichen Einfluß des Ereignisses aus die Regie- rungSpolitik zu ergehen. Ein solcher ist überhaupt nicht nötbig, um der Annäherung von Kaiser und Alt- kanzler unermeßliche politische Tragweite zu verleiben; es ist eine Quelle tiefsten Mißmutbs der Besten ver stopft und ein Born gegraben, der verjüngend aus die Liebe und Anhänglichkeit zu Kaiser und Reich wirken wird. Ter Hoffnung allerdings, daß der Geist, auS dem heran- ein Bcrbältniß zu Bismarck wieder gesucht wurde, auch in anderer Weise sich betbätizen werde, entschlagen auch wir uns nickt. Schon die Gerüchte, die darüber im Schwange geben, sind erfreulich. Während sonst das Unwillkommene ersonnen und geglaubt wurde, kört man nun freundliche Prophezeiungen. Der Pessimismus hat einen Stoß erhalle». Das ist zunächst Wirkung genug. Der erste Tag der EtatSberatbung im prruszische» AbgrorDnrtcnhause ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Berbandlungen weniger auf den preußischen Staatshaushalt bezogen, über Len nicht viel zu sagen ist, als auf di« Stcuerresorm im Reich und eine befriedigende neue Ordnung des finanziellen Verhältnisses zwischen dem Reich nnd den Einzelstaatcn. Der Finanzminister vr. Miguel hat die vorgestrige Verhandlung mit einem noch maligen sehr eindringlichen, wirksamen und überzeugenden Nach weis der unumgänglichenRolbweiidigkeit dieserNcuordnung ab geschlossen. E« konnte sich dabei aus tie Tkatsackc berufe», daß alle großen Parteien deö HanscS (mit Ausnahme deS EenlrumS, das sich in dieser Hinsicht wieder schweigend verhielt) darin überciiistiinme», daß das Reick zum Mindesten seine eigene» Bedürfnisse aus seine» Einnahmen ausbringen müsse »nd nicht zu einem immer lästiger werdenden Kostgänger bei den Einzelstaalen sich entwickeln dürfe, wenn nicht schwere poli tische Schädigung und finanzielle Zerrüttung ans beiden Seilen einlreten soll. Unter allen verständigen und patriotischen Pfännern berrsckt hierüber Einvcrständniß und in keinem deutschen Landtag wird die Notbwendigkeil dieser Resorm ernstlich bcstriticn. Nur im Reichstag vermag durch den Paneibadcr und die Sorge uin die Ungunst einiger Wäblergruppen hindurch die bessere Einsicht sich noch nicht Bahn zu brechen. Hoffentlich bleibt aber eine günstige Wen dung nicht auS, wenn die verbündeten Regierungen zu einem schrittweisen, zunäist nur das absolut Notbwendige ins Auge fassenden Vorgehen sich entschließen »nd in Bezug aus die Form der eingebrachten Steuergesetzcntwürfe weites Entgegenkommen gegen die berechtigten Forderungen großer Interessentenkreise üben. Wenn innerhalb der klerikalen Partei Voigtens wegen rer Vertretung der Minderheiten nnd anderer wich tiger Fragen eine völlige Einigkeit »och nickt erzielt werke» konnte, so steht cs im liberalen Lager, namentlich bezüglich der Proporlionalverlrelung, keineswegs besser aus. Viclmcbr wird nur die radicale Fraction unter der Führung des Ab geordneten Paul Jan so» geschloffen sür die Regierungs vorlage stimmen, während von der gemäßigt liberalen Fraclion verschiedene Abgeordnete, darunter der Fübrer der selben, Fröre Orb an, sich dagegen erklären. Auch sonst herrscht wieder zw-chen den beiden Fractionen der Opposition Hader. Nanentlich verwerfen die gemäßigten Liberalen daS Zusammengehen der Radicalen mit den Socialdemokraten, denen sie bei den nächsten Kainmcrwahlen eine Anzabl Sitze abtretcn wolle». Es ist nun klar, daß bei einer so liefen MeinniigSverschictenbeil zwischen den beiden Fractionen der Opposition die Aussichten derselben sür die nächsten Wahlen sehr gering sind. Deshalb regen die Radi kale», welche am meisten sür ihre parlamenlarischen Sitze türchlen, die Einberufung eines großen liberalen Eon- gresseS an. Die gemäßigten Liberalen nehmen diesen Gedanken mit sehr geringer Begeisterung auf. Ibr Führer Fröre Orkan Kat in einer eigenen Flugschrift die Opportunität eines liberalen Eongrcsses bestritten, so lange die Radicalen sich nicht herbeilicßcii, jede Verbindung mit den Socialislcn aufzugeben. Da aber die Radikalen den Eocialislen bereits srüber bestimmte Zusagen gemacht haben, die sie jetzt schwer zurücknebmen können, die Liberale» aber keinerlei Zusammengehen mit den Socialisten zulassen, so ist ein praklifcher Erfolg eines liberalen EongrcsfeS tkatsächlicb nickt zu erwarten. — In der letzten Zeit find, meist aus Veranlassung der französischen Hantclskammer in Brüffel, französische Militairmusiken in voller Uniform dort hin gekommen, um bei möglichst unpassenden Gelegenheiten zu concertiren, was die Brüsseler Socialdcmokraten zu Hoch rufe» auf die französische Republik und zu sonstigem Unsug benutzten. Jetzt ist cS den Führern der vlämischcn Bewegung gelungen, eine NegierungSvcrsügung zu ver- anlasse», welche vir weitere Anwesenheit französischer Militairmusiken auf belgischem Bode» untersagt. Das ist ein erfreulicher Erfolg der vlämischcn Bewegung, die immer mehr Einfluß zu gewinnen scheint. Die stille Hoffnung der französischrn Regierung, daß die Einsetzung des aus Admiräle», cbcmaligcn Ministern und parlamentarischen Berichterstattern aller Parteien, selbst der oppositionellen, bestehenden außerparlamentarische» Marine-UntcrsuchungsausschllsseS dem Enthül- lungSläriii des Herrn Elönienccau ein Ende macken oder zum Mindesten einen kleinen Dämpfer aufsctzcn werde, bat sich nicht erfüllt. Im Gegentbcil, die Angriffe, die der ehemalige Fübrer der Radikalen ans Grund anscheinend scbr beweiskräftiger amllichcr Schriftstücke gegen die Marineverwaklung eröffnet bat und die seither in einem ansehnlichen Thcil der Presse einen sehr kräftigen Widerhall gefunden haben, werden in womöglich »och heftigerer und rücksichtsloserer Weise fortgesetzt. Die Tinge, die da alltäglich vorgcbracht werden, tragen einen geradezu halbasiauschen Ebarakler und sind, wenn sie auch nur annähernd den wirklichen Verhältnissen entspreche», in der Thal geeignet, die Zustände in der sranzösischen Marine als recht bedenkliche erscheinen zu lassen. Am meisten Auf sehen errege» die großen, 189 l unter dein MarincministerBarbcy in Toulon vorgckommenen Unlerschleife bei Getreide lt cser ungen. die mit Wissen der VerwaltungSofßcieLe inS Werk gesetzt wlirden. Ricunier, damals Seeprafecl' von Toulon, erstattete Bericht an daS Marineministcrium» das aber wider Erwarten nicht einsckritt. Da scvle Rieiinier die coiiipromiltirlcn Beamten auf eigene Faust ab, kaum aber batte er daS Marineporteseuille übernommen, als die Sccpräsoclur die entlassenen Beamten wieder an/tellte. Dieser typische Fall ist nur einer von vielen. — Weder Elöinenoeau, noch seine Bundesgenossen im Kampfe gegrn die „Marinecorrnpiion" verspreche» sich großen Erfolg von dem Untersiichlingsausschuß »nd verlangen energisch, daß die Depiltirlenkamiiier selbst cinscbreiten und sich unerbittlich volle Aufklärung über die gerügten Uedelstände verschaffen möge. Andere sind allerdings auch in dieser Hinsicht skeptisch und resignirt nnd weifen ans das dürftige Ergebniß der parla mentarischen „Panaina-Eiiquele" hm. Wenn Clvmenceau jetzt wirklich wegen Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke, wodurch die nationale Sicherheit gefährdet worden, in Anklagezustand versetzt werden sollte, so würde daS an der Tbal'ache, daß Vieles faul ist in der französischen Marine-Verwaltung, natürlich nicht- ändern, bewiese im Gegenibeile nur, daß der Führer der Radicalen ziemtich ins Schwarze getroffen hat. Als einer der entscheidenden Gründe für die Vertagung deS italirnischen Parlaments wird vielfach auch t>»e Ab sicht Erispi'S genannt, sich während der verlajngerten Parlainciitsscrien durch ein königliches Dccret außerordcnt- liche Vollmachten verleiben zu lassen und, mit diesen ausgerüstet, die nolbwendigen Reformen durchznfübren. Merk würdig! Mau traut dem einstigen Revolutionair «inen kleinen Staatsstreich zu und. was vielleicht noch merkwür diger iil: man kann in der italienischen Presse, so lcbbast sic diese Möglichkeit erörtert, keine besondere Aufregung oder gar Entrüstung darüber entdecken. Es seblt wobl nicht an Stimme», welche betonen, wie wenig verfafsilnaSinäßig ein derartige« Vergeben im ticsstcn Frieden, ebne jede Gefahr durch Bedrohung von außen wäre. Sic werden aber durch den Cbor Der jenigcn nbertönl, welche an der Hand der parlamentarischen Geschickte Italiens Nachweisen, daß es ganz vergeblich sei, sür Ersparungen in irgendeinem Zweige der Verwaltung die Mehrheit der Kammer gewinnen zu wollen. So wie cS sich darum bandcU, einer Stadt, einer Provinz ein Opfer zu Gunsten des Staates zuzuniutbcn, bäumt sich der Localpatrio- tiSinuS, durch die Furcht vor den Wählern gestärkt, erbittert dagegen auf. Es giebt keinen dciikcndcn Italiener, der nicht zugedc» würde, daß fei» Vaterland an einer Hypertropbie von Universitäten, technischen und Mittelschulen, GcrichlS- und Nectuiiiiigsbvicn, Verwaltungsbehörde» und Bauämtern leide. Auch die Abgeordneten geben das z». Will aber die Regierung an das Nebel riibrc», so stehen sic zusammen wider sie wie eine Mauer; Jeder ist nur daraus bedacht, die Einschränkung von seinem Wahlkreis abzuwchren. Daran ist bis jetzt jeder Versuch, das allzu kostspielige Räderwerk der Staalsmaschinc zu vereinfachen, kläglich gescheitert. Was seit dreißig Jahre» in dieser Richtung »nleriioinmcn ward, blieb nutzlos. — Daß Eriöpi entschlösse» ist, im äußersten Falle von der gefährlichen Waffe außerordentlicher Vollmachten Gebrauch zu machen, bat er schon mehrfach angcdeutet, aber er bat es auch nickt an den eindringlichsten Mahnungen an daS Parlament fehlen lassen, hinter dem Notbscbrei des in seiner Existenz bedrohten Vaterlandes die Kirchlburm-Inlertssen zurülktrele» zu lassen. Die Kammer Kat jetzt vier Wochen Zeit, über ihr eigenes und des Landes Schicksal uachzudenken. Viel Hoffnung ans patriotische Selbstverleugnung gemährt die Art ihrer Zusammensetzung leider nicht. Auf und nieder. Ms Roman von Edwin Heinz. <We Rechte «erb«b»I!eu.f (Fortsetzung.) „Papa, «r spricht ja von Dir*, flüsterte Willy seinem Vater zu. „Du hast Recht, Willy, aber hören wir weiter * „. . . . Bank dient der Spcculation und der arme ge drückte Handwerker, der die Bank und ihren Director groß gemacht bat. kann mit seinen Wechseln, an denen der Schweiß der Arbeit klebt, hausiren gehen . . „Bravo*, tönte e«. „Du hast mir doch immer gesagt, daß Du die Handwerker unterstützt und nun redet dieser Mensch so", flüsterte wieder Willy. „Lieber Sohn,* bemerkte Trübe bitter, „Du hörst doch, daß der Mann eS bester weiß * .... Hau- erworben und noch mehr Geld dazu. Eine Stellung, die ihm l2 000 Mark einbringt, obne die Ncben- posten, und der Handwerker, er hungert. Ten ganzen Tag quält sich so ein Mann, nicht ein GlaS Bier nimmt er zu sich. Er kennt kein Theater, kein Conccrt, er hat nur einen Anzug . . . . eS fehlt blo« noch, daß er im Wagen fährt und auf unS . . .* „Herabspuckt* brüllte einer laut und dröhnender Beifall folgte diesen Worten. Trüb« war bleich geworden. Sein Alhem stockte fast, un verwandt borchte er nach der Tbüre bin. Auch Willy war gespannt. Srine Hand ballte sich zusammen und eine unend lich« Wuth kam über ibn. „Vater, sind da- die Leute, denen Du Tage und Nächte geovsert hast, sind da- die Menschen, die noch vor einem kalben Iabre Dich koch leben ließen und Dich als den un eigennützigsten und besten Bürger feierten? Sind da« die Menschen, die Dick flebentlich baten ein Amt auzunehmen, da Du der geeignetste Vertreter seiest?" „Ja mein Sohn," antwortete Trübe, indem er sich vor Äei schLtteltr, ,da< sind die Leute, uod dieser da drinnen wird nur noch durch meine Langmuth vor dem Zuchthaus bewahrt." noch gar nicht-," hörte man jetzt eine derbe Stimme reden. „Wer erinnert sich noch deS Brandes? Wer erinnert sich nicht noch des Feuers. Bis beute ist noch nichts berauSgekommcn. ES muß aber an da« Tageslicht. Bertuch ist verzogen, er hat seine Versicherung weg. Wer hatte noch Interefse an dem Brande? frage ick>. Wer?* — Lautlose Stille. — „Ich will cs Euch sagen, er, er und nochmals er." „Die Bank", schrie einer dazwischen. „Die Bank auch," tönte es zurück, „aber mehr noch ihr sauberer Director. Wer war das junge Mädchen, die da weinend berumschrie, wer hatte Grunv den Tod des Kindes berbeizuwünschen, wer wollte die Spuren seiner Schande und seine- Frevels verwischen, wer zündete daS Hau- an, daß Mutter und Kind verbrennen sollten? . . ." — atbemlosc Spannung in der Versammlung — Trübe erbob sich geisterbleich, seine Hand krampfle sich um die Stnbl- lebnc und auch Willy stand vor Erregung zitternd, den Blick auf den Vater gerichtet, ihm gegenüber — „. . . wer anders als der Buchbinder, der gelernte Buch binder und jetzt der Herr Bankdirector . . . Trübe." Das Wort war heraus Trübe sank gebrochen auf seinen Stuhl nieder. In der Versammlung herrschte für einige Augenblicke eine eisige Ruhe, die schwere Beschuldigung lähmte ihnen die Zunge und die Hände. Da plötzlich hörte man zwei schallende Ohrfeigen und die laut auögcstoßenen Worte: „Du verdammter Lügner!" Und gleich daraus körte man nochmals zwei klatschende Ohrseigen mit dem AuSruf: „Von mir auch Du Schuft!" Jetzt kam Leben in die Versammlung. Man sprang auf, man kam Runge, dieser war der Redner, der von Eckart und Westpbal gepackt wurde, zu Hilfe, man schlug auf diese ein, diese theilten wieder aus, es bildete sich auch ein kleiner Theil, der sür Eckart und Westpbal Partei nabm, und im Handumdreben war eine Prügelei fertig. AuS der Gast stube strömten die Leute binzu. Krauen kreischten, Kinder schrieen, aber >m allgemeinen Wirrwarr achtete Niemand aus den Mann, der da hinten in der Ecke zusammengebrochen saß, ein Bild de- Elend- und des Schrecken-. Seine Brust wogte, seine Augen traten anS ihren Höblen. aber die Zunge versagte ihren Dienst Willy batte die Lage sofort über schau», seine Hand zitterte vor Erregung sich in den Kamps zu stürzen, um die Ehre seine« Vater«, wenn auch hier nur mit einem Stuhlbeine zu vertbeidigcn, aber vor allem mußte er dem Vater selbst helfen. Er suchte ibn auszurichten, und nach einiger Zeit gelang eS ibm auch. Aus den Arm seines Sohnes gestutzt, verließ der Bankdirector inüde und schwerfällig das Zimmer. Draußen psissWilly sofort nach cinerTroschke und bald kielten sie vor dem Hause. Frau Auguste kam ibnen schon am Eingänge entgegen. Ibr Trübsinn war verflogen, er war durch die lustigen Späße einer Posse adgelenkt worden. AlS Trübe mühsam auö den, Wagen geklettert war. sab sie in ein matte-, erschlafftes Gesicht, au« dem zwei irrende Auge» blickten. Der Mund war verzerrt und der Bart von der Hand arg zerzaust. Auch Willy machte ein sebr ernstes Gesicht. Mit grenzenloser Liebe dingen seine Augen an seinem Vater, er gab aus jeden seiner Winke Acbt, aber es war in seinem Benehmen eine eigentbümlicke Scheu, eine gewisse Zurückhaltung, wie sie den ahnungslosen Sohn eines mit solch einem gräßlichen Vorwurf belastete» Vater- doch über kommen mußte. Auf der Fahrt batten sie nickt ein Wort gesprochen. Frau Auguste umklammerte den Arm ibreS Galten nnd fragte ibn angstvoll, was vorgcsallen sei. Tie Stimme seiner Frau schien ihn neu zu beleben. Er sab sich um, gab Willy die Hand, als danke er ihm und seine Augen flickten jetzt die AugustenS, nm in ibnen zu lesen. Langsam richtete er sich wieder empor. Mil dem Eintritt in sei» HauS kam wieder eine gewisse Sicherheit über ihn. Er athmete auf, sein Blick wurde ruhiger, seine Haltung fester. Die Mutter warf einen fragenden Blick aus ihren Sohn, doch dieser wich ibm a»S, er folgte gesenkten Kopses seinen Eltern. Auf einem Lehnsessel nahm Trübe Platz, Frau Auguste setzte sich zu seiner Reckten aus einen niedrigen Sessel, Willy stand im Finstern am Fenster. Nack einigen Minuten bangen Schw-igenS, während dessen Trübe seine Gedanken zu sammeln schien und nur Auguste ihren Mann sorgfältig beobachtete, hob er seinen Kopf, den er bisher in seiner rechten Hand vergraben batte, und fragte unvermulhct mit seiner klaren, ruhigen Stimme nach Willy gewandt: „Glaubt Ihr, daß ich ein Mörder bin?" Entsetzt subr Frau Auguste auf. „Mann, wa« sagst Du?" Sie faßte krampsdas» seine Rechte und schaute ibn bestürzt an. War ibr Karl geisteskrank geworden? Willy kam au« der Fensternische hervor und rief au«, indem er die Hände zur Faust ballte: „Den Runge erwürge ich doch noch!" Mm Damit war sür Frau Auguste das Räthsel noch nicht gelöst. „Aber um Gottes willen", bat sie, „so sagt mir doch, wa« vorgesallen ist. „Glaubst Du. daß ick, eiv Mörder und Brandstifter bin?" Trübe balle die Frage an seine Frau wiederholt. „Karl, Karl, wie kannst Tu so etwa- sagen." „Glaubst Du eS?" „Karl. Karl, wa« ist nur vorgesallen?" „Ich frage Tick, glaubst Du eS?" „Um Gotte» willen, nein, nein." „Also Du glaubst eS nicht?" „Nein, nein." „Und Du. Willy?" ,Oatcr!" „Du warst ja dabei, glaubst Tu eS?" „Nein, ob, den Runge erwürge ich." „Nun, Frau, will ich Dir kurz sagen, daß man mich heute in einer Versammlung spottscklecbt gemacht hat. Man bat unS vorgeworsen, daß wir anständig leben, daß ich Geld verdiene, daß wir ein HauS baden und als da- alles noch nicht verfing, daß ick in der Gemeinde gegen die Interessen meiner Mitbürger arbeite, daß ick für meine Tasche sorge, unv als Krönung des Gebäudes, daß ich ein Brandstifter und Mörder bi».* „Wer sagte es?" „Ich glaube, Runge war eS." „War Dein Bruder dabei?" „Wie kommst Du zu der Frage?" „Weil ick jetzt an Lina'« Anschuldigungen denke." „Nein, Julius ist nicht in der Verschwörung, er deukt anders von mir, cs liegt bei ibm ein Mißverständniß vor." „Und was bast Du gesagt?" „Nichts." „Wir baben die Beschuldigungen nur im andern Zimmer gehört", siel Willy ein „Hat kein Mensch sür Dich gesprochen?" „Nein." „Aber gebauen". warf Willy scherzend ein und nun er zählte er den Vorgang. Auguste körte aufmerksam zu. Ihre Augen glänzten ficberbast und sic konnte ihre Erregung kaum verbergen. „Das ist ja schändlich", ries sie. »Aber eS will mir auch von Dir nicht gefallen, daß Du nicht gleich in die Versamm lung hineingelreten bist und dem Runge, Mann gegen Mam^
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