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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940206015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894020601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894020601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-06
- Monat1894-02
- Jahr1894
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Bekanntmachung, betreffend den Markenschutz in Bul garien. Vom 27. Januar 1894. Leipzig, den 1. Februar 1894. Der Rath der Stadl Leipzig. vr. Äeorgi. Krnmbiegel. Versteigerung von Bauplätzen. Die dem Aeorgenhouse gehörigen, an der Gustav AVolphstrasjk gelegenen und aus dem Parcelliruugsplane Nr. 4463 D. V. wie folgt bezeichneten zwei Bauplätze Nr. 4 von 1108,1» gm, - 5 - 959,^ » Jlächengehalt sollen Montag, »eu 12. Nt. Man, von vormittags 1t llhr an im Saale der Alten Waage, itätharinrnilraße Nr. 1, 2. Etage, zum Verkaufe versteigert werden. Der Bcrstcigerungstermin wird pünktlich zur angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung bezüglich eines jeden der einzeln nach einander in obiger Reihenfolge ausgebolenen Bauplätze geschlossen werden, wenn daraus »ach dreimaligem Ausrufe kein weiteres Ge bot mehr erfolgt. Die Vcrsteigcrungsbeüingungen uud der Parcclliruiigsplan liegen auf dem Nachhause, l. Etage, zur Einsichtnahme au«. Exemplare davon werden in der Sporielcaffe I, Nafchmarkt Nr. 2, 1. Etage, Zimmer Nr. 6, für 1 abgegeben. Leipzig, den 25. Januar 1894. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 5066/93. Dr. Georgi. Krumbiegel. Bekanntmachung. Hoher Verordnung gemäß bringen wir hierdurch zur Kenntniß, daß der Kirchenvorstand der LucaSparochie aus folgenden Mit gliedern besieht: Herrn Schlossermeister Ialiu« Herrmann, stellvertr. Bors., - Holzbildhauer Alfred Btelt«, - Lehrer Gustav Robert Hüntsche I-, » Ziinmerineister Ernst Hrmprl, - Schulcaflenverwalter Theodor Kirchner, - Korbmachermeister Karl Ernst Lehmann, » Diakon,iS vr. Mt. August Hugo Liebicher, » BezirkSschornstrinsegermeisier Friedrich Nddert, » Lehrer Heinrich Wilhelm Spirlmann. » Maurerpolier Karl Gottfried Wagner. - Fabrikbesitzer Richard Frau» Weidner uad dem Unterzeichneten Pfarrer al« Vorsitzendem. Leipzig-BolkmarSdorf, den 1. Februar 1894. Der Kirche „Vorstand ,u Lt. L»rae. Pfarrer Wetcksel. Diebstahls - Bekanntmachung. Gestohlen wurde laut hier erstatteter Anzeige: 1) etn Mnlagebnch hiesiger Sparkasse, Nr. 204678, a»f Wilhelmine Böttcher und über einen Elnlagebkstaiid von 205 .4 lantend, vo» Ende December bis Ende Januar; 2) ei« Sinlagehuch hiesiger Sparkasse, Nr. 106702, auf Arthur Hetzer und über 210 Einlagedestand lcutend, seit längerer Zeit; 3> eine goldene Tamrnnhr (Schlüsselauszug) mit geriefter Rückseite, Bluinruverzierung am Rande und glatten, Schildchen, kleingliedriger goldener Kette mit goldenem Uhrichtnsfkl in Form einer Klaue mit Loralle; ein breites filbcriirs Ketlen-Armband mit Schloß, darauf eine Reiterfigur in goldenem Ring : ein breiter goldener Trauring, gravirt: ,.,1. II. 4. 5. 73", 2 altere Trau ringe, ei» goldener Tamcnring init weißem Stein, «ine ovale goldene Brosche mit gezacktem Rand und violetten Steinen, vom 15. bis 21. v. M.; 4> ein Ballen in grauer Leinwand, gez. ,,L. L V.", 15 Kilo schwer, enthaltend: jchwarzeS und braunes baumwollenes Strick garn und schwarze« und »aturfarbiaeS wollenes Garn, etn Wäsche sack mit schmutziger, zum Thkil ,.ll U." gezeichneter Wäsche, als 12 Oberhemde», 3 Tischtücher, 72 Taschentücher, Servietten, Schürzen, Jacken, 8 Paar Fra»r»brt»tlrider. eine bunie Tisch decke, eine Bettdecke, eine Wattdrcke :c„ ain 19. v. M.; 5) je 2 Deckbett- »nd 2 Kopskissrnüberziige von rolh- und weißgroßcarrirtein bezw. roltz- und weißgesirciitem Leinenzeug und ein gelbwollener gehäkelter Frauenrack, am 30. v. M.; 6) eine silberne Tainen-Rkiiioiitoiruhr mit kurzer Nickelkette, eine gatbenr Uhrkertc, kurz, rundgliedrig, ein säst neuer Rock und Hose von braunem, gerieste,, Stost, am 25. v. M.; 7) ein brauner Winterüberziehrr mit dellgelbcarrirte», Futter, Steinnußknopsen und ttettchcuhentcl uud eine schwarze Pelzmütze mit dunkelbraunem Futter, am 28. v. M.; 8) rln Winterübrrzlrher von aschgrauem Stoff mit ebensolchem Sammelkragen, schwarzem, rolhgesireifiem Futter und der Firma Dbivme, VoUeiiiurslivri", am 27. v. M.; 9j etn Winterüberzirher von braunem Krimmerstoff mit braun-großkarrirtem Fntler, Kettchenhenkkl, 2 Reihen braunen Horn- knüpseu und duvkiem, weißgestreiflent Aeriuelsutter, ei» schwarzer Oyiinderhut inft sridenem Flor, vrrniiithlich mit der Firma „U ermann UauLli", an> 3l. v. M.; 10) 10 Stück wollene Fraurnklrtdrr, zertrennt, rokhbraun, bezw. braun gesärbt, und eine draniic Strickjacke, ziemlich neu, vom 27. bis 28. v. M.; 11) ein Teschin, ziemlich neu (Kaliber 0 mm- am 31. v. M.; 12) ein Pnrumatic-Novrr am 25. v. M., 13) eirea 50 Meter altes Blcirohr von, 26. bis 29. v. M Etwaige Wahrnehinungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den Thäter sind ungesäumt bei unserer Criminal-Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 5. Febrnar >894. Las Poltzetamt der Stadt Leipzig. Bretschneiber. Ml. Slockholz-Auctio». Freitag, den S. Februar d. I, sollen von Nachmittags L Uhr an im Rosenthal-Nevirr ea. 240 Hansen klar gemachtes Stockhol; gegen sofortige Bezahlung und unter den im Termin auS hängenden Bedingungen an Ort und Stelle meistbietend verlaust werden. Zusammenkunft: am Rosenthalthor. Leipzig, am 1. Februar 1894. Des NatliS Farst»,putativ». Die städtische Aplirraffe beleiht Wertpapiere unter günstige» Bedingungen Leipzig, den 10. Januar 1894. Tic Sparcassen-Deputatto». Öeüentlieks UanäelZletu'anLtalt. Beginn «tee 04. 8ebuljalire>i u», 2. tprll etleaea -akre« Dis UeiteMugni«,^: >lce IiHIieron .idtlieUnng >Isr .«»»kalt lüreisLbriger Ovrau-«) deroekiigcn /um tliiizube^-ö'i-eikvillj^an-Dienet bür Zunge Veute, «eleke siel, «len I'.ereoktiguiia^sckein rum Oioj«tirjg^b'reitviIIMu-l-jev«t er»orb<!N b»b» u, >!>t ein suel>»Iü'«'0 »el>»Nlieker t.»«»uu von ^»Iire-tlausr lu-i ll4 l.ebretnnilcu in «l-r IVocb« eingerichtet. Unterricht in allen /«eigen ücr Ikaoilels- >ei«o»oekakt. b>»nröai»cke uml cogliecks 8pr»cke oblitraloriach itaiieniechc uail »panische Sprach« tacultativ. Sckulgelä 240 tllr cka» äadr. ^ntvelcluogeo erbittet »ick 6>-r Ooterreichnet« in ileo IVockso tagen von U—12 Ohr. laixaig, im Dokrnar 1894. Oarl Akolknuo, Oirnator. Russische Zustände. i. Das ungeheure Rußland, welches in Bezug aus seinen Flächeninhalt sowohl als auch seine Bevölkerung zu den zrößten Reichen der Welt gehört, ist für dir europäischen Völker noch ein ganz unbekanntes Land. Man weiß zwar von Rußland, dax der Zar ein Despot ist, daß die Russen Schnaps trinken und mit hölzernen Löffeln essen, daß cS dort Nihilisten giebt und man im Winler Schlitten fährt, allein da« ist auch das Einzige, wa» dem großen Publicum von Rußland bekannt ist. Die vielen Reisenden, welche über Land und Leute in Rußland berichteten, haben meist selbst wegen Mangel an Krnnlniß der russischen Sprache und oberflächlicher Beob achtung ein verzerrtes Bild Uber Rußland gegeben. Es muß daher mil ffrruden begrüßt werden, wcnu ein Werk ver öffentlicht wird, dessen Berfaster augenscheinlich rin treuer Kenner der russischen Sprache und de« Landes ist und welcher es sich zur Aufgabe gestellt hat, das europäische Publicum über die russischen Verhältnisse aufzuklären. Wir meinen das neulich auch in» Deutsche übersetzte zweibändige Werk: Russische Zustände- von dem Engländer E. B. Lanin. Dresden, Ehlermann.) Zm vorigen Jahre erschien der erste Band de« genannten BncheS, der uns in neun Eapiteln die „Entsittlichung Ruß lands", die Leben-Philosophie der Russen, ihren Fatalismus, ihre Sorglosigkeit und Gastfreundschaft, die Elhik in Handel und Wandel und endlich das (Äefängnißlvesen darstelll. In diesen Eapiteln versucht Lanin die allgemeinen Ursache» dc- VMallcS vo» Recht und Sitte in Rußland zu ergründen. Mit großer Wahrheitsliebe dringt rr in die russischen inneren Verhältnisse ein und widmet drin von Natur trefflich be- anlagten, aber von oben systematisch verdorbenen Volke warme Theilnahme. „Mein Zweck war", schreibt der Verfasser, „so weit er das russische Volk augehr, ein zweifacher, einmal, die Aufmerksamkeit der russischen Re gierung auf das elende LooS der bäuerlichen Bevölkerung hinrulenken, in der Hoffnung, für dieselbe wenigsten« einige mäßige Erleichterungen zu erreichen, und zweiten« zu zeigen, daß dieses Volk, wie sorg- und hilflos, wie abergläubisch und unmoralisch e- dem höheren ethischen Standpunct dcS Eng länders auch erscheinen mag, doch eine gewisse Bewunderung dafür verdient, daß es im Sturm seiner Geschichte noch viel schlimmere Klippen glücklich zu umschiffen gewußt dal, Klippen, an denen wahrscheinlich seteS andere Volk unter gleichen Umständen völligen Schiffbruck gelitten hätte." Die Schuld an dem Verfalle trefft hauptsächlich die Regierung. „Mag nian e« nun Zufall oder Absicht nennen", schreibt Lanin weiter, „so viel stchi geschichtlich fest, daß seit Iwan dem Schreck lichen die Politik der regierenden Elasien in Rußland durch zwei scharf ausgeprägte Tendenzen gekennzeichnet wird, nämlich die, die große Masse des Volke« so nahe an der Grenze des Verhungerns zu halten, daß sich die vffenttichc Ruhe und Lrknung dabei eben noch aufrecht er halten läßt; zweitens aber die, das Volk durch obligatorische Unwissenheil und AlkoholiSmuS so nahe an Le» Rand völliger Verlrottclung zu treiben, als eS mit der Erhaltung de« Ackerbaues vereinbar erscheint.... Das gegenwärtige Regime verfolgt ein System, dem zur Erreichung seines Zwecke» d. h. Äusrechterhaltung eines streng autokratischcn NegiinenlS jedes Mittel, sei es moralisch z» rechtfertigen oder nicht willkommen ist, sobald cö nur Erfolg verspricht. Gegen das Ende der Regierung Alexander s II. begann die bäuerliche Bevölkerung, welche Generationen hindurch den Schlaf der Unwiffeiilnit geschlafen hatte, Zeichen des Erwachens und der Unbotmäßigkeit zu geben; allein die gouverneiiientale Amme wußte ,l>r rasch starke Schlafmittel einzustöße», die sie, wenn nicht lobten, so doch unfehlbar stumpssinuig machen werden." Ter UkaS von l86l, welcher 20 Millionen Bauern an geblich aus Leibeigenen zu freie» Menschen erhob, hat, wie Lanin eingehend darlegt, die sociale Lage der ländlichen Be völkerung nicht nur nicht verbessert, sondern sogar noch ,n hokem Grade verschlimmert. Die Aussührungen des Ver fassers über die Trunksucht, die wegen der bedeutenden si-calischen Vorlheite von der Staatsverwaltung nicht nur gcdutdet sondern sogar gefördert wird, dielen allerdings wenig Neue«, da eS doch bekannt ist, daß zwei Drittel deS ReichSbiidgelS auS der Branntweinsteuer gewonnen werden Ui» so interessanter sind seine Betrachtungen übcr daS Schull wesen, über bie ungenügende Bildung der Geistlichen, sowie übcr di« Mittel, deren sich die Regierung im Bunde niit der geistlichen .Hierarchie bedient, um da« Volk fest im Glauben zu erhallen, eS aber nicht aus ein höhere« BildungS-Niveau kommen zu lasse». Mil Recht führt Lanin die höhere geistige Entwickelung ver Finnländer, Balten, Polen und Juden aus deren Unabhängigkeit von der griechischen Orthodoxie zurück. Drr Versaffcr gchl scgar so wen, da« rapide Wachsen der so sehr aiigesriadettii Seele der Slundisten durch einen im Volke unbewußl fortdauernden BildungStricb zu erklären. Lanin kommt hier auf den wundesten Punct im russischen Volksleben zu sprechen — den Mangel an Wahrheitsliebe. „Im Lügen — so schreibt unser Verfasser — lhun die Russen r« den alten Kretensern zuvor, und sie beschämen die heutiaen Perser. Sie scheinen von Natur unfähig zu sein, die Be- ithung zu erfassen, in der die Worte zu den Dingen, die ie auSdrücken sollen, sieben; für sie ist die Grenzlinie wischen beiden etwa« Schattenhafte« " „Das Lügen", sagt Professor Stiketenka. „ist der Götze unserer Gesellschaft. ü)ie russische Gesellschaft lügt in jeder Minute ihre« Dasein«, in Wort und Thal, bewußt und unbewußt." ES läßt sich Wohl denken, daß dieses Laster auch in den Zeugenaussagen vor Gericht keine unbedeutende Rolle spielt. „Für ein Maß Wodka kann man so viel Zeugen haben, al« man will", war in einem angesehenen russischen Organ zu lesen, und von einem befreundrteu Russen hörte der Verfasser: „Im Falle ich drei oder vier Falsch- chwörer nölhig hätte, so brauchte ich mich nur an zwei mir bekannte Advocaten zu wenden, die sie mir besorgen würden, ohne daß ich zu einer euphemistischen Umschreibung zu greisen oder zu fürckten brauche, eine abschlägige Antwort zu erhalten." Es ist übrigen- bcachtcnSwertb, daß in Rußland Lüge und Heucdclei mit dem wachsenden Einfluß de- Vorsitzenden de« allcrhciligsten Synod, PobedonoSzew, auf die Regierung in unglaublichem Maße zugrnommen hat. Pietätlosigkeit auck» da, wo er scheinbar ergriffen wird, Jnconseguenz au- Gewohnheit, Heuchelei au« Vergnügen, Neigung zur Lüge—da-sind häufig hcrvorslrcheube Eigenschaslcn de« Russen. Selbst die hervorragendsten Männer sind von diesen Neigungen nickt frei. Au« der Revue „Histo rischer Bote" führt Lanin folgende zwei Geschickten über Turgenjeff an, die beweisen, in wie bekauer- licker Weise dieser geniale und sonst auch persönlich vor- züglicke Mann seine Ehrenhaftigkril in Frage stellen konnte, weil auch er den Einflüssen seiner Umgebung sich nicht ganz zu entziehen vermochte: Turgenjeff war regelmäßiger Mil- arbcilcr a» dem „Zeitgenossen" und erbat sich einst, gerade zur Zeit, als da» Blatt am Rande de- BankeroltS stand und vaher selbst in dringender Geldnoth war, vom HerauSgcber rinen Vorschuß von 2000 Rubeln. Der HeranSgeber zögerte und wollte Turgenjeff schon «bschlägig bescheiden, als der Letztere die Sache dadurch für sich entschied, daß er sagte: „Ick brauche da« Geld bringend, und wenn Sie r« mir nicht geben, so sehe ich mich za meinem größten Bedauern genöthigt, mich an die „Vaterländischen Memoiren", ein Eoncurrenz- blatt de« Zeitgenossen", zu verkaufen, und bann wird es lange Zeit dauern, bis Sie wieder rin Manuskript von mir bekommen." Diese Drohung wirkte. Der -Heraus geber erhielt da« Geld „durch meine Vermittlung und unter meiner Bürgschaft", so erfahren wir von dem Augen zeugen, der dir Geschichte erzählt. Turgenjeff, der feierlich verfproche» hatte, eine Erzählung für die nächste Nummer des Magazin- einzufendcn, hielt sein Verspreche» nicht und ließ sich die ganze Woche vor dem äußersten Termin, der für die Einsendung dcS Manuskript« festgesetzt war, nicht auf der Redaktion sehen, obwohl er sonst fast jeden Tag kort zu diniren oder seinen Thee zu nehmen vslegte. Natürlich wurde der Herau-geber ner-vöS; er fuhr zweimal zu Turgenjeff, uin ihn zu sprechen, und ließ, da er ihn nicht zu Hause fand, eine Note zurück, in der er ihn beschwor, da« Manuskript ohne Saume» einzn- schicken. Endlich kam Turgenjeff persönlich aus die Redaktion und rief beim Eintreten: „Schimpfen Cie auf mick, meine Herren, so viel Sie wollen; ich weiß, daß ich mich schmählick gegen Eie betragen bade; allein wa- konnte ich lkun? Mir ist eine recht unangenehme Gesckickte passirl — ich kann Ihnen die versprochene Erzählung nicht geben. Allein ich werde Ihnen eine für Ihre nächste Nummer schreiben." Diese Eröffnung machte die beiden Redakteure, Nekrasoff und Panajefi, zurrst ganz sprachlos — sie starrten ihn in schweigendem Entsetzen an — dann be gannen sie ihn mit Frag?» zu bombardiren. „Um die Wahrheit zu gestehen", erklärte er, »ich schämte mich, mich sehen zu lassen, aber ich sinke, eS wäre kindisch, Sie noch länger zu täuschen und so den Druck des Magazins aufzuhalten. Ich bin gekommen, um Sie zu bitten, an Stelle meiner Erzählung etwas Anderes einzuschiebcn. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich Ihnen für die nächste Nummer etwas schreiben werde." „Aber warum, warum?" fragte der Redakteur. „Wollen Sie mir zuerst versprechen, daß Sie mich nicht schelte», wenn ich c« Ihnen sage? Ich ekle mich vor mir selbst über Da-, wa- ich gethan, aber ich habe die Erzählung, die ick Ihnen versprach, an die „Vaterländischen Memoiren" verkauft. Nu» köpfen Sie mich! Ich war in bitterster Noch um 500 Rudel. Nun würbe eS doch unhöflich ge wesen sein, wäre ich z» Ihnen gekommen, Sie darum zu bitten, nachdem ich für die 2000 Rubel, die Sie mir neulich gaben, so wenig gethan habe." „Ist Ihr Manu skript bereits in den Händen der „Vaterländischen Memoiren"?" war Nekrasoff - nächste Frage. „Noch nicht", antwortete Turgenjeff. Ta klärte sich Nekrasoff- Ant litz plötzlich auf, er öffnete sein Schreibpnlt, nahm 500 Rubel heran« und händigte sie Turgenjeff rin, indem er sagte: „Hier nehmen Sie da« »nd schreiben Sic ihm einen Brief, in welchem Sie ihn um Entschuldigung bitten, daß Sir Ihre Verabredung brechen." Der Novellist zögert ein wenig — dann sagt er: „Meine Herren, Sie bringen mick da i» eine dumme Lage.... ich bin ein ganz elender Kerl . . . Prügel verdiene ick wegen meiner erbärmlichen Schwäche . . . Nekrasoff soll einen EntschnIdignngSbries schreiben und ich werke ihn copircn »nd mit dem Gelte zusammen abschicken." Und kann zu Nekrasoff geweutet: „Schmieren Sic KrajewSti (Redakteur de« Concurrenz- t'latte«) Honig um den Mund mit schönen Versprechungen. Sagen Sie, ich werde ihm sofort eine andere Erzählung schreiben" . . . Eine andere Gewohnheit Turgenjeff« war, Freunde zu Tische zu laden und dann nicht zu Hanse z» sein, wenn sie kamen, natürlich nicht absichtlich, wildern weil er nicht genug Werth aus sein gegebenes Wart legte und dasselbe auf ihn selbst keinen rechten Eindruck machte. Einst halte er den berühmten Kritiker BelinSki mit noch fünf Anderen zum Mittagessen in sein Landhaus geladen, wo er sich einen ( nok cke culline kielt, den er für ein Genie ansah. „Ich will Euch ein Makl anrichten, wie Ihr cS EuL noch nie babt träumen taffen!" Daun bestimmte er den Tag und ließ sich von Jedem sein Ehrenwort geben, daß er auch kommen wurde. „Haben Sie keine Sorge um unS", bemerkte BelinSki. „Wir werden unfehlbar kommen, aber sorgen Sie nur, daß Sie unS nicht wieder dcnselbru Streich spielen, wie letzten Winter, wo Sie uns zu Tisch luden und nicht zu Hause waren, al- wir ankamen. Damit Sir aber diesmal Ihre Einladung nicht wieder vergessen, werde ich Ihnen am Abend vor unserer Ankunft schreiben." Es war ein furchtbar heißer Tag. als wir uns, zusammen unserer Sechs, in einer offenen Kalesche um lt Uhr Vormittag« nach Pargollowo aus den Weg machte», so erzählte einer der Eingeladenen. Gänzlich erschöpft von der Hitze und dem Staude der Straße, langten wir am Landbausc Turgeujeffs an; mil srcudenstrablenden Gesichtern stiegen wir vom Wagen, waren aber schon etwa- bestürzt ob dr« Umstande«, daß Turgenjeff unS nicht entgegenkam, um unS z» brwill kommnen. Wir klopften an der Thür der GlaSterraffe; Todtenstille herrschte im ganzen Hause. Unser Aller Ge sichler verlängerten sich sichttich. ,„Kann Turgenjeff uns wirklich wieder genarrt haben, wie vorigen Winter?" rief BelinSki aus. Wir Alle indessen suchten ihn zu beruhigen „nb warfen rin, daß wir wahrscheinlich etwa- früher gekommen seien, al« man »n« erwartete. „Aber ich schrieb ihm ja, daß wir um ein Uhr hier sein würden", warf BelinSki ein. „WaS kann da« be deuten?" „Wenn sie unS nur in- Hau- ließen, hier draußen müssen wir ja braten!" Endlich tauchte aus dem Hause ein Knabe auf; wir Alle sielen mit Fragen über ihn her. Sein Herr sei auSgegange», berichtete er, und der Küchenchef siye in der Nachbarschast in einem Gasthaus«. Wir gaben dem Kleinen Geld, sandten ihn au-, den Ehes zu holeu, der unS iiiS Ha»« lassen sollte, und setzten uns unterdessen aus die Terraffenstusen. Lange warteten wir umsonst. BelinSki wollte, daß wir wieder nach Hause führen, allein ukser ge- mielhetcr Kutscher weigerte sich, uns znrückzusahren, bevor die Pferde sich gehörig au-gcruht hätten. So saßen wir denn hilflos, bungerlen und brieten in der Hitze. Panajefi ging in da« Wirthshau-, um zu sehe», ob nicht etwa« Eß bare» zu bekommen wäre; c« gab aber nicht- Endlich erschien der Ehef. „Wo ist Ihr Herr?" schrie ihn Betin-Ii a». Er wußte c» nicht. „Hat denn Ihr Herr nicht be sohlen, daß ein Diner für u»S angerichtel werde» sollte?" fragte BelinSki, nicht nachlasicnd. „Davon bat er nickt« gesagt", war die Antwort, trrstauncn und Schrecken malte sich aus den Gesichtern der Herren. BelinSki aber flammte auf und rief, indem er unS emcn seiner bekannten Blick« zu- warf: „Wahrhaftig, Turgenjeff hat uns ein schöne- Mahl angerichtet!" Deutsches Reich. O. H. Berlin, 5. Februar. Vo» allen Arbeitnehmer-Ver bänden verdient der deutsche Werkmeister-Verband zweifellos die größte Beachtung, dem, einerseits Kaden wir eS hier mit einem Armeekorps praktisch gereifter Männer zu thun.bic von den.Hirngesp iniisten der Sociatdemotratie nicht« wissen wollen, »nd andererseits sind ihre auS eigenen Kräften geschaffene» Wohlfahrl-einrichtungen bie um sassendsten und mustergiltigstcii. Der deutsche Wertnieifter- Verbauv blickt jetzt ans ein tOjährigeS Bestehen zurück; zu Ostern l884 mir R»o Mitgliedern »nd 7 Bezirk-Vereinen ins Leben gerufen, zäblt rr jetzt 25 300 Mitglieder, die in 550 Bezirk-vercinen sich zusanimengesunden haben. In der so kurzen Zeit seines Bestehen- zahlte der Verband 256.588 ^ au Unterstützungen für Wittwcn und Mitglieder; an Sterbegeld wurde dir enorme Summe von l 132 266 auSgegrben; außerdem gelang cS noch, ein Vermögen von 71O203 -A zu sammeln. Im letzten Jahre allein traten dem Verbände 3600 neue Mitglieder bei. Da die rechtliche Stellung der Werkmeister und BelriebSbeamten ohne feste Unterlage war, so nahm e- der Verdank in die Hand, auch in dieser Hin ficht Abhilfe zu schaffen. Nach sechsjährigen Bemühungen setzte er eS auch durch, daß der ReichSgcwrrbcordnung ein neuer Abschnitt für die Werkmeister eiuaesügl wurde (tz. I33a—l33c >, wodurch diese» die gleichen KündigungSrrchte eingeräunu wurden wie den Handiung-gebilfcn. Jetzt ist der Verband bemüht, eine Aenderung de« UnfaUversicheriliigSgesetzc« berbei zusührcu. da nämlich die scharf gezogene Grenze vo» 2000 ^ nisoserii für die Werkmeister höchst ungünstig ist, als dei Unglückü- sätlen die Segnungen deS Gesetzes nur einem Theil von ihnen zu Gute kommen. Mit großem Stolz kann der Verband, der von außerordentlich tüchtigen Männern geleitet wird, aus sein zehnjähriges Bestehen zurückblicken; der von ihm ein geschlagene Weg war zwar nicht ohne Dornen, aber er brachte Ebren genug und die großartigsten Erfolge, zum Aergcr der Socialdemokratic, die unausgesetzt ihre vergifteten Pleite a»s diese einzig dastehende Arbcilnehmer-Verciuiguog richtete. ^ Berlin, 5. Februar. Die Agitation gegen de» Antrag der Abgeordneten Gröber, Hitze und Gen. aus Abänderung der Gewerbeordnung gewinnt mit jedem Tage »»liier mehr an 2lu«rekiiiing. Zahlreiche Petitionen uni Abweisung de« Antrages liegen dem ReickSlage vor ans den Kreisen re« Buchhandels »ad der Buchgewerbe, sowie auch der Hausirer. BemcrkcnSwerth dürste >cin, daß nack dem Borbilde deS Leipziger nnd Berliner Buchhandel- auch der i» dem dritten BuchbandclScciitrum Deutschland«, in Stuttgart, ansässige Buchhandel in Petitionen gegen den Antrag sich auSgesprochc» hat. Es liegt a»S Stuttgart je eine Petition de« „Süddeutschen Buchhändlcr-VereinS" und des „Stuttgarter Verleger-Verein«" vor. Letzterer zählt die debeuleiidstkii Stuttgarter Firmen zu seinen Mitgliedern: Die Deutsche VerlagSanstalt dorm. Hatlbergcr, Eotta'sche Buchbandlung Nacks., die ..Union", I. Engelhorn, Bvnz <L Eo, G- I- Göschen, G- Weise ». a. m. Da« Gewicht dieser, von so kompetente» Beurtheilern der Interessen de- Buch baiidel» au-gekeiiden Petitionen dürfte gegenüber den wenigen Stimmen, die im Buchhandel zu Gunsten de« Antrages laut geworden sind, ganz erheblich in die Waagschale fallen. — Berlin, 5. Februar. (Telegramm.) Die Ver handlungen über den »eutsch - russischen Han»els»ertta> sind »och noch nicht abgeschlossen. Morgen oder über morgen wird zunächst der VertragStarij von den beider seitigen Unterhändlern unterschrieben und daun sofort amt lich veröffentlicht werken. Der Abschluß der Vrr- baadlungen über den Vertrag-lext wird in Kürze nach-
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