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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940207027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894020702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894020702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-07
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7 «. r.Ui, NI». Ivo.-- ior- 10SL0 07 40 r z « > iv««> >r. 4 IvN v.^ r.3'x »«'/', ». 4 > - 110 — »Ux u»ld. Nt. « BezugsPreis I» der Hauptexpeditioa oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- ««bestellen abgeholt. vierteljährlich^ 4.50, dK jwrimaltgrr täglicher Zustellung inj r-aa« SckO. Durch die Post bezogen siir Deutschland und Oesterreich: viertel,äbrlich >1 S.—. Direkte tägliche itreuzbandiendung int Autland: monatlich 7.50. DieMvrgen-Aurgabe erschein» täglich >/,7 Uhr, dir Abead-Au-gab« Wochentag« ü Uhr. Nedartion und Lrveintioa: A«da»ne»gaffk 8. Die iknndttion ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: vtt» «e»«'S S-rtim. (Alsre» Hahn), Universitätsstraße 1, L«uis Lösche. ikuthariarnstr. 14, pari, und Könlgkptatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Aazeigen-PreiS -lr 6gespaltene Petitzeile 20 Pfg5 Reklamen unter dem RedactionSstrich <4ge« spalten) üO^z, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40^. Größere Schristrn laut unserem Preis- verzeichn iß. Tabellarischer und Ziffernsau nach höherem Tarif. vxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der borgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60 —, mlt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« srüh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ,e ein« Halde Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. »rw >! e,,a»! »Ma ilt, ä> la«rv «um etm.» xp-tt >!«»!- K<V> >' >,I,r- dt»„ rn»e> 1-t.X t» üuix ttic 104S5 30.70 so.oo 104.ÜO »4 25. '««!.> »an, '»läü r»I,e. »,r»i »a»u Krlx- ?k> »<-!>> «teU» i»r>» l- rlte- t-n ,eel 84SV SL4 HO IÜ4.5c> 14825- 114 — 17». - siHo 8S.— E 180 — Ilb.»o 00.25 210.50 101 — 285.— 1»0 — 4«,— 13».— 72 25 b».b0 43H0 S7.ro »7 — 2».— «»Nie". l»e «3 <1 >48 40 1- ä k'onU,. 7 00 >1. 7.00 k->1. l.— «1 7.50 <1. » i.ro i. 40». z .oo <i 1.80 >1 o u l.ro « 7.— o 1.50 <1. «Idm 1.75 » .'l r.»b o t.oo u- so». 1.— « 1— o >.8V 0. I.— 0 1.— » 1.7b U 1.25 ,1 1.25 >, >ur».' io3» >.7L3X»,i UO». 1.75 <1 U o. 180 » )lk»»Ni1i>e. 8oI,.Ke. IUI. 8-N. 77, 55. -8cü. I7r. i>1. 'ovrinot!» Mittwoch den 7. Februar 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 7. Februar. Der mit den russischen Unterhändlern vereinbarte russisch-deutsche Bcrtragstaris für die Einfuhr nack Rußland ist nunmehr amtlich veröffentlicht worden. Tie Veröffent lichung de« Textes des Vertrage« selbst, sowie der deutschen Zugeständnisse ist noch rückständig. Daß die letzteren haupt sächlich in der Ermäßigung der Getreidezölle be stehen, ist allbekannt und selbstverständlich. Trotzdem haben zwei große Interessentengruppen und der deutsche HandclS- tag, weil daS vorliegende Material noch kein abschließendes Urlheil gestattet, die Bcratbung des Tarisentwurses dis nach Veröffentlichung der noch fehlenden Aktenstücke ver schoben. Die unbefangene Presse wird sich in der nächsten Zeit noch weniger als diese Körperschaften in der Lage sehen, zu dem Tarif im (ganzen Stellung zu nehmen. Das Vergleichen der russischen Zollsätze vom Jahre I89l mit den soeben vereinbarten hat nur relativen Werth, da der 1891 er Tarif ein überwiegend probibitiver gewesen ist. Ermäßigungen um lOO, 200 und mehr Procent können daher unter Umstande» von sehr zweifelhaftem Wcrtbe sein. Die Beurtheilung muß den Sachverständigen, den Interessenten überiassen bleiben; diejenige Presse, welche die Interessen der Gcsammtheit vertritt, siebt sich »»nächst aus die Aufgabe beschränkt, eine leidenschaftslose und sachliche Behandlung der großen Angelegenheit zu fördern. Es wird dabei vor Allem im Äuge zu behalten sein, daß ein Differenzial - Getreidezoll gegenüber einem einzigen Staat im Allgemeinen kaum die inländische Preisbildung beeinflussen kann, andererseits aber wird nicht unbeachtet bleiben dürfen, daß Rußland der Haupteoneurrent für den deutschen Roggenbau ist und nach Herabsetzung des Zolles unter gewissen Umstande» in die Lage kommen kan», dem Absatz des deutschen Erzeugnisses schweren Abbruch zu th»n. Für den möglichen und wahrscheinliche» Ausfall muß die Landwirtb- schaft die Entschädigung in einer naturgemäß ihr zu Gute kommenden gesteigerte» Kaufkraft der deutschen Industrie finden. Je überzeugender die Industrie nachwcise» kann, daß sie Erkleckliches gewinnt und eine stärkere und sichere Abnehmern, der Landwirthschast wird, um so ruhiger kann die ackerbautreibende Bevölkerung der von dem russischen Wettbewerb drohenden Verlustgefahr sich auSsctzen. Die- bleibt der leitende Gesichtspunkt. Reben ihm wird u. A. die Frage austauchen, ob die deutsche Landwirthschast binsichtlick der Handelsgewächse und der Roh stoffe, in denen sie mit Rußland coucnrrirt, genügend berück sichtigt ist, sowie die nicht minder wichtige Forderung nach aus reichendem Schutz gegen Umgebung des Vertrags. DaS politische Moment ist bereits in die Erörterung gezogen. War dies unvermeidlich, so hätte cs doch erst nach Veröffentlichung des ganzen Vertrags geschehen sollen. Die principicllcn Gegner des Vertrags werden nunmehr behaupten, daß ihre schweren wirthschafllichen Bedenken mit politischem Hochdruck, dessen Nothwendigkcit sich jeder Eontrolc entziehe, mundtobt gemacht werden sollten. Und das ist zu beklagen. Jedenfalls wird es die Pflicht des Reichstags, wie die der unab- bängigen Presse sein, durchaus objektiv zu prüfen. Ist dem Reichstage das Recht eingcräumt, ein ent scheidendes Wort mitzusprechen, so entsteht für ihn aus diesem Rechte auch die Pflicht, die politischen, wie die wirth- schaftlichen Gründe und Gegengründc reiflich abznwägcn und die volle Freiheit seiner Entschließungen sich zu sicher». Nur wenn er diese Pflicht erfüllt, kan» er dem eventuellen Bor- Wurfe entgehen, in einer bochwichtigen Frage sich zum blinden Werkzeug eines anderen Willens gemacht zu haben. Tie gestrige, mit großer Spannung erwartete, Abstim mung IM nnaarffchk» Abgeordnetenhause war eine Art Generalprobe aus daS Schicksal des Ebercsorm« Gesetzentwurf- bei der entscheidende» Abstimmung, welcbc die unmittelbar an die erste Session fick anschließende zweite nächster Tage bringen wird — eine Kraftprobe der Parteien, welche das HauS bis auf den letzten Sitz gefüllt batte und sämmtliche Minister an ihren Plätzen sah. Ugron, der Führer der radikalen Unabbängigkeitspartei, welcbc dem Ultra- montani-muS so gern ^chleppendienst leistet, stellte den Antrag, den von Teleszky vorgelegten, vom IustizauSschuß gründlichst geprüften Antrag der Regierung, bevor er in der neuen Session dem Plenum zur endgiltigen Entscheidung vorgelegt würde, noch einmal an eine der neun Sektionen, welche zu Beginn jedes SiyuugSabschnitteS gewählt werden, zu wiederholter Durckberatlmng geben zu lassen Die Wabl dieser Seclionen ist eine reine, aus alter Gepflvgcnbeit berubcnte Formalität, und im Laufe der letzten sünfzekn Iabre ist eS kaum ein einziges Mal vorgekommen, daß eine Vorlage einer Sektion zugewicsen worden wäre, weil bei diesem schwerfällige» Apparat die Bcratbung einer einigermaßen umfangreichen Vorlage Monate lang dauern kann; man bat ja die CpecialauSschnsse. Tie Absicht der Oppo sition liegt also klar zn Tage, man wollte die hoch wichtige Angelegenbeit bis zum Herbst verschleppen, in der Hoffnung, bis dahin die Wühlarbeit ge^en die Eivilehe erfolgreicher sortzusetze», oder das Ministerium Wekerle und mit ihm die Regierungsvorlage noch vor ibrcr Bcratbung im Plenum bei irgend einem vom Zaune gebrochenen Ecnslict ans der Welt zn schaffen. TelcSzkn, der Berichterstatter des IustizaiisschuffeS,! dagegen plai- dirte dafür, den Entwurf mit Umgebung der Sektionen sofort auf die Tagesordnung zu setzen. Eine kurze, stür mische Debatte, Abstimmung, begeisterte Eljeiiruf'e: der An trag TclcSzky war mit überwältigender Majorität ange nommen, für Ugron batten nur etwa 4» Mitglieder ibre Stimme abgegeben. Hätte die Negierung nur eine kleine Mebrbcit bekommen, so wäre daS ein sekr schlimmes Vorzeichen für den Entscheidungskampf gewesen; jetzt, da sie eine so große Mebrbcit auf ihrer Seite bat, darf sie mit ziemlicher Zuversicht demselben cntgegensebcn, und die Berechnung, daß die Ebereformvorlage mit etwa hundert Stimmen Mebrbeit ;»m Gesetz erhoben werte» wird, dürfte trotz der klerikalen Agitationen der Wirklichkeit entsprechen, zumal die Rationalpartci gestern nicht, wie vielfach gehofft und gefürchtet worden, mit den Klerikalen gegangen ist, also nicht geneigt ist, die Winkelzüge der Ultramoulancn mit zumachen. In Frankreich wird die Thalsache, daß die Jungfrau von Orleans für „ehrwürdig" erklärt worden ist, mit Fug als ein neues Zugcständniß des Papstes angesehen. Allerdings muß Icanne d'Arc noch verschiedene Proccdnrcn bestehen, ehe sie selig und dann heilig gesprochen wird; immer hin läßt sich auch das erste Stadium bereits für patriotische Zwecke verwertbcu. So ließ es die Polizei in diesen Tagen ruhig geschehen, daß miltcn ini Eentrnni von Paris unweit der Statue der Icanne d'Arc von dem Abb^ Garnier eine Straßenkundgrdung veranstaltet wurde, die an das Zu geständnis; der römische» Euric anknüpfte. Abbö Garnier, der in der jüngsten Zeit durch seine ganze Agitation mehrfach von sich reden machte, bezeichnete die von ibm auf einer der belebtesten Straßen inscenirtc Kundgebung als eine vor Allem patriotische und bürgerliche Manifestation. Von Ieanne d'Arc sagte er im Beginne seiner Ansprache: „Ihr Name, ihr Werk, ibr Mulh, ibr Tod baden a»S der lolkringischcn Jungfrau den reinsten Ruhm Frankreichs gemacht. Wir lieben sic. wir verehren sie, wir jubeln ibr zn." Ter Redner bezeichnete die öffentliche Kundgebung im Weiteren als eine große Lebre des Patriotismus, die gegenüber den von den Vaterland-losen er- bodenen Anschuldigungen und Beleidigungen noldwendiger als je wäre. „Deshalb", subr Abbö Garnier fort, „rufen wir vor dieser Statue ans ganzer Seele und gewissermaßen mit Ieanne d'Arc: „Es lebe Frankreich! ES lebe das Vaterland!" In lieber einstimmuiig mit der vom Papste für die französischen Katho liken ausgegebenen Losung, sich den republikanischen Insti tutionen anzuschließcn, erklärte der geistliche Redner, daß die Fragen binsichtlich der Staatssorm zurückslehcn müßten. Der Ruf: Vive In Iii-f>ubli>,uo! fand denn auch allgemeinen Beifall. Dieser Vorgang vom 4. Februar d. I. läßt jedenfalls darauf schließen, in welcher begeisterten Weise erst die Heiligsprechung der Jungfrau von Orleans festlich begangen werden wird. Im Hinterlande von Sierra Leone bat abermals ein blutiger Zusammenstoß zwischen Engländern und Franzose» slatlgefunten. Wiederum, wie bei Wanira, solle» gegen die SosaS streitende französische Truppe» die Angreifer gewesen sei». Die Engläntcr scheinen schließlich Sieger geblieben z» sein. Die bis jetzt vorliegenden Nach richten lassen nicht erkennen, ob cS sich diesmal um einen ge planten Angriff oder um einen Wiederbolten Irrtlmm bandelt. Unter leine» Umstände» aber darf man obne Weiteres an iiebmcn, daß die französische Regierung an ibre ColonialbcbLrdkn oder die im Innern des französische» Sudan »uv in den Gebieten zweiselbafter Zugehörigkeit opcrirendeil Truppen die Weisung bade ergeben lassen, eS aus bewaffnete Eonslicte mit englischen Eolonialtruppen ankommen zu lassen oder gar solche kerbei- zusübren. Selbst wenn also diesmal ei» überlegter Angriff vorläge, würde man dafür bis aus Weiteres den betreffende» französischen Eommandanteii verantwortlich machen müssen. Jedenfalls aber ergicbt sich schon aus der Möglichkeit, daß es nach so kurzer Zeit abermals zu Blutvergießen zwischen den Engländern und Franzosen im Sofa-Lande komme» konnte, die Unhaltbarkcit der dortigen Zustände, auf die wir schon mehrfach hmwiese». Beide Tbcilc opcrircn aller dings gegen eine» gemeinsamen Feint, jeder aber doch i» der Absicht, das von ibni durchzogene Gebiet für sein Mutterland zu erobern, und so müssen sie, wo sie einander begegnen, mit feindlichen Gedanken Zusammen treffen, von welchen bis zu feindlichen Handlungen kein allzuweitcr Schritt ist. Daß eine häufigere Wiedcr- bolung solcher Raufereien, wie sie nun sckon zwei Mal vor gekommen, eine weitreichendere, gefährliche Bedeutung niemals erhalle» könnte, wird man nicht behaupte» wollen, und so werden die englische und die französische Regierung jetzt un- mögtich länger zögern können, entweder Uder »hrZusammen wirken im Sofa Lanke ein klare- und bündige« Abtvinmen zn treffen, oder die WirkungSgcbiete ihrer beiderseitigen Truppe» so genau als möglich ad zugrcnzen. Derjenige Tbeil, welcher dem jetzt noch Hindernisse in den Weg legte, würde sich dem berecktigten Vertagte anSsetzcn, daß ihm an der ungestörten Erhaltung friedlicher Beziehungen wenig gelegen sei. Ter neugeborene bulgarische Thronfolger ist, wie gemeldet, von dem katholische» Erzbischof von Philippopel, Msgr. Mcniiii, getauft worden. Damit sind thatsächlich die Gerückte widerlegt, welche wissen wollte», die Taufe würde nach orthodoxem (griechisch-katholischem) Ritus statisinde». Der „Franks. Ztg." zufolge sollte der Fürst gegenüber einem hervorragenden Mit glied! der Regierungspartei ganz unzweideutig geäußert haben, die Verfassungsänderung, welche den Zweck hatte, dcn Thronfolger auch einer anderen, als der orthodoxen Religion zuzufübreii, sei unveemeidlich gewesen, weil er nickt ander-, als mit Hilfe dieser Garantie seine katholische Gemahlin hätte beimsühren können. Sei er aber erst Vater eines Thronsolgcrs, so könne er nicht bloö seinen Einfluß als Galle, sondern auch seine Reckte als Vater geltend machen, um feinen Thronfolger nack orthodoxem Ritus lausen zn lassen. Es wurde hinmgcfiigt, man rechne in gewissen Kreisen Bulgariens daraus, und der Fürst würde sich, wenn er wirk lich den ihm zugcsckricbcncn Plan ausführe, einen großen PopularitälScrfolg sichern. In Wahrheit dürste die abermalige Aiisckncituiig der abgethancn Frage von einer Seile angeregt worden sein, welche dem Fürsten und einer Regierung von neuem Verlegenheiten bereite» wollte. In Bulgarien selbst hat nian kaum ei» Wort über die katho lische Taufe verloren, wie ja auch seinerzeit die Acnderung der bezügliche» Bestimmung der Verfassung mit großer Mcbr beit angenommen worden ist. Wenn man daraus, daß die orthodoxe» Kirchcnfürsten sich in der letzten Zeit sehr freundlich zu dem Fürsten stellten, oder daraus, daß sic Gebete für die Fürstin in den Kirchen anordneten und selbst in den fürstlichen Palast käme», um dcn ilengeborcncn Thronfolger zu segne», Schlüsse ziehen wollte, als handele es sich darum, dcn Fürsten zn bestimmen, daß er seinen Sohn »ach orthodoxem Ritus taufen lasse, so zeugte dies eben nur von einer Verkennung der Verhältnisse. Die orthodoxe Geistlichkeit hat sich längst mit der Thatsache, daß der Thronfolger der katbo tischen Kirche aiizugebörcn habe» werde, abgefuiiden und sich a»ch sonst mit der Regierung hesremitct, und nur der ver- urtbeilte Metropolit Element machte eine Ausnahme. Die neueste bulgarienfeindlicke Intrigue ist a» der lonatrn Haltung der Bevölkerung mißglückt. Deutsches Neich. * Berlin, 6. Februar. Tie „Nationalliberale Eorre- spondcnz" schreibt beule: „Tie ernsten mabnenden Worte, mit welchen der Kaiser gestern bei dem Festmahl tcS Reichs kanzlers ans die Bedeutung des russischen Handels vertrag» und die politischen Folgen einer Ablehnung hinwics, sind, wie Zeugen versichern, noch weit energischer und einvrin glich er gewesen, als cS die veröffentlichten Berichte erkennen lassen. Andererseits soll auch von einzelnen Gästen, deren Loyalität über allen Zweifel erhaben ist, ehr f'urchlSvoUer, aber frcimülhiger Widerspruch erhoben worden sein, lieber die Wirkung des laiscrlickeu Appells läßt fick ein Unheil »och nicht gewinnen." Ans anderer Seite will man dagegen bereits wisse», taß durch die Mahnungen des Kaisers die Annahme des Vertrags gesichert sei. So wird geschrieben: „Daß der Kaiser auf das Allerwärmste und Leb haftesle sich für kaö Zustandekommen des russischen Handels vertrags ausgesprochen, ist bctannt; der Monarch zeigte in dcn dunkelsten Farbe» die ungeheuren, laum zu berechnenden politischen Schwierigkeiten und Verwickelungen, die sich ergeben würde», wenn der Vertrag nickt zu Stande käme. Kaiser Alexander habe sich persönlich für das Zusta» dctommcii des Vertrags cngagirt. Die Ausführungen des Kaisers verfehlten ihren ticjcn Eindruck auch aus diejenigen Abgeordneten nicht, die bisher schroff ab lehnend sich gegen den Vertrag verhalte» hatten; schon beute kann man als sicher annehlnc», daß der Vertrag angenommen werden wird, vielleicht mit größerer Mebrbeit als der rumänische" Ei» Eorrcspondcnt der „Köln. Ztg.", der über das Eintreten des Kaisers für den Vertrag berichtet, enthält sich des llrtbeilS über die Wirkung dieses Eintretens und berichtet lediglich: „Besonders eingehend und mit der vollsten 7.— „. ,»» 0 s.so 1- <1. n. os^- 1» 8.7» ii. V.»0 >1 1! », — v. 8,— >1. 8^ r§o «. 1>. 7.SO » u. S.7S 6. pro dtilci, ld«r «.00. d» 1021. l»N». I», »72>, 112^« 40/ d» 4«l i»4. 40»^ <t»i «0 » Frrtilletsi,. Elli-a Zilström. Vs Roman von H. PalmS-Paysen. Tl-adruS vrrdoien. (Fortsetzung.) 12. Capitcl. Eine ereignißrciche Woche folgte. Der Briesbote brachte Ellida am Abend eines der nächsten Tage zwei Briese. Ter eine zeigte die Handschrift der alten 3)>urre in Stockholm, der andere den städtischen Poststempel. Ellida erbrach voll Hast sogleich den erstcren. Kaum hatte sie die ersten Zeilen überflogen, so brach sie in Thräncw aus. Ibre Pflegemutter war gestorben — eS wäbrte lange, bi« sie sich fassen konnte. Mit der Verstorbenen hatte sie das treueste, selbstloseste und liebevollste Herz, das sie seit Kindheitslagen ihr eigen nennen durfte, verloren, und der Sckmerz, der ungethcille, einsam getragene, dem jeder Zuspruch, jeder Trost von außen fehlte, schnitt berb und weh in ibre junge Seele. Immer wieder durchlas sie den traurigen Brief, der außer der Trauerdotschast, in dem Kauderwälsch der alten Murre, verschiedene ihr vor- länast unverständlich bleibende Mittbeilungen enthielt, ibre Person und ihre Vergangenheit detrcssenv. Da war von wichtigen Papieren die Rede, von Documenten, die sie in Be sitz zu nehmen habe. Ellida, gänzlich bingenvmmen von ihrer Trauer, nabm augenblicklich nur ei» geringes Interesse an dem, was ihre eigne Person betraf. Immer wieder füllten sich ibre Augen mit Tbränen, mochte auch die Nacht darüber vergehen und der Morgen anbreche» und mit diesem Arbeit und Pflichten an sie herantreten. Obgleich sie kühn und selbstbewußt oft behauptet, daß cs nichts gebe, wa« sie ibrer Kunst, selbst nickt sür eine Spanne Zeit, abspenstig machen, was sie eineiigen könnte dergestalt, daß sie den Forderungen derselben nickt gereckt werden würde, jetzt, wo dieser ToteSiall. der bereit- geahnte und gefürchtete, sie maßlos erschütterte, jetzt lernte sic dock die Pein kennen, mit zerrissenem Herzen bei fröhlichen Klängen — tanzen zu müssen. Als sie an einem der nächsten Vormittage im Tbeatcr erschien, verrirtben ihre gerötbcten Augen, ibr ernste-, sckweig- sa»« Wesen dir vorangegangenen Gemüthsbewegungen, welche von jedem, der eö zufällig bemerkte, auf eine besondere Weife ausgclcgt wurden. Bosbeit und Schadenfreude »lachten sich breit, Gerückte über gemutbmaßte Zerwürfnisse zwiscken der Vielbcneidete» »nd dem unparteiischen Regisseur oder dem bisher so langmütbigen Balletmeistcr, oder gar zwiscken ihr und dem gefürchteten Intendanten. Die kleine Silström blieb zwar barmloS, sab weder die spöttischen, böhniscken, noch die theilnebmeiidcii Gesichter derer, welche dem Bekanntenkreise der freundlichen Edith Honnegger angehörtcn. Aber trotzdem schmerzten sie beute die Dornen ihres Berufes immer noch grausam genug. Es ging besonders lebhaft im Ballctsaale bcr, galt eö dock die letzten Proben vor der großen, lange schon ange- kündigtcn Vorstellung. Der Ballctineister, ein schlanker, nicht mehr junger, doch »och ansehnlicher, scbr lebhafter, aber hoch gradig nervöser Mann, befand sich i» voller Lebrthätigkeit. Er eiferte maßregelnd, tadelnd und befehlend in die beweg lichen Schaaren der Tänzerinnen hinein. Eine Tänzerin tiberbot die andere in den zierlichsten Pirouetten, I'as clv ckeux und Battements nack alle» Regeln der Kunst. Hier und da vollsüdrten einige Mädcken ihre schwierigen Ausgaben an Stangen, andere, abgesondert von kcn größeren Trupps, übten sür sich allein i» einer der Ecke» des Saales. In der Mitte desselben tanzten ganze Schaaren lebhast durcheinander in scheinbarer Unordnung, a»S welcher sich aber die schönsten Figuren entwickelten. Angesüllt war der große Raum dieses Mal mit dem ganzen, dem Tbeatcr zur Verfügung stehenden BaUetcorpS. DaS war ein Gewogc vcn buntsarbencn Ge wändern, verblaßten Gold- und Silderslickcreicn, von fliegenden Schärpen unter den herausfordernden Klängen der Musik. Verstummte dieselbe einmal, so ließ sich in kurzangebundcnen Befehlen die durchdringende Stimme Zinnbors's Horen. Viel Rücksicht schien er aus rie ihm Unterstellten nicht zu nehmen. Im Geaentbeil gebieterisch, fast grob fuhr er zuweilen die Mädchen an, wen» sic sich Ungeschicklichkeiten z» Schulden kommen ließen Trotzdem galt er, der zu den wenigen Be amten deS königlicken Theaters zählte, die ihren Posten in nnnnlerhrrchcncr Feige ül-cr ei» Jahrzehnt Hur Zufriedenheit treu ausgcsüll» hatten, als ein ziemlich erträglicher, ziemlich gereckter Mann. Man ließ ibn höheren Lrtö ganz souverän auf seinem Gebiete sckalte» und walten, weshalb er vvn den ibm Unterstellten als eine Autorität angesehen und demgemäß rrspeclirt wurde Seine Lrbrart und sein Wesen war ent schieden originell z» nenne» Er pflegte gern in Bildern und Vergleichen zu sprechen, die nicht immer zutrasen, dabei aber eine zuin Lachen anrcizcnde Komik an sich trugen Geschah dies aber, tackte man in der Thal, wie da« bei manch' llbernillthiger, dreister Tänzerin Vorkommen konnte, so kannte seine Heftigkeit keine Grenzen. Ungeduldig, Ubcllaunisch, wie ihn sein anstrengender Beruf und seine nervöse Gereiztheit gemacht, versah er überdies in der Behandlung dieser weib lichen Schaaren oft genug etwas, ohne sich jedoch dauernde Feindschaft dadurch zuzuziehen. Man kannte hier sckon schlimmere Zeiten, in denen Zerwürfnisse kränkendster Art, Entlassungen und Nücksichtslosigkcitc», die an Rohheit grenzten, an der Tagesordnung waren. Tic älteren Tänzerinnen, solche, denen nur noch die rasfinirtcsten Toilettekünste zum Verbleiben am Theater verbalfcn, wußten gar böse Gcsckichte» davon zu erzählen, was den, Herrn Zinndors nun zn Gute kam, denn eine jede suchte sich ihm anzupasse» und über etwaige Un- gehörigkciteil in der Behandlung binwegzusehen in der Be fürchtung, durch einen Wechsel noch schlimmer daran zu kommen. Der Balletmeister pflegte sämmtliche Mädchen beim Nach namen zu nennen, »nd so tönte eS auch jetzt laut durch den Saal: „Siubi, waS macken Sie da? — Lehmann, Hcllstrang, Sie bewegen sich ja wie Pagoden! Ist da« künstlerisch?" — Die Bewegungen wurden vcn seinen gelenkige» Armen outrirt »ackgeabmt. „Sie, Witzler" — eine lange Blondine war darunter verstanden — „Sic stolzircn ja daycr, wie ein Storch, der Frösche sucht! Gräulich! Wir haben hier keinen Trick, in den« c« etwa« z» schnabclircn giebt — Kops in die Höbe! — So — so — auch die Arme heben Sie langsam auf — wie steif da« anssieht! Das muß anders sein, glatt, geschmeidig, wie mit Oel geschmiert, sehe» Sie her!" — er wiegle sich in dcn Huste» und schwang die Arme — „bu, hu!" unterbrach er sich sogleich wieder — „Tie Skubi, ick sehe noch nichts vom Oel", und seine leichte Gestalt flog bald hier» bald dort hi». Dann trat eine Pause ei». Erhitzt. athcmloS, erschöpft, ersehnten die Meisten eine kurze Rübe. Trotzdem blieb eS ebenso lebendig und laut wie zuvor ini Saale. Etwas zn erzähle», etwa- zu übertrage», zu inoaniren und zu klatschen gab eö unter den Redseligste» und Leickt- »ertigften ja immer noch genug. Mehrere darunter, die sich »och kürzlich Hoffnung gemacht halten, der Soiisitia Stelle zu erhalten unb sich nun von der kleinen Silström durch ibre viel glänzenderen Leistungen und ihre anmnlbigcrc Schönheit zurückgedrängl sahen, schienen in dem immer wieder aus- kciinenden Gefühle deS Neides beute besonders die so unbe gründet gehaßte prima balli-riiia zum Zielpunctc ihrer Blicke, Beobachtungen und Eombinationen gemacht zu haben. Bei sammenstchend, zischelnd, spöttelnd, lachend, schauten sie zu ihr hinüber. Das heute so bekümmerte, tiefernste Mädchen stand abseits der plappernden Schaaren. Eben erst balle sich ihr Zinndors genähert. Schweigsam, die Augen zur Erde gerichtet, schien sie ihm geduldig, ohne Gegenrede, aber auch ohne viel Interesse zuzuhören. Ob ihn das reizte, erbitterte? Er redete lebhaft, zuletzt scheinbar heftig i» sic hinein. Nun hob sic den Kopf, wclct, ein Blick! Eine ganze Scala von Empfin dungen vcrrictb sich darin, eben so viel Stolz wie Ergebung. Was sie ibm wobl geantwortet? Er zuckle mit den Ackscln mit einer Geberdc, als wollte er sagen: mit Ihnen ist nichts anzufangen. Unbemerkt schlichen sick die Mädchen näher. „Ach", sagte die Eine, eine bockgcwachscnc, etwas hagere Brünette mit einem sehr geschminkte», aber wundcrsckönen Kopf, die sick Estella nannte, „ick weiß, wovon die Rede ist. von ihrer Kleidung. Sic giebt nicht nach und er erst reckt nickt. Paßt auf, das bricht ibr den Hals. Habt Ihr je solche» Ltarrkopf gesehen?" „Welch' eine Kühnheit, überhaupt zu widersprechen", meinte Sophie, ein dunkeläugige-, käßlickeS, etwa zwanzigjähriges Mädcken, das sick indessen durch einen schönen, üppigen Körper auSzeichnetc, „sie muß wenig für sich fürchten." „Aber, Beste, waS hat eine pnim» ballerinn zu fürcktcn. so lange sie in Gunst siebt wie kiese?" warf eine etwas jüdisck auSsebeudc Tänzerin ein. „Sie tanzt doch wnudervoll." „Gunst! pah! ich kcune das Publicum und Zinndorf auck, in diese» Kleidern wird sie ausgclacht, Sarah — auogezischt", antwortete Sophie. „Desto bester, laß sie doch, ich bade ibr die größten Schmeicheleien darüber gesagt, um sie in ihrem Eigensinn nock zu bestärken." Es war Estella, welche dies wieder mit einer hämischen, schadenfrohen Miene dcn Gefährtinnen zurief. DaS. WaS ibr an Fülle der Forme» und Geschmeidigkeit der Glieder, an Schmelz der Jugend fehlte, sah sie an Ellida Silström» lind ihr Neid kannte keine Grenzen. Andere Tänzerinnen gesellte» sich zu dem kritisircndcn und mctisirciiden Kleeblatt, und in gesteigertem Maße vcrsucktc man alles Anmulbige, Künstlerische »nd Bedeutende an Ellida Silström hcrabzusktze». Nu» küntete die Glocke den Wieder beginn der Uebung an »nd dies Ibat dem Medisiren Einhall. zZortsetzuag folgt.)
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