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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940210028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-10
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März ablaufende Frist vereinbart sei, so daß also der Reichstag, bevor die Osterferien beginnen, über den Handelsvertrag auch in dritter Lesung abgestimmt haben müßte. Die Sache wird sich also wobl so verhalten. Da der Reichstag aus Rücksichten auf religiöse Bedürfnisse spätesten« am 16. März in die Osterferien gehen muß, so bleiben den Abgeordneten zur Information über die in Be tracht kommenden zahllosen geschäftlichen Fragen kaum vier Wochen. DaS kann die Aufregung der Gemütber unmöglich beschwichtigen, die Bedenklichen unmöglich günstiger stimmen. Die kurze Zeit vor der Entscheidung wird daher erregter sein, als die der Ablehnung der Militairvorlagr voran- gegaagene, obgleich die Aussichten des Vertrags zweifellos günstiger sind, als dir der HeereSvcrstärkung im aufgelösten Reichstage. Besonders fällt ins Gewicht, daß die dem Fürsten Bismarck nahestehenden Blätter sür den Vertrag cintreten, obgleich sie sehr viel an ihm auszusetzen haben. So schreibt die „Westd. Allgcm. Ztg." in wesentlicher Uebereinstimmung mit den „Hamb. Nachr.": „Wir hatten unsere jetzigen Tarifsätze sür durchaus schlecht; wir würden aber, nachdem einmal die Lätze mit Oesterreich-Ungarn, Italien, der Schweiz, Spanien gebunden sind, die Verwerfung des russischen Vertrages wirthschasNich sür nutzlos, politisch für einen groben Fehler hatten. Das ist auch, so viel wir wissen, der private Slaadpunct des Fürsten Biinarck in der Frage, die augenblicklich unsere ganze innere Lage beherrscht." Bedeutsam ist ferner, daß die ultramonlanc „Germania" sich heute in einer Betrachtung ergeht, welche die Geneigt heit, um nicht zu sagen den Entschluß ihrer Inspiratoren verräth, dem Vertrage zuzustimmen. DaS Schwesterblatt der „Germania", die mit den rheinischen Industriellen Füh lung unterhaltende „Köln. Volkszeitung", stellt allerdings zunächst noch die Bedenken in den Vordergrund. Sodann ist wohl Gewicht auf den Umstand zu legen, daß in der Berliner Leitung des Bunde- der Landwirlhe große Unzufriedenheit mit dem Antrag Kardorff aus Ausstellung einer gleitenden Zollscala herrscht. Mandat dorlden Eindruck,als ob eS sich um die Arciyaltung einer RückzugSlinic bandele. Herr v. Ploetz, der Präsident des Bundes, ist der zur Be schlußfassung über den Antrag einberufencn Versammlung der freien wirthschafllichen Vereinigung unter einem nichtigen Borwanke ferngeblieben. Mit oder ohne gleitende Scala, ein Theil der Conservativen wird jedenfalls seinen Wider stand aufzeben — vorausgesetzt natürlich, daß der üble Einstuß, den der Truck der kurzen RakificationSfrist auSübt, nicht noch verstärkt wird durch officiöseS Ungeschick. DaS scheint man auch in Regierungskreisen einzusehen. Augenscheinlich baden die Offi- ciösen die Ordre erkalten, nicht nur selbst ihre mehr oder minder versteckten Drohungen mit dem Zorne Rußlands z» unterlassen, sondern auch die Drohungen russischer Blätter zurückzuweisen. Jedenfalls ist eS die Wirkung einer solchen Ordre, wenn der „Hamb. Corr." heute schreibt: „Die politische Bedeutung, die der Vertrag bat, versieht sich von selbst und kraucht nicht erst auseinandergejetzt zu werden. Tcharsfe Zurü ckweiiu ng verdient aber das Droben der panilawisiischen Press», in erster Linie der „Nowoje Wremja", die sich io weil verneigt, zu bedaupten, daß die Adiednung de« Reichsiags Krieg bedeuten würde. Sicher ist, daß dir Annatme sür die Erhaltung de- euroväiichen Frieden« nur günstig wirken würde; über die möglichen poluiichen Folgen einer Ablehnung brauchen wir uns in Deuljchmnd aber noch nicht de» Kops zu zerbrechen. Ein Appell an die Furcht ist von Seiten Rußland« indcß jedenfalls das aller- schlechteste Mittel, um einen Truck zu Gunsten de- Ver trages in Deutschland auszuüben." Die russischrn Wollfabrikanten bestürmen, wie uns gestern durch den Draht gemeldet wurde, das Ministerium mit Petitionen, bei dem definitiven Abschluß der HandelS- verlragsverhandlungen mir Deutschland die zu- aestandene Ermäßigung des bisherigen Einfuhrzolles aus Wollgespinnsle und äöevstosse wieder zurückzuzieden. Besonder- rührig in dieser Agitation sink die Moskauer Fabrikanten, denen sich der um die Interessen der Schafzucht besorgte dortige Laiidwirlbschaftliche Verein angeschlossen hat. Für den russischen Finanzminister, welcher einer Moskauer Depu tation erklärte, die Zugeständnisse betreffs des WollzolleS feien zur Erzielung einer Verständigung unerläßlich, ist der Zwischen lall sehr unaiigenebm, wie auch die öffentliche Meinung durchaus nicht aus Seite der Wollfabrikanten steht. Die Sachlage wird noch peinlicher durch die bevor stehende Erhöhung des Einfuhrzolles aus Weizen in Frankreich. Man glaubt zwar nicht, daß diese Maßregel wesentlich aus den Export russischen Weizens nach Frankreich eiuwirken könne, rm Artikel der „Nowoje Wremja" über diese Frage, dem allgemein ein osficwser Ursprung zugeschrieben wird, beweist aber, wie be stürzt man an leitender Stelle darüber ilt, im Momente des Abschlusses eines Vertrage« mit Deutschland ganz uner wartet auf neue Schwierigkeiten für den Gerreidehandrl zu stoßen, dazu von einer Seite, von der mau es am wenigsten erwartete. Der Umstand, daß sofort die Frage aufgeworfen wurde: „Wozu dann überhaupt eine Zoll konvention mit Frankreich?' läßt folgern, daß diese über haupt mehr politischen als wirtblchaftlichen Erwägungen ihr Entstehen verdankt. Die französische Maßnahme ver stimmt wohl hauptsächlich deshalb, weil sie die Befürchtung erweckt, daß sie den deutschen Agrariern eine neue Waffe in die Hand geben würbe, und diese geltend machen könnten: Wenn Frankreich ungeachtet seiner politischen Beziehungen zu Rußland keinen Anstand nehme, seinen Eiiifudrzoll zu er- böhen, brauche Deutschland »och weniger die vitalsten Interessen Rußland zu Liebe außer Acht zu lassen. Da Wille, wie er der Moskauer Deputation erklärte, die Interessen der einheimischen Wollsabrikation opferte, weil ander- der Ver trag nicht zu erzielen war, die Wichtigkeit des Vertrage- init Deutschland somit ossiciell zugegeben ist, erscheint eö begreif lich, daß dem weiteren Gange der Angelegenheit nicht ohne Bcsorgniß entgegengesehen wird. Die Befürchtung, daß die russisch-französische Freundschaft durch da« Zustandekommen eines Han delsvertrages zwischen Deutschland und Rußland in Gefahr kommen könnte, gelaugt auch in der valtcanischcn Presse zum Ausdruck Der „Moniteur de Rome" fordert Frankreich auf, an die Erhaltung und Stärkung seiner Stellung zu denken. Vorbedingung dazu sei der entschiedene Bruch mit dem RadicaliSmuS und dem anarchistischen Socia- ilSmus und volle Ausführung der Anweisungen de- Papstes Der Werth Italiens im Dreibünde sei abermals gesunken. Man darf gespannt darauf sein, welche Direktiven die deutsche EentrumSpartei aus dem Vatikan erhalten wird. Die rus sischen Blätter „Nowosti" und „Nowoje Wremja" sagen, der deuische Reichstag vollsübre eine patriotische Tbat, wenn er den Verklag annchnie. Bei der Rücksichtnahme, die man im Vatican bisher russischen Wünschen angedeihen ließ, müßte man doch erwarten dürfen, daß diese sich auch auf hieseu Fall erstrecke. Mitten in dem tiefsten Frieden, der zwischen Frankreich und dem Vatican herrscht, ist plötzlich zwischen der poli tiscken Gewalt der den Papst verhätschelnden Republik und den Bischöfen ein Streit auSgebrocken, der viel böses Blut macht und großen Umfang anzunekmcn drobt. DaS Eultus- Ministerium bat eine Verordnung erlasse», wonach künftig die Kircheneinnadmen und-Ausgaben nach den in Frank reich bestebenken Regeln der öffentliche» Gelbgebabnmg gebucht und verwaltet und der Aussicht der Kinanzinspectoren unterstellt werden sollen. DaS erscheint um deswillen billig, als nach demEoncorbat birGemeinden für die Erhallung derGotteS- bäuser und Seelsorgerwobnungen sorgen und ren Fehlbetrag aus eigenen Mitteln zuschießen müssen, wenn die Einnahuic» der GlaubenSgcineinden zu jenem Zweck nickt auSreicken; eS ist nur gerecht, daß die Verwaltung die Rechnungen plüfen dürfe, wo sic berufen ist, Zuschüsse zu leisten. Gleichwohl erheben sich die französischen Bischöfe einmülhig gegen den Negierung« - Erlag, den sie sür eine unnöidige Ebicane erklären, und namentlich der bekannte streitbare Erz bischof von Aix, Msgr. Goulde-Soulard, zeigt sich von maß loser Heftigkeit. Er hat klerikale» Blättern einen Brief zu gesandt, in dem er erklärt, er werde sich dem Gesetze nie und nimmer fügen, weil eS eine Gotteslästerung, eine ReligionS- schändunz sei, und weil er alsPischos die Pflicht habe, dir-Lceleo zu retten, deren Verderben der Laienstaat anstrrbl. Monsignore Goutbe-Soulard bringt die Bildung eine« weitverzweigten ProtestvereinS in Vorschlag, dem nur die Besten. Recht schaffensten, Frömmsten, Klügsten angeboren dürfen. Wie uns heute der Telegraph meldet, hat Eardinalerzbischos Richard von Paris eine Eonserenz sämmtticher französischer Bischöfe behufs Stellungnahme de- ÄleruS zu der cutluS- ministeriellen Verfügung einberusen, und man darf gespannt daraus sein, wer iu dem Kampf den Kürzeren ziehen wird. AuS dem südlichen Spanten treffe» jetzt etwas erfreu lichere Nachrichten ein. Dir Behörden der Provinz Eadix gestehen zu, daß das dort herrschende Elend nicht durch eine Vermehrung der Gendarmerie auS der Well zu schaffen ist, und schicken sich daher an, durch Inangriffnahme öffentlicher Bauten den Beschäftigungslosen einigen Verdienst zukommen zu lasten, um auf diese Weise das Ihrige zur Lösung der schwierigen Verhältnisse beizulragen. So soll in Eadix ei» Theater, Markthallen und eine neue Eisenbahnstation, in ilereS eine Plaza Le ToroS errichtet werden, während man in der Provinz mit dem Bau von Zweigbahnen und Land straßen zu beginnen gedenkt. Daß die eigentliche Ursache der vorgekommenen AuSsckrettungcn wirklich bittere Not!) ist, beweist schon der Umstand, der dem „Jmparcial" von glaubwürdiger Seite mitgetkeilt wird, daß, um den einzelnen Pacht- bösen Brot zuzufUbien, die Bauern Provianlzüge unter Gendarmerie-Bedeckung abgehen lasten, al« ob eS sich um belagerte FortS handle. Die nach Andalusien gesandten Berichterstatter entwerfen ebenfalls ein sehr düsteres Bilk von der Lage der ärmeren Elasten: wenn man ihrer Schilderung trauen darf, sind in deo Gebirgsgegenden viele Bewohner dem Hunzertodr nabe. Auch aus Almeria kommen Klagen über die zunehmende Unsicherheit. Kein Tag vergeht, wo nicht aus den zur Stadt führenden Land tragen Raubanfälle sich ereignen. Am Avend suchen die Wegelagerer dann die Bauernhäuser heim, rauben da« Viel, und was sic sonst auftreiben können, und bedrohen die Besitzer mit dem Tote, falls sie Anzeige machen sollten. Der Anführer der Landarbeiter, die in AlaniS die Robledo- wcchen unter sich vertbeilten, ist angeblich kein Geringerer als der Pfarrer des Orte-, der allerdings vom Erzbischof als solcher nicht anerkannt wird, tharsachlich aber täglich eine Messe liest, eine Persönlichkeit, die in ihrem burschikosen Auftreten andcrswo wahrscheinlich gar nicht möglich wäre, der hier aber da- ganze Dorf blindlings folgt. Auch diese Einzelheit ist bezeichnend für die dortigen Zustände. In zwischen ist übrigens Gendarmerie in AlaniS eingetroffen, damit weiteren Ucbergrissc» Einbalt geboten werden kann. — Hoffentlich wirkt das Beispiel der Behörden in Eadix au- spornend auf eie übrigen betk-iligten Provinzialregierungen, »nd hoffentlich bleiben eie Pläne zur Bekämpfung de- socialen Elends >n Spanien, wie so oft vorher, nicht eben nur Pläne. Dem dänischen Reichstag wurde schon in der letzten Session von der Regierung eine Gesetzesvorlage, be treffend Fabrikation, Handel und Aufbewahrung von Spreng stoffen, vorgelegk. Es waren theilS die Gefahren unvorsich tigen Umgang- mit Liesen Stoffe». «Heils die französischen Anarchisten-Attcntate, die diese Gesetzvorlage kervorriefcn. Es gelang inveß damals nicht, über die vorgeschlagenen Be stimmungen Einigkeit zu erzielen, und die Regierung bat kaber die Vorlage in dieser Session wieder cingcbracht. Der Ausschuß ist einstimmig für die Einführung einer Eonirole dcSVerkehrs mit Sprengstoffen, bat sich aber über die Grenzen einer solchen noch nicht einigen können. Vor allen Dingen will man vermeiden, daß die Eontrolc ein Hemmniß für die Bedürfnisse des praktischen Lebens werde. Die Regierung bat vorgeschtagrn, daß die Vorlage alle Sprengstoffe mit Ausnahme der au« Schwefel und Salpeter zusammengesetzten Pulversorten umsaffen solle. Hiergegen wird ringewendct, wenn eine Pulversorte einen andern Bcstandtbcil außer den genannten enthalten sollte, würde sic dadurch von den Bestimmungen der Vorlage getroffen werden, wodurch verschiedene Schwierig leiten entstehen würden. Um dieses zu vermeiden, hat die Mekrzabl im Ausschuß vorgeschlagen, mau solle ausdrücklich bervorbcben, daß die Vorlage nur Dynamit, Schießbaumwolle und Nitroglycerin umfasse, während der Minister jedoch das Reckt erkalten solle, die Bestimmungen des Gesetze- auch aus andere explodirende Stoffe, wenn er eS für noldweudig an siebt, auSzudebnen. Die Strafen für die Ucderkrelungen tiefer Bestimmungen sollen in die GeseycSvorlage selbst aus genommen werden, da Zweifel darüber geherrscht bat, ob die Bestimmungen dcS Strafgesetzbuches ans Verbrechen, die mittelst Sprengstoffs verübt weiden, Anwendung finden können. Voraussichtlich sichren dir Verhandlungen im Plenum zu einem günstigen Resultat. Die kritische Zuspitzung der Dinge in Weftasrtka fängt bereits an aus das Vcrhältniß der Eabinete von London und Paris zu wirken. In London regt sich wachsendes Mißfallen darüber, daß Frankreich sich >o wenig angelegen sein läßt, die R-chte der Engländer in Wcslafrika zu re- chectiren, und die Franzosen beschuldigen England, seine Hand bei Ausreizung der TuarcgS gegen die Eroberer von Trmbukiu im Spiele zu baden. AuS dieser beider seitigen Animosität entspringt ein Zustand, welcher einer versöhnlichen Behandlung der westasrikanischen Miß Helligkeiten nicht ganz günstig ist. Im Grunde genommen > denken nun zwar weder englische, noch französische Politiker Feuilleton. Ellida Zilllröm. ILj Roman von H. Palmö-Paysen. TtaibbrUik «erdeten. (Fortsetzung.) Ellida sah sich genöthigt, den Zusammenhang zu erkläre», aber die Erinnerung an bas eben Erlebte, an die ihr zuge- sügten Kränkungen, an die sie erschütternden, kaum begriffenen Eröffnungen ließe» sie vergeblich nach Worten ringe». Dabei siel ihr rin, welchen Wertb die Familie von Bracht aus ihr In- cognilo legte, auf die Geheimhaltung ihrer Beziehung zu ibncn, und wenn sie dieser auch nichts weniger als Rücksichten schuldete, so lag eS ibrem Edelsinn doch fern, für sich und die augenblickliche Lage Eapital aus der Tbatsache zu s i lagen, daß sie dir Tochter eine- altateligen, vornehmen ManncS war. Aber waS sagen, waS antworten?! Der Drang, sich zu rechtfertigen, um nicht in den Augen des Herrn v. Hochstedt sür immer als ein leichtsinniges Mädchen zweifelhaften Rufe« gedrandmarkt zu sein, war groß, so groß, wie da« Vertrauen zu ibm, dem aber bei aller Verehrung zu viel von dem Respect einer von ibm abhängigen Untergebenen aubaftete, als daß sie eS wagen mochte, rückhaltlos ihrem Empfinden AuSvruck zu verleiben. Und wenn sie etwas sagte, mußte sie Alle- sagen, erklären, auSeinandersetzen. Hatte er Zeit und Geduld? Würbe er daran glauben? Schwerlich. Kamen ihr doch ihre eigenen Lebenserfahrungen heute selber fast unglaublich vor. Der Intendant wußte sich in der Tbat ibr Sckweigen und Ringen nicht reckt zu erklären. Er fing wieder an zu zweifeln und sagte, der peinlichen Pause ein Ende machend: „Lasten wir da- Wie und Warum, nicktS liegt mir ferner, al- hier inquiriren zu wollen. Ich dachte. Sie bedürfte» de- RatbeS, der Hilfe. Beide-, liebe- Fräulein, stellt Ibncn jetzt »uid immer dar zu Gebote. Und wenn dieser Herr — ich glaubte eS zu versieben — ungefragt und ohne Erlaubnis Sie hier ausgesucht und belästigt hat, so werde ich Sorge dafür tragen, daß dieses zum ersten und letzten Mal geschehen ist." Somit machte er eine Bewegung, taS Zimmer zu ver lassen. Ellida sah ibm mit bangem Blicke nach; wenn er ging, hatte sie die vielleicht einzige Gelegenheit verpaßt, sich anSzusprrchrn, sich vertherdigea zu dürfen. „Herr von Hochstedt", rief sie, den Namen ängstlich hervor stoßend und danach leiser und gepreßter sprechend, so daß er sich umwandte und wieder näher treten mußte, um verstehen zu können, „eS ist so, der Schein spricht dagegen — aber eü ist so." „Daß der Eindringling Sie belästigt hat?" fragte er stirn- runzclnd, und ein Wetter zog in seinen Zügen auf. „Daß er ohne Erlaubniß eindrang, ja; aber eS ist ein Verwandler von mir und ick bitte Sie, ihm darüber nicht- u sagen; ich weiß, daß er niemals wiederkvmmcn wird, und einen Namen verschweige ich. Er ging im Zorn." Ellida mutbiger werdend, sprach gleichsam mit fliegendem Attiem weiter, während Herr von Hochstedt mit plötzlich umgewankcllcn Empfindungen, unter grenzenlosem Erstaunen zuhörke, „er ver ließ mich mit heftigen Worten, denn ich vermochte die Wünsche nicht zu erfüllen, die er mir übermittelte — ach, Sie werden, Sie können mir nickt glauben —" In der Tbat, der Intendant setzte doch starke Zweifel in die Aufrichtigkeit dieser Erklärungen. „Sic sind hier fremd und ganz unbekannt, haben Sir wieder holt bemerkt", betonte er, sie durchdringend anblickend» ohne daß dieser Forscherblick sie erröthen, ihre Augen Niederschlagen machen konnte. „Ich war eS auch und bin erst in dieser Stunde durch eben diesen Herrn über meine Vergangenheit aufgeklärt worden." DaS tlang denn doch zu abenteuerbast, zu unwahrscheinlich, als daß der Intendant ohne Weitere- daran zu glauben ver mochte. Er schüttelte den Kops. Wie kindisch ersonnen und wie ungeschickt ausgeführt war die Ausrede, dieser Versuch, sich aus der Klemme zu ziehen! Freilich, sie konnte nicht ahnen, daß Herr von Bracht, selbstverständlich ein Verehrer von ihr, den sic, Gott weiß, bei welcher Eollegin kennen gelernt hatte, ibm bekannt war. Tie Brackt'schc Familie verwandt mit dieser armen schwedischen Tänzerin! Welch' eine Unglaub würdigkeit! Er wurde fast ungehalten darüber, daß sie es wagte, ibn derart dupircn zu wollen. Ellida bemerkte den Wechsel seiner Gedanke» und Stimmung. O, Gott, er glaubte ibr nickt, konnte eS auch n-ckt; hätte sie lieber geschwiegen, batte sie lieber nichlS erklärt! Thränen traten »hr in die Augen. „Warum waren Sie denn vorhin so verzweifelt, so ganz in Tbränen aufgelöst?" fragte er mit unverdoblener Ironie und schritt der Thür zu. „Weil", zitterte e« von ihren Lippen, „ich von Ihnen nicht I verkannt sein wollte — nur nicht von Ihnen —" Er wandte den Kopf mit einer kurzen, raschen Be-1 wegung um. „Von mir nicht? War Ihnen daran etwas gelegen? Die Intendanz bat mit Ihren private» Angelegenheiten nichts zu thun". sprach er mit der stolzesten, unnahbarsten Miene über die Schulter weg, „kümmert sich auch nicht darum, und Ihr LebenSwanrel, ob gut oder schlecht, beeinflußt Ihr Fortkommen auf der Bühne durchaus nicht." Da« waren barte, nur zu verständliche, entsetzliche Worte. Und mit diesen schied er. Sie sab ihm starr und tbränenloS nach. Welch' ein Tag, wie trostlos einsam, wie elend! 15. Capitel. Herr von Hochstedt begab sich nach seiner in einer der Hauptstraßen derStadt, nahe dem Theater gelegenen Wohnung, einem geschmackvollen, reich eingerichteten ersten Stockwerk. Seit sein munterer, lebhafter Neffe, seine« einzigen viel älteren, früh verstorbenen Bruder- Sohn, auSgezogcn, herrschte in den prachtvollen Räumen wieder die frühere Einsamkeit. DaS ehemalige Glück diese« ernsten ManncS hatte nur kurze Dauer gehabt. Er verlor die geliebte Gattin schon im ersten Ehe« >abre. Seitdem nistete sich die Verlassenheit und Stille in den Räumen ein; denn der Gedanke, nochmals einen Bund fürs Leben zu schließen, war niemals wieder in ibm rege ge worden, obgleich sein Berus einen leblastcn Berkebr mit Frauen verschiedensten Alters, verschiedenster Gattung und Stellung mit sich brachte. Al« Intendant war er auch mit Arbeiten aller Art überbürdet, so daß ihm im Grunde ge nommen die Rübe seiner behaglichen Häuslichkeit meisten- recht wobl that und er sich dieselbe gar nickt ander-, als sie war, wünschte. Nur zwei Dienstboten theilten den Haushalt mit ibm: ein älterer Diener, den er zur Zeit, da er noch als Officier in der Armee stand, zum Bürsten gehabt und nach der Dienstentlassung und Ernennung zum Intendanten de« königlichen Tbcatcr« nicht batte sabrcn lasten wollen, und eine alte Dienstmagd. ein anhängliche«, «reue« Geschöpf, eine Art Familienantiquität, denn sie war Gerhard von Hochstedt aus dem Elternhaus in den jungen Hau-Hall gefolgt und seitdem treu darin verblieben. Diese- Dienerpaar kannte seinen Herrn mit seinen Eigen heiten, seinen Schwachheiten und löblichen Seiten ganz genau, so genau, daß e« sich durch vorkommendr Verstimmungen, un wirsches, kurz angebundeueS Wesen desselben weder einschüchtern, noch mißmuthig machen ließ. Der Bielgeplagte mußte j.r kampfbereit fast täglich einer ganzen Phalanx von Acrgernisscii Stand halten und brachte trotz aller wohlaezieltcn Hiebe, die er rückhaltlos und wuchtig nach allen Seiten auSzutbeilcu pflegte, dock auch selbst einmal einen lies eingedrungenen Gegen hieb mit nach Hanse. Tobias und Anna merkten auch heute, daß irgend etwas an ibrem Herrn „nickt ganz richtig" war. Sein kurzer Grus; und sein gänzlich schweigsame- Perbalten beim Mittagsmahl, während er sonst mit dem austragente» Diener Wohl ein joviale- Gespräch anzuknüpsen pflegte, verrietbca das. „Und er raucht nicht' mal", berichtete Tobias draußen der Köckin, „er hat sich an- Fenster gesetzt, den Kopf gestützt und guckt aus die Straße; ich wette, obgleich er guckt, si-bt er nicht, waS dort an seinem Auge vorbciläust, reitet «nd kuischirt. Man muß ihn wieder einmal rein toll geärgert haben." „Wenn ich er wäre", meinte die dicke Anna, die von Salomo « Weisheit ein äußerst geringes Erbtheil erkalten, „so würde ich- Theater Theater sein lassen. WaS hat er davon? — nix als Aerger. Geld genug halten wir ja auch ohne die Schauspieler, uni leben zu können." „Genug zu leben", meinte Tobias, den Kopf auswersend, wobei die rölblich-blonde Haarrolle, die er sich jeden Morgen kunstvoll auf der Stirn seines runzeligen, gelblichen Gesichts zu ordnen Pflegte, in» Wanken gerietb, „was denken Sic den», wir sind reich — wenn wir wollten" — er verstand unter dem „wir" siet« seinen Herrn und somit auch sich und die getreue ArbeikSgenossin — „wenn wir wollten, so könnten wir uuS ein Rittergut kaufen oder einen Palast — wir könnten die ganze Welt bereisen und Geld auSstrrucn beliebig nach allen Seiten, ohne daß e« damit zu Ende ginge." „Na, so dick wird'S wohl nicht sein", meinte Anna, um den an ihm gewohnten Uebertreibungen vorzubcugcn Tobias aber sing an zu rechnen, sprach von Obligationen, von Procenlen, von Staatspapieren und Coupons, sprach in Ausdrücken, die er im Lause der Zeit wohl öfter- gehört, aber niemals reckt verstanden batte, als wäre er dcS Intendanten Bankier und kenne die Eonrse so genau wie ein Börsenmanu. Alle« in einem unsinnigen Durcheianter, waS aber der guten Anna ungeheuer imponirtr. Bewundernd blickten ihre gut- mütbigen Augen, die in den fleischigen Backen zu versinken drohten, den prahlerischen Diener an; sic batte von ibm kaum eine geringere Meinung, al« von ihrem Herrn, und bedauert«
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