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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940215025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-15
- Monat1894-02
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Rachr." finden: ,Ln der Presse wird bald behauvtet, daß seilen« deS Staats- Ministeriums die Aushebung der preußüchen Slassettarisc sür thetreide und Müdlensabrikate beichlosje» lei, bald das Hegentheil. Beide Bebouplungen dursten nicht ganz zutressen. Erwä gungen schwebe» über die Stasseliarise längst. Die Landwirthschafi und die Mühlenindustrie der preußnche» West- und Mitlelvrovinzen drängen aus die Aushebung und ebenso sind von einer Reihe von Bundesstaaten Verhandlungen über die wirtdschasltichen Wirkungen der Stasseliarise und die aus deren Ergebniß zu ziedenden Schluß folgerungen angeregt. Tie Verdandlnngc» mit Bayern sind im Hange. Morgen werden die bayerischen ü ommijsare wieder in Berlin rin- trcssen und a» der Hand der von ihnen inzwischen bejchasslen tbatsach- lichen Materialien die Verhandlungen weiter gesüvrt werden. Am 21. Februar sollen dir Verhandlungen mit Hessen, Baden und Württemberg beginnen. Im Avgeordnelenhaus» ist durch den Antrag Or. Eckels die Aushebung der Slafseltorife angeregt, es gebt oder eine starke Gegenströmung dahin, die Regierung auszu- sordern, die Beichtußiassnng bis nach der Entscheidung über Len deulsch-russischen Handelsvrrlrag auszusetzen. Man sieh» also, daß es an Anregungen zur Erwägung der Frage der Stasseliarise nicht gefehlt Kat, aber schon die Angabe über den Eiand der Verhandlungen mit de» anderen Bundesstaaten läßt erkennen, daß ein Betchluß weder in der eine», noch in der anderen Richtung gefaßt ist. In der Thal sind die Erwägungen über die Frage der Stasfeltarike sür Getreide und Mühlensabrikate noch nicht endgittig abgeichtosien Die Meldungen einzelner Blätter, daß eine Brschluhsnssung seitens des preußischen Staatsministeriums erfolgt sei, entbehren des halb der thatiächlichen Begründung.' Die Hrrren Finanzminister vr. Miquel und Arbeit- minister Tdie len scheinen auch nicht geneigt zu sein, die einträglichen Staffeltarife für Getreide und Mühlenfabrikatc bedingungslos satten zu lassen. Und wenn auch die Berliner Meldung der .Franks. Zig.", man glaube in parla meniarischen Kreisen, Herr Tbielen werde die Aus hebung der Staffeltarife zum Anlaß seiner Demission nehmen, seine Entstehung einer lreren Vermuibung verdanken mag, so berubl doch höchst wahrscheinlich die Melkung desselben Blattes aus München, daß bei dea Verhandlungen der preußi schen und der bayerischen Delegieren über die Stasseliarise Preußen gewisse, ihm unbequeme bayerische Tarife als Evim pensationsobject aufwcrsen werte, auf zuverlässigen Insorma lionen. Daß dem R e ick ska nzl er der schleppende Verlauf, den die Lösung der Frage der Stasseliarise nimmt —vielleicht werden die preußisch-bayerischen Verhandlungen nochmals unter brochen, wenn die bayerischen Delegirten nicht bevollmächtig» sind, die preußischen Forderungen zu erfüllen —, nicht an genehm sein kann, liegt auf der Hand. Der Federkrieg zwischen seinen Ossiciösen und denen der Herren Miquel und Thielen ist daher sehr erklärlich. Trotz des schleppenden Verlaufs der Verhandlungen über die Staffestarife werden die Aussichten aus die Annahme deS »rutsch-russischen Haudrlsvcrtrags im Reichstage immer günstiger. Tie „Nal.-Lib. Eorr.", die mit Recht in der ent scheidenden Abstimmuna über den rumänischen Vertrag einr gewisse Unterlage sür die DabrscheinlichkeilSherechiiunge» über da« Schicksal des russischen Vertrags erblickt, chreibt heute: „Der rumänische Vertrag wurde bekanntlich mit 21 Stimmen Mehrheit (l89 gegen lKS) angenommen. Dafür stimmlen geschlossen die freisinnig»demokratischen Gruppen, die Polen und Socialdemokraten, LI Rational liberale, IS EentrumS»»rzlicder und Welsen, v Mitglieder der NcichSpanei und einige FractionSlose. Gegen den Ver trag stililniten geschlossen die Eonservaiiven und Antisemiten, 18 Mitglieder der ReichSpariei, lL Rationalliderale, 49 Eea- trumsniilglicver, darunter sämmtliche Bayern» und einzelne Fractionslose. Im große» Ganzen wird man annehmcn müsse», daß die Gegner und Freunde des rumänischen auch solche des russischen Handelsvertrags sein werden. Kleine Ver.chiedungen in der Abstimmung einzelner Abgeordneten dürsten nicht r»t- cheicend ins Gewicht fallen. ist eher auzunchine», daß von den Gegnern des rumänischen Handelsvertrag« eine größere Anzahl nach sorgfältiger Abwägung der ge wichtigen in Betracht kommenden Gesichtspnncie sich jetzt zur Zustimmung ciilschließt. als umgekehrt. Wir möchten die- bei den Eonservativen und »anicntlich bei der NeichSpartei noch keineswegs sür ausgeschlossen ballen, auch bei den schlesischen Eenirumsmilgliedera nickst. Auch die zuständige» Verteerungen der Landwirihschast sind keineswegs .iberall mit dem schroffen Auftreten deS 'Bundes der Land- wirihe einverstanden. Aus dem treuliche» Fra» furlrr Handels- tage hat ein hervorragender Vertreter der rheinischen Lanv- mlrihschaft, Oekonomierakd Herstatt-Marsdors (bei Köln), erklär!, der rbeiupreußischc laiivwirlbscdastliche Perein, der 220U0 Mitglieder zähli, habe sich sür den russischen HankrlS- verlrag ausgesprochen) die westpreußischenLanvwirlhr wünsch en ei» Zusammengehen mit der Iiivustrie. da- im beider- festige» Interesse liege, und ständen dem Bund brr Land- wirihc nicht sonderlich günstig gegenüber. Da- Eenirum mag sich wieder in zwei annähernd gleiche Tbeile spalten; zu der Annahme, daß diese Partei eine rrhedlich größere Anzahl von Gegnern des russischen al< des ruinäiiifchen Vertrag- stellen würde, liegt keinerlei Grund vor. Ans alledem ergtebi sich, wenn nichl ganz unvorhergesehene Wenvungcn rinlreien. daß der russische Vertrag alle Aussicht hat, vurch- zudringen." Auch Oesterreich hat seit einigen Tagen seine Univer- sitätSafsalre: Die Grazer technische Hochschule mußte wegen einer den Senat und die Lehrerschaft schwer beleidigenden Broschüre, welche die Hörer in Heidelberg halten drucken lassen, am Souuabcnd geschlossen werven, nachdem sich die gesamnilc Studentenschaft mit An-uahmr der Erstjährigrn, mit den Versassern und Herausgebern der Schrift solidarisch erklärt hatten. Io der Broschüre ist n. A. gesagt, der akademische Senat bade „Hekatomben vor dem Altar seines Eigendünkels geschlachtet", er habe bei jeder Gelegenheit seinen „Alle» beherrschenden Prosesiorenbünkel und Egoismus", eine „kindische Rachsucht" bewiesen, dir Lern- und Lehrfreiheit zu einem Zerrbild gemacht ». s. w. Der Eonstict besteht seit dem bekannte» Erlaß de« verstorbenen Kriegsniii»sters, BaronS Bauer, welcher die EorpScomniandanten angewiesen halte, die Studenten, welche Reserve-Officierr oder Einjährige seien, au die Folgen aufmerksam zu machen, die für sic entstehen köunir» wenn sie entweder extrem nationalen sv. h. anlivynastischen oder da- Duell principirll perborre-cirenden akademischen Vereinen angehörtcn, eine Anweisung, die von mehreren Eorpscommanvanltn al» rin direkte» Verbot für die Genannten, an dergleichen B«rdi»bungen theilzunebmen, irrlhllmlicher Weise aufgesaßt worden war. Da» hatte in der Studentrnichaft döse» Blut gemacht und nament lich am Grazer Polytechnikum konnten die erregten Geister nicht wieder zur Ruhe kommen. Al< die Krage noch acu« war, ging e» dort so toll brr, daß Rector Heyne die Polizei >u Hilfe rusen mußte, um den studentischen Ausschreitungen in der Aula ein Ziel zu sryen. Die Folge waren Katzen musiken sür den Rector, Relegiruog einiger Studenten und dir Versetzung zweier Professoren, die sür die Sludenten Partei ergriffen batten. Seither blieb da- Einvernehmen zwischen dem akademischen Senat und der Stuvcnlcnschaft gestört. Letztere wollte, um von anderen Austritten ganz abzuseben, eine Deputation an den Unterricht»- minister entsenden, dieser wollte dir Deputation nur unter Führung eines Professor» empfangen, da» lehnten die Stu denten ab, und nun erschien die verbängnißvoUe Broschüre. Zweifellos ist die darin geführte Sprache eine durchaus keit willen, sondern um sie für die „Zwecke de» tschechischen Volke»" zu gewinnen, da- heiße für die Weazelrstaat- bcstrebungen und die StaatSrechllerei. Die Ausnahme welche die Rieger'sche Rede bei den Iungtscbecben gesunden, läßt diese Bcrmuthung doch als nicht zutreffend erscheine»». Die vor Kurzem in der »rlgischcu Hauptstadt erfolgte Verlobung des Prinzen Kari von Hohenzollern- Sigmaringen mit der Prinzessin Josephine von Belgien, der zweiten Tochter deS Grafen von Flandern, bat in Frankreich die Befürchtung hervorgerusen, daß ^ . . bei etwaigem AuSstcrben der männliche» Nachkommenschaft ungehörige, die strenge Ahndung verdient. Ob. wie behauptet I Leopold » l. der belgischeTbron aus „einen deut sch en Prinzen, wird, da- Vorgehen de- Senate- etwa« zu rigorv« und da« I einen Hohcnzollern, einen Ossicier der preußischen Armer" Verhalten einzelner Professoren zu „vcspectirlich" gewesen ist. I übergehen tonnte. Diese Besorgiiib ist ganz unbegründet, worau» sich der übereilte schritt der Sludeniemchaf, wenigstens > Rach der belgischen Verfassung ist der Thron nur in der einigermaßen erkläre» ließen, wird die an Ort und Stelle von einem Regiernng-comniissar geführte Untersuchung er- eben. In der Thal scheint auf beiden Seite» mancher fehler begangen zu sein, daraus beulet der Entschluß de» iector- Heyue, um seine Pensionirung rinzukomme», hin. Wie dem aber auch sei» r- bleibt in hohem Grave betlagenS- werlh, daß auch an deutschen Hochschulen Differenzen zwischen Lehrern und Hörern soweit auf die Spitze getrieben werden, daß sie an die große Glocke der weitesten Oesse nt kircctrn, männlichen, ehelichen Tc-ccnde»z Leopold'» l. erblich; Frauen und ihre DeScendenz sind für immer ausgeschlossen. Da der Köniz keinen Sohn bat, so folgt ihm der Gras von Flandern und, fall- dieser stirbt, dessen einziger Sohn, Prinz Albert. Der König kann, wenn eine männliche De- cenkeuz seblt und zwei Drillet aller Mitglieder de- Senat« und der Deputirlen-Kammer zustimmeni, seinen Rachfolger be stimmen. Bei der jetzt erfolgten VerfassunzS-Nevisioi, wollte der König gern, um die Thronfolge besser zu sichern, die Slrenizkeiien nicht sein, aber str sollten in einer dem Bildungöstande der Beihnligten angemessenen Weise rechtzeitig und iulr» wuros geschlichtet werven Uwkeil somiiien. Ganz zu vermeiden mögen ja derartige I verfassungsmäßige Bestimmung, welche dir Frauen und ihre .s.,-.».,«..,.» »,4.» l..» >r. --- ------ ^ DeScendenz au-fchließk, gestrichen febcn, so daß der Sohn seine- Schwiegersohnes deS österreichischen Generals, Prinzen ^ Philipp von Sachseii'Eoburg, belgischer Prinz werden sollte; aber schon diese diSerete Anregung fand in den belgischen maßgcbendeu Kreisen eine so abfällige Ausnahme, daß sie sofort stillschweigend beseitigt wurlw. Au-Vorsicht bewilligten' ^ozar die Kammern nur belgischem Prinzen da- Reckt, in den renat einzulreten. Somit hat der hobenzollcrnsche Prinz auch nicht den geringsten Anspruch an den belgischen Thron. Die Regierung der Riepcrkaude scheint sich endlich ent schlossen zu haben, den gtfehgrberifchen Apparat in Be wegung zu setzen, um dem brramssordernden Treiben der anar- chislischen Socialdemvkratie wenigsten- einigermaßen entgegeuzutreten. Sie wird eiwen Gefetzriitwurj eiabringen, wonach dir bi-ber straflose lilufreizuug zum Elassenhaß und zum Aufruhr für strafwürdig erklärt wird. Tag sür Tag hörte man in den socialdemokradifchen Versammlungen während der leylcn Monate vcrlünten., daß Eigcnthui» und Besitz Dieb stadl und Raub sei. in alle» Variatic neu wurde die nieder- ländische Rewlspflege als ..Elaffeujustiz" geschmäht und auf wohlgefälligen Aufnahme, welche dafselbe in der jungischeckischen I offener Straße wurde» d>c A> be>tsivseu von ihre» socialdemo- Presse gefunden, denn doch einigen Eindruck gemacht; sie sind er-1 kratischen Führern aufgesovdert, in die Häuser der Reichen zu schrecken vor dem Spiegelbild», das der Procrß dem Tschechen-1 gehen und zu rauben und zu plündern. Es wirb min zunächst Volke »eigt, und die,er Schreck spiegelt sich in der Rede I abzuwartcn sein, wie der in Aussicht stehende Gesetzentwurf Riege/-. Als Zeichen der Zeit ist dieselbe also immerhin I he,chaffen sei» wird; nach de» Acußerungen de-Justizministers von Bedeutung, eine unmittelbare Wirkung wirb die verspä-1 i» der Ersten Kammer zu schließen, werben dir Strafbestimmungen tele Mahnung nicht haben. Der jungtschechische Abgeordnete I jedenfalls sehr milde >ei>^ da derselbe unumwunden seinen Ab- Schil ließ sich denn auch durch Riegcr S Warnungen nicht ab-1 scheu vor allzu scharfen llrilerdrückung-niaßregeln ausgesprochen halten,dir Angeklagten »n Omlabinaproceß als die Blüthe der! hat. Dagegen hat ein Mitglied der Erste» Kammer. Ungar, tschechischen Nation zu feiern, womit er der letzteren wahrlich IPynappcl, in einer längere» Rede, welche im ganzen Lande keine Ehre angethan bat. Bon der böhmischen Presse de- s Aussehen erregt hat, d«r Regierung den Vorwurf in- Geßcht Die vorgestrige Rede vr. Ladi-lau- Rieger' S im höhmischru Landtag, in welcher krrsrlde vor der jung tschechifchen Politik veS schrankenlosen Deutschenhasses und den anlidynastischea Hetzereien abmahnte, macht einige- Aufsehen. R>eger war ehemals der unversöhnlichste Feind der Deutschen, die er al- Räubervoll dezrichnete und denen er jede erdenkliche Unbill anzuthun bemüht war. Später schlug er mildere, ungleich freundlichere Sailen an, strich aber bann vor dem radikalen Jungtschecken ldum dir Segel und mahnt nun wieder zu einer Bcr söbnung mit dem „kernhasten deutschen Stamme in Böhmen" Diese politische Wandlungsfähigkeit ist nicht geeignet, den Worten de» grenen Politiker» den Nachdruck zu verleiden, den sie vervienen. Offenbar ist er der Dolmetsch der bei den Alttschechen augenblicklich vorherrschciivrn Ge sinnunzen; auf diese hak da» beispiellose Verkalken der An geklagten undVrrthriviger »n Omladinaproceß zusammen mit der grugcn nur die alttschcchiscken Blätter die mit „glaub- würdigem Palho»" gesprochene Beschwörung, während die jung-1 tschechischen Organe nur Hohn und Spott für den tobten Mann, ven adgrtdanrn Sprecher einer abgcihancn Minorität haben. Da» Befremdende a» dem unerwarteten Auftreten Rieger » hat I den Verdacht rege werben lassen, daß er r» nicht aufrichtig und ehrlich weine, denn er empfehle den Tschechen die Au<föh«ung mit den Deuischeu a»cht etwa um der Gerrchtig- aeschleudert, daß „sie »en Ernst der Zeiten nickt begreife", da sie sich sonst nicht in solch unverzeihliche Sicherheit wiegen und sich bei demGedanken l»ruhigen würde, daß die Sache so schlimm nicht ablaufen werke, und daß man vor einer Herrschaft der Socialbroiokraten siche» sein löoor. „Ich selbst bin der Ansicht", schloß Pynappel seine Red«, „daß eine Herrschaft der Massen nur kurze Zeit währten würde, aber aus sie folgt die absolute Regierung eine» ErnGelnen, der zeae mit eiserner Kunst im 16! FriiiHetoir. Ellida ZilKröm. Romim von H. PalinS-Paysen. Naibtruck «erdeten. (Fortsetzung.) MS dieser sie bis an die Eremitage führte, durch deren Helles Fenster der Lichtschein aus den Kies des Weges siel durch einen breiten Spall der Vorbänge, erfüllte sie plötzlich un widerstehliche- Verlangen, dlirchzuschaiien, nur einen Augen blick, um sich z» überzeugen, ob sic sich nickt geirrt, ob rer Angekvmmrne wirklich der Intendant v. Hochstedt war. Sie brauchte sich nickt einmal auf die Fußspitzen zu stellen, um das kleine Reich drinnen zu übersehen. Die Herren säße» sich geaenüber, ja, er war eS, und sie konnte mil Muße, zum ersten Male ebne Störung »nd Scheu sein ihr sympathisches Antlitz betrachten. Da- seine Gcsichtchen aus da- Fenster gesims stützend, verharrte sic eine ganze Weile da. Sie schaute sich schier die Augen ans und gelangte zu der Meinung, daß Herr von Hochstedt anders auSjab als alle ankeren Mensche». Etwa« FrffrlndeS, Mächtiges lag in seiner Persönlichkeit, die von der Kiilisilersckaar so gesürcktet wurde, für sie aber batte eben diese gebietende Energie in seinen Zügen und in seinem Wesen eine gebeimnißvoUe Anziehungskraft, die gar nickt z» begreifen, gar nickt zu beschreiben war. Eine gewisse Würde lag in seinen Bewegungen und in seiner Sprache, und er sah dock nicht ein bischen alt auS, mochte dir- aber wohl sein» Ellida llberdackle, wie viel Iadrc er wohl zähle. Sir merkte plötzlich mitten in ihrer Betrachtung und Beobachtung, daß einzelne Worlr der Unterhaltung, obgleich sich die Stimmen der Hrrren nickt über da» gewöhnliche Maß erhoben, ver ständlich an ihr Obr drangen, und bedauerte, daß e» so war. Nun konnte, mochte sie nickt mehr stehen bleiben, sie wollte ja nicht horchen. Mit einer seltsamen, gehobenen und doch wieder tief niedergedrückten Empfindung, die ihr junge« Herz aufseufzen wackle, trat sie vom Fenster hinweg und betrat wieder die Gartenwege. Drinnen in der Eremitage sagte der Intendant jetzt zu seinem Freunde, nachdem mancherlei frrnliegenke Dinge er örtert worden waren: „Run. Martin, wie ift eS Euch denn ergänze« mir Euren Mieth-leuten, sühlt Ihr Euch stark be lästigt, beunruhigt dadurch, oder hat sich Deine Schwägerin zufrieden gegeben?" > Einr gewisse Befangenheit lag nn Tone dieser Fragen, »in gewisse- Bemühen, harmlo» dieselben hinzuwersen. Dem großen Gelehrten entging die». „DaS Mädchen lebt ganz still und bescheiden für sich", entgegnete er, „aber da» genügt meiner ungeduldigen Schwägerin nicht, diese paar Monate de» Beisammensein« glrichmüthig hinzunebmeu. E» läßt sich gegen Borurtbrile schwer ankänipsen." „Wan sagt", Hub der Intendant langsam wir sinnend an, daß diese Tänzerin auS einer hiesigen ersten Familie stammt — man sagt e«." „Hm, so", machte der Professor, dem Bildung und feine- Wissen außerordentlich, dagegen Rang und Stand nur wenig imponirtrn: „Sie hat mich hier einige Male besucht und hat mir gut gefallen." Herr v. Hochstedt sab den Freund an mit fragenden Augen, als erwarte und wünsche er mebr zu hören. „Sit ist ein« kleine Philosoph!», eine kleine Natur- schwärmrrin, sie bat mich durch ihre Fragen, Bemerkungen und scharfsichtigen Beobachtungen in Erstaunen gesetzt. Ich hätte da» bei einem so jungen Mädchen nicht erwartet." „Bei einer Tänzerin", betonte der Intendant, „gewiß nicht, diese Märchen werden ja von vornherein durch ibre» Berus aus oberflächliche Interessen, fast immer auf den Weg de» Leichtsinn» hingewiesen." „So. so? Da ihäte man wohl »in gute» Werk, zu ver suchen, solch rin arme» Wesen zurück aus eine andere Bahn zu führen, durch Vorstellung und Ueberredung?" „Vergebliche« Müden. Frage Dick, warum sie Tänzerin geworden ist? Au» Liebe zur Kunst, au» Liebe zur schönen Kunst, au» Liebe zur schönen Form? — schwerlich Biel eher, denke ich, verlockt durch vir Eitelkeit, durch den speculatwcn Gedanken, ihre schone Gestalt im Lampenlicht zur Schau zu stellen. Eine Tänzerin sein, da» heißt hier in Deutschland so viel wie: ein verlorene«, bescholtene» Geschöpf sein." „Aber da» ist ja traurig und kaum denkbar, daß sie da selbst wissen sollte." „Allerdings, kaum denkbar" — wiedrrholke Herr v. Hoch stedt zerstreut, denn vor seinem inneren Auge schwebte ihm Ellida » Gestalt vor mit dem unsckuldig-zirtlicd blickenden Kindrrgesicht „ES liegt eine bolde Einfalt, eine wundervolle Reinheit de» Ausdruck» in ibren Zügen, möglich, daß sie eineAuSnabmr bilde«; möglich, daß Andere eitle Eltern oder gewinnsüchtige Verwandte, sie beeinflußt und zu diesem gefährlichen Berufe überredet haben; man kann einen Menschen nicht gut beurtbeilen, l die Pflanzstätte nickt, au» der seine Seele ihre Na kennt man abrung er halten. Möglich, daß die» Mädckrn aus andere Wege zu leiten ift. versuche r< doch — versuche »< doch!" bekräftigte er lebhafteren Tone». „Ich verstehe sehr schlecht über solche Dinge zu reden — Du würdest es viel besser können", wich der Gelehrte au». „Ick — ich?" — der Intendant lackte plötzlich herzlich aus. „Was reden wir da", ries er, den Ton wechselnd, „ich werde mich büien, zu eigenem Schaden meiner au-grzeicbneten ersten Tänzerin einen ankeren Berus vorzuschlagen, wie komme ich auf den Gedanken I Run, r» freu« mich, daß Ibr bi» jetzt nicht belästigt seid. In acht Tagen beginnen die Vorstellungen, dann wird e« spät, Abend für Abend Diese „Lytoinenne" wird ein rechte» Repertoirestück werden, ich kenne mein Pub licum. da» liebt die vielen Ballet», und der rigentbümlicke Ebaraktertanz darin. Im vovUcna, oder der Spiegeltanz, macht sich srdr hübsch. Willst Du nicht einmal in'» Theater kommen?" Der Professor sah ihn mit weit offenen Augen an. „Ich in'» Tbealer?" „Meine Loge siebt Dir zur Verfügung. Du machst ja rin sonderbare« Gesicht. Martin, ist c« denn so etwa» Un denkbares?" „Daß ich in» Theater gebe — ja, Gerhard", lackte der Professor, „da müßte mich schon etwa» Besondere» binziehen. Bringt Ibr mir einen Nalnrsvrscher aus die Bühne mil einem seltenen Käser oder einer intrreffaatrn Ampbydie in Spiritus, dann könnte e» möglich sei» — di» dahin müßt Ihr auf mich warten." Herr v. Hochstedt lächelte ernst. „Wer will es nicht glauben", sagte er, „daß Du Dir selbst genügst und in Menschen und Dingen nichts eigentlich bedarfst. Tu lebst hier rin ganz besondere-, rin ganz ikeale- Lrben. Ich dagegen habe die Ausgabe, mit eines jeden In dividualität zu rechnen, soNzulebrn mit Denen, di« sich mir onpassen, sich nach mir richten wollen oder nicht und mich zu bemühen, die Anderen mil Wohlwollen zu betrachten, da» ist schon längere Zeit meine Art." „Und Du lebst in kiesen Anschauungen mit derselben sitt licken Freidrit und Würde, wir ein unabhängiger, vom Glücke begünstigte, Mensch, und coastruirst Dir Deine Weltanschauung nicht einseitig wie ich, nach Deinen persönlicdea Erlebnissen' „Ack", wehrte Herr von Hochstedt mit einer Handbewegung ab, während sich seine breite, gedankenvolle Stirn m leichte Falten legte, „laß uns nicht weiter von meiner Weltanschauung sprechen, gerade meine „persönlichen Erlebnisse" sind r«, die ihr ein aschgraue» Mäntelchen umgebäogt haben." Gr lehnt - sich im Stuhle zurchk und schloß müde die Angen: „Oft ha: mich rin Ekel ergr^sen vor all' der mir begegnende» gleiß ncrischen Heuchelei und unsauberen Berechnungen in der Theaterwell, wie «ich in unserer aristokratischen Gesellschaft Die innere Unwahrheit, die conveniionelleo Lügen, die Rück sichten, mit welche» wir Privileg» te behandelt werden. Alles die- bringt un» zuletzt dahin, unsere noblen Passionen als ein uns zustebcndcS Vorrecht zu betrachten. Und so braucht nur zu der gewöhnlichen Vernachlässigung de« Verstände» eine den äußere» Anstand vernachlässigende Erziehung d«n zu kommen, so macht jeder ZusaU den Berbrewrr. Der äußere Anstand, da» formelle Ehrgefühl ist'» meist allein, wa» diese Regionen de» siltlnheu Verfall« vor groben Bei brechen bewahrt So ersüllt mich denn os« eine brennende Sehnsucht nach Ruhe und Zurückgezogenheit, eine Sehnsucht »ack, nach — warum soll ich et verschweigen — nack einer selbstlosen, reinen be glückenden Liebe. Für solche Wünsche wird man wohl nie zu alt." Er schwieg, aber rin sinnender Ausdruck in seinem ernsten Gesichte verrreth, daß er innerlich dem Gedanken weiter nachbing. Der Professor hatte aufmerksam zugebört, ohne auszublicken, mechanisch mit seiner weißen, ickmalen Hand ein Papier ge glättet, jetzt schaute er prüfend zu seinem Freunde hinüber und sagte bedachtsam: „ES ist »och nicht lange her, da sprachst Du ander». Hat Dich irgend etwa» in Deinem Berufe un zufrieden gemacht?" „Unzufrieden", wiederholte Herr von Hochstedt zerstreut, „o nein, — ick kann selbst nickt verstehen, waS mich so plötz lich au« meiner Wunscklostgkrit drrauSziebt. Sv etwa« kommt und gebt, je nachdem fick der Blick sür DaS, was un- uwgiebk, sür DaS, wa» wir an Anderen erleben, mehr oder minder schärst. Ta« in un« pulsirendc Leben gleicht dem Meere, es ebbt und sluthrt." Er lenkte dann von dem Gegenstände ab und erhob sich bald daraus, um fortzuaehen, versah sich mit Pelz und Hut und versprach baldige Wiederkehr. >9. Capitel. Der Professor nahm nicht sogleich seine Arbeit wieder auf. Er dachte darüber nach, wa» den vielbeschäftigten Freund, der selten zu so ungewohnter Stunde bei ihm vorsprach, eigentlich
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