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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940219025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-19
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Line „Hunnenschlacht", wie ein Mitglied de- Bundes hoffte, ist aus der Versammlung nickt geworren, wenn auch reckt wild geredet wurde; ein FiaSco, wie die demokratische Presse behauptet, allerdings auch nicht. Tic Persammlung, kaS muß jeder objektive Leser des Berichtes der „Kreuzztg." anerkennen, war so gut besucht und so gestimmt, wie die Beranstalter sichS nur wünschen konnten. Aber gerate Laö erscheint, wenn man nach der Bedeutung fragt, ibre Schwäche. Wenn 8000 Lankwirthe — aus allen Tbeilen Deutschlands, wie gesagt Wird — Zusammenkommen und Allem, was vorgebracht wird, zujubela, so kann durch eine solche Versammlung nickt die deutsche Land wirtbsckaft rcpräsentirt sein. Nach BetriebSsormen und Territorien sind — wir seben eS au den Fragen der Aufhebung des Identitätsnachweises und der Staffeltarife — die Interessen dermaßen verschieden und widerstreitend, daß die Einmütbigkeit die Legitimation aus bebt, im Namen der Landwirtbschaft anfzutreten. Die Ver sammlung im Feenpalast war keine Berathung, sondern ein Arrangement. Ein gelungenes. Um aber das äußer liche Gelingen zu sichern, hatte man eine Vorkehrung treffen müssen, welche der Veranstaltung de» Anspruch auf Bedeut samkeit raubt. Berlin liegt im Osten mitseincm überwiegenden Greßgrundbcsitz und seinen eigenartigen Interessen. Große Ver- kmiguugen wählen sonst einen Ort Mitteldeutschlands für ibre Generalversammlungen. Es hätte der Bnud der Landwirlbe — wenn er eine deutsche Versammlung sein wollte — sich diest Gepflogenheit um so mehr aneigncn müssen, als bei der bäuerlichen Bevölkerung, die er zu vertreten an^iebt, der Aoslenpunct ganz besonders schwer inS Gewicht fallt. Ter mittel-, west- und süddeutsche Bauernstand konnte sich in irgend bedeutsamer Weise nicht bclheiligen, und indem man diese Unmöglichkeit herbeisübrte, gestand man still schweigend rin, baß eine glatte Demonstration nur im preußischen Osten zu bewerkstelligen war. wo — im Gegensatz zu dem ganzen übrigen Deutschland — der bäuerliche Mittelstand weil hinter den Großgrundbesitz rurücklritt. Ter Ebaraktcr deS Bundes als eines In struments in den Händen einer spccifischen politischen und specifische» socialen Gruppe ist damit auss Neue docuiiientirt. DaS Auftreten des Bauern Lutz und deS nickt zur conservativcn Kraclion, aber auch nicht z» den Land winden zählenden llr. Hahn vermag an dieser offenkundigen Tbatsache nichts zu ändern. ES war eine politische Ver sammlung, und auch die Opposition gegen den russische» Handelsvertrag zeigte sich überwiegend politisch gefärbt. Der Nachweis, daß die Beibehaltung des Differentialzolles der Landwirtbschaft nützen könne, wurde gar nicht versucht. Daß Herr Lutz im Uebrigen mit Geschick Stimmung gegen den Vertrag zu machen wußte, kann nickt geleugnet werden. Er appellirte an den Unmuth über die Art der Empfehlung deS Vertrags und daS terroristische Treiben der Vertreter LeS TerminbandclS. Wie denn überhaupt der Verlaus der Versammlung als eine Reaktion gegen die demokratischen und officiosen Ausschi citungen der letzten Wecken besser verstanden, wenn auch ebensonenig entschuldigt werden kann, als die bisherigen extrem-agrarischen Kraft- leistungen. Auf der Frankfurter Versammlung von Freunden de- russischen Vertrag- war gesagt worden, „Deutsch land bat aufzehört, ein Ackerbausiaat zu sein, eS ist ein Industriestaat". Das muß die östlichen Landwirthc erbittern Feuilleton. Ellida Lilkröm. 1-1 Roman von H. Palmv-Paysen. "ta-druä retteten. (Fortsetzung.) 24. Capitel. Aber daran denkt sie vorläufig nickt. Ibre Entrüstung ist zu groß, als daß sie die Tragweile de« Geschehnisse« sogleich ermessen kann. Sie hätte den Dreisten gern »och viel schroffer zurückgewiesen. wenn ihre Bestürzung sie batte die richtigen Werke finken lasten. Sie ist so erregt und zerstreut, daß sie doppelt so viel Zeit als sonst braucht, sich un zu leiden. Zmnicr noch bleibt etwas vergesse» oder ist verkehrt gemacht, ja beinahe wäre sie ohne Hut fortgeqangcn. Jetzt wüßte sie bessere Antwort, daS uneibörl dreiste Benebmen de« Aufdringlichen zu geißeln, und während sie aufgeregt bin unk her laust, ihre Kleider und ihren Putz fortbängl und verschließ!, durchlebt sie das ganze häßliche Ereigniß im Geiste noch einmal und ärgert sich über sich selbst, über den Mangel an Schlagferligkeit, bis ibr wieder die warnenden Worte der alten Murre entfallen, eS mit dem EapeUmeister nicht zu ver derben, und sie sich endlich zufrieden gi:bt. Die alle Murre! Do mochte die jetzt sein? Ob schon unterwegs? Ellida will bas Tbeater verlassen, da hört sie unten am schmalen Gang, der zu dem KllnstlerauSgang führt, rasselnde- Säbclgcräusck und abnl, wer ihr begegnen wird: der Lieutenant von Hochstedt, den sie seil Wock.-n nickt gesehen. Ja. er ist e« und er grüßt freundlich und bleibt stehen und redet sie an. Ach, wenn man sie dock zufrieden ließe, wenn man doch begreifen wollte, daß eine Freundlichkeit, die sich in Schmeicheleien kleidet, gar nicht nach ihrem Geschmack ist! Und auch vier bat sie Rücksichten z» nehmen, er ist ja der Reffe de« Mächtigen, und sie hat ihn gleich da« erüe Mal sehr schlecht bebankelt. Mil einem kleinen Seuszrr hält Ellida der Ansprache Stand. Ähre Augen blicken kehr ernst, sie ist gar nicht in der Stimmung, geduldig zuzubören »Sie werben sich kaum unserer Bekanntschaft eruurern", Montag ven 19. Februar 1894. und sie zu nickt minder einseitigen Kundgebungen veran lassen. Im Uebrigen war diese Versammlung eine Episode, wie es der Bund der Landwirlbe selbst bald ge wesen sein wird. Herr v. Ploetz schwieg von der liefgebenden Uiizufriedenbeit mit der Leitung, die überall da i» Millel und Westdeutschland, wo der Bund einigen Boren gesunden, zu Tage getreten ist. Daß dieser Unmutb in der Berliner Versammlung nicht zum Ausdruck kam, ist ein weiterer Beweis dafür, daß man eS mit einer ostelbischen Veranstaltung zu ibun bat, auf die weder der BundeSralh, noch der Reichstag bei einer für da« ganze Reich so wichtigen Frage desoubere Rücksicht nehmen darf. Ter italionischr Gesandte in Pari«, Graf Rcßmann, ist, wie gemeldet, Anfang voriger Wecke in Rom eingnroffe». Die Veranlassung zu dieser Reise ist ohne Zweifel eine politische. Von verschiedenen Seiten wird berichtet, Graf Reßniann sei nach Roni gekommen, »m mit EriSpi über neue Verbanblungen mit Frankreich wegen eines Handels vertrags zu berathen. In Italien lebt man all gemein der Ansicht, daß der Abschluß deS deutsch russischen HandclSve» träges nnd dir Abkühlung, welche dadurch die französisch-russische Freunksckasl erfahren haben dürste, einer wirtbschaftlicke» Wiederannäherung Italiens an Frankreich außerordentlich günstig sei. Aber nach einer ersten freudigen Aufwallung beginnt man jetzt, diese etwaige Wieder annäherung sebr kühl zu beurlbeilen. Man bezweifelt, daß Frankreich wirklich gesonnen sei, den italienischen Producten seinen Markt zu öffnen. Wahrscheinlich werde man Italien mit einigen Scheinvergünstigungen abspcisen wollen. Und weiterhin fragt man sich, auS welchen Grünten und in welcher Absicht denn Frankreich urplötzlich ein Eingegenkomme» gegen Italien beweise? Die Antwort hieraus kann nicht anders lauten, als daß Frankreich seine geschwächte politische Stellung durch eine Aussöhnung mit Italien stärken will. Dies beginnt man in Italien sehr deutlich einzuseden, ist aber durchaus nicht geneigt, Frankreich bei diesem Spiel zu helfen. Die italienische Presse giebt in bcmerkenswerlhcr Ueberein- stimmung der Meinung Ausdruck, daß unter keiner Be dingung aus daS Vcrbälrniß Italiens zum Drei bünde ein Schatten fallen dürfe. — Bleiben so die Beziehungen der beiden „Schwesternationen" noch immer, nnd vorläufig noch aus länger hinaus, wenig freundliche, so sind der Vatican und die französische Regie rung fortgesetzt bemüht, alle Differenzen zwischen den beiden Verbündeten, sobald sie nur austaucken, zu be gleichen. So wurde der Erzbischof von Reims, Cardinal Langenicux, während seines jüngsten Aufenrbaltes in Rom vom Papste mit der Aufgabe betraut, bei der sranzLsischen Regierung gegen gewisse Bestimmungen des neuen Gesetzes über die Verwaltung der Kirchengüter Vorstellungen zu erbeben. Infolge der Einwendungen des heiligen SlubleS hat Ministerpräsident Casimir Psricr die Zusage erlhcilt, daß einzelne Artikel de- genannten Gesetze- eine Abänderung erfahren sollen. Dafür hat da»» auch der Papst Las etwas tiimultuarische Vorgeben deS Bischofs Gouthe-Soulard geniiß- billigt und vor gemeinsamen Demonstralionen deS franzö sischen KleruS gewarnt — mavus mainim luvst. ES gilt nunmehr alS wahrscheinlich, daß der Vatican sich mit den betreffenden Modisicalione» zufrieden geben und ein öffent licher Protest desselben gegen da- erwähnte Gesetz unterbleiben wird. Die spanischen Republikaner haben vorige Woche in allen Orten de» Lande- durch Veranstaltung zahlreicher Bankette die Wiederkehr des TageS gefeiert, an dem vor 2> Iabren in Spanien die Republik ausgerusen wurde, die ein so kläg liches Ende nabm, daß bis ,eyt noch alle Versuche, sic von Neuem aufzurichien, gescheitert sind. Ausschreitungen kamen diesmal nickt vor, doch herrschte in den Reden eia reckt revolutionärer Ton. Anderseits trat deutlicher als je die Tbatsacke hervor, daß die so vielgepriesene Einigkeit noch immer keine festen Wurzeln gefaßt hat. Als bemerkenswcrlb ist sonst vielleicht nur der Umstand zu bezeichnen, daß aus dem Bautet des Madrider BezirksvcreinS die Neide der Trink- sprücke durch einen Herrn Ballet de Brugniers, der vom „Liberal" als französischer Osficier bezeichnet wird, eröffnet wurde. In französischer Sprache, die wobl die wenigsten der Anwesenden verstanden, brachte er ein Hock auf die spanische Republik und die Verbrüderung der lateinischen Raffe aus. Ob das die richtige Art ist. die der Königin zuzeschriebenen sreundschafilichen Gesüble für Frankreich zu erböben, muß dom einigermaßen bezweifelt werden. Die versammelten Re- publi'aner stimmten natürlich in da- Hoch lebhaft ein und ließen zum Dank dafür auch die französische Republik hockleben Wenn fick in Frankreich ein Fremder durch derartige Reven in die innere Politik des Landes einmischen wollte, so würde er wahrscheinlich von allen Parteien recht deutlich in die gebührenden Schranken verwiesen werden. — Dem „Liberal" wird aus Malaga gemeldet, daß die Nachrichten über vic zu- ncbmendc Un sicher be it immer bedenklicher lanken. In Puerto de EiiipedraktS wurde dieser Tage rin Landbricskräger von zwei Bewaffneten ausHeraubt. Bei Easa Rabonela streift eine Banre umber, die überall Schrecken verbreitet. Ein woklbabenter Bauer der genannten Ortschaft wurde von ihr zur Erpressung eines Lösegeldes niitgeschlcppt. Au-Granada meldeten wir schon, daß sich die Ärbeiterkrise von Tag zu Tag verschärft. Mcbr als 2000 beschäsligliugSlose A> heiler baten den Alcalden um Brod. Ebenso gingen viele Ein wohner von ArcoS de la Frontera dem den Ort besuchenden Gouverneur von Cadix mil dem Ruf entgegen: „Wir wollen Arbeit, aber keine Almosen." Zu energischen Maßnahme» hat sich, was wir voraussagten, die Regierung noch nichl aufzuraffen vermocht; eS wird auch kaum geschehen, und so hebt Spanien zweifellos äbnlickcn Zuständen entgegen, wie sie Italien in Eicilien und Mafia Carrara erlebt bat — nur seblt dort die starke und geschickte Hand eine- CriSpi, die zugleich strafen und heilen kann. So langsam auch am Hofe des Sultan« von Marokko die Verhandlungen mit dem spanischen Gesandten Mar tine; CampoS wetzen der an Spanien zu zahlenden Kriegs entschädigung verlausen, so fehlt cö dock nickt a» Momenten in denselben, welche die Aufmerksamkeit und das Interesse der europäischen Cabinerte wack ballen. Die Nachrichten, welche anfangs Vorlagen, ließen einen friedlichen Abschluß der Ver handlungen erwarten. In den letzten Tage» aber sind in Madrid Meldungen aus Tanger eingelausen, welche davon sprechen, daß plötzlich Hindernisse ausgetaucht seien, die sich den Bemühungen Martine; CampoS' enlgegenstellcn. Tie eigentliche Natur dieser Hindernisse wirv in diesen Mel dungen nicht angegeben, nur so viel scheint gewiß zu sein, daß nichl der Sultan selbst eS ist, welcher die Forderung deS Marschalls, die Controle über die marokkanische Zollverwaltung der spanischen Negierung ziizugestchen, biS die vereinbarte Entschädigungssumme voll ausbezahlt ist. zurückwies. Sa weit sich iirtke>len läßt, scheint am Hofe Muley Hassan'« eine Spanien feindlich gesinnte Partei (wohl dir englische) so viel Einstuß ge wonnen zu haben, um die dem Abschlüsse naben Verband- lungen znm Stillstände zu bringen. Wie gesagt, eS bandelt sich vorläufig mehr »m Gerüchle, als um be»limmtr Tbak- sachen, die jedoch der „Pol. Corr." zufolge au« so gnlrr Quelle stammen, daß sie verzeichnet z» werden verdienen Man hofft in Madrid, daß eS dem Marschall Martine; Campe» schließlich koch gelingen werde, ein allseitig de» srierigentes Uebereinlomnien mit Marokko abzuschliehen, denn dir französische Regierung, welche biSber die gegenwärtigen redet der hübsche Osficier sie an, als er sie erreicht, „oder koch — bm — ich sollte das eigentlich nicht wünschen, denn ich glaube. Sie waren recht böse aus mich." Werner streicht sich das Bärtchen und blickt ihr tief in die Augen. eS wäre ganz nach seinem Wunsche, wenn sich Ellida Silström, wie so viele Andere schon, gleich sterblich in ibn verliebte. Ob denn nicht der Blick dieser schönen, intensiv blauen Augen zu erwärmen, dieser erkünstelte Stolz zu drecken war? Ellida blickte ibn ruhig an. „Sie sind Herr Lieutenant von Hochstedt, der Neffe de- Jntendanten, nicht wabr?" Er bejahte mil lächelnder Gönnermienc. „Ich bosse, Sie sind mit meinem Onkel zufrieden", scherzte er. ES ist ibm ganz recht, daß die Tänzerin über das neuliche Erlebnis; hinwegzugleiten suckt. „Der Herr Intendant ist sebr gütig", anwortet Ellida sebr gemessen, während sie sich über die linke Hand den Hand schub zieht. „Ich habe Sie vorbin bewundert; Sie tanzen ja hinreißend schöm Fräulein Silström!" Tie anwortet nicht. DaS fade Lob beschämt sie fast, sie schüttest nur ein wenig das Köpfchen, was er sich mit den Worten übersetzt: cs ist nickt der MUbe wertb. „O doch, doch, sebr der Mühe Werth", betont er, „meine Freunde sind gleicher Meinung und werden Ihnen das noch persönlich sagen." Als er merkt, baß sie die Stirn eia wenig kraus zieht »nd eine Bewegung macht, weiter zu schreiten, ohne aus seine Bemerkungen einzugeben, fragt er sich: „Wie kann man dies eingebilkele Märchen zufrieden stellen? Kein Lob ist ibr groß genug. Wahrhaftig, eine kleine Tcmllldigung würde ibr ganz beilsam sein. Ware sie nicht eine so famose kleine Person, sckeerte ich mich den Teufel um sie. Die aber in Feuer und Flammen sehen, daS könnte doch interessant werken." Er bückt sich, denn Ellida haste ihren Schirm fallen lassen. Die erste kleine Koketterie, denkt er, indem er den Cckirm ausbebt und ibr denselben läckelnd überreicht. Um dann endlich in seinen Eroberungsplänen Weiler zu kommen, sagt er: „Fräulein Soufidia wird nächstens ein großes AbschiedS- cssen geben. Sie werbe» doch auch zugegen sein, Fräulein Silström?" „Ich kenne Fräulein Sonfidia nicht", antwortet Ellida. „Noch nickt? O, ich werde Sorge tragen, Ihnen diese intcreffanle Bekannischasl zu vermitteln!" „O nein, da- lkun Sie nicht, ich bitle darum", ruft Ellida, auS ihrer Küble für einen Moment heraustretend. „Sie könnte Ihnen doch manchen bemerkenSwertben, nicht zu unterschätzenden Ratb hinsichtlich der hiesigen Tbcatervcr bällnisse gebe», hinsichtlich Jdrer Stellung zum Publicum", bclout er. „Suche» Sie sich Freunde zu macken, Fräulein Silström. und wenn Ihnen das nick« gleich gelingt, so nebme» Sie sürlieb vorerst mit einem Freunde — ich will Ihnen gern ein solcher sein", fügte er herablassend hinzu, „hier meine Hand, schlagen Sie ein!" Die arme Ellida, so in die Enge gclrieben, was soll sie macken! Sie wird ganz verwirrt, ganz rolb und blickt ängstlich auf die ibr eiiigegeugeslreckre weip.e, aristokratische Männer- hand, an der rin sunkelnder Solitär blitzt. „Nun?" frag» er, ibr Zögern bemerkend, „wird es Ibne» so schwer, meinen neulicken Uebermulh zu vergessen, oder füblen Sie sich sicher genug, um Freunde entbehren zu können?" Eine verkängnißvolle Frage. Unabweisbar fühlt daS junge Mädchen, daß sie e« auch nicht mit diesem verderben darf. Mechanisch legt sie ihre Hank in die seinige »nd empfindet, wie ihr dabei ein Fruerstrvm in da« Gesicht schießt; kenn er giebt die schüchtern dargereichte kleine Hand nicht sogleich wieder frei, legt seine noch darüber und sagt: „Und was für eine Antwort erdalle ick, reizende Ellida Silström?" Sollte sie reden, wie ibr zu Mulde war, und ibm sagen, daß sie ihren Weg am liebsten allein ginge und Freunde nur dann zu schätzen wisse, wenn sie Beweise erdalte von ihrer Selbstlosigkeit und Uneigcnnütziakeit, von ihrer Ehrlichkeit und Treue, und daß eS dazu der Zeit und Gelegenheit bedürfe ? Sollte sie ibm sagen, daß sein Benehmen neulich nickt dazu beigetragen bade, die Anlipatbie in ibr zu vermindern, die ibr nun einmal jeder Courmacher einslöße, daß ihn sein verwegene« Tbun in ihren Augen herabgesetzt babe? Odrr sollte sie gleich eine der eben erst zurechigeklügelten Antworten benutze», dir dem Capellineisier zugedackt, aber ungefähr auch dirr am Platze waren, dam» sie nickt nölbig babe, sich nachher wieder Vorwürfe über Mangel an Scklagserligkeit zu macken ? DaS Eine und Andere war verkehrt, gewiß. Man kam nicht vorwärts mil der Wahrheit, man mußt« 88. Jahrgang. Bestrebungen Spanien- in Marokko loyal unterstützt hat, wünscht, wie versichert wird, aufrichtig, daß die Mission des spanischen Unterhändler« gelingen möge. Tie innerpolitisckc Lage in rchwoPen-Rorwegen spitz» sich inimer mehr zu, indem der unionsfciuvlichr Radika lismus die Regierung und die Krone mit einer von Tag zu Tag wachsenden Heftigkeit dekämpst. Ein jüngst gejagter und vollzogener Beschluß deS Königs hat die Aufregung der Radikalen vollend» in» Maßlose gesteigert. Im vorigen Jahre bat nämlich der norwegische Siorlbing eine Nesolulion an genommen, in welcher die Regierung ausgesordert wurde, den vacanlen Posten eines Professor« der Theologie an der Universität in^ Cbristiania so lange unbesetzt zu lassen, bis das Slorlhing Gelegenheit gefunden habe, sich über diese Besetzung auszusprcchcn. Der König war aber um so weniger gesonnen, die Prärogative der Krone schmälern z» lasten und da« ibm zustehcude Ernennung-recht der Hochschulprofessoren von der Zustimmung der jeweiligen Storlbingmajoriläk abhängig u machen, als der Slorlhing, obwobl er zur Zeit des königlichen Entschlusses taa,e. dw Sache einfach liegen ließ, während die theologische Facullät eine »och längere Vacanz der Lehrkanzel als für die Studenten nacklheilig bezcichncle. Außerdem wollte der König, wie er durch Staatörath Bang im Stvrthiug erklären ließ, verbüken, daß eine Angelegenheit in den polili scheu Streit hineiiigezoge» werde, die damit gar nichts zu tbun bat, und so ernamile er, ebne den Storlhing zu be fragen, auf Vorschlag der Regierung den verdienten Theo logen Ödland zum Inhaber deS vacanlen LebrstuklS. Die radikale Presse wüibcl selbstverständlich gegen diese „Vergewal tigung" der Regierung und überbäustsie mil Sck>mädunge»,eine besonders beslige Sprache führt daS„DagbIadel", da« Organ deS si überen radicalen Ministerpräsidenten -Ltceii. Der Slortbing, welcher unmittelbar nach der Ernennung Ödland'« seine Sitzung suspcndirle, weil er sich über die Beankworiling der Thron rede nickt einigen konnte, wird nach seinem Wicbcrzusammen- trilt gegen Ende des MouaiS sich mit der Angelegenheit be schäftigen; die Regierung nimmt jedoch den Kamps mutbig aus, und eS hal de» Anschein, als rb sie durch ihre jeste und besonnene Haltung die Zahl ihrer Anhänger stetig rermehrc. Das «riech»,'che Ministerium Trikupis, da« die Opposition bei dem jüngst erfolgten Zusammentritt deS Parlamentes durch Fernbleiben von den Sitzungen zuin Rück tritt nölkigen wollte, scheint sich in der öjsciittichen Meinung wieder mehr befestigen zu wollen. Ter Ministerpräsident gehört zwar zu den am meisten gehaßten Staatsmännern Griechenlands, aber die ernster Denkenden sagen sich doch, daß gerade der jetzige Moineni. eine Regiernngolrise hrrbei- zusüdren, der schlechtest gewählte war. Da- Land leidet unter dem Druck der ungünstigen Geldverbälliiissc, und ein Regierungswechsel in dieser kriliichen Zeit müßte eine bedeulende Verschlimmerung derselben, eine gänzliche Ent wendung der griechischen Papiere zur Folge haben. Gerate jetzt, wo das Auölaad die griechischen Ver- baltnissc mil wenig Wohlwollen z» betrachten Ursache bat, muß man sich bülen, dem Auslände das Schauspiel fortwährender Regierungswechsel, ja gerade;» einer politischen Anarchie zu biete». Man ist sich ferner darüber klar, daß ein Regierungswechsel den StaatSgläubigern keineswegs einen Vvrkbeil gebracht hätte, indem selbst Delyannis, der der Neuwahlen die günstigste Aussicht aus Erfolg hätte, erklärte, daß Trikupis mil seinem den SlaatSgläubigern gemachten An gebot von 30 Procenl eher zu viel als zu wenig versprochen hätte. Bei dem müßigen Spiele, welche« dio Opposition in einem Augenblicke ciussiibrle, wo das Staatsgrbäude in allen Filmen krachte, trat die Erkenntnis; zu Tage, daß die Politik in Griechenland nicht auf gesunden Tendenzen, sondern nur bier heucheln und dort lügen, um nicht überall anzustoßen und sich Feinde zu machen. „Ick weiß Freunde zu schätzen, o gewiß", lantcte ibre ausweichende, zögernde Antwort, „aber Sic kennen mich ja nicht, wie können Sic den» mein Freund sein?" „Geben Cie mir Gelegenheit, Sie kenne» zu lernen, ick bitte sehr darum, allerliebstes Fräulein Silström", beeilte er sich zu antworte-'. Ibre ungekünstelte Verwirrung, ibr Er röiheu machten thaksäcklich Eindruck aus ihn. Sollte sic wirklich noch ein Nalurkind sein? „Darf ich Ihnen meinen Besuch macken?" fragte er leichthin. „Ich empsangc niemals Besuche, ich lebe allein, habe keine Ellern mebr", sagte sie, ibre Bcslimmibeit und den Much zurückgcwiunend, ibm ibre Hand enlzieheud. „So sprechen wir »»S im Tbcalcr oder in heiteren Ge sellschasten Ihrer Kunsigeiiossen, cs giebt ja bimderl Gelegen beilen, wenn man de» Wille» dazu hal", mciiile er in der Voraussetzung schneller Gewährung. „Ich bin jetzt in Trauer — ick habe eine Verwandte verloren — ich suche jetzt leine Gesellsckasien auf." „Eine Tänzerin in Trauer", spöttelt er, „umözlicke Vorstellung. Wer tanzt, muß lächeln und darf nickt traurig sein." Tiefer als in diesem Augenblick bat Ellida bis bittere Wabrbeik dieser Worte kaum vorder empfunden. Ihre Augen feucklen sich und er bemerkt eS. Seine herzlose Bemerkung tbut ihm doch leid, aber warum reizt sie ihn auch so furchtbar. Hatte jemals eine Künstlerin, nun gar eine Tänzerin, so gleichgillig, so conscqurnl seine Huldigungen abgelebnt? „Wir wollen Sir schon anshcitern", setzt er in einer gut- mütkigen Aufwallung hinzu, „also auf Wiedersehen bei der Sonfivia!" Und flüchtig die Hand an seine Mütze legend, mit einer gewisse» berablasseiiden Vertraulichkeit, durch die sich Ellida Silström bis z» Tbränen gedemütbigt süblt, gebt er säbel- rasselnd von dannen. Er überlegt, ob er diese erste Tänzerin, diese Debütantin weiter protegiren, oder der prüden Schönen bei erüer Gelegenheit, also bei der demnächslige» Vorstellung seine Macht und seinen Einfluß zeige» soll Sic war ihm doch gar zu wenig, nein, gar nickt entgcgengekonunen. (Fortsetzung folgt.)
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