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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940223012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894022301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894022301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-23
- Monat1894-02
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A, I., abholen zu lasten. Leipzig, den 17. Februar 1894. Die Handelskammer. A. l'Meme, Vors. vr. Bevsel, S. Bekanntmachung. 61!-2 Nachdem zufolge unserer Bekanntmachung Io vom 5. Januar diese» Jahre« der Bebauungsplan für die Flur Sellerhausen P. V bL34 ^^und der als Tectur dazu bestimmte Plan l"Jng^Bez"w!4 / ^ ^98 vorfchristSmäßig vom 13. Jannar bi« 9 Februar dieses Jahres zu Jedermann« Einsicht autgelegea haben und Widersprüche gegen letzteren nicht erhoben worden sind, so hat nunmehr die Abänderung de» erstbrzeichueteii Bebauungs plans hinsichtlich der Slrastenziige 6, VIU und O nach Maßgabe de« geuanntcn TecturplanS aus Grund des K. 22 des Regulativs, die neuen städtische» Anbauc und die Regelung der Slraßen helr., vom IS. November 1867 al« festaestellt zu gelten. Leipzig, den 17. Februar >894. Dar Math der Stadt Leipzig. I e 626. l)r. Trän dl in. 1)r. Ackermann, Ass. Bekanntmachung. Wir haben beschlossen, Herrn Franz Ludwig Georg Mählig in L.-Lindenau als Veztrlascharnsteiiiftger sür die Lladr Leipzig an Stell» der Frau Eliiadelh verw Mähcia, deren Stellvertreter der Vorgenannte bisher war, zuzulassen, indem die letztere am t. April dieses Jahres den Betrieb des Schornsteinfeger-Gewerbe- ousgiebt. Leipzig, am 16. Februar 1894. Der Math der Stadt Leipzig. V». 319. Busch Bekanntmachung. Die Mrftrher der Hölzer in den städtischen Forstrevieren werden dierburch zur nngeiäuniten Adsuhre ausgefordert, widrigen, fall« nach den Llcitattonsdedtngungen verfahren werben mühte. Leipzig, am 22. Februar 1894. TeS Rath» Forst-Deputatian. Gewötbe-Bermietlsung. Die bisbcr von uns zu Zwecken der Ausstellung von MaS- verdranchSgrgenständrn im Nicolaipredigerwohnhause, Nicolai- kirchhos Nr. 3 4, benutzten Lokalitäten sollen von jetzt oder von einem späteren Zeitpunkte ab zusammen oder getheilt gegen halb- jährige Kündigung oder auf einige Jabre fest vermietbet werden. Mietbgcsuche werden auf dem Raihbause, 1. Eloge, Zimmer Nr. 8, eutgegengenommcn. Daselbst wird auch weitere gewüojcht« Auskunft «rtheilt. Leipzig, den 20. Februar 1894. Der Math der Stadt Leipzig. 7». 4770/93. vr. Tröndlin. Nrumblegel. Die städtische Zparcasse beleiht Wcrthpapirre unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 1894. Tie Lpareafftn-Deputatian. Die Verhandlung des Reichstages über das esuitcngesetz a» 1. Decembrr 18SL.') I. Der 26. Januar war wie ein Frühlingstag im Winter unseres politischen LcbenS. Als Bismarck wieder an den Kaiserbos kam, da leuchtete dem deutschen Volke belle Freude au- den Augen und durchbrach die Nebel gedrückter Stimmung. Mil diesem Manne, der reckenhaft den deutschen GeniuS verkörvert, ist unsere größte Geschichte unauflöslich verknüpft; der kühne Schöpfer deS neuen Reiche- hatte das lebhafteste Gefühl sür die Edre, den klarsten Blick für die Wohlfahrt, die sicherste Hand für die Machtstellung unseres Vaterlandes, darum rankte sich an diesem Eichenstammc, Nahrung aus ihm ziehend, der Patriotismus nuferes Volkes empor. Klcin- mükbige Gedanken wähnten in der Kühle der letzten Jahre, daß dal Feuer deutscher Begeisterung niedrrgcgangen sei, und wirsen hämisch aus die tobte Aschenschichl, die über das öffentliche Leben sich gebreitet batte; aber ein frischer Luftzug auS dem Sachsenwalde reichte hin, die glühenden Funken unter jenem Bschenanflug wieder zu wecken, daß allerorten im Volke die beiße Vaterlandsliebe durchschlug, und in ihrem Gluthschrin wurde r- offenbar: nicht aus den Lippen de« Gesange« nur, nein tief drinnen im zähen deutschen Gemüth lebt uaverzrbrbar: Deutschland, Deutschland über alle«, lieber alles tu der Geltl Nur an einer Stelle im Reich konnte damals die Vater« laitdSfreude unsere- Volke- an einem solchen Recken sich nickt Wärmen; da, wo da- Herdseiirr des deutschen Gedanken- brennen sollte, blieb e» kübl wie zuvor; im Reichstag hatte «an wenig Worte für die Aller Herzen anheimelnde Wieder- Bortrag de« Herrn Superintendenten Meyer-Zwickau gehakt»» am IS. Februar tm Nartoaalltberalro Verein z» Leipzig. »egegnuna zwischen dem jungen Kaiser und dem alten Kanzler, ür den Handschlag, mit dem sich die gädrende Gegenwart dem großen Geiste der vorangegangeneu schöpferischen Zeit angelobte, und selbst aus die wenigen Worte de- dankbaren Erinnern» an Bismarck spritzte man ätzende Lauge. Da« ist dein Reichstag, mein deutsche« Volk, durch deine Wahl gerufen, deinem innersten Empfinden so fern wie Mitternacht dem Mittag! Männer de- CentrumS, Polen, Welsen, Socialdcmokratcn lnd wohl fähig, die tadelnden und am Reiche nagenden Gedanken zu verstehen, die unsere zum Krilisiren geneigte Volksart erzeugte, allein sie vermögen nicht, Pfleger und Fördere,» des hinter der nörgelnden Außenseite ruhenden liefe» patriotischen Gefühls zu sein. Die osficiellc Vertretung unseres Reiches hat nickt bloS durch die stille Ablehnung der VolkSbcgeisterung vom 26. Januar 1894, sondern auch durch die Reven und Beschlüsse ihrer Majorität am l.December >893 über die Rückbrrusuug der Jesuiten offenkundig gemacht, daß ihre Erwägungen nicht immer von dem PulSjchlag de« nationalen Empfindens geregelt werden. Wir begreifen eS, daß Männer, welche der schwarzen oder rotben Fahne oder dem weißen Adler sich zugcschworen haben, heftige Gegner deS Fürsten Bismarck sind, weil bei diesem jeder Nerv von deutschen« Geiste bewegt wird. Darum ist eS unö auch nicht unerklärlich, daß dieselben Männer in der Sitzung deS l. Dccembcr so lebhaft begehrten, dem Jesuitenorden, diesem fanatischen Feinde deS protestantischen Deutschlands, aus dem Boden unseres Vaterlandes wieder die Zelte aufzuschlagen. Und wenn ich von den Jüngern Loyola'S nichts weiter wüßte, als daß ihnen diese Parteien die Tborc unseres Reiches zu öffnen so geflissentlich sich mühen, so hätte ich schon Grund genug zum Zweifel, ob denn wirklich die Zöglinge deS spanischen Geistes, die Garde päpstlicher Ansprüche, als Freunde und Förderer des deutschen Wesens sich zu uns gesellen würden. Nicht obne Schmerz kann man die Verhandlungen des ReickStaaS über dieWicderaufhebung des JesuitenaesetzeS vom 4. Juli >872 verfolgen; eS war eine schwache Stunde unseres politischen LcbenS, alS der Antrag deS Centrum«, den Orden de« Ignatius wieder zuzulassen, mit 172 gegen. 136 Stimmen angenommen wurde. Wenn ich Sie jetzt in diese ReicbStagSsitzung zurllckführe, so geschieht eS nicht, um kleillmütbigen Erwägungen Uder da- AbwärtSglcitcn deS deutschen Gedanken- Raum zu geben oder die Zabl ver Unzufriedenen zu vermehren — kann würde ich nur das Geschäft der Ultramontanen treiben —, sondern im Gegen- tbeil, um ihre Hoffnung zu beleben, daß jener Beschluß gerade durch den Gegensatz, in dem er sich zu der öffent liche» Meinung und den Träger» vcrständnißvoller Vater landsliebe besindet, die nationale Gesinnung von Neuem anregen, klären und zum Sieg über die ihr feindlichen Mächte stärken werde. Im Widerspruch zu der Anschauung der Volksseele über DaS. waS zum Heile unseres Volkes diene, stehen die Parteien, welche den Beschluß aus RUckberufung der Jesuiten herbei- gesührt oder ermöglicht haben. In einer trefflichen Er klärung bat der nationalliberale deutsche RcichSvcrein zu Dresden auch Conservatide und Reformer vor unserem Volke angeklagt, daß sie zum Siege der Jesuiten milgebolfen hätten. „Wären Conscrvative und Antisemiten verbälinißmäßig ebenso stark am Platze gewesen, wie die Nationallidcralcn, und hätten sie ausnahmslos dagegen gestimmt, so war der ultramontane Ansturm abgeschlagen." Aber von 83 Ab geordneten der konservativen »nt der antisemitischen Partei zusammen sind nur 4" Stimmen gegen den CentrumSanlrag abgegeben worden. Sicher hat seit Langem nickiS unser Voll so beschäftigt und erregt, als der wiedcrholle Versuch, den Lvyolitcn Hütten unter u»S zu bauen. Die Petitionen dagegen waren kein künstliches Erzeugniß, sie waren ein »ninittelbarcr Erguß de« deutschen Herzen«, welches von dem Geiste der Jesuiten sich adgesloßen suhlt; die Erinnerung an ihre frühere Thätigkeit, die unsägliche« llnbcil über die Länder de- alten Reiches brachte, wie die Einsicht in chre verderblichen Grundsätze und ihre den evangelischen Nationen feindliche Ziele schufen dem deutschen Volke die Gewißheit, daß eS ein Aackenstrcich für die deutsche Ehre sein würde, den Orden bei un- auszunebmcn. Und wer etwa durch die Färbekunst der ultramontanen GeschichtSniachcrei die Jesuiten in hellerem Gewände zu sehen begann, wurde durch die AuScinandersetzungen deS Exjesuilen HocnSbroech von Neuem überzeugt, daß JesuitiSmus und deutsche« Wesen wei Gegensätze sind, für die eS keine Ausgleichung giebt. ES onnte wohl erwartet werken, daß die Rücksicht aus das Ge wicht, mit dem die Mehrzahl der Deutschen die Jrsuitenfrage wog, alle Abgeordneten, die Fühlung mit der geistigen Strömung batten, auf ihren Platz im Reichstag ziehen würde, um ein laute- Nein wider den CentrnmSantrag zu sprechen. Aber eine größere Zahl, auch conscrvaliver, Ab- geordneter entzog sich der Entscheidung; andere enthielten sich der Abstimmung, weil sie die besondere» Verhältnisse ihrer Wahlkreise im Auge behalten müßten. Indessen, wie immer diese Verhältnisse liegen, so dürfen doch niemal» bei so tief gehender Sache taktische Erwägungen den Ausschlag geben; hier darf der Abgeordnete nicht seine Stimme nach der Stimmgabel seiner einzelnen Wähler richten; hier gilt nur ein imperatives Dlandat: das des deutschen Geiste« und deS «alue puklieu. Und wie wenig mit diesen beiden der Antrag der Ultra- montanen zusammenklingt, da- wird an der Rede der Cen- trumSmänner offenbar. Wir zweifeln nicht, daß auch bei diesen die Liebe zu ihrem Machtsitz im Reichstage den Antrag mit dictirt hat. Das Cenlrum muß vor dem katholischen Volke den Nachweis seiner ferneren Berechtigung führen. Dazu werden di« Jesuiten als vollkommene Heilige, alS die besten Christen, al- die edelsten und gelehrtesten Männer, als die tbätigste und segensreichste Hand der römischen Kirche geschildert; obne Jesuiten fühlt sich die Mutter Kirche in ihrer vollen Fürsorge für ihre Kinder be hindert; nun aber versage da- deutsche Reich oder vielmehr der Protestantismus, der hinter diesem stehe, dem KatboliciS- niu« seine besten Diener, natürlich au« Feindschaft wider dir Katholiken, die zu unterdrücken oder zu Anhängern Luther» ui machen, seine geheime Absicht sei. Auf, katholische» Volk, schütze deine religiösen Heiligthümer, deine kirch liche Freiheit, wähle uuS weiter, deine Vorkämpfer! So hält da- Centrum noch die katholischen Wähler bei seiner ahne; der Trieb »u seiner Selbsterbaltunz ist der Vater de- esuitenantragS. Freilich die beleidigende Mißachtung gegen die zahlreichen Kräfte, die jetzt im Dienste des KatholiciSmuS sieben, scheint man drüben aus dem Antrag deS CentrumS noch nicht zu empfinden. In trefflichem Stande befinden sich die reichlich gepflegten Einrichtungen der römischen Kirche in Deutscklank; sie bat woblsundirte. mit Ekren überhäufte, in ihrem Einfluß geschützte Bischöfe; sie bat zahlreiche Priester; an Stmmarien, diese im römischen Sinne zu bilden, fehlt eS nickt; eine Menge von Klöstern ist wieder erstanden: gegen 30 060 barmberzige Schwestern walten ibreS Amte-, lind mit diesem gewaltigen Apparat kann die Kirche ihre Ausgabe nicht lösen? Sie vermag nicht, ihr Volk vor den Gefahren der modernen Zeit zu schützen und in alter Botmäßigkeit zu erhalten, sie vermag eS nicht, wenn ihr nicht noch ein paar Hundert Jesuiten gestaltet werden? Fühlt man nicht, wie sehr man damit den bisherigen Dienern der römischen Kirche ins Antlitz schlägt? Nicht die katholische Kirche, sondern nur das Cen- trnm braucht die Jesuiten. Bei diesen ist der römische Geist am schärfsten geprägt; gerade sür dielen Geist will das Ccn- trum breitere Bahnen durch- deutsche Volk lege», sickere und bequeme Steige für die Gedanken des VaticanS. Wäre eS denn so undenkbar, daß einzelne deutsche Bischöfe anfingen, die Kirchenpolitik zurückzustellen, Seelsorge z» treiben? Daß sie, woblwollende Freunde veS Staates, in Frieden mit ihm sich mübetcn, ihre Hcerdcn mit dem christlichen Geist, der, wenn auch verhüllt, noch im KatholiciSmuS vorhanden ist, zu weiden? Hat denn nickt die katholische Kirche schon Bischöfe in Deutschland gehabt, die ohne jesuitische Beratber, einsichtig und mild, viel Segen stifteten? Und wenn solche Männer wieder kämen, würden sie nickt die Hetzarbcit jesuitischer Demagogie bindern, da- katholische Volk auS dem Gefolge deS CentrumS rurilckrufen und die ultramontanen politischen Pläne vereiteln? Als Hemmschuh für solche Bischöfe sind die Loyoliten unentbehrlich; sie denunciren die echt katholischen Bischöfe in Rom, sic Heyen gegen sie die Priester und die Gläubigen auf; sie verleiden ihnen ihr Amt und suchen sic Matt »u setzen. Um die katholische Kirche Deutschland- stets und fest am Gängclbande des VaticanS zu halten, dazu will das Centrum die Jesuiten zurückrufen; seinen Antrag hat römischer, nickt deutscher Geist inspirirt. Der römische Geist leuchtet in jener dunklen Sitzung de- l. Deceinber aus dem ganzen Verhallen des CentrumS. Die alten Römer waren ein stolzes Volk, da- mit küblcm Blick aus Andere, ohne Würdigung ihrer Eigenart berabsak. Die modernen Legionen de- pricsterlichen Imperator- aus päpst lichem Stuhle, die Ultramontanen, sind Erben de- alten römischen HochiiiuthS. Welch einen häßlichen Ausdruck gab sich dieser in der Art, wie das Centrum die kurzen Erklä rungen der protestantische» Redner wider seinen Antrag aus- nahm! Fast »ach jedem Satze derselben erfolgte lebhafter Widerspruch, Zischen und Lachen im Centn»»; man bat dort keine Geduld und leine Achtung mehr sür gegnerische Aeußc- runaen. Was sollen diese auch nützen? Man ist ja drüben im Besitzt der unsehlbaren Wahrheit. Was katholische Schrift steller über die Jesuiten zu Tage gefördert habe», das allein besteht zn Reckt; protestantische Wissenschaft ist stets im Irr- tbuin. Uomi» lvcutL v«t. l)r. Lieber, im stolzen Faltenwurf seiner Toga, bezeichnet Alle», wa- gegen die lieben Jesuiten vorgebractii worden ist, a>s Fabeln, als Ungeheuerlichkeiten, nennt die Verhandlungen de- Reich-tagS von 1872 über die Loyoliten einen Hexen- sabbatb und redet von dem Gesetz über Ausschluß der Gesell schaft Jesu alS von einem der bluligsten Culturkampfgesepe, als von einem der unerlräglicksten AuSnabnicgcsetzc. Die« müsse auö Gerechtigkeit gegen da» katholische Volk beseitigt werden; die Millionen beunruhigter Katholiken seien zu frieden zu stellen; nach der Stimmung der Protestanten fragt man nicht-, denn llr. Lieber sagt eS ja: „WaS Sic an Be unruhigung bei der evangelischen Bevölkerung dadurch zu schassen glauben, daß Sie unseren Antrag annebmen, da» schaffe» Sie ganz sicher an Beunruhigung in der katholischen Bevölkerung, so lange Sie denselben aolcbnen" Klingt Da« nicht so, al« hätte da- deutsche Reich kein sorgliche« Auge nur aus dir Stimmung und Wünsche der Ultramontanen zu richten? Und unverfroren genug wird behauptet, daß der Staat in seinen Maßnahmen nach kirchlicher Seite nicht -eigene Er wägungen anzustellen, sondern lediglich dem llrtbcil der römischen Kirche zu folgen habe. Denn das Orakel de« vr. Lieber lautet: „Darüber, wessen sie bedarf, entscheidet die katholische Kirche allein: sie erachtet dir Zu lassung de- Jesuitenordens für unentbehrlich zur vollen Entfaltung ihrer göttlichen Sendung." Noch kühner und deutlicher ist Fürst Radziwill. „Als eine Härte", sagt er, „muß der Widerspruch empfunden werden, daß einer seits der Papst den Orden als eine ehrwürdige S'iftung eine« großen Heiligen hockschätzt, und daß die deutsche Gesetzgebung dieser kirchlichen Autorität gegen über die Wirksamkeit des Orden- al- eine gemeingefähr liche vom Boden deS Reiche- verbannt und bemmt. Als eine bittere Ungerechtigkeit muß da« empfunden werden N gegen die ehrwürdigen Väter der Gesellschaft Jesu, 2) als eine Ungerechtigkeit gegen die hehren Absichten de» Oberhauptes der Kircße selbst, dessen Autorität in diesem Punctc durch die staatliche Gesetzgebung mißkannt wird, 3) als eine Ungerechtigkeit gegen das katho lische Volk, welche» in allen seinen Tbeilen, in allen seinen Ständen, gestützt aus da- Vertrauen, die Liebe und die Treue, die eS zu seinem kirchlichen Oberhaupte, dem Papste, in sich suhlt, die von ihm so hockgerübmte Thätigkeit des Ordens mit allen Kräften herbeisebnt." Mit solchem Ausspruch schreitet durch den deutschen Reichstag hochmütbig in der wga praetont» der römische Geist. In Allem, wa- zur Kirche in Beziehung steht, hat der Papst alS die höchste Autorität auch sür unser Vaterland da- letzte Wort; dir Staatsgewalt hat dir römische Kirche nur z» fragen: Wa« bedarfst du zur vollen Entfaltung deiner göttlichen Sendung? und daS Bedürsniß dann schweigend und gehorsam zu be friedigen. Würde diese« Princip anerkannt, dann wäre der Staat nur der Vasall de- Pontifex, dessen Forderungen ins Maßlos« stiegen. Deutsches Reich. 8«. Berlin, 22. Februar. Die unklare Stellung, welche die preußische Regierung in der Frage der Staffeltarife rinnimmt, liefert den Gegnern de- russischen Handel« Vertrags Wasser aus die Mühle. Charakteristisch ist eS, das; ir diese Stellung nicht dem preußischen Ministerium, sondern dem Reichskanzler aus da« Kerbholz schreiben, lleberbaupt gewinnt eS nicbr und mcbr den Anschein, als ob die Gegner de« Vertrags mit ihren Agitationen weniger den Zweck ver- ölgten, den Vertrag zu Kalle zu bringen, als vielmehr das Ziel, dem Kanzler eine Niederlage zn bereiten. Immerhin inv die Aussichten aus eine Mehrheit im Reichstage sür den Vertrag nicht mcbr so günstig als in voriger Woche. Selbst Herr Nichter^giebt dies zu, nur vergißt er, hinzuzufügeu, daß er und Seinesgleichen ein gut Tbeil der Schuld an diesem Umschwünge tragen. DaS Jubelgeschrei und der maß lose Terrorismus der Demokratie ist den „KrcuzzeitungS"-Leuten vortrefflich zu Statten gekommen. DaS „Leipz. Tagebl." sagte alsbald nach dem Anbruch deS Hexensabbalh«: „Wen seine Uebcrzcugung bewegt, den Handelsvertrag zu befürworten, der wird von sich sagen müssen: eS tbut mir in der Seele weh. daß ich mich in der Gesellschaft seb'." Den Schwanken den hat diese Gesellschaft das Verbleiben auf der andern Seite erleichtert. Herr Richter verhöhnte die mittelpartci- lickcn Gegner des Vertrags, weil sic angeblich „die agrarische Kette am Fuß trügen". Er glaudle sic nicht nöthig zu habe». Heute zieht er sehr viel gelindere Saiten auf. Der llebcrmutb, der sich in dem Antrag auf sofortige Aufhebung der Kampsrölle kundgab, ist einer tiefen Niedergeschlagenheit gewichen. Wie natürlich, besckuleigt Herr Richter Andere „verkehrter Agita tionen" un-dasselbc tbut der „Berliner Börsencouricr", der sogar die Börse und ihre demonstrativen Hausse-Manöver sür die augenblickliche Lage verantwortlich macht. Gewiß nicht mit Unrecht, aber Förderer dieser Excesse waren eben dieser „Börsen- eourier" und seine Hintermänner. Es ist nicht nur schmerzlich, öubecn auch gcsabrlich, sich in dieser Gesellschaft zu bewegen. Heute werden die Zcbntausenve von Lankwirtke» viel leichter als vor drei Wochen an die agrarische Bebauptnng glauben, daß der Abschluß deS Vertrags nur im Interesse der Börse und der Speculation gelegen sei. Statt weiteres Terrain erobern zu können, sind die Freunde deS Vertrag« zunächst darauf angewiesen. Verlorene« zurückzugewinncn. Hoffentlich gelangen jetzt die Vertreter legitimer Interessen in daS Vorder treffen und machen wieder gut, was Tactlosigkcit und Unduld samkeit verdorben haben. 6. ll. Berlin, 22. Februar. Milte bcr siebcnziger Jabre stand hier bei den 1. Gardedragoncrn ein Prinz Hassan von Egypten; er war ei» ungemein lebenslustiger Herr und schied ini Jahre 1878 nur ungern von Berlin, als der russisch-türkische Krieg auSgcbrochen war. Vor etwa zwei Jahren trat hier als Fäbndrich bei den 1. Gardedragouern wiederum ei» egvptiscker Prinz, Aziz Hassan Bey, ein; er war ein außerordentlich geweckter ;ungcr Mann, der sicherlich auch ein tüchtiger Soldat geworden wäre, wenn ib» nicht das Spiel ruinirt bätte. Wir sabcn den jungen Prinzen sehr oft an der Wetlinaschiue (Totalisator), wo er »nt wenig Glück opcrirte. AIS da« Heer der Buchmacher eine Weile au ihm gesaugt batte, war er verloren. Freilich, der Schuhmacher, der sein Vermögen von l!»tu>0 .x: ans dem Rciinplay verloren balle unk dann wegen Buckmackeng (l .4: - Weiten) zu 14 Tage» Gesänaniß verurtbeilt wurde, gehörte nicht zu den Aussaugern deS Prinzen Aziz Hassan-Beu. Dieser mußte dieUnisorm auSz>eben,in der er sich so wohl gesuhlt hatte, und als der Executor die Pferde des Prinzen verkaufte silbrigen« ziemlich werlbloscS Material), da war die Rolle deS letzteren auch als SportSiiiaun auSgcspiclt. Es heißt nun, daß aus Wunsch de« Kaiser« unk aus Anordnung der Nenndirectio» mannigfache Veränderungen cintreten solle». Zunächst dürfte verboten werden, daß Ossicicre die Pferde aller möglichen und vielleicht auch unmöglichen Rcnnstall brsitzer reite»; auch die Rennurlaul'e dürsten stark eingeschränkt werden, denn eS war ja keine Scllcubcik, daß Ossicierc beule in Berlin, inorgcn in Hannover, übermorgen in Leipzig, am Tage daraus in Baden-Baden ritten, und jedeSmal sremdc Pferde. Auch in der Zulassung fremder Herrenrri.er wird nian etwa- vorsichtiger sein, nachdem man in England einem Mr. Teague, der sich seit Jahren an allen Hcrreureilen in Berlin betheiligtc, die Reitliccnz sür immer entzöge» hat. Aber alle diese Verbesserungen werden nickt viel nütze», so lange die großen Buchmacher, von denen ein Jeder Dutzende von Existenzen ruinirt, sich noch breit macken dürfen. j.j Berlin, 22. Februar. Die „Kreuzzcitung" ist froh, endlich einmal eine Kunkgebung aus industriellen Kreisen zum Abdruck bringen zu können, welche sich mit dem deutsch- russischen Handelsverträge nicht einverstanden erklärt. ES ist selbstverständlich, daß sür manche GcwcrbSzwcige beim Abschluß von HaiidelSrcrträgeii keine Vortheilc zu erzielen sind, und e» haben sich kenn auch früher scko», wenn es zur parlamentarischen Verhandlung von Handelsverträgen kam, Stimme» auch an- industrielle» Kreise» gegen die belrrffenden Verträge vernehmen lassen. Eö wäre also an sich durchaus nickt sonderbar, wenn dieser Vorgang sich gegenüber dem Keutsch-russF scheu HanrclSvertragc wicderboltc. Anssallen mußte vielmehr bisher die völlige Emniütbigkeit der dculschcn Industrie in der Beurtbeilung diese« Vertrage«. Dem gegenüber ist allerdings die Freute der „Krcuzzeiiung" begreiflich, daß sie wenigstens eine Summe aus der Industrie gegen den Vertrag ins Feld führen kann. Der Verband der Ledertreibriemen fabrikanten erklärt, durch den Vertrag nickt befriedigt z» sein, weil für die Treibriemen-Fabrikation keine Vor- theile abgesalle» wären. Nun wird auch der eifrigste Gegner eine- Handelsvertrages sagen müssen, daß dieser sür die Gcsamintheit der deutschen Interessen äußerst vor- theilbasl sein kann, selbst wenn er einzelne Branchen gar nicht berücksichtigt. Die Treibricmcnsabrckation aber i st in dem veutsch - russischen Vertrage berücksichtigt worden. Zunächst wird nur allzu leicht vergessen, daß gegenwärtig sür rcutschc Provenienzen an der russischen Grenze nicht die Zölle des MinimaltarifS von 1891, sondern die Kanipszöllc erbobrn werden. Der jetzige russische Zollsatz sür Treibriemen beträgt 15.60 Rbl. für daS Pud Nack Jnkrasttrelcn de- Vertrage« würde er allgemein wieder aus 8 Rbl. derunlergcben. Sodann ist aber sür einen große» Theil der Treibriemen, die nicht genähten
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