02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940226027
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-26
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vezug».Pret- tz, da Hauptexpedition oda den im Stadt, tairk oad den Bororten errichteten AuS- onbeslellen abgeholt: vierteti<chrlich>l4.5s>. bei zweimaliger täglicher Zustellung inj Hau» >äl Schü. Durch die Post bezogen für leutichlaud uud Lesterreich: vierleljädrlich 6.—. Directe tägliche Sreuzbandlendung i»S Ausland: monatlich 7.bO. Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich '/»^ Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» L Uhr. LeZ«ctiou uuL Erpeditiou: Aatzannesgaste 8. Die Srpedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: ttta «e»«'S Larti». «Alfred Hahn), UniversttätSslratze 1, Lch'id Lösche, tatharinenskr. 14, part. und »-»kg-platz 7. Nlbend-A«sgabe< MMMr.TlUMatt Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Kandels- and Geschäftsverkehr. Montag oen 26. Februar 189-1. Anzeigeu'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Meclamen unter demRedaction»skrich (4g«» polten) S0^, vor den Familiennochrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schrislr» laut unserem Preis, verzeichnih. Tabellarischer und Zisfernfatz nach höherem Tarif. Srptra-Vrilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-ÄnSgabe. ohne Postbesörderung 60—, mit Poslbeförderung ./t 7V.—-. Annalfmeschluß für Äuzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morg« n-Äu»gabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ',',0 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen >« rin» halbe Stunde früher. Anjeigrn sind stets an die Expeditta» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 26. Februar. Die Berliner Blatter widmen ibre Leitartikel fast aus nahmslos der Entscheidung der großen Tazesirage des Hailde1S»ertragS. Die „Kreuzzeilung" sagt zwar, die publicistische Erörterung des Themas habe kaum mehr einen greifbaren Zweck, aber auch sie „geht in die Laube", Ucbriaens ist eS gar nicht richtig, daß wir unmittelbar vor der Ent scheidung stehen. Bon der zweiten Lesung trennen uuS noch mindestens zehn Tage. Zn diese Zeit fällt, nament lich im Cenlrum, die Kleinarbeit, die gesonderte Be handlung der einzelnen Abgeordneten. Möglich ist, daß auch Abgeordnete aus anderen Parteien nach Rück sprache mit den führenden Persönlichkeiten ihres Wahlkreises ihre, sei es auf Nicderlegung des Mandats, sei es aus Ab lehnung deS Vertrags gerichteten Entschlüsse zu ändern im Stande sein werden. Jedenfalls lann jeder denkbare Wechsel deS augenblicklichen Bildes sich nur zu Gunsten deS Vertrages vollzieben. Ueber den AuSgang dieser schwersten Krisis, die wir seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck durchzumachen habe», sich in Vorhersagung zu ergeben, wäre scheu deshalb ein thörichteS Beginnen, weil mehr als eine die Freunde des Handelsver trags befriedigende Lösung möglich ist. Ein Berliner Blatt schreibt: „Die Regierung wird entweder nicht de» 20. März oder der 20. März wird de» russischen Vertrag nicht erleben." Das ist viel zu scharf pointirt, weist aber au« eine Möglich keit hin, die von ernsthaften Politikern nicht ganz von der Hand gewiesen wird. Gewiß ist: wenn der russische Handels vertrag unter Dach kommt, im Uebrigen aber Alles bcini Alten bleibt, so werden wir bald einer neuen Krisis zutreiben. Tie Trennung der Aemtcr des Reichskanzlers und deS preußischen Ministerpräsidenten ist eben unhaltbar und eine Wiedervereinigung ohne Personenwechsel ausgeschlossen. Eine sehr erfreuliche Folge der letzten Ttznamitattentate iu Paris ist zu verzeichnen: die Gleichgiltigkeit, mit der man die „Heldenthaten" der Dynamilbrüder bisher über sich ergehen ließ, hat eurer allgemeinen Erbitterung Platz gemacht und heute dürfte kaum noch ein Blatt eS wagen, Worten der Entschuldigung oder gar der Verherrlichung eines Ravachol und seiner Nachfolger Raum zu geben. Selbst die radicalen, ja sogar die socialistischen Blätter wetteifern geradezu mit den gemäßigten Organen, wie z. B. dem „TcmpS" und den „DöbatS", um ihrem Abscheu vor dieser Verbrecherpropaganda den energischsten Ausdruck zu verleihen. Das giebt der französischen Regierung eine große Actionsfreiheit gegenüber den Anarchisten. Alle Welt verleugnet sie, so argumentiren viele Pariser Journale, und da wird sich auch Niemand finden, der sich darüber beklagt, wenn gegen die Anarchisten die strengsten Maßregeln ergriffen werden. Man beginnt denn auch in Paris nach Mitteln zu suchen, um die Wiederholung anarchistische: Mordanschläge, soweit irgend möglich, zu verhindern, und bei der großen Schwierigkeit für die Polizei, wirklich präventive Schutzmaßregeln zu er greifen, gewinnt die Idee, alle Anarchisten, die ihr terro ristisches Glaubensbekemrtniß in irgend einer Weise öffentlich bekannt haben, nach einer der französischen Colonien zu verbannen» immer mehr Anhänger. Das „Journal des TöbatS" meint sogar, man könnte den Anarchisten keinen größeren Gefallen erweisen, als sie auf einige der noch rmcultivirten, aber nichts desto weniger sehr fruchtbaren fran zösischen Inseln zu verbannen, wo sie nach ihren Idealen eine Freiland-Gesellschaft begründen könnten. Dieser Vorschlag hat UbrigenStas Stadium derpublicistischenDiScussion noch nickt verlassen, was Henri Rochefort aber nickt bindert, de» Lesern des „Jnlransigeant" bereits die bevorstehende Einbringung eines „Gesetzes der allgemeinen Sickerbeil" behufs Deportation aller Verdächtigen in näckste Aussicht zu stellen. Man mag ja über die Wirkung eines solchen Gesetze- gelheilter Meinung sein, jedenfalls muß man eS mit Genugthuung begrüßen, daß in Paris ein so radikaler Umschwung der öffentliche» Meinung den Anarchisten gegenüber eingetretcn ist, der in einer zu so weitgebende» Vonchlägen sich steigernden Energie zu Tage tritt. — Auch aus England kommen Nackrichte», welche eine täglich wachsende und sehr handgreifliche Formen anncbmendc Bewegung gegen die Londoner Anarchisten- Colonie und die liberale Regierung constatiren, die sich »och immer nicht zu energischen Maßnahmen gegen die geschworenen Feinde der menschlichen Gesellschaft auszuraffen den Muth gefunden hat. Der Engländer ist schwer beweglich, und eS muß schon sehr derb kommen, wenn er sich aus seinem Glcichmuth aufraffen soll; dabei ist er kein Freund von weitgehenden Beschränkungen der persönlichen wie der politischen Freiheit, und er ist zu egoistisch, um Len Nachbarn jenseits des Eanals zu Liebe sich ohneweiteres Be schränkung aufzuerlegcn. Um so hoher ist eS anzuschlagen und um so größeres Gewicht ist daraus zu legen, daß der gemeine Mann sowohl wie der Gebildete in England eö als eine nicht zu umgehende moralische Verpflichtung seiner Re gierung empfindet und unumwunden anerkennt, endlich au« der Rolle eines unbetheiligten Zuschauers herau-zutrete». Weiß die englische Regierung einmal die große Maste der „Wähler" hinter sich, dann, so hoffen wir, wird auch sie Len Muth ehr licher Entrüstung und energischen Handelns finden. Die Forderung nach einem eigenen und selbstständigen französischen Colonialministerium wird in Paris im Anschluß an die Nachrichten aus dem Sudan wieder lauter erhoben. Durch Briefe des bei dem Ucberfall von Dugoi umgekommenen Commandanten Hugueny, die vom 6. Tecember v. I. stammen, scheint sich die Mitthcilung deS „Figaro" — wenn auch nicht ihrem ganzen Umsang nach —zu bestätigen, daß Oberst Lonnier nicht aus eigene Faust nach Timbuktu marschirte, daß der Marsch auf Befehl der locale» Colonialbehördcn »»geordnet und vorbereitet wurde, allerdings ohne Wissen der französischen Regierung. Durch Schaffung eines EvlonialministeriumS würde der bisherigen Zerfahrenheit vorgebcugt werden, so daß es nicht mebr geschehen könnte, daß man, wie cs bei der Einnahme von Timbuktu der Fall war, mit den TuarcgS der südlichen Sahara Krieg führt, während man gleichzeitig mit den nördlichen Tuaregs in freundschaftlichen Unterhand lungen steht. Es wird besürchlet, daß diese nun inS feind liche Lager übergehen, und der Gouverneur von Algerien, Cambvu, hat einen Eilboten abgesandt, um jene Expeditionen zu warnen, die sich mit einer Abordnung von Tuareg« ins Innere der Sahara begeben haben. Es herrschen über das Schicksal der Expeditionen große Besorgnisse. Eine fran zösische Truppencolonne ist bereits von Goleah aus bis Bel-Heiran, ungefähr 220 Kilometer von Tuggurt, vor gedrungen, um dort ein „Bordj", eine befestigte Station, zu erbauen. Ein weitere« Vorgehen wird auch sie auf» geben müssen, denn daß die Ereignisse bei Timbuktu die nördlichen Tuaregs unbeeinflußt lasten sollten, glaubt Nie mand. Die jüngste Hiobspost aus St. Louis am Senegal, welche die Ermordung des Verwalters von Dagma, Vincent, meldete, und die mißlicken Verhältnisse in Tvnki», wo die chinesischen Mandarinen die geringe französische Macht' cntfaltung benutzen, um mit den Seeräubern gemeinsame Sache gegen Frankreich zu machen, werden der Forderung nach einem besonderen Colonialministerium, die bekanntlich bei dem letzten CabinctSwecksct beinabc verwirklickt worden wäre, besonderen Nacktruck geben; ihre Berccktigung ergiebt sich aber schon aus der Ausdehnung und der Wichtigkeit deö französischen ColonialbesitzeS und aus de», in letzter Zeit so energisch zu Tage getretenen Bestreben, denselben noch weiter zu vermehren. Eine Vergleichung der kürzlich publicirten Ouartierliste der russische» Armee vom Januar >804 mit der Ouarticr- liste deS vorigen Jahres läßt erkennen, daß die Reorganisation der russischen Wehrmacht auch im abgelausenen Jahre sehr beinerkcnSwertbe Fortschritte gemackt Kat und daß auck während deS Jahres 1802 eine Reibe von Neu- sormationen vollzogen worden ist. Als solche sind ins besondere zu verzeichnen die Bildung von l6 Reserve- Brigaden, die sich im Falle der Mobilisirung zu Reserve- Divisionen erweitern; ferner die Ausstellung von zwei neuen Belagerungs-Bataillonen für die Festungen im Westaebietc, die Errichtung von drei selbstständigen Batterien in TranS- kaSpien, die Formirung von zwei ostsibirischen Linien- Bataillonen und endlich die Reorganisirung und ausgiebige Vermehrung der Grenzwache, die in einem künftigen Kriege in Europa eine bervorragendc Rolle zu spielen berufen ist. Die im asiatischen Aiußland und im Kaukasus zur Errichtung gelangten Truppen-Abthcilungcn kommen zwar für eine» europäischen Krieg kaum in Betracht, doch müssen auch die Neusormationen im Auge bekalten werde», da das russische Kriegsministerium mit ihnen offenbar den Zweck verfolgt, in jenen Gegenden selbstständige Territorial corps zu schaffen, wodurch eS dann möglich werten wird, die noch im Kaukasus und in Asien befindlichen europäischen Truppen allmählich »ach dem Westen zu ziehen, um sie im Falle eine« Krieges hier zur Verwendung dringen zu können. Wie verlautet, sollen in der That bereits im laufenden Jabre einige auf diese Art im äußersten Osten und Süden disponible Truppenkörper nach den westlichen Gouvernement« verlegt werden. Als eine erfreuliche Thatsache muß übrigen- constatirt werden, daß die heurige Lluartierliste im Vergleiche mit der vorjährigen nur geringe Garnison-Veränderungen ausweist. Da« Jahr >802 war somit eine Zeit de« Still standes in dem Heranfluthen der russischen HeercSmassen nach den Weslgrenzen deS Reiches. Diese erfreuliche Erscheinung und eine Reihe anderer von nicht geringerer Bedeutung gewähren der Hoffnung Raum, daß auch daS Jahr 1894 einen friedlichen Verlauf nehmen werde. Am Mittwoch entschied der tulzarische CassationShof in Sofia in letzter Instanz in dem Processe gegen den Metropoliten Clement von Tirnowo, der bekanntlich gegen da« Urtheil deS Tirnowoer Appellations-Gerichte« die Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hatte. Wie erinnerlich, hielt Clement am 12. 26. Februar vorigen JahrcS in der Ka thedrale zu Tirnowo eine Predigt, welche sich gegen die Verfassungs-Revision richtete und versteckte Aus fälle gegen die Regierung und den Fürsten enthielt. Msgr. Clement wurde von einer Volksmenge gewaltsam ent führt und »ach einem Kloster gebracht und später auf Grund der gepflogenen Untersuchung vor Gericht gestellt. DaS KrciSgcricht verurtheilte ihn wegen Verleitung der Bevölkerung zum Ausstande zu lebenslänglicher Deportation; daS Appellgericht jedoch nahm nur Schmähung der Regierung und des Fürsten als vorhanden an und verurtheilte ihn zu dreijährigem Gefängniß mit der Zulässig keit der Umwandlung dieser Strafe in eine zweijährige Gegen dieses Urtheil ergriff der Metropolit die Nichtigkeits beschwerde, und sünf juristische Koryphäen, darunter die gewesenen Minister RatoSlavow, Stoilow und Tontschew. übernahmen seine Verlheidigung. DaS Berlangen nach Cassirung dcS UrthcilS wurde mit folgenden Gründen motivirt: l) Mit der Jncompctenz der weltlichen Gerichte» da Clement in der Ausübung seines geistlichen AmtcS ge handelt habe. 2) Mit der Theilnakmc eines Richters, wel cher über Clement urtheilte, an den Volkskundgebungen gegen den Metropoliten. 2) Tie Nicktbcrusung der von Clement namhaft gemachten Entlastungszeugen. 4) Mit dem Umstand, daß cs Clement nicht möglich war, vor dem AppeUgerickt seine Vertbeidigung persönlich zu führen. Man war allgemein aus eine Cassirung dcS UrtbeilS gefaßt. Auf diese Weise wäre die Möglichkeit geboten worden, durch die Nichterneuerung der Anklage die ganze unbequeme Frage aus der Welt zu schassen. ES i)t nicht unwahr scheinlich, daß diese Wendung auch der Regierung willkommen gewesen wäre, und es verdient bemerkt zn werden, daß der Staatsanwalt am CassatioiiSbofe die Cassirung deS UrtheilS nickt sehr entschieden bekämpft hat. Der Gerichtshof jedoch fand, daß die vorgebrachtcn Gründe die Annullirung des UrtbeilS nicht rechtfertigen würden. Somit tritt da- letztere^in Rechtskraft Dadurch wird die Frage auf den alten Slaiidpuiicl zurückversetzt, und eS besteht nach wie vor der Gegensatz, daß die Kirche Clement heute noch al- den rechtmäßige» Metropoliten seiner Diöcese betrachtet, während andererseits die Regierung seine Rehabilitirung nicht zulassen kann. Deutsches Reich. * Lrchzrg, 26. Februar. Ei» Stücklein echt ultra- montan-polnischer Anmaßung war eine Aeußerung de« römischen Priester« und polnischen ReichStagSabgeordnelen v. JazdzewSki in der Budgetcommission deS Reichstage« bei der Erörterung der bekannte» CabinetSordre König Friedrich Wilhelm S IV, über die Mischehen der Officiere. v. Jazdzcwök« behauptete nämlich, die Zulassung der Misch ehen sei überhaupt rin Zugeständniß der römischen Kirche, „und wer etwas gäbe, v e r l a a g e a u ch e t w a S." Aber in demselben Augenblicke, wo er zugiebt, daß die römische Kirche solche Angelegenheiten, wie dir Schließung der Ehe, unter dem GeslcktSpunct eines Ge schästS oder einer Offerte (rin ut cles) betrachtet, versichert er feierlich: „Die Autoritäten der katholischen Kirche würden in dieser Beziehung von ihrem Princip nicht abgehcn." Beim Handeln wird doch vorgeschlagen, und von JazdzewSti, welcher der cvangclischen Kirche Mangel a» festen Grund sätzen vorwirft, sollte doch wissen, daß gerade die Autori täten der römischen Kirche besonders bei Mischehen gern über die Principicn — mit sich reden taffen. Der Papst und seine Berather sind sehr geneigt, zu Misch ehen ihren Segen oder TiSpenS zu gebe» — wenn nur dabei für dcn päpstlichen Säckel etwas abfällt. Zeigte sich koch Leo XIII. sogar bereit, die Mischehe zwischen einem Juden und einer Katholikin nach dem Muster seiner Vorgänger Gregor XVI. und Pin« IX. zu genehmigen. Freilich hatte ihm der HciratbScandidat dafür 200 000 Gulden und die Abtretung deö Patronats über 18 römisch katholische Pfarr stellen versprochen! Wen» er schließlich dock am 10. sijkbruar 188,7 die bereits crlheillc Erlaubniß durch zwei Tele gramme vom 18. und 20. Februar zurücknahm, so that er die« nur mit Rücksicht auf den Unwillen der ungarischen Bischöfe. Und daß Päpste „unlösbare" Ehen a»fgelöst babcn. ist auch öfter als einmal vorgekomnie». Natürlich können nur sekr, sehr reiche Leute auf solchen DiSpens hoffen, denn Aj Fa««llet»ir. LIlid- Siljlröm. Roman von H. Palme-Paysen. Nachdruck verdele». (Fortsetzung.) Hoch über der Loge dieses einflußreichen Mannes, da saß die alte Murre. Sie hielt sich in ihrer angstvollen Erregung so gerade und steif wie ein Stock. Die alten, knöchernen Hände batte sie fest ineinander gepreßt, so daß sich die Nägel in die Haut gruben und dort ihre Male hinterließen. Wer recht- und link« von ihr saß. da« hätte sie nicht zu sagen vermocht. Behäbige Bürgersleute waren eS, die während der Vorstellung schwatzten, lachten und kauten. Murre« Augen kannten nur ein Ziel, die Bühne, und auf dieser ihren Liebling. Wie süß, wie wonnig daS Kind auSsah und wie eS tanzte. O, diese Leute! Daß sie nicht schon jetzt in Bei fall ausbrachen. Plumpes, dummes Volk! Von der Kunst verstand e« nicht». Gleich mußte der erste Aufzug beendet sein. Da kommt sie noch einmal heran, die holde Ellida, und steht mit einer meisterhaften Pirouette vor der Rampe, in einem den Schluß de« Neinen Ballet« bildenden Vallabile. Der Vorhang fällt, die Musik schweigt. Oben >m dritten Stock entsteht ein energische- Klatschen, in da« Einige. Wenige eiostimmen, we-halb gleich >m Entstehen der laue Beifall wieder erstickt wird. Nun rauscht und summt die Unterhaltung durch da- Hau«. 28. Cavitel. „Guten Abend — wie amüsiren Sie sich — wa» halten Tie von der neuen prima Killerin»? — sie sieht ganz leidlich au», nicht wahr? tanzt auch ganz nett. Aber «sie werden doch nicht von ihr erreicht, angebetete« Fräulein Sonfidia." So sprachen die Herren durcheinander, welche im Zwischen «t Fräulein Sonfidia in ihrer verhängten ProsceniumSloge ihre Aufwartung machten. Werner und einige seiner Bekannten befanden sich auch darunter. „Mir gefällt sie recht gut — ein völlig sicheret Urthei! lau» man nach diesem ersten Act noch nicht haben. Sie ist «ch sehr jung — ich konnte mich in ihrem Alter eine« so schnellen Engagements auf einer ersten Bühne nicht rühmen. Sie bat einfach — Glück gehabt. Ein unverschämte» Glück." „Wenn sie eS nur festzuhalten versteht, ja — jetzt steht's noch auf sehr wackeligen Füßen", meinte Lieutenant Feuer. „Hat sie Ihnen noch keinen Besuch gemacht, um sich Rath zu holen?" forschte Werner, der den Vorzug batte, neben der Sonfidia Platz nehmen zu dürfen. „Sonderbarer Weise — nein. Sir muß sich recht sicher fühlen auf ihrem Boden und eine gute Portion Selbstbewußtsein besitzen, um zu glauben, meiner überhaupt nicht benöthigt zu sein." Ersichtliche Empfindlichkeit drang hindurch. Fräulein Son fidia setzte ihren Fächer in lebhafte Bewegung. Sie besaß neben ihrer etwa» brüsken Sprechweise auck ein mehr kräftige-, als zarte- Gesicht und einen vollen blühenden Körper, näherte sich auch bereits dcn Dreißig. Um ihre redseligen Lippen schwebte stets ein lustig-spöttischer Zug, ihre säst schwarzen Augen konnten, wie eben in diesem Augenblick, heftig blitzen, zeitweise auch einen recht koketten oder schmachtenden Ausdruck annebmen, nach Laune. Wer sich ihr unterstellte, dem war sie gewogen und dem hals sie auch; wer sich mit ihr messen wollte, der war von vornherein ihrer Ungnade gewiß, sie war ebenso ehrgeizig wie berrschsüchtig, und deshalb oftmals sehr kleinlich und eng im Empfinden. Selbst jetzt noch, wo sie von der Bühne abgetreten war und einem glänzenden Leben an der Seite dcS LaronS von KosSky entgegensah, lebten ihre Gedanken und Wünsche immer noch auf den Brettern. Noch bi« zum letzten Augenblick hätte sie dort gern ihren Einfluß anerkannt gesehen, >a noch geltend gemacht. DaS Gefühl, eine abgeseyte, bald vergessene Größe zu sein, bemächtigte sich ihrer diesen Abend zum ersten Male, daneben eine triumphirende Schadenfreude, al- sie sah, wie lau sich das Publicum ihrer Nachfolgerin gegenüber verhielt. Sie befand sich daher auch in ganz guter raune, lackte, scherzte, und kam jedem der sie umschmeichelnden Eavalirrc mit der größten Liebenswürdigkeit gen. Werner von Hochstedt nützte diese günstige Gelegenheit aus, einen verschwiegenen Wunsch zum Ausdruck zu bringen. DaS auf die Erde gefallene Svitzentuch der schönen Sonfidia aufhebead und e» mit der ihm eigenen chevalereSken Grazie darrrichend, sagte er: „Ich preise diese Stunde, in der man endlich wieder einmal da- Wort an Sie richten kann. Sie leben seit Ihrer Verlobung ja wie ein Dach» ia der Höhle — verzeihen Sie diesen unzutreffenden Vergleich — man be kam Sir aber in der That nicht zu sehen und wußte auch nicht, wie man unsere Allverebrte aus dem Versteck hcrauS- locken sollte." „Aber was wollen Sie denn mit mir, was steckt hinter Ihren Worten, Herr von Hochstedt", lackte die Sonfidia, „giedt eS irgend ein Eomplot zu schmieden oder auszuführen, dann bin ich nicht für Sie da, giebt es —" „Eine Ucberrasckung giebt eS, daS ist einmal sicher", antwortete Werner, sick etwas zurücklehncnd und die Sonfidia scharf fixireud, „das heißt, wenn Sie sich eben überraschen lasten wollen — komnien wollen." „Wobin, mein Gebieter?" Die Sonfidia warf sich graziös zurück und blickte unter halb gesenkten Augenlidern nicht ohne Koketterie den schönen jungen Mann an. „Vortrefflich. Als Gebieter darf ich befehlen. Nicht« desto weniger flehe ich Sie an —" Werner verschloß dcn Spalt der verschobenen Gardine, beugte ein wenig das Knie und zog die Hand der Schönen an seine Lippen —, „flehe ich Sie an, Angebetete, mir und meinen Freunden allernächsten« die Ehre, die Gnade zu erweisen, zu einem Festesten sich einzustelle», an einem ganz wunderbaren Fleckchen Erde, daS Ihr schönes Auge, trotz langen Aufenthaltes hier, nimmer bisher ge schaut hat." „Sie machen mich neugierig." „Brillant, dann sind Sie halb gewonnen." „Wer sagt Ihnen das, Boshafter?" Werner erhielt einen kleinen Schlag mit dem Fächer. Er erhob sich von seinem Kniesalle und nahm eine bequemere Stellung ein. Die Officiere hinter ihm zischelten und moquirtcn sich über seine Galanterien. „Habe ich Aussicht, Sir für den Abend, der boffentlich ein recht vergnügter wird, zu gewinnen?" fragte er dringlich. „Sie wissen ja, ich habe jetzt Rücksichten zu nehme» — bin gebunden", wandte die Tänzerin mit kokettem Zögern rin, mit einer Miene, die so viel hieß, wie: ich möchte schon — aber ich darf nicht — wenigsten« muß ich erst einige Schwierig leiten machen — bitte ein wenig mehr und ich willfahre Dir. Und so geschah c». Werner bat, flehte, entwickelte seine ganze bezaubernde Liebenswürdigkeit und erreicktc, wa- er erstrebt. Di« Sonfidia sagte ihm ibr Erscheinen an dem mpstlschen Orte zu, zwar unter der Bedingung völliger Ver schwiegenheit — der gute Baron durfte um HimmelSwillen nicht eifersüchtig gemacht werden — und der Zusage, daß noch andere Frauen au» der Kunstgenoffeoschast außer ihr eiiigeladeii würden. Alles Nähere sollte aus brieflichem Wege verabredet werde». Inzwischen batte der zweite Aufzug begonnen und die Herren wünschten, »m keine Störung zu verursachen, wäkrend desselben in der Loge zu verbleiben. DaS war ein Zischeln und Kichern. Ungewogen siele» RedesloSkeln spöttischer, schärferer Art von den Lippen dieser veilvöbnte» und rück sichtslosen Lebemänner. „Na", sagte einmal die Sonndia, „wenn Sie so auch über mick seiner Zeit herqefallen sind, so würde ich Sie ein für alle Mal au« meiner Nähe verbannen — da- ist ja ganz ungebruerlick. Vorsicht, meine Herren. Sic geben sick beute Abend gänzlick in meine Hände. Wenn ich der Silström auch nur ein Drittel Ihrer kritischen Bemerkungen verratke, so würde daS schon genügen, Ihne» ihre Gunst auf ewig zu verscherzen." „Gunst", wiederholte Werner, indem sich seine Stirn in leichte Falten zog, er schob dabei ein wenig die ProscemumS- gardinc auseinander und blickte zur Bühne, auf die soeben die kleine Silström bergesloge» tam — „Gunst, ich glaube, daß eS dieseni selbstgefälligen Mädchen ganz gleichgiltig ist, wie man über sie denkt und spricht." ^ „Obo", ries Lieutenant Feuer, „sie wird eS noch lernen, uns zu respectircli, okne die Huldigungen tonangebender Männer wird eine Tänzerin niemals Epocke macken: sangen wir unsere Schulung schon an diesem Abend an." „Macken wir die Probe aus da« Erempcl, ob ihr irnserc Gunst respective Ungunst gleichgiltig ift", ergänzte Büthow lässig . . „Meine Herren", näselte Millwosck, sich mit seinem duftenden Tasckeutuch Kühlung zusächelnd, „setzen wir uns im nächsten Act wieder in« Parket, dcmonstriren wir, wenn, wie erst, oben im Himmelreich daS ordinäre, natürlich bezahlte Klatschen ertön«" Werner schüttelte den dunklen Kops. „Nicht doch — lassen wir sie lausen — richtiger: lassen wir sie tanzen, ob aut oder schlecht — kümmern wir uuS nicht weiter um daS Zicrpüppchen." ES war ernst gemeint, klang aber so verstimmt, daß sich die Herien nun erst recht gestachelt fühlten, ihren Vorsatz auszuführen. Und wie war Ellida zu Mulhe ? (Fortsetzung folgt)
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