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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940302021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894030202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894030202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-02
- Monat1894-03
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111.— 101.— 101.7, 97.— 10».— 9?« 102« 102.8, V2« >» n >.) l> u) 1> >.) r> »> «t r) « v k >4 » 10S.7» 3«- 73.A 60.2t !o«Ä 1«s «621 236- 164 2, 149.7, 118.- 193- 30.— 22,.- 77- 3L.2, 130- 72,« 191.2, 139- 123« 10«?i «-> .«I o> >r »1 «> » 3.» !K> rt> »»> U!> o .?. «i 21«- 102« .20^- 190- 190,- 30.- 130 — 90.- «.- 90.— 220.- „30 149.— «3.— SS.« 96.7, 23.— 01« 163« 163.1, 217« 216.— 217« ll». 321^, 1«« 141.- 112.80 76« 88-.> 267'» 43'. 133 60 137 90 180 20 138.20 SS« LOO>. 1,2 SO 133.SO 62.80 136 80 118.80 124.70 147.30 Orsallrciieo ei». 133.20 IM.- 126- 148.60 138.20 1S«dO ll«vt >»dl> 137« 71.- 96.2, 113.40 131.— 149.72 IS«— 124.30 83.— 163.60 22 >.— 12S.2S Uisuer 7« 10 2SS0- 324 50 276 7, 106.40 223.7, 1VL« SS« 21«« 102« 6107>, 12480 49 62'^ 0.82 61.07>, 1.34'. 118.« 100.- » »mvLrvx» 14» >. 63^ 60 14>. 64«, 40 381, «>t> V«tvL«rUcd- e.1«k 1113.20 141.« 73- lt»it» 930.- SS 60 2740.— 600.60 63 40 367.— « ^'^0 I <i«w U«6U««1! U», >9»ll2 >9»v>c S^llk ipSIdr >nt>»3a leUu» ,9-^. 487 028 1S4 281'!, 11» 9. rack« 0«». c« 0.48). »,s«r,No»»r>»' >. 8 1i»vlA»tioi> 0»wi»7n.6112 VezugS-PreiI t, La Hauptexpedition oder den im Stadl, bezirk und den Bororten errichteten Au», oabeitellen abgehalt: vierteljährlich^4^0, bet zweimaliger täglicher Zustellung int Hau» >l S«. Durch die Post bezogen sür Leutschland und Oesterreich: vierteljährlich » S.—. Lirectr tägliche »reuzbandienduug int Ausland: monatlich 7.50. Di« Morgen-Au-gabe erschc-nt täglich '/,7 Uhr, di« Abend-Ausgade Wochentag; b Uhr. NÄartion and Lrvedition: 2»hanue«,affc 8. DKLpvedÜion ist Wochentag; ununterbrochen gMnet »on früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtt« Klemm » Sorti«. (Alfred Hahn). Universitätsstratze 1, Soz i» LSschr. -Phariaenstr. 14, Part, und KSuigSplatz 7. Abend-Ausgabe. rimiger.TWeblatt Anzeiger. LlMN für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclameu unter demRedactioaSstrich (4ae» spalten) 50vor den Aamilieanachkichtui (6 gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsas noch höherem Tarif. inxtra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefLrderung 60.—, mit Poslbesörderniig 70.—. ^nnahmeschlutz für ^ureigen: Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ",9 Uhr. Bei Len Filialen und Annuhmesirllen >e eine halbe Stunde früher Anzagrn sind stet« an die Expe-tiion zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. lll. Freitag den 2. März 189t. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. März. Der Reichstag hat gestern die erste Lesung des deutsch- rusfischen HanSelsveitragS beendet und trotz de- Eif'ernö de« Herrn Eugen Richter die Verweisung des Vertrage« an eine Commission beschlossen, die voraussichtlich schon heute ge wählt weiden und dann sofort an ihre Arbeit geben wird. Vor Schluß der Bcralhunz erhob noch der preußische Finanzminister llr. Miguel, dem die Gegner des Vertrags angedichlet batten, daß auch er zu de» Gegnern gehöre, seine gewichtige Stimme, um nicht nur dieses Manöver zu kennzeichnen, sonder» auch die Richtigkeit der von den Vertretern der Lantwirtbschast gegen den Vertrag ins Feld geführten Gründe darzuthun unv diesen Herren zu zeigen, daß es zur Beseitigung des thatsächlich vorhandenen RolhstandeS der Lantwirtbschast ganz anderer Mittel bedarf, deren Anwendung wenigstens in Preußen in sichere Aussicht gestellt wurde. Daß der Landwirtbschaslsminister v.Heyden den Erklärungen seiner EoUegen sich answloß, hat zweifellos einen bedeutenden Eindruck auf die agrarischen Gegner des Vertrags gemacht, deren Halst beständig im Ab- nebmen begriffen ist. wäbrcnd die der Freunde wächst. Schon jetzt kann es als zweifellos betrachtet werden, daß der Ver trag angenommen wird — trotz der Gunst, die er bei Demokraten und Socialdemokralen siurel. Wenn die Herren Richter und Singer sich für eine Sache begeistern, so ist eS begreiflich, wenn Landwirlhe und Gewerbetreibende miß trauisch werden. Indessen, wer eine Geschäftsreise vor hat, giebl sie nicht auf, weil Leute mit ihm in demselben Evupe fahren, die ihm nicht gefallen. Unangenehme Gesellschaft ist kein Grund, das Richtige nicht zu thun. Und die Annahme des russischen Vertrage- hat sich im Lande als daS Richtige, mindesten« als das kleinere Uebel herausgestellt. Die Industrie, nicht nur der Handel und die Börse, ist im Ganzen mit dem Vertrage sehr zufrieden. Sie vergleicht den Instand, welchen der Vertrag herbeisührt, mit dem Hustanke vor dem Zollkrieg und findet eine sehr bedeutende Verbesse rung, namentlich wegen der Sicherung de- Absatzes aus zebn Jahre. Andererseits ist die Frage „Kann der höhere Holl von 5^ti, nur an einer Grenze erhoben, der Panbwirlbschasl nilyen?* verneint worden. DaS war eie Eardinalsrage, und weil sie nicht zu seinen Gunsten beantwortet werden konnte, buscht« der Hauptredner der ostpreußischen Großgrundbesitzer, Gras Mirbach, im Reichstage an ihr vorbei unv zerbrach sich den Kops der Industrie. Nicht nur das Mehr von l .sl 50 ^ hat niHls genützt; seit 1. August vorigen Jahres erbeben wir an der russischen Grenze 7 50 Zoll („Kamps- zoll"), und auch während dieser Zeit sind die Getreibeprcffe immer mehr herabgegangen. Und zwar waren, wie im Reichstage nachgewiescn wurde, die Preise an» niedrigsten gerate an der gesperrten russischen Grenze. Die ^sachc ist die: Deutschland braucht mrbr Roggen, als es hervorbringt; kommt er nicht aus Rußland, so kommt er anderswo her. Daß er, von Rußland kommend, zunächst im preußischen Osten aus die Preise drücken würde, wäre richtig, wenn nickt der Identitätsnachweis aufgehoben würde. Die« geschieht aber und damit erhälC der Osten, der sich mit seinem eigenen Ueberfluß selbst die schwerste Eoncurrenz macht, Lust. Er kann sein Getreide ins Ausland auMbren, wo eS beliebter ist als in Deutschland. Dadurch, und weil auch die Stasseltarise auszehoben werden, werden im Westen und Süden die Preise vor einem Sinken bcwabrt, da« der Landwirlhschaft bedrohlich werden müßte. UebrigenS ist der Gesetzentwurf über dieAufhcbung des Identnäl- nach weises aus dem Bundesralhe mit einer erheb liche» Verbesserung an den Reichstag gelangt. Die Einsubrscheine, welche bei der Ausfuhr von Getreide gegeben werden und zu zollfreier Einfuhr der gleichen Menge Getreide berechtigen, sollen nur sechs Monate (statt neun) Giltigkeit haben. Erwägt man, daß der Buntesratb die Verwendung der Einsubrscheine auch auf andere Maaren gestatte» kann, so müsse» jetzt alle Vcdciiken schwinden, die sich an die Möglichkeit knüpften, die Scheine könnten erkeblich unter den Zollwertk sinken und zu speeulativem Unfug miß braucht weite». Nach den Erklärungen de« Abg. I>r. Lieber darf es denn auch als gewiß erscheine», daß auch Eenliumö- Mitglieder aus dem Weste» sür die Aufbcbung des Identitäts nachweises und sür den Vertrag stimmen werden. In Frankreich intcressircn, wie eS scheint, die Verhand lungen des deutschen Reichstag« über den russischen Handelsvertrag mehr, als die im Senate über die Er- böbung de« französische» Kornzollcs intcressirt baden. Ter Mebrzabl der französischen Blätter gilt es als clwaS Selbstverständliches, daß der Vertrag die deutsche La»d- wirthschaft schärigen würde; statt aber deshalb die An na bin c dcS Vertrags zu wünschen, wünsche» sie die Ver werfung desselben. DaS gebt deutlich aus einer Auslassung des „TempS" hervor, der an die Annahme, der Vertrag werte höchstens eine Mehrheit von zwei Srinnne» finden, die folgende Bemerkung knüpft: ,,Ta» wäre wenig, um daraus eine Handelspolitik fest zu be gründe». zuiiial wenn inan erwägt, aus wie fremdartigen Elementen sie gebildet märe. Ter Kanzler und ein System, dem der Kaiser so viel Bedeutung beilegt, gerettet durch die Stimmung der BoU- blut-Elsaß-Lotdringer, da« wäre schon picant. Aber was zu diesem Reltungswerk jagen, das Lurch die zum Erreichen einer Regierung«, mehrheil »oihwendigen Herren Richter und seine Freunde und die Socialdemokraten äusgeübt wird! Es scheint in der Thal nicht, dag der Reichstag, wie er gegenwärtig zusammengesetzt ist, ein folgerichtiges Regieren gestattet." Warum der „TempS" die Verwerfung wünscht, liegt frei lich klar am Tage. Nichts könnte unser» getreuen Nachbarn jenseits der Vogesen erwünschter sein, als die Verwerfung des Vertrags durch den jetzige» Reick-'lag, welche unsere w>nh- schastliche» und politischen Beziehungen zu Rußland gründ lich verschlechterte und zugleich die abgeküblteu sranzösiich- russischen Beziehungen um einige Grade erwärmte. Darüber, daß der „TempS" aus diesem Grunde und nickt au« Liede zur teulschen Lantwirtbschast bas Scheitern des Vertrages wünscht, kann die „Kreuzztg.", die da- Pariser Blalt citirt, unmöglich im Zweifel sein. Und trotzdem setzt sie mit ihren Gesinnungsgenossen alles daran, damit der Wunsch des „TempS" in Erfüllung gehe! Die Rede, mit welcher der »»»arische Ministerpräsident vr. Wekerle in der Montagssitzung des Abgeordneten hauses aus die Reform des ungarischen EkercchtS einging, zeigte den leitende» Staatsmann als vollständig be wanderten Sachkenner auf dem Gebiete dieser nicht ganz leickt zu beherrschenden Materie. Der Minister beleuchtete die Vorgeschichte, welche die Frage der obligatorischen Civilebc in Ungar» kurchzumacken gehabt bat; er betonte namentlich, daß die Vertreter der katholischen Kirche von dem Tage an, als sie dem Wegtauscnerlaß der Regierung den Gehorsam zu verweigern begannen, sich jedem VermittelungS- gebanken schroff verschlossen gezeigt haben. So kam es, daß die Regierung durch da« Verbalten des Klerus von Schritt u Schritt, von Etappe zu Etappe aus der Babn ibrcr irchenpolitischen Aclion vorwärts gedrängt wurde. Ihr ferneres Zusammen- oder auch nur Nedencinandergeben mit der Kirche erwies sich als völlig unmöglich. Darum mußte sie die Sacke bis zum Aeußersten treiben, mußte die vollständige Trennung des Staates von der Kirche ins Auge fassen, inil einem Worte: sie mußte die allgemeine» Givilstandsregistcr und die obliga torische Form der Eivilche in ihr Programm auflicbmeii. Ministerpräsident Wekerle führte erläuternd au«, daß die sacultative oder gar die Notb-Eivilche auch weiterhin ein gewisse« Zusammengehen dcS Staates mir der Kirche zur Voraussetzung habe. Solche« habe sich aber auf kircke» politischem Gebiete als durchaus unmöglich erwiesen. Eine andere Lösung des kirchcnpolitischcli EonflicteS wie die obligatorische bürgerliche Ehe würde die Gegensätze nur ver schärfen, vertiefen und vervielfältigen, weil ia in Fällen der sacullatwcn Eivilcbe die Organe des Staates mit denjenigen rer Kircke in noch engerer Berührung flehen würden, als sie bisher gestanden bade». Redner wies eingebend nach, daß die Nolbcivilebe, wie sie Gras Apponyi und auch Graf Szapary vorschjagcli.die vorhandenen kirchcnpolitischenGegen- sätze nicht allein nickt behebe», sondern im Gegentkeil noch ver mehre» würde und daß das Beispiel Oesterreichs mit der Noth- civilehc sür Ungarn nicht besolgenswertb sei» könne. In Oester reich sind 94 Proc. der Bevölkerung katholisch; Fälle, wo die Kirche die eheliche Sanktion verweigern muß, können daher nur in geringfügiger Anzahl Vorkommen. Nicht so in Ungarn, wo nur die Hälfte der Bevölkerung katholisch ist. Großen Eindruck brachte die Erklärung vr. Wekerle'S hervor, daß der unlere Klerus, und zwar die Geistlichkeit sämintlicher Eonfessionen, sür den Einnahmeausfall, den er durch die tirchcnpolilischen Gesetze erleidet, vom Staate eine Ent schädigung erhalte» werde, wa- besonders für die ärmeren evangelischen Geistlichen von großer Wichtig keit ist. Nach diesem trefflichen Plaidoycr des Minister präsidenten dürste kein einsichtiger Politiker hinfort mehr der Regierung vorwerfen können, daß sie aus eitel Gefallen an radicalen Maßregeln oder lediglich aus partei- taktischen Erwägungen die obligatorische Eivilche in ihr Pro gramm ausgenommen bade. Ter Zwang derThatsachen war cs, der sie zu diesem Entschiusie sübrtc. Eben deSdalb würden die Gegner einer schlimmen Täuschung anbelmsaUen, wenn sie giauden sollte», sie könnten die kirchenpolltischen Vortagen de» Eabinet« durch kleinliche Manöver im Parlament oder durch außerparlamentarisch« Machenschaften zu Falle bringen. Ein cssiciellcS Dementi hat die sranzösischc Regierung den Scandalartikelu d«S „Figaro" noch nicht ent- gcgengesetzl, statt dessen hat sie sofort nach dem Urheber der Veröffentlichung gefahndet, ihn gefaßt und bestraft. Danach scheint cs, wie schon angcdculet, als ob doch Etwas an der Sache sei, als ob in der Tdat, wenn auch in anderer Form, Versuche gemacht worden seien, den Zaren über seine Ge sinnungen gegen Frankreich und seine Neigung für oder seine Abneigung gegen ein sörmliches sranko-russisches Schutz und Trutzhünkiiiß auSzukorchen. Fast die ganze sranzösische Presse ist dieser Auffassung, sie ist betreten unv gießt ihren ganzen Zorn wegen der neuen Blamage über da- Elysse aus. Das Vcrhällmß zu Rußland wird entweder gar nickt oder nur mit wenigen schonenden Worten berührt. Natürlich, die Eiitiäuickmng und die Scham, nach all' dem betäubenden Lärm der Rufsenseste, sind doch gar zu groß. Einige Blätter finden gleichwohl ein offenes ernstes Wort. Die „Pente Republ." erinnert die sestjciernden Patrioten daran, wie sie damals Jeden, der kühles Blut behielt und an den Ernst der „Allianz" nicht glauben wollte, für einen Vaterlandsverrälher erklärten, während es sich jctzi herausstellc, daß das ganze Fest ein großer Schwindet war, bei dem die Russen nur den Zweck ver folgt hätten, ihre Convcrsion in Frankreich anzudringen. Zu derselben Zeit, als Russen und Franzosen sich in Paris, Toulon und Marseille in den Armen lagen, war der Präsi dent der Nepublick noch im Unklaren über die Absichten dev Harem wußle nickt einmal, ob sich derselbe wenigsten« für den Fall, daß Frankreich angegriffen werde, zur Hilfe leistung verpflichtet balle, und ui» daS zu erfahren, be diente sich der erste Beamte der Republik der Hilfe einer Prinzessin des Hauses Orleans! Das ist allerdings zu lark, da« ist ei» Spcctakcl ohne gleiche», Ken auch die Petersburger Depesche des „GauloiS", daß eine in allen diplomatischen Formen Unterzeichnete russisch-französische Mililairübcreinkunft zu gegenseitigem Schutze vorhanden sei, nicht auö der Welt zu schaffen vermag. Man sieht diesen binlendcn Bolen mit sehr mißtrauischem Auge au. Daß man übrügcnö auch bei dieser Gelegenheit nach einem rembeu Sündenbock suchen werde, war vorauszuschen. Die .Eocardc" will ihn in der Person de« englischen Gc- andtcn in Paris, Lord Dusferin, gesunden haben, der die „Figaro"-Artikel veröffentlicht haben soll — eine neue Enthüllung, die ebenso abgeschmackt als sensationell ist. An der polnischen Lage ändert die „Figaro"-Affaire nichts — das Einverständniß zwischen Rußland und Frankreich bleibt bestehen — aber sic zeigt, daß Rußland sich völlig freie Hand beballcn hat, und sic beweist noch nachträglich, wie be deutungsvoll die friedlichen Bersicherungcn waren, die der Zar dem deutschen Kaiser in Kiel abgab, während die Feste in Naney durch die Anwesenheit eines russischen Großfürsten verherrlicht wurden. In der italienische» Deputirtenlamuier werden seit mehrere» Tagen in bunter Reibe die Interpellationen be grüntet, die aus Anlaß der Ruhestörungen auf der Insel Sicilien und in Massa-Earrara, sowie wegen des in diesen Gebieten verhängten Belagerungszustandes eingcbracht worden sind. Es waren nicht gerade neue Argumente, die von den Ultraratikalen in diesen Interpellationen an geführt wurden. Dagegen hat der Ministerpräsident Erispi in seiner vorgestrigen, in aussührlichem Auszug milgetdeilten Rede die wesentliche» Punete in wirk lich staalsmännischer Weise, indem er von persönlichen Empfind lichkeiten völlig absab, sowie mit einer eindringenden Kcnntniß aller in Betracht kommentcn Verhältnisse erörtern Davon ausgehend, daß gerade in den Ortschaften, wo die Ruhe störungen auSbrachen, von einem crnsthaslen socialen Ncth- stande nicht die Rede sein könne, führte Erispi aus und be legte mit Actenstiicken, daß es sich aus der Insel Sicilien um eine von langer Hand geplante, von außerhalb an- gezettelte Verschwörung gebandelt babe. „Man batte den Bauern sür l89I eine Theilung der Grundstücke versprochen, und inan recknele auch daraus, daß in diescin Jahre cm Krieg unter Betheiligung Rußlands auSbrechcn würde, welch letzterem man einen Hasen abzutretcn gesonnen war." Diese allem Anschein nach aus den mit Beschlag belegten Schriftstücken geschöpfte Enthüllung ries in der italienischen Deputirtcnkamuier Sensation her vor; das vaterlandSvcrrälherische Treiben der von Eavallotti, Imbriani und Genossen xatronisirlen Verschwörer konnte jckciisalls nicht schärfer charaktcrisirt werden, als eS durch Erispi gcschak, der mit seiner sür die Monarchie unter dem Hause Savoyen begeisterten Rede einen tiefen Eindruck aus das Parlament gemacht Kat. Dieser neue Erfolg Erispi'S ist vielleicht geeignet, die laute Opposition, welche fick gegen die Verleihung der Generalvollmachten an den König, oder was dasselbe bctculct, an die Regierung, geltend macht, etwas zu beschwichtigen. Einige Summen scheinen schon darauf hinzndeulen, daß man sich zwar klar darüber ist, der Gesetzen! Feirilletsn. Ellida Zilström. 2?s Roman von H. Palms-Paysea. N»»dri»I »erdeten. (Fortsetzung.) 35. Capitel. Der Intendant v. Hochstedt war seinen! Neffen seit jenem DorstellungSabend, an dem er sich über ihn so außerordentlich geäraert hatte, nicht in den Weg gekommen. Es geschah häufig, daß Tage und Wochen vergingen, bis man sich einmal zufällig lraf oder besuchte. Selten freilich verirrte sich der beanspruchte Intendant in die Wobnung Werner'«. Heute traf er unten im Treppenbause den Lieutenant Feuer und wußte deshalb, daß dieser zu Hause war. „Für mich", betonte er bei der Begrüßung, die etwa- kübl und gezwungen beiderseitig aussiel, „bist Du doch Wohl zu sprechen — oder hast Du zu arbeiten, Werner?" „Keineswegs — ich steke ganz zu Deiner Verfügung, Onkel", antwortete Werner beherrscht, und rückte böslich einen damastenen Sessel heran, die um den in der Mitte des geräumigen Zimmer- stehenden Tisch gruppirt waren, tot seinem Onkel eine Cigarre an, die dieser jedoch ablehnte, und dachte: „Was er wohl will, ebne Grund steigt er zu solcher Stunde nicht die Treppe zu mir heraus." Allerdings lag diesem Besuche eine Absicht zu Grunde, die dieser bald genug erfahren sollte. Man befprach anfangs aleickgiltige Dinge, im selben Augenblick aber, da der junge Officrer harmlos eine Bemerkung über das Tbeater fallen ließ, wie da« in Gegenwart seines Onkels nabe lag. zögerte dieser nicht, hieran anzuknüpfen, daS verunglückte Debüt der jungen Tänzerin in die Unterhaltung ru ziehen und mit scharfen Worten das Verhalten des Puvlicums und der Bekannten und Freunde Werner s zu geißeln. „Warum nun dieser absichtliche Scandal?" fragte er zuletzt, „da doch keine Veranlassung dazu vorlag. Kannst Du mich oarüber aufklären und über Deine apalbifchc Haltung an dem Adend?" Werner'« Wangen verdunkelten sich. Er gab „icht gern Rschenschast von seinem Ibun, zumal nicht m solchen An- -«genheiten Die Achseln zuckend, etwa- gezwungen, sagte er: „Du darfst mich für die Handlungen Anderer nicht verantwortlich machen." „Dich aber doch um Aufklärung bitten." „Dann werde ich Dich erzürnen — lassen wir die Sache fallen." , „Keineswegs — erörtern wir dieselbe gründlich." Es gab kein Ausweichen und mit der ihm eigenen Offenheit setzte Werner den Sachverhalt auseinander. „Hm — so —" sagte der Intendant, finster die Brauen zusammenziehend, „so ist denn dieses arme Mädchen da« Opfer einer leichtfertigen Laune, einer gedankenlosen Intrigue geworden. Zu einer festen Anstellung wird eS nach dem Geschehenen wahr scheinlich nicht kommen." ^ „Wie schwer Du da« nimmst." Dem Intendanten stieg eine feine Rötbe in- Gefickt. „Ein Menschenloos — kann man dies zu schwer nebmen?" „ES läßt sich wieder gut machen." „Schwerlich. Du kennst dock da« Publicum und" — recht spöttisch klang's — „Deine lieben Freunde." „Für diese kann ich zukünftig einsteben, ganz besonders, wenn —" er stockte in seiner schnellen Redeweise, die ihn leicht verführte, mehr zu sagen und zu verrathen, als in seiner Absicht lag — „wenn das prüde, nein Hochmüthige Mädchen mich rin bischen besser behandelt. Sie wird einsehen gelernt haben, daß eS ohne unsere Gönnerschaft doch nicht recht geht." „So lohnt man Sitte und Keuschbeit —" entfuhr eS dem Intendanten —, „gleichviel, davon ist nicht die Rede." Herr von Hochstedt mußte von starken Empfindungen be herrscht werden. Er erhob sich, ging ein paar Mal im Zimmer aus und ab und schien mit irgend einem Gedanken heftig zu kämpfen. „Dein Sittenlebrer bin ich nicht", sagte er dann, mit einer schnellen Bewegung den Kopf bebend und vor seinem Neffen stehen bleibend, „trotz alledem möchte ich Dir rathen — bleibe von diesem Mädchen fern. eS scheint mir zum Liebeln — zum Tändeln doch zu but. Tucke Dir anderswo ein Spielzeug." Werner sah seinen Onkel erstaunt an. „Von dem Slandpuncle gehst Du aus? Ich glaubte — dachte — eS scheint Dir viel daran gelegen zu sein, diese prima kallerina dem Tbeater zu erhalten. Statt mein Inter esse im Auge zu haben, stellst Du Dich auf die andere Seite —" „Verstehe mich recht", erklärte Herr von Hochstedt, sich sammelnd — „es scheint mir gebotene Pflicht, die Unverdorben beit zu schützen. Unter der leichtgeschürzten, leichtfertigen Schaar de- Ballet« findet man selten ein sittenstrenges Mädchen." „Aber daS ist ja reizvoll, pikant, wenn die kleine Silström da« wirklich wäre", lauiete die cynische Antwort des jungen Lebemannes, „die wäre eine Eroberung wohl wcrtb." Werner knöpfte sich den blauen Interimsrock mit den rothen, inneren Ausschlägen auf, als würde es ibm plötzlich zu heiß, während er sorlfuhr: „Damit Du siebst, wie gern ich ihr huldige, sic protegire, wie gern ich wieder gut gemacht sähe, was meine Freunde an ihr gesündigt haben, magst Tu wissen, Onkel, daß ich dieser Silström gerade heute eine recht kostspielige Aufmerk samkeit erwiesen babe. Ich sandte ihr Blumen und in diesen versteckt einen wertbvollen Schmuck. Verdiene ich also Deine Borwürfe über eine apatbiscke Haltung? — Ich habe mich übrigens furchtbar geärgert —" Ter Intendant batte mit einer beinahe angstvollen Spannung aus die Worte seine- Neffen gehorcht. „Nun?" fragte er, da Werner mitten im Satze abbrach und schwieg. „WaS passirte, kannst Du Dir denken, da Du sic besser als ich zu kenne» scheinst." „Sic sandte Dir den Kram zurück." „Ein netter Kram — kostet mich ein paar Tausend Thälerchen." „Ich dachte, Du wolltest in diesem Jahre recht solide leben?" „WaS ich so nenne — ja." „Werner, Tu solltest heiratben, das wäre da» Beste." „Ich heirathen! Dazu bringst Du mich nickt. Schrecklich, wenn ich als gesetzter Ehemann keine tollen Streiche mehr machen dürste und meinen Umgang ändern müßte", lachte er, und seine weißen Zähne blitzten zwischen den Lippen hervor — „Du erlaubst Doch, daß ich rauche. Onkel?" — er zündete sich eine Eigarre an. „Merke schon, bei Silström muß man eS anders anfangen — etwa« gescheckter, feiner, vorsichtiger" — Werner warf die Eigarre bei Seite; „schleckte- Zeug!" schalt er und rauchte sich eine andere an. — „Beim nächsten Austreten erkält sie von mir den ersten Kranz, vielleicht gefällt ihr da« bester. Jedenfalls werde ich Dir nach dieser Richtung hin keinen Grund mehr zur Beschwerde geben." Es entstand eine Pause, in welcher Herr von Hochstedt Zeit genug gewann, da« Gewirr durcheinanderwogender Ge danken und Empfindungen zu ordnen und zu verarbeiten. Ibm war cö bei seines Neffen Worten, als erhielte er einen Schlag nach dein andern ins Gesicht, ohne auch nur einen parircn, geschweige denn zurückgeben zu können. „Wir sind von den, eigentlichen Gesprächsthema abgc kommen", bemerkte er mit erzwungener Rübe, „was ick uvck fragen wollte — ja — Tu erwähntest vorhin den Bracht nicht — er saß dinier Dir, neben dem Kritiker und raunte diesem seine geistreiche» Bemerkungen zu, die man ja Tag« darauf in der Presse :u lesen bekam. Hast Du einmal darüber nachgedackt, welche Bcwantlniß es mit seinem damaligen dringlichen Begehr an Dich hatte?" „Ich habe es erfahren." „So", machte Hochstedt gedehnt, „also Du weißt, daß er mii Fräuiein Silström verwandt ist?" Ter junge Officicr starrte seinen Onkel verdutzt an. „Verwandt? Bracht mit der Silström verwandt — ick habe wohl nicht reckt gehört." „Aber Du hast eS ja erfahren, sagtest Du soeben —" „Das nickt — Tu mißverstcbst mich — wie sollte ich — ich körte nur, und zwar von ihm selbst, daß er statt der Silström, die er angeblich nicht kannte, gern eine andere Tänzerin protegirt und an deren Stelle gesehen bätle — nicht« weiter. Aber, bitte, erzähle mir — ich begreife nickt —" „Zu erzählen zieht eS nicht viel", anwortete der Intendant gelassen, „daS Wenige, WaS mir gesagt ist, kannst Tu wissen Macke jedoch leinen Gebrauch davon, ich möchte nicht der Urheber eine« Klatsches sein." Und Herr von Hochstedt theilte seinem Neffen da« tleiuc Erlebniß mit, welche- ihn zu der befremdenden Entdeckung gesührt hatte. „Ich bezweifle das — ich bezweifle die Wahrheit allen Ernstes", betonte Werner mit Nachdruck. Ganz ernüchtert, beinahe uiigemuth erhob er sich, auch die zweite Cigarre bei Seite werfend. „Es ist ja nickt unsere Sache, zu prüfen, was wahr und nicht wahr ist. Warum so aufgeregt?" „Weil ich den guten Namen meines Freundes nickt befleckt sebrn möchte." „Da Köre man", lachte Herr von Hochstedt lur; ans. Es klang amüsirt und doch unendlich sarkastisch. Cr zog r»i Notizbuch aus der Tasche, blätterte darin beruin, ohne auch nur eine Zeile lesen zu wollen, obgleich er eS thal. „Soll ich Bracht daraus aufmerksam macken, soll ich ihu warnen?" fragte Werner.
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