Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940305025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-05
- Monat1894-03
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezrrgS-PreiS t» Her Hauptexpedition oder den im Stadt, bezirk und den Vororten erröteten Aut», qabeslellen obgeholt: vierteljährlichst 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« itzauS » 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich 6.—. Directe tägliche Rreuzbaudiendung in- Ausland: monatlich 7.öt). Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend»Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Ledartion und Expedition: Johanne»,affe 8. DieErpedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» Memm'S Sortim. (Alfretz Hatz«)» Universitätsstraße 1, Lo,i» Lösche. talharineustr. 14, Part, und Ktnig»platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SV Pfg. Reclamen unter demRedactioitstrich (4go» spalten) 50^j, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^, Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosah nach höherem Tarif. «stztra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürberung >t 60.—, mit Poslbesörderuag 70.—. Aanatimeschlub für Anzeigen Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: AochniitlagS 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh ' .9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ,e eine halb« Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Erhehitto« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. A-116. Montag den 5. Marz 189t. 88. Jahrgang. Politische Taaesschau. * Leipzig, 5. März. Die Beratbung des MilitairrtatS im Reichstage bat seit Jahren der Socialdemokratie erwünschte Gelegenheit geboten, heftige Angriffe gegen die Militairverwattuiig zu macken. Die Partei hat sich diese Gelegenheit auch in diesem Jahre nicht entgehen lassen. Mil einer langen Reihe von Klagen und Beschwerden Kat sich Herr Bebel in den letzten Tagen der verflossenen Woche an die Kricgöminister besonders der größeren Bundesstaaten gewendet und in einem Falle, aus den wir in der nächsten Nummer eingehender zurückkommen werden, leider erreicht, daß der preußische KriezSminister sich eine Blöße gab. Das war aber auch der ganze, sehr geringe und jedenfalls nicht einmal beabsichtigte iffsolz. Das Hauplmoiiv tcö Redners war die rastlose Energie, mit der die Heeresverwaltung das Eindringen des sociäldemokratischcn Geistes in die Armee bckämpst und social- demokratisch gesinnte Soldaten von der Beförderung in Unterofficierstellen auszuschließen bemüht ist. Zwar wenn man Herrn Bcbel's Worten unbedingt Glauben schenken wollte, so müßte man annebmcn, daß schon beute ein namhafter Bruchlheil von Unterossteiercn, Feldwebeln und gar Lsficieren sich im Geheimen zum Evangelium des Socialismus bekenne; aber man weiß ja, wie eS mit diesen Versicherungen, die Mutb machen sollen, bestellt ist. Die Socialdemokralie würde nicht mit so grimmigem Eifer über die Armee und ihre Einrichtungen bei jeder Gelegenheit berfallen, wenn sie einen auch nur nenncnswerlben Erfolg hier zu verzeichnen hätte. Die Zukunst wird hoffentlich diese Erfolge nicht mehren; daß die Heeresverwaltung nach wie vor ihr Hauptaugenmerk auf die Fernbaltung socialdemokratischer Agitation in der Armee richten wird, geht aus der Erklärung der militairischen Vertreter am Tische keS BundesrathS mit wünschenSwerther Deutlichkeit hervor. Am sichersten aber wird diese Fernhallung gelingen, wenn auch die von socialdemokratischer Seite behaupteten Fälle von Mißband. Inngen auf das Strengste untersucht und eventuell geahndet werden. Im klebrigen ist aus den Debatten die erfreuliche Erklärung des preußischen KriegöministcrS hervorzuheben, daß er der Zulassung der Volksschullehrer zum ein jährigen Dienste wohlwollend gcgeniiberstehe; er bat dabei der Oualification dieses Stande» Worte der An erkennung gespendet, welche die Volksschullehrer für manches harte Wort entschädigen werden, das früher über sie gefällt wurde. Auch der Entwurf einer Militairstrafproccß- ordnunz ist bereits ausgeardeitet, aber eS ist fraglich, wann sie an den Reichstag gelangt, da sie noch einige Stadien zu passiren hat. Im preußischen Abgeordnetenhause ist in die dunkle Angelegenheit des polnischen Sprachunterrichts endlich Licht durch Erklärungen des Eultuöministers Ür. Bosse gekommen. Dieser beabsichtigt, den bisherigen polnischen Privat-Sprachunterricht zu beseitigen und an dessen Etelle einen facultativcn Schreib- und Leseunterricht auf der Mittelstufe mit etwa zweijähriger Dauer einzufübre». Tics« Erklärung des Ministers deckt sich mit de» bereits früher verbreiteten Gerüchten über die zukünftige Gestaltung keS polnischen Sprachunterrichts. Vom Standpuncte des ge rmanisalo rischen Interesses läßt sich auch gegen diese Absicht des Ministers nicht viel cinwcnden, die, wenn sie zur Tursührung käme, eine Einschränkung des polnischen Sprach- interrichtS berbeiführen würbe. Es würden nicht mehr, wie äsher, viele sausend, sondern nur noch einige Tausend polnische Schulkinder polnischen Sprachunterricht empfangen, und jede nationale Propaganda erschiene als ausgeschlossen, da dieser facultative Unterricht doch jedenfalls auf Staats kosten crtbeilt und also von den SchulaufsichtSorganen überwacht werden würde. Irgendwelche Ausbeutung der polnischen Stundezi im nationalen Interesse er scheint daher ausgeschlossen. In der bloßen Form eines zweijährigen Schreib und Leseunterrichts ertbcilt, kann der polnische Unterricht der deutschen Sprache bei weitem nicht den Abbruch tbun, wie der gegenwärtige Zustand. Frei lich siebt scsi, daß der jetzige Prival-Sprachunterricht dem nächst von selbst eingeschlaseu wäre, wen» kein neues AuS kunftSmittcl geschaffen worden wäre. Die Geldmittel konnten in der letzte» Zeit nur noch unter außerordentlichen Schwierig keilen beschafft werden. Sobald aber die eigentliche Quelle für die Erkaltung des Unterrichts versiegle, mußte dieser selbst ausbören. Durch die Vorschläge des Ministers wird nun ein dauernder Zustand geschaffen, der zu vermeiden gewesen wäre, wenn man etwas Geduld gehabt hätte. Warum inan diese nicht geübt bat, ist um so weniger verständlich, je weniger die Absicht des Eultusministcrs die polnische Presse befriedigt. Eine beruhigende Wirkung erzielt man also durch die Ein führung von facultalivem Schreib- und Leseunterricht auf der Mittelstufe nicht, während man das Einschlasen des polnischen Sprachunterrichts abwcndct. Die Maßregel erscvcint daher als ein politischer Fehler, für den es an jeder Ent schuldigung fehlt. Der Agitation russischer Industrieller gegen den deutsch-russischen Handelsvertrag, die bekannt lich von Moskau aus am rührigsten betrieben wurde, gebt allmählich der Athen« aus. Die „Moskowskija Wzedo- mosti" hat den allzu straff gespannten Bogen in die Ecke ge stellt, nachdem ibr teilenden Ortes bedeutet worden, daß die abgcschossene» Pfeile nur aus den Schützen zurückprallen würde», und auch die Moskauer Kausniannschast schüttelt ihr bisheriges Organ von den Schößen. Tie in Petersburg letzter Tage eingetroffenen Vertreter der großen Moskauer Firmen samml dem Slabthauptc gaben bestimmte Erklärungen ab, daß vcr Kaujmannschaft eine Agitation gegen den russisch- deutschen Vertrag ganz fern liege. Tie „Moskowskija Wjedo- niosli" werde von einer ganz kleinen, ganz kleinliche Interessen versolgcnde» Gruppe inspirirt. Sie begriffen vollkommen, daß die hauptsächliche Bedeutung dcS Vertrages in rer Erzielung einer zehnjährigen Rübe in den russisch-deutschen Handelsbeziehungen bestehe. Dies sei für die HandclS- welt der wcrtkvollsle Punct des Vertrages, dem gegenüber die Zollsätze ganz bedeutungslos wären. — Allmählich geben auch die russischen Blätter die politische Bedeutung des Vertrages zu. Tie „Nowosii" sprechen eS offen aus, daß die Beziehungen zwischen dem Dreibund einerseits und der russisch-sranzösischcn Gruppe andererseits ganz anormal seien, und daß dies zusammen mit der allgemeinen Unzusrierenheit über die gespannten HaiidelSbeziebungen leicht einen Krieg berbeiführen könnte. Aufgabe der Staatsmänner sei eS, dem vorzubcugen. Eapriv > erfasse ganz richtig Len Zusammen hang der Politik mit der wirtbschasrlichen Frage. Ter Drei bund bleibe zwar bestehen, so lange die Pcdingungen be stehen, oic ilm erzeugt haben, doch sei er kein Schreckgespenst mehr für Europa; er wirthschaftlichc Umschwung ver mindere die Gesahr noch mebr. In ihrem Kern entspricht diese Auslassung den Ansichten der leitenden Persönlichkeiten Rußlands, und der für Mittwoch angesagte Besuch des Zaren aus der deutschen Botschaft ist geeignet, die politische Wichtigkeit des Vertrags direct zu veranschaulichen. Alexander HI. betritt als Kaiser die deutsche Botschaft zum ersten Male, nacktem er im Jahre l875 als Thronfolger gemeinsam mit seinem Vater a» einem von dem damaligen deutschen Botschafter, Prinzen Rcuß, veranstalteten Ballseste theilgenommen. Ter jetzige Besuch ist gleichzeitig eine hohe Auszeichnung für den General von Werder, der, gleich wie sein Eollege in der russischen Botschaft in Berlin, Gras Sckuwalow, wesentlich dazu beigctragcn bat, zwischen den beiten mächtigsten Staaten Europas wieder ein besseres Einvernehmen berbeizusübren, eine Mission, die dem Grasen v. Werder um so eher glücke» mußte, als kaS russische Kaiscrpaar ihm öinc geradezu sreuntschastlicke Gesinnung cntgcgciibringt, und der Botschafter auf den direclen Wunsch dcS Zaren nach Petersburg berufen wurde. Der kaiserliche Besuch wird, dessen kann man fick versickert kalten, nickt allein in Deutschland gut wirken, sondern auch alle übermäßig geschraubten sranzö- fiscken Hoffnungen aus ein richtiges Maß hcrabdrückcn. Obwohl bezüglich der leitenden Grundsätze der neuen österreichischen Wahlreform, welche den Elubobmänncrn am Dienstag zugegaugcu sind, strengste Geheimhaltung be schlossen worden ist, ist dock so viel bekannt geworden, daß man fick in großen Umrissen ein Bild von den Vorschlägen der Regierung macken kan». Dieselben nehmen die Bildung einer neuen, fünften, Curie in Aussicht, in welche ein größerer Dbeil Derer eingerecht werden soll, die bisher daS Wahlrecht nicht hatten. Den neuen Wäblermassen werken 40—50 Mandate eingeräumt, so daß die Zahl der Deputaten zum Abgcordnetenbause sich von 555 ans rund 400 erhöhen würde. Die fünfte Euric soll bestehen aus allen männlichen Personen über 24 Jahren, die an irgend einer höheren öffent lichen Anstalt etwas gelernt haben z Gymnasium, Realschule, Hanvelssckule, Handwerkerschule, Fachschule re.), dann allen, welche seit mindestens zwei Jahren einer Krankcncasse im Sinne dcS KrankcncassengcsctzcS angchören, endlich allen, welche eine di recte Steuer zahlen. In der Curie der Landgemeinden und der sünstcn Curie soll direct dann gewählt werden können, wenn der betreffende Landtag eS beschließt. In der sünstcn Curie bilden die meisten Kron- länter nur einen Wahlbezirk. Im Falle der direclen Wahl soll nickt jede Gemeinde Wahlort sein, sondern cs sollen Wahlkreise von je 4000 Seelen gebildet, und die Wahlorte im administrativen Wege bezeichnet werken. — An dieser Wablreform wird von den Organen der maßgebenden Parteien allgemein anerkannt, daß He nickt beabsichtigt, die Zakl der Wähler innerhalb der einzelnen, bereits besiedenden Curien nach unten bin zu vermehren, was den Besitzstand der vier auf dem CensuS beruhenden Jincressen- Gruppen stark alterirt haben würbe, sondern daß sie aus den bestehenden Curien etwa I»/« Millionen, die bisher kein Wablrccht hatten, herausnimmt und aus ihnen eine neue Curie bildet. Im klebrigen aber findet die klerikale sowohl wie die liberale Presse mancherlei an dem RegierungS- projecl auSzusetzcn. So beanstandet daS „Linzer Volksblatt", das Organ der oberöstcrrcichischen Klerikalen, daß durch die Anknüpfung dcS Wahlrechtes der Arbeiter an die Mitglied schaft einer Krankcncasse die gesammte landwirth- schaftliche Arbeiterschaft vom Wahlrechte ausge schlossen und die industrielle Arbeiterschaft in ungerechter Weise bevorzugt sei. DaS Blatt tadelt ferner, daß die kleinen Gewerbsleute, die weniger als fünf Gulden Steuer zahlen, der sünstcn Curie zugcwiesen werden, in der sie durch die Masse der Wähler erdrückt würde», während sie in der Classe der Jndustrialortc sich zur Geltung bringen könnten. Schließlich fordert daS „VollSblatt", dah das dirccte Wahlrecht unbedingt, und zwar mit jeder Gemeinde als Wahlort, eingeführt werde. Diesen Beschwerden und Forderungen schließt sich die liberale „Neue Freie Presse- vollkommen an. Auch sie erkennt an, daß die Regierung den Censuswäbler in seinem Besitzstände schützt, daß ne ibn nicht, wie eS nach dem Taaffe'scken Entwurf der Fall gewesen wäre, in dem Meere der neu in die bestehenden Curien eindringenden Wäblermassen untergeben läßt, aber sie findet, daß , die Regierung allzu vorsichtig und allzu schüchtern vergehe: sie tadelt gleichfalls, daß das Projcct des CoalitionsmimsterlumS unterhalb der EensuSgrenze noch eine zweite Grenzlinie zieht, hinter der cs noch Millionen giebt, die auch zukünftig kein Wahlrecht besitze». Was gegen die Taaffe'sche Reform von allen Seiten cingewendct worden sei, sei nicht die Ausdehnung des Wahlrechts an sich gewesen, welche sich vom allgemeinen Stimmreckt kaum noch unterschieden Kälte, sondern die Er drückung der bestehenden Wahlrechte durch diese Ausdehnung. Bei dieser Stimmung den Grundsätzen der Regierung gegen über ist eS keineswegs sicher, daß sie die Mehrheit im Ab- zeordnotenbausc auf ihre Seite bekommen wird. Der con- ervativ-klerikale Hohenwartclub hat die Wahlrcsorm in ihrer jetzigen Gestalt bereits ab gelehnt. Zur Ausgleichung der bekannten finanziellen Differenzen mit Frankreich hat die Portugiesische Regierung den Tirector im Ministerium der. öffentlichen Arbeiten, Madeira Pinto, nach Paris geschickt, aber e« dürste geraume Zeit in Anspruch nehmen, Portugal zu einer ehrliche» Abfindung seiner Gläubiger zu bewegen, abgesehen davon, daß ric Angelegenheit auch bei gutem Willen von beiten Seilen wegen des schlimmen Standes der portu giesischen Finanzen große Schwierigkeiten bietet. Nicht nur die sraiizösische Regierung selbst ist au der portugiesischen Rente intercssirt, sondern bedeutende Summen französischen Capitals sind an verschiedenen portugiesischen Privat- Uiiternchinungcn, wie dem Bau von Eisenbahnen, den Arbeiten des Hafens von Lissabon, bctheitigl und sind in Gefahr, zum Thcilc in Bcrlust zu gcratbe». Die Haltung, welche die portugiesische Regierung in den einschlägigen Fragen bisher cingcnommcn bat, fand nicht nur bei dcm Pariser Eabinet Mißbilligung, sondern auch andere Regierungen halten Ursache zu ähnlichen Klage». So ist es beispielsweise inj den Pariser diplomatischen Kreise» kein Gehcimniß, daß die deutsche Negierung eben falls nahe daran war, lkre» Gesandten in Lissabon ab- zuderuscn, und ebenso hält man sich in Paris davon über zeugt, das; der Slantpuucl, den die französische Regierung in «hrer Differenz mit Portugal cinninnnt. von sämintkichrn anderen Großmächten gebilligt werde, da er blo» der Ausfluß von gerechten Beschwerden ist. AuS eben diesem Grunde ater kann man hoffen, daß schließlich doch eine sreundschasl liche Einigung mit Portugal erzielt werden wird, nur wird es dazu eingehender Beralbungen einer Anzahl von sinauz- technlichcn und juridischen Fragen bedürft» Sclbslvcrständ lich wird der nach Paris abbcrusene französische Gesandte am Lissaboner Hofe, Bibourd, während dcS Verlaufes der Unterhandlungen dort bleiben, um von seinem Standpuncte aus die erwünschten Aufklärungen zu geben. Deutsches Reich. * Berlin, I. März. Die Klagen der EculrumSparlei über die verbältnißmäßig zu kleine Zahl von katholische» Beamten legen eS der „Voss. Zkg." nahe, daran zu er innern, daß der Antkeil der Katholiken an der höheren Schul bildung verbältnißmäßig ger ing ist, also die Zahl dertatho liscken Anwärter ans ein StaatSamt nicht in rem Vcrbältniß zu den cvangelischcn Bewerbern sieben kann, wie die Ziffern der Angehörigen beider Evnsessionen. Aus lO Prolfftante» kommen in Preußen jetzt etwa 10 Katholiken. Dagegen wurden die höhere» Knabenschulen 189192 von 95 409 evan gelischen und 2> 256 katholischen Schüler» besucht. Nach der BevölkerungSzisser hätte» 50 000 katholische Schüler vor handen sein müssen. Aus den Gymnasien, die hierbei in Feuilletsn. LUida SilKröm. L9s Roman von H. Palme-Paysen. Nachdruck «erbeten. (Fortsetzung.) 58. Capitel. Murre und Edith Honneggcr baden im Nebenzimmer die ganze Scene mit ersichtlicher Spannung belauscht. Als sich Ellida, auf den Wangen einen rothcn Hauch der Erregung, wieder zu ihnen gesellt und vorwurssvoll fragt: „Murre, warum hast Du mir daS angethan?" ergreift die Tänzerin daS Wort und vertheidigt die Angegriffene mit wahrem Feuereifer. „Ich meinte eS ja gut" — entschuldigt sich auch die Alte und kramt mit verlegener Hast in der Stube herum, sic fühlt sich schuldbewußter, als Ellida abnt. „Sie können wirklich nickt alle Welt abweiscn vor Ihrer Tbür, liebste Collegin — Sie schaden sich zu sehr dadurch", fährt Edith fort. „Man macht dock Ausnahme — haben ja selbst gesehen, welch' feiner, anständiger Herr cs war", ergänzt die Murre. „Es ist dieses Mal noch gul gegangen" — meint Edith, „Gottlob — ick kenne Herrn Rclltoff. er gehört zur vor nehmeren Gesellschaft." „Da, hörst Du's, AelSkling —" „Es ist der Freund des Lieutenants v. Hochstedt." „Äck. schweigt", bittet Ellida. „Wenn Sie sich dessen Gönnerschaft versichern können, er ist die Seele Aller, dann fassen Sie festen Fuß", fährt Edith unbeirrt fort. Murre schlägt die Hände vor dem Kops zusammen. „Tu lieber Himmel — mir sällt's jetzt ein — ja, so hieß der Lieutenant, der uns den Schmuck schickte." „Dann gratulire ich", rust hieraus die Tänzerin ersicht lich erfreut. „Ach, Fräulein", rust Murre, „zu gratuliren brauchen Eie nicht — der Sckmuck ist abgelednt worden." „Aber, beste Collegin, das ist ja unglaublich tböricht! Cie find rin Kind. Sie müssen unter Curatel gestellt werben. Acceptire» Sie «ich zu Ihrem Curalor?" Es klang halb scherzhaft, halb ernsthaft. Ellida sagt ernst: „Ich glaube, daß in solchen Dingen eine Idee am richtigste»; nach ihren eigensten innersten Ge danken bandelt, bas dient mir wenigsten» zur Richtschnur meines Handeln-. Ich weiß. Sie meinen es gut mit mir, Evith, aber unsere Ansichten gehen in diesem Puncte zu weit auseinander, wir würden uns niemals einigen können und deshalb lassen Sie unS auch hinfort niemals mehr davon reden." Edith Honneggcr schüttelt mißbilligend, fast ungemuth den Kopf. Nicht ohne Absicht vermeidet sio auf Ellida'S Worte einzugehcn. „Diesen einflußreichen Ofsicier, den Neffen des Intendanten, so vor den Kopf zu stoßen", klagt sie, „er, der daS Publicum, wenigstens die einflußreiche Clique so zu sagen am Zügel hält, es ist einfach toll — nein, eS ist zum Weinen, zum Verzweifeln." Tie Murre nickt energisch mit dem Kopse, gottlob, jetzt hat sie doch wenigstens eine erfahrene und kluge Verbündete gefunden. „Wäre ich", flüstert Edith ganz erregt fort, „an Ihrer Stelle, ich wüßte mein Glück zu fassen, gerade den, den Lieutenant von Hochstedt zu meinen Gönnern zählen zu dürfen Weisen Sie jeden Anderen zurück, meinetwegen, nur den nickt — nur den nickt." „Da körst Du es — da hörstDu eS", warf die Murre dazwischen. Edith Honneggcr nähert sich Ellida, die mit abgewandtem Antlitz am Fenster steht. Zärtlich ergreift sie deren Hand „Entzückende Freundin! Meine Vergötterte!" ruft sic in ihrer überschwänglichen Weise. „Eines nur versprechen Sie mir, es mit diesem Einzigen, dem Lieutenant von Hochstedt, nickt zu verderben Weiter will ich Sie nicht quälen, aber dies eine erflehte Versprechen müssen Sie mir, der Aeltercn, der Vielersabrenen, geben." Ellida sieht sie mit gequälten Au^cn an. „Sie meinen also, ich hätte den Schmuck behalten sollen?" „Aber gewiß — ohne Frage." „Und dann?" „Dann würde sich gegenseitig ein reizender und inter essanter Verkehr zwischen Ihnen entwickeln. Sie würden sick im Tbeatcr hinter dem Vorhang, hinter den Couliffen sehen, sprechen — Lieutenant von Hochstedt genießt als Neffe des Intendanten jede Freiheit —, er würde dadurch Ihnen gegen über öffentlich seine Gönnerschaft documeotireu, was Ihnen beim ganzen Theaterpersonal Ansehen und gelegentlich beim Publicum ungeheueren Vortheil verschaffte. Sie würden von ihm mit anderen ersten Künstlern und Künstlerinnen vom Theater zu seinen vorzüglichen Abend- und Nachtessen ein- geladcn werden, bei denen der Sect nur so in Ströme» fließt. Mit einem Worte: Sie würden aus Ihrem Versteck gelockt, Verkehr erhalten, in und mit der Welt lebe». Was ist denn eine Tugend, die sich nicht ansechten lasten will? Feigheit ist'S, daß Sie sich stets verstecken — gerade heraus — Sie fürchten sich vor dem Bösen, Sie fühlen sich nicht stark genug, deu Versuchungen zu widerstehen." „O, doch — o, doch", ruft Ellida erregt dazwischen, ihre Wangen brennen, ihr Herz klopft immer schneller. „Nun, dann heraus aus Ihrem Winkel, Liebste, den Ge fahren die Stirn geboten. Haben Sie Charakter, und das meinen Sie doch", stachelte Edith weiter — „so werden Sie bestehen, wenn nickt, dann sind Sie nicht besser, als Andere, nur, daß jene mehr Muth gezeigt haben. Und was harrt denn Ihrer so Schlimmes? Mein Gott, Sie sind eine Künstlerin, nehmen dadurch eine Sonderstellung in der mensch lichen Gesellschaft ein, und was man einem spießbürgerlichen Stadtsräulein verargen würde, daS ist bei Ihnen etwas Selbst verständliches." Ellida batte immer geängstigter zugebört. „Sie haben in Manchen, Recht — ja, —" giebt sie zu, „aber Sie dürfen mich doch nicht für feige halten." Noch während sie diesen Gedanken und Vorsätzen nackbing, begegnete ihr — seit ihrem Unfälle zuerst wieder — Professor Delponda, der indessen nichts von ihren derzeitigen Erlebnissen und Ergeben vernommen batte. Als sie ihn daherkommen sah, in seinem grauen Kragenmanlel und dem Schlappbut, der seinem ihr so sympathischen Gesicht so wobt anstand, eilte sie ordentlich erfreut auf ihn zu und streckte ihm zum Gruße herzlich die Hand entgegen. Edith und Murre hätten daran nun sehen können, daß sie den Professor zu ihren Freunden rechnete. Acbnliches mochte auch der Professor empfinden. „Haben »ns lange nicht gesehen, meine junge Freundin", redete er sie freundlich an. Ersichtliche- Bebauern klang au- den paar Worten heraus, und wie angenehm ihm Ellida'- Gesellschaft erschien, bewies seine Bitte, sic aus ihrem Gange begjeiten zu dürfen. Seiner Schwägerin belle Empörung Ware erweck«, hätte sie jetzt die Beiden so freundschaftlich >m Laubgange nebeneinander auf und nieder geben sehen. Die aber saß in einem der vorderen Zimmer ihre« Hauses, de» Blick auf die Straße gerichtet, in der Erwartung, es würde sich nochmals dort ein „sogenannter Beller" naben, dem sie dann — vorhin war sie von der schlauen Alten überrumpelt worden — einmal gründlich klar macken wolle, daß eS in ihrem Hause keine „Cousinen" für ibn gäbe. Welch' eine freundliche Stunde der Unterhaltung folgte für Ellida »ack dem eben statlgcsuiidenen so peinvollcn Ge spräche. Alle die Wunden, die man eben noch ihrer zarten Seele gerissen, fanden, wenn auch keine sofortige Heilung, doch einen milden Balsam in den sanfte», gedankenvollen Worten de« Gelehrte». Durch alle seine Ansichten leuchtete eine fast klassische Klarheit und die wobltbuciirste Mäßigung. Und was er redete, ob er es nun aus dem Saud de- Bodens hob oder von den Höhen der Berge holte — cs haftete an Allem eine Offenbarung, ein Etwas, was den Geist auswärts zog, weg von den Nichtigkeiten des Alltäglichen, weg von den» rohen Materialismus. Als Denker beschäftigte er sich ja nicht nur mit den Geheimnissen der Natur, der Schöpfung draußen, er suchte eben so wohl vorzudringen in die dunkle», ungelösten Fragen des menschlichen cLeinS und Lebens DaS war seine Leidenschaft, seine Begeisterung. Sein Urtheil, seine Ansichten, bei aller Pietät für die bestehenden, waren durch weg Natur und Vernunft, er stand dabei nicht nur über den stecken gebliebenen Wcltansichten, sondern so zu sagen über seiner eigenen Subjektivität. Als Naturforscher fehlte ihm auch nickt der aus die äußeren Gegenstände betrachtend ge richtete Blick. Und von allen diesen Feinheiten seines Geistes erhielt die junge, in seiner Gegenwart immer glückliche Ellida Silströi» ihre cpendc». WaS die einseitige Sct'wägeriu dieses Gelehrten vielleicht »»weiblich genannt hätte, das war bei Ellida« Ckaraklerveranlagung durchaus unauffällig und natürlich, sie ließ sich durch Verstand heilen, sich durch diesen ihren natürlichen Sympathien zurückgebcu Sie gehörte nicht der großen Masse jener Frauen an, die sich so gern in Schmerz und Leid verlieren, sic kannte leine» besseren Trost, keine wirksamere Erlösung aus der Enge ihres augenblicklich so engen freudlosen Lebens, als vernünftige Gedanken, als ein Anknüpsen an Ideen, als innerliches Beleben schlummernder, halbverstandener Begriffe und Ahnungen, als ein Anlebne» an eine sittliche Größe. DaS war es, was sie ru deni Gelehrten hiuzog, das und noch etwa« Anderes, was sie sich gewißlich nicht eiugestanden, wenn sie den Willen gehabt hätte, darüber uachzudenkcn. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite