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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940306026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894030602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894030602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-06
- Monat1894-03
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Kirchhofs anerkannte und diesen als im Stande der schuldausschließenden Nothwehr befindlich erklärte. Bon den Abgeordneten Or. Lieber und vr. Lenzmann darauf aufmerksam gemacht, daß cS schlechterdings nicht angängig sei, dem General ein Recht auf Selbsthilfe mit dem Revolver zuzuiprechcn, erklärte Herr v. Brousart: „Ich möchte nur ein Mißverständniß auskläre». Ich habe ja nicht nur gesagt: Befänden Sie sich in der Lage wie General Kirch hofs, dann hauen Sie ihn nieder und haben ein Recht dazu, sondern ich Hab« hinzugesügt: und wenn Sie dafür bestraft werde», so werde ich für mildernde Umstände plaidiren. Das werden Sie doch von mir nicht glauben, daß ich hier behaupten würde, es habe jeder Mensch das Recht, zur Selbsthilfe zu schreiten. Ich habe nur in Bezug aus den General Kirchhofs ausgeführt, er Hai sich gegen die Geietze vergangen, deshalb ist er vcrurlbeilt und bestraft worden, und deshalb mußte er auch bestraft werde». Ich habe aber gleich- zeitig hiuzugefügt, ein Schwurgericht würde ihn sreigesprochcn baden, und das behaupte ich »och jetzt. Gewiß habe ich gejagt: Sie schlagen ihn nieder. Man gebraucht den Ausdruck im Leben sehr häufig, aber im juristischen Sinne kann man ihn nicht nehmen. Es hat überhaupt kein Mensch LaS Recht, zu schlagen, sondern wenn er sich verletzt fühlte, mußte er Nagen. DaS steht fest. Aber wenn Jemand von einem beschimpft wird, so schlägt er ibn nieder. DaS sage ich heute noch; er thut Unrecht dabei, ganz zweifellos; ich habe doch n ur diese Th at- sache aussprechen wollen, und ich glaube, selbst der Abg. vr. Lieber bat dasselbe ausgesprochen. Zu sage», General Kirchhofs hat ein Recht dazu gehabt, das ist mir nicht eingefallen, nnd dagegen proleslire ich mit oller Entschiedenheit, daß meine Worte dahin gedeutet werden, als ob er ein Recht dazu gehabt Hütte." Da« ist allerdings auch noch keine widerspruchsfreie »nd unanfechtbare Erklärung, aber sie zeigt doch deutlich, wie Herr p. Bronsart schon am Sonnabend verstanden sein wollte, nämlich dahin, daß die Tbat des Generals v. Kirchboff auf alle Fälle unrecht, aber auch sebr entschuldbar, so entschuld bar sei, daß ein Schwurgericht ibn vielleicht sreigesprochcn bätte. So wurde Herr von Bronsart gestern auch von allen Seiten verstanden. Den besten Commentar zu seiner Er- llärung gab Herr v. Bennigsen, der zugleich unter leb hafter Zustimmung tes Hauses andeutcte, was der General Kälte tbun sollen, um mildernde Umstände von allen Seilen ^«gebilligt zu erkalten. Die Ausführung deS nationailiberalen Führers enthielt zugleich eine so treffende Charakteristik des BorgebenS des Abg. Bebel, der den Fall Kirchhofs zu einem Angriffe auf die Militairjustiz verwertbel batte, und eine so gründliche Abfertigung des „Berl. Tageblattes", das für seine in dem Falle Kirchboff gespielte Rolle den Beifall eines großen TbeileS des deutsche» Volkes in Anspruch nimmt, daß wir den wesentlichsten Tbeil der Bennigfcn'fchcn Rede hier folgen lasten zu müssen glauben. Er sagte: „Weshalb bat der Abg.Bebel überhaupt den Fall Kirchhofs in die Etatsberathung hineingezogen und weshalb Hai er es nur gekonnt? Er hat aus diesem Falle deduciren wollen, daß e§ mit üer Militairjustiz sehr schlecht beslellt sei. Gerade die Art, wie er d»s gethan hat, war für den Kriegsunnister tn seiner Stellung an Air Spitze der Miiitairverwallung «nd den General Kirchhofs besonders verletzend. Der Abg. Bebel hat nach Zeitungsberichten weiter nichts gesagt, als: „Dieser General hat einen Atordansall ans einen hiesigen Redocteur gemacht, denn anders kann man es nicht nennen." Dann sagte er: „Man hörte eine zeitlang nichts davon, was das Militairgericht that, und plötzlich läuft nach einiger Zeit durch die Blätter die Nachricht, daß der General zu neun Monaten Gesängniß verurtheitt, aber nach kurzer Zeit begnadigt sei. Ein Civil ist würde in einem solchem Falle mindestens neun Jahre bekommen haben." Herr Bebel beschwert sich also darüber, daß hier ein Mordanfall, der beim Eivilisten mit mindestens 9 Jokre» bestraft werden würde, durch die Miiitairgerichle nur mit 9 Monaten bestraft wird. Etwas Be» letzenderes und Ungerechteres kann es wahrlich nicht gebe» gegenüber dem unglücklichen General Kirchhofs und der Miliiair. Verwaltung, alS diese dürre Einführung und Charakterisirung eine« solchen Falles. Wenn der Kriegsminister bei einer solchen Kränkung und einem so unberechtigten Angriff in seinen Aur- lührungcn etwas weit gegangen ist, dann ist daS sehr erklärlich. UebrigenS hat der Kriegsminister das, was in seinen Ausführungen etwa mißverständlich gewesen ist, heute klargcstellt und gesagt, es sei ihm nicht eingefallen, zu behaupten, der General Kirch hofs habe rech- gehandelt, er habe nur in einer sehr entschuld baren Leidenschaft gehandelt, und wenn er auch die Gesetze verletzt habe und in Folge dessen bestraft sei, so könne man ihm mit- Lernde Umstände beimrffen. Das ist die Auffassung, die ich Hobe, und die wohl fast Alle haben, die damals von ihm gelesen und von ihm gebört haben, und hier im Hause die jetzige Versamm lung. (Zustimmung) Ich glaube, daß auch Abg. Bebel den Fall mit seinen Freunden nicht viel anders ansieht. Hier haiidell es sich gar nicht um die besondere Ebre eines hohen MiltlairS, um den Ehrbegriff einer gewissen Classe, sondern um Tinge, wo ver leumderische Ehrabschneider in das Heiligtdum der Familie hinein- gegrissc» haben, die eine» Miliiair, einen Mitbürger, und wäre es ein Sociaidemokrat, gleichmäßig betreffen, bei dem sich das Gefühl in gleicher Weise ausbäumc» würde. iBeisall.) Ich bin der Meinung, daß der General Kirchhofs, der offenbar über den Fall sehr spät und ungenügend unterrichtet war und sich erst Raths erholt hat, der kein sehr glücklicher gewesen zu sein scheint, der nicht weiß, wie er sich noch Hessen soll, der keinen Ausweg sieht, um seine so schwer angegriffene Ehre sühnen zu können. Er wendet sich nun an Denjenigen, den er für de» Schuidigcn hält, und will eine Erklärung haben, und dieser gab sie ihm nicht. Ich frage den Abg. Bebei und alle Tie, welche sonst noch so sehr mit ihm übereinsllmmen mögen, wen» ein solcher Mann in dieser Aufregung, überinannt von dem verletzten Gefühl, zum Stock oder zur Reitpeitsche gegriffen hätte und hätte den Verleumder ge- hörig verhauen, — ich glaube, Sie Alle würde» sagen: Schade um die Hiebe, die vorbei gefallen sind. (Grosze Heiterkeit.) Nun würde auch das unrecht gewesen sei», aber doch kein solcher Fehler, wie er sich hier leider HerauSgestellt hat. Der General Kirchboff hat in seiner leidenschaftiichen, sehr begreiflichen oder wenigstens enlschuldbaren Aufregung Loch die Eonscqucnzcn seiner Handlungsweise offenbar nicht vollständig übersehen, er bat zwar keine» Mordansall, aber eine Körperverletzung, selbst vielleicht einen versuchten Todtschlag, obwohl ich nicht weiß, ob das Gericht diesen angenommen hat, begangen Er hat aber auch gegen sich selbst ei» Unrecht begangen. Mn» mag das beklagen und ich bi» auch der Ansicht, daß es besser wäre, wenn diese Benutzung von Revolvern, welche in Amerika ja setsr herkömmlich ist, bei uns auch selbst in solche» Fälle» der äußersten leidenschastliche» Erregung sich nicht ein- bürgert. Aber aus der a»deren Seite ist Loch ei» Grund, die Sache so zu behandeln und deshalb die Militairgerichte anzu- greisen, durchaus nicht vorhanden. (Sehr wahr!) Keinem Ge- richte würde es Loch einsallen, für einen solchen Fall, wie Herr Bebel meint, auf eine Strafe von 9 Jahren zu erkennen. Dian braucht ja nicht aus Frankreich hinzuweise» und aus die Frei sprechungen dort durch die Geschworenen, wo es sich um Acte aus Elsersucht, Leidenschaft oder anderen leidenschaftlichen Stimmungen heraus handelte. (Sehr richtig!) Sehr wohl wäre es wahrscheinlich gewesen, Laß ein Civilgericht nicht aus 9 Monate, sondern aus Freisprechung erkannt hätte. Jedenfalls hätte ein Eivil- gericht ebenfalls mtldernde Umstände angenommen. Tie Sache hier so schwer zu behandeln, von Mordanfall zu reden und dem Bedauern Ausdruck zu geben, daß der Mann vor einem Civil- gericht nicht mit 9 Jahren bestraft sei, dazu batte der Abgeordnete Bebel nicht die geringste Veranlassung. Ich möchte wünsche», daß der ganze Vorfall und die hier stattqehabten Er- örteruogeo darüber dazu beitragen, daß derartiger CUida Silström. 3vj Roman von H. PalmS-Paysen. Nachtru» »erbeten. (Fortsetzung.) Die Dämmerung ging in den Abend über. Da sagte der Professor: „Wir sind nun eine Stunde gegangen und noch nicht zu Ende gekommen mit unserer Betrachtung über den Proceß deS Entstehens und BcrgebcnS, daß immer wieder das Erste aus dem Letzten bervorgebl — wann käme man überhaupt mit einer philosophischen Grübelei zu Ende. Eber init unseren körperlichen Kräften. Sic freiste» »och lange nicht, Sie sinv noch jung, ich nicht mehr. Rechnen Sie es diesem Umstande an, wenn ich mich jetzt wieder in meine Klause begebe. Sie zu bitte», mir auch dort noch ein klein wenig Gesellschaft zu leisten, das wage ich kaum zu thun." Cr stand somit still vor der Thür seines Gartenhauses und blickte Ellida fragend an. Sie sagte, daß sie ibm nur allzu gern folge, ibm nur allzu gern zuhörc und daS genügte, um Beide sehr zufrieden zu macke». Dieder nun saßen sie zusammen, er vor seinem mit Schriften bedeckten Schreiblifck, sie ibm gegenüber, zwischen ihnen, sorglich etwa- bei Seite geschoben, stand die brennende Lampe. Bor dem einzigen breiten Fenster batte die in solchen Dingen nachlässige Hand des Gelehrten flüchtig den Vorhang niedergelassen. Eine Spalte blieb nur noch offen, durch welche der trauliche Lichtschimmer seinen Weg hinaus in den Laub gang nahm. Und wie einst Ellida Silström dort schauend stehen ge blieben war und voll unbeschreiblichen Interesses die beiden Männergestalten betrachtet, so betrachtete beute Herr v. Hoch stedt Len Freund und daS Mädchen. Er hatte den weilen Weg vom Hause seines Neffen bis hierher zu Fuß gemacht — erst voll Hast, allmählich immer mehr fick in seine inneren Betrachtungen vertiefend, mit verlangsamten Schritten Nun ' war er denn angclangt ani Ziel. An dem Fenster der kleinen Silström war er tickt vordrigekommen. Dort herrschte völlige Dunkelheit. Seit jener unglücklichen Nacht, da er sie in kalb bewußtlosem Zustande von der Bübne getragen, batte «r sie nicht wieder gesehen. Der Arzt machte tägl-ch seinen Bericht, aber Weiteres erfuhr er nicht von der ersten Tänzerin seines Theaters. Er konnte diesen Ausdruck „erste Tänzerin" nicht auSstchen. Er mochte überhaupt nichts hören von der „ersten Tänzerin", und dokb zielten alle seine augenblicklichen Einrichtungen, alle Veränderungen im Tbeater, alle seine Wünsche, Alles zielte eben auf sie hin, hatte sie zum Mittel- punct. Nun sab der Intendant Ellida unerwartet vor sich. Ob eS wirklich so unerwartet war^ In dem Augenblicke, da er seine Hand auSstreckte, die Tbür des Gartenbauses zu öffnen, zuckte er förmlich zusammen und riß den Arm wirrer an sich. Warum ? Um seine Anwesenbeit nicht zu verratben? Vielleicht störte er, schließlich hatte eS ja auch ein geschäftliches Interesse für ibn, das AuSseben der prima dallerins einmal selbst zu beurtheilen. Sie schien ja ganz frisch und wohlauf zu sein, ganz unverändert. Daß sie ihm ein biscbcn fremd und nichts weniger alS eine Iüngerin der heileren Tanzkunst erschien in dem einfachen, Hellen Morgengewande, daS war schon oft der Fall gewesen. Ihre äußere Erscheinung batte ibn zu zahl reichen Vergleichen gereizt. Bald batte er sie mit einem sitt samen Bürgcrmädcben verglichen — er wußte noch Ort und Stunde, wo das geschehen, in der ersten Probe, welcher er Mittags im Ballctsaale zugesckant batte — bald — aber nur wenn sie tanzte, mit einem flatternden, schnellen Bögelchen oder mit einer entzückenden, leichten Elfe, oder mit einer auf- steigenden leichten Wolke, dann wiederum war sie ihm wie ein Kind, wie ein frommes, unschuldige« Kind erschienen, dann wie eine seltene, unberührte, eben der Knospe entsprungene Blume, dann wie ein Gedicht, da« der höchsten, tiefempfundenen Poesie einer reinen, schönen Seele entströmt und jetzt, beute zu dieser Stunde —? Einmal, e« war schon lange her, aber die Erinnerung war doch geblieben und leuchtete eben jetzt wieder aus, da hatte er ein schönes Bild gesehen, eine Allegorie auf die Minne. Diesem Bilde glich sie — sie glich der Minne. Gerhard v. Hochstedt ging eS wie Ellida seiner Zeit. Er schaute — schaute so lange, bis er auch börte, und von dem Augenblick an war eS vorbei mit dem Genüsse für'« Auge. Er machte eS ahnungslos ganz so wie sie. Trat vom Fenster fort und wandte sich zum Gehen. Als er aber vorn die HauS- ecke erreicht, ward er doch anderen Sinne«. Nickt langsam, mit starken, schnellen Schritten, als wäre er bange, wieder unschlüssig zu werden, kehrte er in den Laubgang und zu dem Gartenbause zurück. Hier klopfte er und trat kann obne Zögern ein. Seine hohe, w Pelz gehüllte Gestalt ragte plötzlich elender, verleumderischer, gemeiner Klatsch, berechnet aus das allerordinairste Sensationsbedürsniß in der Presse (Sehr richtig!), wie er hier die allgemeine Ver achtung gefunden bat, so auch künftig immer ausgesaßt wird und »ach und nach, wenigstens in Deutschland in der anständigen Presse gänzlich verschwindet. (Lebhafter Beifall.) Daneben möchte ich für wünschenswerlh ballen, daß, ivcnigsiens wenn wir in Deutschland in einzelnen Fällen in die Lage kommen, in der Aufregung zu Handel», wir daS ameri- kanische Beispiel mit der Benutzung von Revolvern nicht iiachahmeii. (Beifall.) Daß die am Donnerstag im Reichstag zu Tage getretene Spannung zwischen dem Reichskanzler und dem Finanz- minisler vr. Miguel zu neuen Krisengerückten Ver anlassung geben würde, war selbstverständlich. EiwaS auf fallend aber ist eS, daß gleichzeitig mit diesen Gerüchten en, Dementi auftritt. Es geht von den „Berl. Polit. Nachr." aus, die den Gerückten über den bcrorstebcnten Rücktritt deS Reichskanzlers odcr dcs Vicepräsitenten des preußsschcn StaaiSm nisteriumS vr. von Boettichcr solgcntcr- maxcn oiitg.gentrelen: „Obwohl wir von vornherein überzeugt waren, daß alle diese Gerüchle keinerlei Begründung haben, haben wir uns doch weiter erkundigt und sind in uioßgebenden Kreisen nur einem ironische» Lächeln begegnet; in denselben ist von alle» diesen Tinge» auch nicht daS M in d este bekannt. Einige Blätter bezeichnen auch den Finanzininisier vr. Miguel alS über den Gang der Lteuerresocm im Reiche verstimmt und amlsmllde. Wenn der p eußüche Finanzmiiiister auch über den Gang der RcichS- fleuerresoim, wie er sich bisher gestaltet hat, wenig erfreut sein mag, so können wir uns doch nicht denken, daß dcr Finanz- minister, trotz seines vorgeschrittenen Alters, dem zwar schwere», aber absolut uolhwendigeu Werk der Reform der Reichssteuer» wie die Beseitigung deS preußischen DesicitS seine Mit wirkung entziehen werde". Ta die „Berl. Polit. Nachr." Herrn vr. Miguel nicht ganz sernsteben, so wird man auS diesem Dementi wenigstens schließen dürfen, daß der preußische Finanzmiiiister vorläufig nickt daran denkt, zu demissioniren, sondern erst abwarlen will, welche Wirkung das nicht ganz diplomatische Vorgehen der Kanzlervssiciösc» gegen die confervaliven Agrarier auf daS Schicksal seines „zwar schweren, aber absolut norbweiidigeii" Werkes bat. Von diesem Schicksal wird eS wokl abbängcn, auf welche Weise die Spannung sich löst, deren Vorhandensein nicht abzustreitcn ist. In der belgischen Kammer bringt Ministerpräsident Beernaert beute daS Gesetz ein, welches die verhältniß- mäßige Vertretung aller Parteien je nach ihrer bei den Wahlen erlangten Etimnienzabl i» beiden Kammern sicher», also auch den Minderheiten Vertreter verchaffe» soll — im Hin blick aus daS auch nicht entfernt abzuschätzendc Ergebnis dcr künftigen Neuwahlen ein für alle Parteien nicht zu ver altendes Ziel. Es ist schwer zu sage», ob das Gesetz bei dcr Feindlichkeit der Rechten kurchzubringen ist. Da aber Minister Beernaert die CabmetSsrage stellt, so werden wobl so viele Klerikale umsallen, daß eine kleine Mebrhcit für dieses Gesetz zu erreichen sein wird. — Deutschland und Belgien waren Ubcrcingekommcn, eine neue preußisch-belgische Berbindunaöbabn Drei brücken (belgisch) - Malmedy (preußisch) -Bielsalm (belgisch) zu bauen. Dieses Abkommen stößt jetzt aus Hindernisse, so Laß eine Interpellation in der belgischen Kammer an gemeldet worden ist. Die deutsche Militairverwaltung errichtet nämlich bei Malmedy ein Ucbungslager für daS rheinische ArmeecorpS. Obwohl die Franzosen an der belgischen Grenze bei Maubeuze ein gewaltiges Heerlager, das Belgien bedroht, errichtet baden, schlugen die französische Presse und einige belgische Blätter Lärm und erklärten ganz ungenirt, daß Preußen Belgien bedrohe! Die besonnenere belgische Presse agegen betonte, daß es sich nur um ein UebuiizSlagcr andlc, und nach Malmedy gesandte belgische Gencralstabs officiere sanken i» der Anlegung diese« Lagers nicht die mindeste Gesabr für Belgien. Trotzten« erbebt Belgien jetzt plötzlich Schwierigkeiten gegen den Babnbau, so daß man auf die zu erwanendcn Regierungserklärungen gespannt sein darf. — Die belgische Regierung bat einen neuen inter nationalen Stra frech t Sc o n greß auf den 26. Juli nach Äniwerpcn berufen und amtlich die auswärtigen Regierungen zu dessen Beschickung cingeladen. Die internationale crimina listifche Vereinigung bat sogleich ihre Betbeiligung beschlossen. Ter Congrcß soll >7 Fragen, welche den Schutz der verwahr losten Jugend, der Verurtbeilten und der aus der Hast Enl lasscnen, der Landstreicher und Irren betreffen, erörtern »no wird in vier Abtbeilungen zerfallen. StaaiSminister, Arvccal Guillcry, leitet nach den Anweisungen des IustizministerS die Vorbereitungen für den Congreß. Ueber das Berbältniß der sranzösischr» Regierung zum Vatican gab die Sonnabend-Sitzung der Pariser Deputirtenkainmer interessante Ausschlüsse. Anläßlich einer Krage von DenyS Cochin, betreffend den Erlaß de« Mairs von Saint Denis, der daS Tragen deS Kreuzes bei Begrab nisfe» verbiclet, erklärte, wie gemeldet wurde, der Cultus miiiister Spuller, die Regierung vertrete daS Princip der Toleranz in religiösen Fragen; sie wolle die Reckte des LaienslaateS vertheidigen, aber auch dem neuen Geiste Rechnung tragen, der die Bürger zur Versöhnung sllbre. Aus diese mit großem Beifall ausgenommen«: ministerielle Acußeruiig ersuchte Br isso» de» Minister, de» „neue» Geist" zu erkläre», wodurch die Regierung sich vo» den srübcrcn unterscheide. Spuller wies den Vorwurf, die Republik zu verratben, zurück; er glaube, daß die Meinung des Landes nicht mebr dieselbe sei, wie zu der Zeit, wo er selbst die Cultiirkampsgesctze votire» geholfen habe. Eine neue Situation erfordere eine neue Politik; c« sei Zeit, daß die Hetzereien ge^ei, die Kirche aufhörten. Al« Goblet dazwischen rief: „Sie geben mit dem Papste!" antwortete Spuller: „In »iciiien Augen ist der Papst alle« RcspeetcS würdig und mit einer Koben moralischen Autorität bekleidet" Daraus glaubte Brisso» constatiren zu können, daß Spuller für seine Ver gangenheit Buße gethan habe. Man kündige, sagte er, eine Politik der Toleranz an, als hätte die Republik jemals der Toleranz ermangelt. Habe man de» wilden Krieg der Kirche gegen die Republik bereits vergessen? BMon beantragte schließlich eine Tagesordnung, in der erklärt wird, die Kammer verharre ans den antiklerikale» Principie», die allein die Rechte res Laicustaaieö schützen. Nunmcbr griff Ministcrpräsidcut Casimir Perier in die Debatte ein und erklärte, die Republik sei aus dem Kampfe gegen die Kirche siegreich bervorgcgangen, »un aber bade sic auch die Psiickt der Toleranz »nd dcr Friebeiisstistnng. Die Schul- und Militair- gcsctzc bliebe» ausrecbt, aber die Regierung wolle keine Hetz- politik gegen die Kirche treiben. „DaS ist die Allianz mit den Ralliirleii!" rief Goblet dazwischen, eine Insinuation, welche Casimir Perier energisch zurückwieS. Tic Regie rung regiere mit dcr Majorität der Republikaner und bade niemals auf die Unterstützung dcr Rechten gezählt. Freilich boffe sic, daß eines Tage« alle Franzosen unter der Fabnc der Republik ralliirt sein werten. Die Regierung bleibe liberal und patriotisch. Perier wies daraus die einfache Tagesordnung zurück, damit kein Zweifel verbleibe. Tie Tagesordnung Brisso» wurde mit :>I5 gegen l91 Stimmen abgelebnt und die Tagesordnung Barthou, welche das Vertrauen zu der Regierung ausspricht, sie werde die republikanische» Gesetze und die Reckte deS Laienstaates aus- rechtbalte», mit 302 gegen N9 Slimmeu angenommen.— Nach solchen Erklärungen der Minister und solchen Ab- vor dem Professor und Ellida Silström auf. Seltsam, wie sei» Eintritt gleich Alles veränderte. Ellida saß bei der gegen seitigen Begrüßung erschrocken und roth da, als hätte sie etwas BöseS gethan. Der Professor unterbrach Len riikigcn Gang seiner Rede, lohnte sich aber bebaglich in seinen Stuhl zurück, und flüchtig von der jungen Tänzerin zu deren hochgestelltem Vorgesetzten ausschauenb, mit einem fragenden bittenden Blicke, der ungefähr in die Worte zu übersetzen war: „Du wirst sie doch nicht verscheuche». Du wirst doch gütig und herablassend gegen sie sein, hier ist neutraler Boden —" sagte er: „Vor- lresilich, ick bade Dich lange nickt gesehen, Gerhard." Ellida börte Herrn von Hochstedt heute zum ersten Male bei seinem Vornamen angerekct. Sie batte bei dem G. welches er bei Unterschriften seinem Nachnamen voransetzte, ostmals schon gedacht: „Wie mag er beißen?" und da sie sich unter jenem Namen eine besondere Individualität verstellte, so wollte ikr weder ein Georg, noch ein Güntbcr, ein Gottlieb oder Gottfried, kein Name überhaupt recht für Herrn v. Hochstedt passen. Der Name Gerhard war ibr niemals eingefallen. Aber wenn sie denselben auch jetzt börte und sich unbewußt einprägte, darüber zu entscheiden, ob nun dieser Name, den sie sebr schön fand, seiner ober vielmehr derjenigen Indi vidualität entsprach, die ihre Phantasie damit verknüpfte, das erlaubte ibr der augenblickliche befremdliche GemütbS- zustand nicht. Zuerst balle sic mit einer peinvollcn Verlegen heit zu kämpfen, danach mit einer unerklärlichen, mit Be fangenheit und Respect vermischten Aengstlichkeit, die sie dem Blicke des Intendanten immer auSweichen ließ. Dabei schlug ibr daS Herz bis zum Halse hinauf, und gerade deshalb mochte es auch kommen, daß sie bald roth, bald wieder blaß wurde und gar nickt zur Rübe kommen konnte. Gleich bei der ersten allgemeinen Begrüßung batte sic sich erhoben, sich verabschieden wolle», vergebend, sie habe im Hause zu thun, habe Eile, werde erwartet. Der Professor wußte ,edoch alle diese klugen Ausreden lackend wegzuscherzen und sie förmlich, dock in der liebenswürdigsten Art, zu zwingen, wieder Platz zu nehmen, was sie trotz alledem nicht gethan, hätte nickt plötzlich der Intendant gesagt: „Aber ich dachte. Fräulein Silström. daß Ihnen der Arzt ein ganz rubigeS. un- tbätige« Leben als Arznei verschrieben habe? WaS können Sie denn so Eiliges im Hause zu thun baden?" Da war plötzlich ein kleiner, neckischer Geist in sie gefahren — vielleicht weil sie bei seinen ausmunternden Worten eine große Freude empfand — und sie halte geantwortet: „Ganz recht. Herr Intendant, ein ruhige«, langweilige« Leben. Darum eben bars ich hier nicht bleiben — denn langweilig ist eS dock niemals bei dem Herrn Professor." „Sie sind ein Schelm", balle er gerufen, und er und dcr Intendant, den sie »och niemals hatte lachen sehe», lbaten das nun gemeinsam, und sie selbst stimmte auch ein wenig ei». — Dann, wie gesagt, nahm sie der befangene Zustand gänzlich wieder ein. „Aber sind Sie denn krant gewesen? Davon weiß ich ja nicht-", fragte der Professor, „wir wohnen doch kaum hundert Schritte von einander." Ellida blickte vor sich nieder. „Ja", sagte sie. „ein wenig, aber es ist nun vorbei." Die Blicke beider Männer ruhten auf ibr, »nd sic fühlte daS auch. „Sie baden sich verletzt gcbabt — ich sebc cs jetzt erst", bemerkte dcr Professor, den schmalen, rotben Streifen an de« weißen Schläfe entdeckend. „Ja", antwortete Ellida mit schnellem, scheuem Ausblick uud verstummte. Herr v. Hochstedt mochte ihr die augenblickliche» Seelen regungen nack>empflndcn. So reizend'sic in ibrcr verschämten Anmull, aiizuschauen war, so Kälte er um Alles nickt durch sie peinlich berührende Blicke und Fragen ihre ersichtliche Be sangenbcit verlängern mögen. Im Gcgcntlieil, er s»ck,to ihr gewandt über die böse» Erinnerungen fortzubclicn. „Ich freue mich über Ihre schnelle Wiederherstellung", sagte er dann ableukend, „Dir, Marlin, gebt es, nickt wakr. wie immer gut, Dein srisckeS, Helles Gelickt zeigt, daß Du die Jugend in Pack'l ballst", und er wandie sick« gänzlich ab von dem verwirrte» Mädchen. Ter Professor cmvfäiid. day er init seiner Bemerkung soeben irgend etwas Peinlich«- berühr: haben »illßlc, »nd ging sogleich aus sei»,'« FroiindoS Wort ei», so daß Ellida nun nicht mehr das anssihließlick'c Objecl der Betrachtung und Unterhaltung blieb „Denn Du wabr sprichst, Gcrbard", autworlete er mit einem zufriedene» Lächeln, „so wiederlegt meinc Person also die oft aufgeslelllc Behauptung, daß die Gelehrtenstube u»o Bücherwürmern srübzeiliger als andern Männern den Rücken krümmt und die Stirn furcht. — Bin ganz einverstanden mit dem gegenlbeiligcn Beweise. — Aber ick sebe, D» sitzest noch immer in Deinem Pelz — willst Du nickt ablczen?" Ellida's Kopf subr zur Seite. Sie sab sich den von Bstirre so bewunderten Mantel, in den man sie in jener qualvollen Nacht eingebüllt batte, mit einem sonderbaren Gemisch vo» Interesse und Befangenheit an. Herr von Hochstedt streifte
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