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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940307027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894030702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894030702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-07
- Monat1894-03
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Tagelange Ver handlungen über diesen und jenen Einzelfall, wie sie bei der Beratbung deS Post-, des Militair- und des Eolonialetats zur Regel wurden, paffen in dieser Weitläufigkeit nicht in den Rabmen einer parlamentarischen Erörterung, am aller wenigsten in Zeiten, wo die wichtigsten und unaufschiebbarsten Geschäfte der schleunigen Erledigung karren. Meist wird auch im Plenum in solchen Fällen nur wiederholt, was schon ebenso ausführlich »nd mit beinahe derselben Oeficnllichkeil in Commissionen verhandelt worden ist. Wobin soll es führen, wenn jedes vereinzelle bedauerliche Vorkommniß in dieser Breite auf die ParlamentStribüne gebracht wird? In dieser Beziehung herrschte in früheren Jahren mehr Selbst- beschränkung. Die Socialdemokraten vornehmlich baden in ihrem unersättlichen Agitationsbedürsniß diese Versä'limme- rung verschuldet Darunter leiden die sachlichen Arbeiten des Parlaments und daS Interesse des Volkes an den Verhand lungen seiner Vertreter erlahmt. Dieses Ucbermaß von mehr oder weniger zwecklosen Debatten ist auck eine der haupt sächlichsten Ursachen deS viclbeklaglcn UebelstandeS des schlechten Besuchs der Sitzungen. Der diätenlose Reichstag, dem so viele siartbeschäftigte Männer des praktischen Lebens angeboren, muß zur Vorbedingung einer ersprießlichen Tbätigkcit eine kurze TaguugSdauer »nd einen möglichst rasch auf die sachlichen Ziele loSgchrnden Arbeitsplan haben. Heute tritt der Reichstag in die Beratbung des Gesetz entwurfes, betreffend die Aushebung des -dentitiftsuachwrisrs. Einen breiten Raum wird in der Berathung dieser Vorlage dir Aushebung der preußischen Ltaffeltarisc cinnchmen, die bekanntlich beschlossene Sache ist und nunmebr auch die Be fürwortung des preußischen Landeseisenbahnraths ge funden hat. Alles, was gegen die Aufhebung der Staffel tarife vorgebracht werden wird, könnte also wie die Ex- pectorationen eines Mannes betrachtet werden, der einen Proceß verloren bat. Es scheint aber, als ob die Vertreter deS preußischen Ostens im Reichstage gemeinsam Alle« daran setzen wollten, die preußische Regierung i» ihre» Absichten bezüglich der Staffeltarife, die nicht auf Gesetz, sondern nur auf Verordnung beruhen, wankend zu machen. Aus diesem Grunde beanspruchen die Ausführungen eines Grasen v. Schwerin-Löwitz, welche die „Kreuzzcitung" an hervor ragender Stelle wicdergicbt, eine gewisse Beachtung. Sic behandeln den Zusammenhang zwischen Identitätsnachweis und Staffeltarifen und gipfeln in dem Satze, daß die west deutschen Landwirthe unter Würdigung der thatsächlichcn Wirkungen beider Einrichtungen höchstens sagen dürften: „Wenn der Identitätsnachweis für Getreide nicht aus- gehoben wird, dann müssen wir die Aushebung der Staffel tarife fordern: — wenn aber der Identitätsnachweis sortsällt, daun können die Staffeltarife ohne Schaden für uns Landwirthe im Westen bestehen Heiden! Es ist zuzugeben und von Herrn v. Bennigsen im Reichstag auch ausdrücklich anerkannt worden, daß die Aufhebung des Identitätsnachweises die Wirkung der Staffcltarise abschwächen würde, aber „Ein- bilduug" der westdeutschen (und mitteldeutschen) Landwirthe, wie Gras v. Schwerin meint, ist c« denn doch nicht, wenn diese von der Erhaltung der Staffeltarife bei der Aushebung deS Identitätsnachweises eine Schädigung befürchten. Der „Denkfehler" besteht darin, daß vorausgesetzt wird, nach Aufhebung de? Identitätsnachweises ginge alles im Osten entbehrliche Getreide nach dem Auslände. Dafür, daß diese Annahme hinfällig ist, berufen wir uns auf den — Herrn Grasen v. Schwerin-Löwitz. Denn wäre sie zu treffend, so hätten Landwirthscüasl und Handel deS Ostens nickt dasjenige Interesse an der Beibehaltung der Staffel tarife für Getreide, daS der Herr Gras so beflissen wahr- nimmt. In Wabrbeit ging und gebt unter allen Umständen östliche Körnerfrucht nach dem Westen und Süden. Dies ist der eine Punct. Der andere betrifft daS — russische Ge treide. Der „Bund der Landwirthe" prophezeit «ine Ueber- schwemmung des Ostens mit russischem Roggen — wir glauben an diese Ueberschwemmung nicht, aber daß russisches Ge treide in großen Mengen nach Deutschland drängen würde, wenn cö auf de» preußischen Bahnen im Verkehr nach dem Westen und Süden privilcgirt wäre, diese Gefahr ist keine eingebildete. Auö den Auseinandersetzungen des Herrn Grasen v. Schwerin-Löwitz gehr mithin als daö einzige Brauchbare daS Zugcständniß hervor, daß ma» die von den Conservativen als Bagatelle behandelte Aushebung des Identitätsnachweises im preußischen Osten ihrem vollen Wertbe nach zu schätzen weiß. I» Oesterreich plant man jetzt nach dem Vorgänge der Vereinigten Staaten. Englands, Frankreich« und Deutsch lands gleichfalls die Einrichtung einer besonderen Eentralstelle für Ardeilerstalislik. Nach dem im Landtag eingegangenen Geseyenlwurse soll eine besondere Abtheilung im Handels ministerium mit der Erforschung »nd Darstellung der Lage der arbeitenden Classen in Industrie, Handel und Verkehr — die Land- und Forstwirthschast, sowie der Bergbau gehören zum Ressort deS Ackerdauministcrs — betraut werden, und um die Erhebungen zu sichern, sollen nickt nur, wie da- in Deutschland der Fall ist, die Arbeitgeber verpflichtet werden,, statistische Mittheilungcn über die Verhältnisse ihrer Arbeiter zu machen, sonder» cs soll den Organen des arbeitS- siatistischeii Amte« auch die Befugnis; der persönlichen Be sichtigung der Betriebe, sowie der Einsichtnahme der A> beiterver;richniffc, Arbeitsbücher :c„ und dem Amte die Bc- fugniß zur Verhängung von Ordnungsstrafen dis zu l 00 Gulden bcigelcgt werden. In den Motiven wird besonderes Gewicht ans die persönliche Erkundigung gelegt, die freilich unvcr- hältnißmäßig zeitraubend ist. Im Unterschied von der seit 1802 im deutschen Reiche bestehende» Einrichtung werden in Oesterreich nur Untersuchungen und Darstellungen der ge werblichen Arbeitervcrhältniffe im Allgemeinen verlangt, während die deutsche Evmmission für Arbciterstatislik genöthigt ist, ihre Untersuchungen derart und bis dabi» z» führen, daß sic die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der Bestim mungen derGewe^zcordnung aus einen bestimmten (AcwcrbS- zweig beweisen >inM?ejahenden Falls mit bestimmten, aus ihren Unlerfuchungen fußenden Vorschlägen hervortretcn kann, wie sic z. B. jetzt für das Bäckereigewerbe in Ausarbeitung be griffen sind. Ter zweite baupttächliche Unterschied besteht in der Organisation der Behörde selbst. Wie z. B. in England seit 1893 ein Arbeirsdeparlement im Handelsamte besteht, soll, wie gesagt, in Oesterreich eine arbeitsstatistischc Adthe>l»nz im HanvclSniinisteriuni errichtet werden, welcher Plan unv Ausführung der Statistik obliegt; die deutsche Commission für Arbeiterstatistik ist hingegen eia beratbendrS uud begul- achtendessmit der Besugniß zu Vernehmungen auSgestattelcS Collegium, in dem die Regierungen und der Reichstag gleichmäßig vertreten sind. Jeder dieser beiden Arten von Einrichtung des arbcitSstalistischen Dienstes hat ibrc Vorzüge; jcdcnsallü aber ist die Leistungsfähigkeit beider von den Personen und den verfügbaren Mitteln abhängig, und wenn die deutsche auf eine schmalere Grundlage als in Oesterreich und ander wärts gestellt ist, so bleibt ;a, wie die „Norbd. Allg. Zig." hervorhebl, immer die Möglichkeit, sie zu verbreitern, sobald die jetzige nicht mehr ausrcicken sollte. Ter englische Botschafter i» Paris, Lord Dusferin, bat, wie gemeldet wurde, am Montag bei einem Banket der englischen Handelskammer in Pari- eine Rede gehalten, in welcher er bervorhob, Rußland und Frankreich hätten bei wichtigen Gelegenheiten bewiesen, daß sie den Frieden Mil England wünschten. Der europäische Friede sei also gesichert. Er werde bestrebt sein, daS gute Verhältniß zwischen England und Frankreich aufrecht zu erhalten. Demnach scheint Lord Dufferin die von der „Eocarde" gegen ihn gerichteten Angriffe mit der »ötkigen Verachtung ignorircn zu wollen, er bleibt aus seinem Posten, und so war cs wieder einmal nichts mit dem von uns schon zur Genüge gekennzeichneten Versuch, einen Silndenbcck zur französische Fehler unter den Angehörigen einer anderen Nation zu suchen und für die unbegrcijliche Tack losigkeil, mit der die Prinzessin Waldemar als politische Agentin für das französisch russische ZukunftSbündniß ange- worbcn werden sollte, angebliche Intrigue» des AuSlanbeS verantwortlich zu machen. Vergeben- bemüht sich jetzt ein Tbeil der französischen Presse, die Sache so darzustcllen, als ob der Eapilain de Bcauchamp zunächst lediglich aus eigene Hand vorgczangen und dann, als er interessante Infor mationen an den General Bonus gesandt Halle, von diesem ausgefordcrl worden wäre, sernerhiu dircclc Informationen zu schicken. Es ist nun allerdings noch nicht sicher festgestcllt, ob der Präsident der Republik Kcnntniß von der famosen AuSborcherci Beauchamp's gehabt hat; aber selbst in der gegen wärligeii Darstellung würde die Thatfache bestehen bleiben, daß der Cbcs des MilitairslaateS des Präsidenten der Republik einen Militairattach« mit Umgebung deS Vorgesetzten Ministe riums ersucht hat, eine ihm keineswegs znstehende „diplomatische" Wirksamkeit in wenig tactvollcr Weise zu entfalten. — UebrsszenS scheint cs kaum einem Zweiscl zu unterliegen, daß Lord Dufferin seine auffällige politische FriedenSrekc in Paris im Einversländniß mit Roscdrry hielt. N„r erfährt sein Lob der Friedensliebe des Zaren eine seltsame Beleuchtung durch eine Auslassung der „Times". DaS konservative Blatt warnt vor der BundeSgenosjcnschast des ZarenthumS; eS wolle nur mit Hilfe Frankreichs Europa unterjochen und werde, wen» cS sieze, Europa und Frankreich zugleich unterjochen, aber im Falle der Niederlage unversehrt bleiben, weil eS unverwundbar sei, während Frankreich die Zeche zahlen werke. Dieser bitteren Aeußerung der „Times" liegt so viel Wahrheit zu Grunde, raß ein Zusammengehen Englands mit Rußland »r nur ein dauernder Friede zwischen beiden Nationen wegen ihrer ans colonialpolitischeni Boden überall sich kreuzende» Interessen freilich kaum denkbar ist. Der Kampf zwischen dem Finanz-Ausschuß der ita lienische» Kammer und dem Eabinet Crispi, spcciell mit dem Finanzniinister Sonnino, wird nun Kalo in aller Heftigkeit beginnen Der erste feindliche Vorstoß seitens des Ausschusses zeigte sich schon in der Wahl deS Abgeordneten Vachclli zum Präsidenten gegen den von Erispi begünstigten Vertreter von Florenz, Guiceicardini. Vachclli, der als Schatz meister in daS nicht zu Stande gekommene Eabinet Zanar- delli eintreten sollte, stimmt meist mit der Gruppe deS Letzteren. Die Opposition verlangt, daß die Bahnbau kosten und die seit Jahren unbezahlten Schulten des DautenminisieriumS aus dem ordentlichen Vor anschlag ausgtschiedcu und in einen außerordentlichen Voranschlag eingestellt werden; neue Steuer» sollen nur in der Höhe bewilligt werten, die zur Deckung de« Fehlbetrags in dem so ziirechtgemachteii ordentlichen Bor anschlag ausrcickt. Damit würde der eigentliche Zweck des Sonnino'schen FinanzprogrammS vereitelt, der darin bestellt, mit der liederlichen, leichtfertigen Schiildcnwirtkschast auf;» räumen, die unter dem Titel „außerordentliche Voranschläge" bisher getrieben wurre und mit der sich ernsthaft zu befassen den früheren Regierungen zn unbequem war. Sonnino ist bereit, irgendwie geeignete, aber von cbrlickem Willen ein gegebene Abänderungen seiner Vorschläge anzuncbmen, allein von seinem Hauptziel, eine klare Lage und dauernde Ordnung in, Staatshaushalt zu schaffen, wirb er sich nicht ab drängen lassen. Der Sympatbicn aller ehrlichen Italiener und des ganzen Auslandes ist er dabei sicher. So unangenehm die auswärtigen Rentenbesitzer die Herab setzung des Renten;»,sfußes auch empfinden mögen, so werden sie sich damit bock absinden, wenn sie die Ucbcrzcugunz ge winnen, daß mit der Herstellung finanzieller Ordnung in Italien voller Ernst gemacht wird; die Fortdauer der bis herigen Unordnung und Budgctvrrschleieriingti, müßte sie mit lebhafterer Sorge »m die fernere Zahlungsfähigkeit Italiens erfüllen, als die Herabsetzung des RentenzinssußeS aus vier voin Hundert auf Grundlage des Svnnino'schcn Finanz- entwurfö. Die Rente wird ja allerdings verkürzt, ihre Zahlung aber durch die Nelisundamentirung des Finanzwesens und die Ordnung und Evnsolidirnng aller bisher unsicheren Verhältnisse im Königreich tbatsächlich garantirk. In bas englische Eabinet in nunmehr anslall Sir John Morley'S, welcher an Stelle des irische» MinisterpostenS den indischen übernehmen^ sollte, der bisherige Präsident der Local- vcrwaltung, H. W. Fowlcr, z»m Minister für Indien de rufen worden. Ausschlaggebend für diese Berufung war wohl der Umstand, daß Fowlcr einer der tüchtigsten Finanz Politiker ist, den jetzt die indische Regierung, ausschließlich mit Währung-- unk Finanzsragen beschäftigt, notkweneig brauckt. Wahrscheinlich wollte inan eö auch vermeiden, daß außer dem Premierminister und dem Minister deS Acußcrn auch noch dersenigefürJndien im Oberbaus« sitzt. UnterdenMinistern im Hause der Gemeinen iß aber die Auswahl für den genannten Posten nicht groß. Mittlerweile scheint sich die liberal radikale Partei, die nach Gladstonc'S Rücktritt einen Augen blick von Zerfall bedroht war, wieder fester zusammen;» schließen, nacktem daS Fähnlein der gegen de» Peer als Premier srondirentcii Radikalen Labouchcrc'schcr Observanz ans wenige Köpfe zusammengeschmolzcn ist. Ein Partei Meeting hat vorgestern eine Resolution gesagt, welche diese Tendenz unzweideutig zum Ausdruck bringt. Sb Lord Rose- bery daS in diesem Beschlüsse von ibm verlangte Programm: Durchführung der Home Rnlc-Bill und Kampf gegen das Ober haus vollinhaltlich klirchzusiihreii geneigt und im Stande sein wird, muß abgewartct werten. Daß vaS neue Eabinet für Homc- Rule in irgend einer Form eintreten wird, scheint allerdings daran- hervorzugehc», daß Job» Mörlen, der bisherige StaatSsccretair sür Irland, auf diesem Posten verbleibt unv zwar mit der Motivirnng, daß er so besser i» der Lage sei, die Forderungen der Iren zu unterslützcn; allein keinesfalls wird der 1886 von der großen liberalen Partei losgelöste Flügel der liberalen llnioniiten unter dem Herzog von Dcvonshire und M. Ebamberlain sür dieses Prozrainm zu gewinnen sein Die Bcmübungen wegen Wiederberanziehmig der „Separatisten" — wie Glatslone sie nannte — dürsten somit resultatlos bleiben. Wie verlautet, soll man in liberalen Kreisen enttäuscht gewesen sein, dass die Königin l P,r. Gladstvnc angeblich ohne ein Wort des Bedauerns aus FeriiHetsn. Ellida Lilström. 31s Roman von H. Palms-Paysen. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ich habe in jeder Hinsicht sür Ihre Geduld und Nachsicht zu danken, Herr Intendant", hob sie formell unk unsicher an, „wie Sie sehen, bin ick jetzt ganz wieder hergestellt, morgen beabsichtigte ich, zu Ihnen zu kommen, um —" „Um über Ihr Auftreten und dergleichen zu reden, nicht wahr? Thun Sie das, ja", sagte er, als Ellida nickte, „aber nicht hier — bitte, nicht hier. Hier lassen Sic auch den „Herrn Intendanten" fort, wir befinden uuS zu meiner Freude einmal aus anderem Grund und Bode», als aus den Brettern. In dieser kleinen Gelehrlenstube möchte ick mich gern einmal als Mensch fühlen, nicht als der gequälte, gehetzte, geärgerte Theaterinlcndant, der oft kein Mensch mehr ist, hier möchte ich für Sie nichts Anderes, nickt- Schlechteres sein", betonte er, „als der Herr Professor. Wollen Sie das? Wollen Sie nicht versuchen, mich einmal mit anderen Augen zu betrachten, wie bisher, nicht so furchtbar respektvoll und ergeben, als ständen Sie einer gesiirchtcltn Persönlichkeit gegenüber. Fürchten Sie mich den» so sehr, mein liebe- Kind?" Seine bestrickende Herzensgute in Ton »nd Blick verfehlte ihre Wirkung nicht. Ellida hob ihr Köpfchen und sah ihn aus plötzlich feucht schimmernden Augen zum ersten Mal mit einem Blick an, au- dem ein Bruchtheil jenes zärtliche» Gefühls leuchtete, da- sie für Menschen empfand, zu denen sie Vertrauen faßte. „Ich fürchte mich min aar nicht mehr", antwortete sie. „So wäre denn unser Freundschaslsbund besiegelt", sagte er mit einer eigenthümlich bewegten Stimme und subr dann langsam, sich in den Stuhl zurücklehnend, fort: „Erzählen Sir Ihrem neu gewonnenen Freunde nun auch etwas von Ihrer schönen Heimath, eS bat Alles Interesse sür mich " Eigentlich wollte er sagen: nicht minder Interesse sür mich, als für den Professor, der Sie doch kaum so gut kennt wie ich, aber daS hätte geklungen, als wäre er mißgünstig — eifersüchtig! Ein ganz verkehrter Ausdruck, der nicht- mit de« Gegenstand zu thuu batte. Der Professor war ein alternder Mann. Ja reichlich sechs Jahre älter als er, und er, der Intendant, kielt sich selbst bock wahrlich nicht sür einen alten Mann. Im Hinblick aus dieses junge Mädchen, vielleicht — aber Eifersucht schloß den Begriff Liebe in sich, und — Unsinn, warum überhaupt solche Betrachtung? Dabei entging ihn» baS liebliche Ge plauder des Mädchen-. Ein Geplauder konnte man cs eigent lich nicht nennen, dazu sprach die kleine Silström zu gehaltvoll und gedankenvoll. Wovon sprach sic denn jetzt? Richtig, von ihrer Heimath, von den schönen Fjorden, von Norwegens Paradies. Sic saß ihm im hckkn Lichtschimmer so »ake gegenüber, daß er jede kleinste Regung in ihrem Gesicht wahr- nehmen konnte. Solch' rnbigeS Betrachten batte dock etwa« unbeschreiblich Reizvolle- in sich. DaS Bezauberndste an diesem Geschöpf war ja das Micncnspiel. Ein so sanfte-, zärtliches Lächeln, einen so allerliebsten Ernst, den das kleine Fältcken zwischen den dunklen Augenbrauen oftmals gim Ausdruck brachte, einen so aufleuchtenden Glanz, der ab und z», wie von einem verborgenen, inneren Lickte berrübrend, über Stirn und Augen flog, batte er noch sein Lebtag nickt gesehen, noch nicht gewußt, daß man beim Anblick eine» Menschenantlitzrs eine Wonne empfinden könne, der nicht- gleich kam. Nack der Wurzel diese-GesüblS zu suchen, Nach grabungen zu halten in der Tiefe seines Seelenleben-, davor hütete er sich wieder, er kostete den gegebenen Augenblick ganz und voll au- Wenn sie schwieg, reizte er sie durch Fragen, oder durch Bemerkungen, die zur Gegenrede sührtm, immer von Neuem wieder an, er war sich volldewußt, daß er recht selbstsüchtig unr bequem bandelte, ohne c» doch zu ändern. Er hörte »nd sah ibr zu. Dean manchmal, wenn sie etwa- recht deutlich veranschauliche» wollte, — sie sprach gerate von der wunderschönen Lage Stockholm- —, dann zeichnete sie die Linien der User und Felsen, die Windungen ve-Mälar- mit ihrer Hand vor sich auf den Tisch hin. Dabei sah er natürlich auf ihre Finger. Als sie einmal die andere Hand dazu »ahm, entdeckte er an dieser einen schmalen Goldreif DaS Blut lies ibm in dem Augenblick wie ein Feuerstrom durch den Kopf. Von dieser Secunde an wußte er nicht mehr, wa- und wovon er sprach. Ein einziger Gedanke nabin ibn in Anspruch: dieser Ring? Wa- war da- für ein Ring? Vielleicht, nein, wobl bestimmt, rin Andenken — der Trauring ihrer Mutter — ein Berlobung-ring, ihr BerlobungSring konnte e< doch nicht sein. Eine Tänzerin durfte solchen Ring überhaupt nickt tragen, da» war nicht Gebrauch. Da- wollte — da- mußte er ihr unbedingt noch sagen. Er behielt sich das vor. Aber jetzt sollte ja nicht vom Theater die Rede sein — er hatte das eben betont — also jetzt ging eö nicht, obgleich er am liebsten noch in selber Minute danach geforscht hätte. Seine Gedanken schweiften mit einem Male weit av, er hörte seinen Neffen sprechen» dann plötzlich sah er vor seinem geistigen Auge ei» anderes Gesicht, daS des junge» Relltoss! Sein immer mehr sich verdüsterndes Gesicht blickte sie förmlich erzürnt an. Ellida stockte plötzlich mitten im Gespräch. Sie merkte sein finsteres Au-sehcn »nd erschrak. „Ich spreche zu viel", denkt sie bei sich, „eS wird ibm langweilig, ich bin ibm lästig." — Aber da flog eS mit einem Male wieder wie eine Helle über sein Gesicht. Er batte sich wiedergcfunden. Da er gar nickt wußte, wovon sic zuletzt geredet, brach er ganz ab, erhob sich und redete von den mannigfachen interessante» Gegenständen de« Zimmers. Mehr absichtslos, mechanisch, als bewußt berührte er hier unv da die aufgestellten oder bangende» auSgeslopften Tlsscrc, und so gcricth auch ein großer Geier in seine Hände. Entweder war bereit- die Schnur, an der dieser mit auSgespannten Flügeln hing, verletzt ge wesen, oder er trug die Schuld daran, daß der Vogel plötzlich zur Erde fiel. „O, weh, da habe ick wieder Unbeil anzerichttt!" ries er thatsächlich bestürzt. Dir Unterhaltung gestaltete sich nun ganz anders. Sonder bares, gehcimmßvolles Weben von Seele zu Seele! WaS folgte, war so einsack, so natürlich, und doch erschien es dem älteren Mann, als wenn plötzlich, ohne Zuthun de» Eine» »nd Anderen, alle conventionellen Schranken zulammenge funken seien. Tie standen zum ersten Male wie gute Freunde traulich nebeneinander, denn Ellida mar herongetrelen und batte gesagt: „Ich will versuchen, ob ich die Schnur nicht zusammen- knoten kann", und daraus halte er geantwortet: „Bitte, ver suchen Sir eS " Dann hatte sie die Enden gesucht und gesunden und war mit der Leichtigkeit ihrer seinen Gestalt auf einen Stub! ge stiegen, um binanreichen zn können Er stand schweigend dabei, den Vogel in der Hand, wäbrend sie den Schaden au»- besserte. In der halben Minute, in der weder sie noch er redeten, in der er sich aber ihrer trauten Näke mit einer lieblichen, wundersamen Empfindung bewußt ward, meinte er ibr auch geistig näher gerückt zu sein. Er fühlte sich ihr plötzlich so vertraut wie einem Wesen, da- man schon lange, lange gekannt und — geliebt hatte. Herr v. Hochstedt erschrak, und in dem Augenblick, da er zur Besinnung kam, gerielb er in Zwiespalt. In dieser Stimmung traf ihn der »mi auch zurückkebrende Professor. „E- ist dock nicht so leicht zu nehmen", meinte dieser, „die Kinder scheinen wirklich krank und fieberhaft zn sein. Hoffen wir aus eine gute Wendung. Der Intendant wurde »ach dieser Aeußerung merkwürdig einsilbig, der Professor mittheilsanier, als sonst, und gegen Ellida von außerordentlicher Herzlichkeit und Güte. Er setzte das Gespräch — so klar war sei» Gedächtnis; — genau an dem Punctc wieder fort, wo ibm vorhin der Faden desselben abgeschniten worden war. Aber die Stimmung wollte bei seinen Zubörern nicht wiedcrkchrc». Ter Intendant malte sich allerlei TchrcckenSbiltcr aus, welche Krankheit und Tod zur Folge haben könne», und Ellida zeigte sich zerstreut. Sie brach zuerst aus und war schnell genistet. „Aus Wiedersehen! Lasse» Sie sich recht oft blicken bei mir, mein liebes Fräulein", bat der Professor und reichte ibr die Hand. Herr v. Hochstedt that da» Gleiche, wobei Ellida rolh wurde. Als sie allein und ganz langsam den mondbeleuchlete» Laubgang entlang schritt, zergrübelte sic fick ibr Hirn über daS Warum dieses ewigen, pcinvollen Farbenwcchscls und weshalb sie in Herrn von Hochstedt s Gegenwart, maS früher doch nie der Fall gewesen war, eine so namenlose Befangen beit, oft eine beinahe zitternde Erregung und Angst befiel und warum sie ihm nickt in« Auge zu sehen vermochte. Nock wußte sic e» nickt. Noch schlummerte rin etwas ibr Unbe wußte«. 38. Eapitel. Aber bei ihm nickt — er sah seit diesem Tage immer nur ein Bild vor Augen: die Minne, und die trug Ellida'S unschuldige» Kindergesicht. Er ging diesen unvergeßlichen Abend mit dem Bewußtsein beim, daß er mit einem Wahn sinn zn kämpft» bade, den er fick unter allen Umständen, kalt blutig, obne Zandern, ebne weichliche Hingabe an irgend welche Wünsche — von Hoffnungen nickt zn reden — aus dem Herzen zu reißen bade. Ein Hackmittag wie dieser durste nicht wicterkehren. Nock wuckS ibm daS Gesühl nicht über den Kops und den abratbcnden Verstand, noch konnte die Philosophie ihm ein Tröster sein, und die sagte: Du bist bei Jahren und sie die Jugend und Schönheit selbst Winter und Mai raffen nickt zusammen. Du bist der Intendant
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