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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940315026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-15
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Marschall zur Annahme res Vertrags gratulirt, die Berliner „BolkSzeilung" will aber von einem solchen Glückwünsche, der nicht verdient sei, nichts wissen. Das demokratische Blatt schreibt: „Der Glückwunsch gebührt einzig und allein der Mehrheit des Reichstage», die den Handelsvertrag angenvmme» hat. Wäre eine solche Mehrheit nicht zur Stelle gewesen, Gras Eaprivi und sein tapferer und geschickter Mitstreiter hätten sich, man verzeihe da» harte Wort, aus den Kops stellen können, und sie hätten doch leinen Erfolg erlebt. Niemand wird behaupten wolle», daß die beide» Herren erst die Majorität geschossen hätten. Schließlich haben Gras Eaprivi und Freiberr v. Marschall ihre besten und durchschlagendsten Argumente aus dem Arsenal de» Freihandel», das heiß! aus dem geistigen Besitz derzenigen Parteien geschöpft, bei deren Annäherung dem Reichskanzler sonst „unheimlich'' zu werden pflegte." Man kann daraus schließen, wie bald sich der linke Flügel der HandelSverlragsmajorität dem Kanzler abermals ,un heimlich" machen wird, ebenso unheimlich wie die Oppo sition gegen diesen Vertrag, die nach ihrer Niederlage mit Hohn alle Mahnungen, nunmehr den Kamps ruhen zu lassen und gemeinsam mit den Freunden des Vertrags ihr Augen merk auf Maßregeln zur Hebung der Landwirthschaft zu ver wenden, zurückweist. So schreibt die „Corresp. des Bundes der Landwirthe": „Run die Herren gesiegt haben, wollen sie sich mit uns ver- > ragen, wir sollen ruhig sein, damit sie ihre Beute ungestört ver- bauen können (I). Da- glauben wir, allein wir wollen ihnen schon heute verralhrn, daß ihre Illusionen aus Sand gebaut sind. Nicht nu den Frieden mil den Freihändlern, Socialdemokraten, Börsianern und allen übrigen Gegnern der Landwirihschast denken wir, sondern neuer Kamps ist unsere Parole. Gerade die An- nähme diese» Vertrage» mit den halbbarbarischen Russen, diesen Schlächtern von Kroze nnd Henkersknechten de» baltischen Deutsch- ibumS, mit diesen tartarisch-mongoiischen Haldgsiatrn, deren Zurück- ir-ersung bi» jenseits des Ural« »ine Ausgabe der europäischen Eulturwelt wäre, — die Annahme dieses Vertrages, sagen wir, wird der Ausgangspunkt einer agrarischen Bewegung vo» solcher Mächtig, keil werden, daß sie Alles niederwtrst, was sich ihr in den Weg stellt." Nock maßloser haben sich mehrere der Redner auf der dieser Tage m Berlin abgehaltenen Versammlung des kon servativen Wahlvereins geäußert, wo sogar von einem ReqierungSbaumeisler Knaufs der Antrag gestellt wurde, die gefammtr Politik de- Grasen Eaprivi scharf zu ver- urthrilrn. Solche Elemente durch Zugeständnisse zu versöhnen, ist eine überaus schwierige Ausgabe, um so schwieriger, je weniger die alten schroffen Gegner dieser Elemente von solchen Zu geständnissen etwas wissen wollen. Wie aus diesem Dilemma berauszukommen ist, weiß Gras Eaprivi allem Anscheine nach ,eibst nicht, denn eS fehlt bis jetzt aus seiner Seite an jedem Versuche, die verworrene politische Situation zu entwirren. Da er aber schwerlich daran denkt, durch einen Rücktritt sich au- der Schlinge zu ziehen, so wird man vorläufig in Geduld abwarlen muffen, ob ihm in der Osterpause ein Mittel bcisällt, da- ihn selbst und das Reich vor einem voll ständigen parlamentarischen EhaoS bewahrt. Gegen den „kladderadatsch" und seine Hintermänner cheint man nun doch einschrciten zu wollen, nachdem auck solche Blätter, die sonst nur ungern einen Zweifel in die Weisheit der Regierung setzen, ihrer Sorge vor den Folgen der bis jetzt beliebten Bcbandlung der Angelegenkcit Ausdruck gegeben und auf die Wirkung bingcwicscn haben, welche die bis jetzt nur mit officiösen Dementis bekämpften Anschul digungen des Berliner Witzblattes im AuS lande Hervorrusen. Reckt deutlich geht diese Wirkling a»S der folgenden Aus lassung des Pariser „Figaro" hervor: „Man kann sich leicht vorsiclle», welche Wirkung solche Ent hüllungen in einein Lande hervvrbriiigcn inüssen, wo man sich bis dahin noch die Achluug vor der Verwaltung bewahr! batte. Was die Geschichte noch viel schwerwiegender macht, das ist der Umstand, daß die drei Persönlichkeiten, welche der „Kladderadaljch" sich aufs Korn genommen bat, perünliche Freunde des Kaisers sind. Zwei von ihnen Hai er aus vielen Reisen mitgenommen. Indem man die Freunde des Herrschers angreisi, greift man den Herrscher selbst an. Von welchen Zielen ließ sich der „Kladderadatsch" leiten? DaS fragt sich heute ganz Deutschland. Er bat diese Campagne sicher n i ch t ganz allein unternommen, und die nölhigen Aclenslücke hat er sich nur durch Leute verschaffen könne», welche mit Allem, was im Ministerium der auswärtige» Angelegenheiten und bei Hose vorgehl, ganz vertraut sind. Nu» wird in diesen Artikeln von Trinkgelder» und von staatS- schädlichen Einflüssen und von für Deutschland verderblichen Veränderungen im diplomatischen EorpS gesprochen. DaS kann Alles wahr sei», aber sicht ma» denn nicht den Nutze», den die Socialdemokratie au» diesen Einhüllungen ziehen wird, und merkt man nicht, daß die alte Staalsmajchine in Deutschland zu krachen beginnt, wie sie in anderen Länder» auch kracht?" Nachdem nun auch noch der Finanzminister Or. Miguel in dem Proccssc gegen die Antisemiten Schweinbagen, Plack-Po dgorSki und Dewalb erklärt bat, er habe seinen Strafantrag LeSbalb stellen zu müssen geglaubt, weil er dies seiner Stellung schuldig sei und das auskommcntc System der gewerbsmäßigen Verleumdung sür überaus gefährlich balle, würde es im Znlande und im AuSlante noch unbegreif licher erscheinen, wenn die im „Kladderadatsch" so schwer beschuldigten und dem Kaiser so nabe stehenden hoben Be amten nicht mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln die Angriffe aus ihre Ehre verfolgen wollten. Zn der französischen Kammer tobt seit vorgestern eine langwierige Redeschlacht über die von dem Dcputirle» Bourgeois wieder einmal beantragte Revision der Ver fassung. Hauptredner für den Antrag war bis jetzt der ehemalige Ministerpräsident Goblct, der Führer der sveia listisch angehauchten Radikalen. Er vcrurtkcille a»ss Schärfste die heutige französische Verfassung als ein nichtsnutziges orleani- stischcsMachwerk. Man warf ihm ein, der OrleaniSinuS sei lvtl, woraus Goblet erklärte, die Orleanisten seien als Ralliirle wieder vo» den Tobten auferstanden. Es lohnt sich nicht, näher aus die Erörterung einzugchcn, die weder etwas Neues noch etwas Wichtiges zu Tage fördert und auch zu keinem greis- baren Ergebniß führen wird. Wenn der heutige Präsident der Republik als eine Arl Tyrann vom Schlage Philipp'« gekennzeichnet wird, der bei allen möglichen Gelegenheiten eigenmächtig in den Gang der SlaalSmaschine eingrcisl, wenn Gladstoue'S Vorstöße gegen das Oberbaus zur Unterstützung der Angriffe gegen den sranzösischen Senat nutzbar gemacht werden, so kann das Alles nichlö verfangen gegen die^ Thatsache, daß der Senat trotz dcS orlea- nislischen Sauerteigs das Schulgesetz, das Wedrgesctz und daS Gesetz über die Fachvcreine, also die radikalsten Er rungenschaften genehmigt bat. Der Abgeordnete Deschanel dürste so unrecht nicht gedabl baben, wenn er auSeinander- sctzle, der ganze Drang nach Verfassungsänderung diene nur dazu, die hoffnungslosen grundsätzlichen Spaltungen auf der äußerste» Linke zu verdecken. Wenn zugleich von dem Einen der Zndi- vidualiSinuS, von dem Andern der EoUccliviSmuS gepredigt werde, wenn die eine Gruppe dem Internationalismus huldige, die andere noch dem BaicrlandSbegriff anbänge, wenn hier von Gesetzmäßigkeit und der Trikolore, dort von der Eoinniuuc und vom rolben Banner -geredet werde, dann sei die Forderung der Revision ei» beanemcs Programm, uni die Uneinigkeit zu verdecken. Zeder könne sür die Forderung cinlrcte» und Vcder denke sich etwas Anderes dabei. T>e müßige Erörterung wird auch diesmal wieder im Sande ver lausen, aber sie wirft, wie man sicht, doch interessante Streif lichter ans die Parleivcrbällnisse in der französischen Kammer und aus die Befürchtungen, die man in radikalen Kreisen an den Ruck nack> rechts knüpft, den die Regierung seit dem Attentat aus die Kammer unleuabar gemacht bat. — Ein anderer müßiger Streit ist um die Jungs»au von Orleans entbrannt, die bekanntlich selig und später heilig gesprochen werke» soll. Man macht einst sür das Urthcil, das in orlea- nistischen Blättern über die unglückliche Zungsrau gefällt worden ist, de» Bischof Eouchon verantwortlich, der als Renegat, LandeS- vcrrälbcr und Schismatiker gebrantmarkl sei, und den die Kirche später aus ihrem Schoos; ausgestvßen habe. Aber daS ist noch nicht ausreichend, »m seinem patriotischen, papstsrcunblichen Herzen enug zu lhun: „aus Grund sorgjälliger gelehrter Forschungen" at jetzt der Gras de Kcrohul berailSbekomnien, daß der schlimme Bischof gar kein Franzose ist, er war ein Zudc» erg» war die Verurlheilung der Zungsrau von Orleans ein jüdisches Verbrechen! Zn Italien ist eine große agrarische Partei im Werden begriffen, deren Mstgliedcrzabl unter den Volks vertretern sich bereits auf 280 beläuft, so daß sic bei der Bcralhung der Finanzmaßregcln den ausschlaggebenden Factor bilden wird. Bei der wichtigen Rolle, welche die Landwirih schast im WirtbschaslSlcben Italiens innc bat, und bei der argen Vernachlässigung ihrer Interessen durch die früheren Regierungen ist cS an und §ür sich nur zu begrüßen, daß die Vorgänge in Sicilicn und die angekündiglcn Agrarreformen des EabinetS EriSpi den Anstoß zur Gründung einer solche» Partei gegeben haben, der Mitglieder sämmtlichcn Fraclioncn angchöre». Ihr Zweck ist, durchSchasiiuiggceigncterGcictze dcrnalionalcnLantwirtbschasl anfzubelsen, aber nian wird nur dann zu gedeihliche» Re sullate» gelangen, wenn man die Fehler der ertremcn Agrarier in Deutschland und Frankreich zu vermeide» versiebt. Mit der von dein Elub beschlossene» Forderung der Erhebung deö Ge IreidezollS auf nenn Lire allein ist es nicht gctban, denn die italienischen Kleinbauern, die nur gerade soviel Getreide erzeugen, als sic für den eigenen Bedarf brauchen, werden schwerlich einen Borlbeil von dieser Zollerböhnng haben; der Nutzen davon flösse lediglich in die Taschen der großen Grundbesitzer. Da sich, wie gesagt, Mitglieder säinmilichcr Parteien zu dem Elub angcmcldcl baben, darf man hoffe», daß die Bereinigung in richtiger Würdigung der Gesamnst- iiilcresscn das Schwergewicht ihrer Wirksamkeit nicht in ein seitige mechanische Schutzmaßregeln zu Gunsten der Latifundien bcsitzcr legen, sondern in crsterLinie sich über Reformen zuGnnsten der kleinen Landwirlkc einigen werde. Die Pachlgesetzgebung, welche dem kleinen Pachter nur eben so viel läßt, daß er nicht ver hungert. schreit ja förmlich, namcittlich in Sicilie», nach einer durchgreifenden Reform, die um so dringender nolhwcndig ist, als »ach den Finanzplänen dcS Ministeriums EriSpi die Schullern dcS kleinen Mannes zum Trage» der neuen großen Steuerlasten ebenso berangczogen werden, ivie die der besitzende» Elasten. Erst wenn wir sehen, daß der Elub auf diesem Gebiete i» volkS- freundlichem Sinne Ernst macht, können wir die italienische Agrarierbcweguttg für einen Segen des arg heruntergewirth chatteten Landes ballen, andernfalls würde eher das Gegen- ibeil dabei berauSkommcn. Ein weiterer Beschluß der Partei in gegen die Erböbung der Grund- und der Satzsteucr ge richtet: bedauerlicherweise ist unterlassen worden, anzudcutcn, wo die SlaalScastc Ersatz sür den Entfall diese« Einnahme postens suchen soll. Dem ncucn spantschrn Ministerium drohen schwere Kämpfe von der bedeutenden schu tzzöll» erischen Agrarier gruppe, an deren Spitze der bisherige Finanzminister, der Gegner aller Handelsverträge, siebt. Die Vereinigung beginnt schon einen scharfen Widerstand gegen da« Eabinel zu organislre», die Gencraltirecloren der Post und der Zölle, welche der protcctioiiistischcn Gruppe angehörc», haben ihre Entlassung eingercicht, und die schutz zöllncrische Presse in Madrid und den Provinzen fübrt eine drohende Sprache. Dazu kommt, daß die Edauvinistcn. linzusriedc» über den Ausgang de« Melilla-Handels, be antragen wollen, daS Eabinel in Anklagezustand zu versetzen, weil cS sich in der Frage der Eisenbahnen und der Handels verträge auswärtigem Druck gebeugt habe. Darob ist die Sliiniiiuiig im conservaliven Lager natürlich sehr zu- vcrsichllich. Dessen Blatter bespötteln das Ministerium und bezeichne» es als die letzte Haltestelle der liberalen Partei vor ibrcm Sturz in den Abgrund. Jedenfalls wird die bevorstehende EorlcSlagung Sagasta beiße Tage bringen, nnd cS ist fraglich, ob sein Eabinel sich genügend wider standsfähig erweisen wird. — Bor Kurzem brachte der Pariser „Figaro" ei» Znlcrview seines Madrider Bericht crstatterS »nt der K ö ni g i n - R e g e n t i n Maria Ebristinc, wonach derselbe ans directcn Aeußerungen der hoben Frau die lleberzcugiing gewonnen haben will, dieselbe suche ihre Freundschaft nicht bei», Dreibund, Frank reich liege >br näkcr und erfreue sich ihrer vollsten Sym pathie. Dazu bcmcrtl treffend ein Madrider Bericht erstatter der „Polnischen Eorrcspontcnz": „Diese Ueder- zcugung dürfte wobl in dem Geiste dcS Figaro-Eorrespondentcn schon vor der Audienz so fest gewurzell baben, daß er Manches zu hören glaubte, was nicht gesagt wurde, und allgemein ge vallcnc, freundliche Bemerkungen über Frankreich in allzu kilbncr Weise inlcrprclirte. Es handelt sich nicht um die Untersuchung, ob die KLnigin-Rcgenlin tbalsächtich solchen Ansichten zuneial oder nicht, sondern um die Frage, ob ikr derartige politische Ercnrsc bei dem Besuch eine« Journalisten zugeinulbcl werden lönncn. Wer das streng constilulionelle Verhalten der Königin-Regenlin und ihre Klugheit kennt, wird von vornherein bestreiten müssen, daß sie sich, einem ZeituiigSberichterstatter gegenüber, sei er nun Mit arbeiter eines französische» oder sonst cincS Blattes, in Aeußerungen über ihre Stellung zu den europäischen Mächte aruppirungen ergangen haben sollte." Es ist nicht das erste Mal, das; französische Blätter der Königin Regentin ähnliche Aeußerungen in den Mund legen, das; es jetzt der „Figaro" thul, macht die Sache nur um so unglaubwürdiger. Noch rechtzeitig ist die ministerielle Majorität des eng lische» Unterhauses zur Besinnung darüber gekommen, was sie dem Eabinel Rofcbcrn »nt sich selbst mit der geftrigcn Zustimmung zu dem Labouchvre'schcn Amendement zur Thron rede, das dem Obcrbause im Handnmdreken das Licht aus blasen wollte, eigentlich gespielt ball sie vcrwars schließlich alle Anträge zur Thronrede und beschloß aus Wunsch de« Schatzkanzlers, daß der Königin einfach der Dank des Hauses ausgesprochen werte. Hätte so die Majorität sich nicht ge wisf'ermaßcn selbst dcSavouirt nnd wäre sie ihrem ersten Beschlüsse treu geblieben, so wäre die Lage des EabinetS Fertillet»«. Lüida SUström. 38s Roman vo» H. PalmL-Paysea. RechSrnck ncrSeten. (Fortsetzung.) „Hinz ist soeben auf den Befehl des Herrn Intendanten mit —* „Richtig — ich habe ihn zur Post geschickt — was ist denn die Uhr — ist die Probe zu Ende — noch nicht — ist gut, besorge es selbst —" „Oh — ich bin gern erbötig —" „Nicht doch — ich danke." Ein Wink, der Secretair ist entlassen. Zu einem Husch ist der Schnelle aus dem Theater hinan«, ans dem Wege zu seiner naben Wobnung. Herr von Hochstedt murmelt einige unverständliche Worte in sich hinein und bezieht sich nach Längerem hinauf in die Regionen der Bühne. Er redet sich vor, daß er den Brief persönlich abgebcn müsse, statt denselben irgend einer unzu verlässigen Hand anzuvcrlrauen. Vorerst tritt er in die Eouliffen und sieht unbemerkt dem Treiben eine Weile zu. AirgendS kann er die erste Tänzerin entdecken. Dann erblickt er drüben eine zurückstehende Helle Gestalt, die plötzlich aus den Couliffen fort sich in den dabintcrligcnren Raum zurück- zieht, und er folgert richtig, daß Ellida Silström daS sein lonne, um in ihre Garderobe zn schlüpfen, denn was Zinndors auf der Bühne mit seiner hoben, durchdringenden Stimme kritistrt und mäkelt, daS bezieht sich aus die Leistungen dcS ganzen EorpS — die prim» kallerin» wird damit nicht« mehr zu schaffen baben. sich also entfernen dürfen. Der geeignetste Moment also, ihr den Brief zu geben. Er gebt, scheinbar in größter Gelassenheit, obgleich er sich nickstS weniger als rubig fühlt, langsam an den einzelnen Eouliffen vorbei in den Hintergrund nnd biegt dann in den Gang zur linken Seite hinein, der zu den Garderoben führt, folgert ganz richtig, daß sie von drüben ber gleich an ihm vorbribuschcn werde. Es geschieht indessen nicht. Warum nickt, begreift er nicht, denn sein scharfes Auge bat sie ganz sicher erkannt, und daß die Probe zu Ente ist, weiß er ebenfalls. - .Bi» zu ihrer Garderobethür werde ich gehen", bestimmt «r b«i sich, „und dort warten, kommen muß sie ja." Er fübrt auS, was er sich vornimmt, und al- er die Thür erreicht hat, wendet er sich um und sieht scharf den Gang hinunter Ganz unten schimmert eS hell bcrvor, licht wie ein weiße- Wölkchen. Dort steht sic und will abwarten, bis er sortzegangen ist natürlich er sollte sie nicht kennen. „Aber" — ein Achselzucken, ein halb verdrießliche«, bald gütiges Lächeln — „sie kann lange warten, bis er ibr weicht." Mit einem Male übcrmannt ihn wieder die in letzter Zeit oft ganz plötzlich unk unbegründet in ihm auslodernde Heftigkeit. „Warten", denkt er, „ich wanen — wer ist denn hier -Herr, wer der Ebcs?" Er tritt unwillkürlich mit dem Fuße ans, preßt die Lippen zusammen und schnippt mit den Fingern. „Hinz", ruft er ganz laut, obgleich.« weiß, daß sich der Diener nicht im Theater befindet, „Hinz! oder wer ist dabinlcn — wer?" ES wird ihm nun allerdings ein anderer Anblick zu Tbcil, al« der des häßlichen, schwarzröckiacn BureaudicncrS. Die lichte, weiße Wolke kommt, wie von Lüsten getrieben, a»S dem dunklen Hintergrund daher. „Ach, Verzeihung, Sie sind es — ich dachte — wollte — eben Sie habe ich gesucht — oder vielmehr —" War eS denn möglich — war cs denkbar, daß er, der ernste, gehaltene, ältere Mann diesem jungen Geschöpf gegenüber in dem gegebenen Augenblick nickt die kleinste, erbärmlichste Nelb lüge bervorzubringcn im Stande war — nicht einmal einen ordentlichen, zusammenhängenden Satz? Ob das Anderen, zum Beispiel dem Proseffor, auch so geschehen konnte, oder nur ihm, daß man über daS Schauen das Denken vergaß Za, sie anruscbcn, war die reinste Freude. Der Gedanke an den Professor giebt ibm sofort die Haltung zurück. Seine Sprache wird ernst, ruhig und sein Blick kritisch. Ellida kennt diese Miene, sie ist der Vorläufer irgend einer Schroffheit. Die äußere Herbheit erschreckt sie aber nicht mehr, dennoch bleibt sie verschämt genug, diese durch holden Farbenwechscl sich verratbende Empfindung liegt lies begründet in ihrer zarl fühlenden Nalur, in ihrer Weichlichkeit. Sie siebt mit ihren fragenden blauen Augen zu ihm aus. Irgendwo her kommt Zug und die weichen, blonden Stirnhaare spielen hin und ber auf der fein geäderten Stirn. Sie bat die beiden Arme ganz leicht über einander gelegt. Es fröstelt sie in ihrer leichten Kleidung. Derart sieht er daS süße Geschöpf vor sich stehen und sein eben noch so rauher Ton nimmt unendlich gütigen Wohllaut an. „Fräulein Silström, ich habe einen Brief für Sie." „Einen Brief? Sie? für mich?" stößt sie heran« und gleich flutbct wieder dunkle Rötbe über ihre Wangen. Hier, an dieser Stelle war'S — damals in der unvergeßlichen chrecklicken Stunde, wo ebenfalls von einem Briese die Rede war, von einem Briese, der sic unschuldiger Weise iu seinen Äugen so tief herabgesetzt batte. Ist cS wieder elwaS der artiges? Trotz des reinsten Gewissens erzitterte sie bei dieser Vorstellung Herr v. Hochstedt errätb plötzlich ihre Gedanken und beeilt sich, seine Ungeschicklichkeit wieder gut zu machen, indem er schnell den Brief hcrvorzieht und sagt: „Bon meinem Freunde, den, Herrn Professor. öS steht dort alle» wohl." Sie greift schnell und erfreut zu. „O, wie freundlich — wie sehr gütig von dem Herrn Professor —" Daß Ellida in ihrem fremdländischen Deutsch da« „R" ein wenig schnurrt, fällt ibm beule aus und noch etwas Andere«, da- bei ibm bereits vergessen ist, nun aber, beim Anblick dcS schlickten Goldreif« an ikrcr Hand, wieder lebbast in sein Gedäcktniß zurücktritt, mit einer ganzen Schaar quälender Gefühle. Er greift die Sache sofort an „Was ick sagen wollte —" er senkt den Blick seines durch dringenden Auges, in daS Ellida so gern, dock immer mit einer Art bangen Entzückens blickt, auf ihre Hände, „Sic tragen da einen Ring —" „Za", sagt sie und sieht unschuldig zu ihm aus. „Einen Trauring — oder BerlobungSring —" dabei kann er eS nickt hintern, daß ibm trotz der gewaltigsten Anstrengung eine Flamme Uber das Gesicht schlägt — aber heraus muß cS, er würde keine Rnbe mehr finden, wenn eS nickt geschähe. „Ohne Frage Ihr VerlobnngSring — nicht wahr? — Sie brauchen deshalb nicht zu errölben — warum können Sie nicht verlobt sein — das zu verhindern", er sucht den leichtesten Sckerzton anznstimmen, „dazu hat die Intendanz keine Be sugniß — indessen ick möchte Ihnen doch ralben — eS ist eben kein Brauch, derartige Ringe bei Vorstellungen zu tragen — Ihn» Sic da« Ding ab — vergessen Sie eS nicht." Schon will er fick auch wieder mit einer kurzen Wendung und einem noch kürzeren Gruß verabschieden, Ellida kennt an ibm diese äußeren Zeichen höchsten UnmutheS, da findet sie eben noch Zeit und Mnlb, zu sagen: „Sie verlangen viel von mir." „Mein liebe« Fräulein", antwortete er schnell und hitzig, „ich müßte vrel Zeit und Geduld baben, wollte ich Rücksicht nehmen aus alle Verhältnisse, aus alle die Grillen", verbesserte er sich, den» sein scharfer Ton dringt ibm selbst mißtönend ins Okr, — „ans alle die Grille» der Tänzerinnen meines Balletcorp« — Sic Uberbcbcn mich dann wohl auch dieser Rücksichtnahme — Ihrer Treue geschickt dadurch ja wohl kein Abbruch." Er hätte sic gern noch mehr gereizt, verletzt und miß bandelt, wen» da« so schnell, so in einem Athcm möglich gc- gewescn wäre. Einen Augenblick zögert er noch, eine Sekunde will er ibr noch Zeit lasse», sich oder vielmehr den einen Punkt zu erklären — woraus allein cS ibm «»kommt und deshalb siebt er sie, den Kopf kalb zurückwcndcnd, nochmals an. Daß ihn diese Sccunte aber umstimmt, und da« Schmelzbare in ibm weich macht, kann er vorder nickt wissen, sonst hätte er eS wobl nickt gctban. Oder doch? Za, er bättr dann seine Worte ander« gesetzt, vor Allem seiner Stimme nickt den ironisch scharfen Ton gegeben. Denn sie siebt da mit einem so riilnend-traurige» Gesi-bt, das Auge zur Erde gerichtet, und sagt: „DaS weis: ick, daß bei einer Tänzerin gerate i» GesüblSsachcn niemals Rücksicht genommen werte» kann und Vars — gewiß, ick bc- schcibe mich — ,ck werte tbnn, was Sic defekten, obgleich dieser Ring, als der Trauring meiner Müller, das Tbcucrstc und Heiligste ist, was ich besitze —, verzeihen Sie, daß ick Sie mit dieser Erklärung belästigt bade." Nnd damit will sie sich abwende», indem sic ibr Köpfchen znm Gruße tcmntbig neigt. Er hätte sic ani liebsten an seine Brust gezogen »nd ibr de» feuchten Schimmer ve» den Augen geküßt, aber Eines mußte er doch Ibun — er mnsttc ibr Reue zeige» und etwa- von dem Weh — nein, etwas von der Glückseligkeit, die mit einem Male durch seine Seele zicbl, mochte sic den alten Narren iin Geheimen nieinelwegen nachher verspotten. „Aber, mein liebes Kind", rnst er, „so war eS ja nicht gemeint. Mus; ick Ihnen denn immer webe Ibun, wenn wir zusammcnkvmmcn? — Schauen Sie mich doch einmal an — ;o — das ist brav —, fort aber mil den Tbräncn, die mag ich in Ihren liebe» Augen gar nicht erblicke» —, ich möckle Sie gern einmal reckst glücklich scbe» — wie macke ich denn da-? Zeigen Sie dein lvrannischcii Ziilcndaiilcn de» Weg, wie er Sie lleineS, zartfühlendes Mädchen sorglos, heiter, glücklich machen kann." Da trifft ibn einer der sellencn, tieseiiidringeiiden, zärt lichen Blicke ihre- blauen Auges.
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