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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940317028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894031702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-17
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Ten Werth oder Unwerth der neugcschafienen internationale» HandeiSzustände jetzt noch mals zu erörtern, wäre unnützes Beginnen. Sie sind vor handen und haben denselben Anspruch auf eine ehrliche Probe wie die früheren autonom festgesetzte» Tarife. Für eine Probe, ist jedoch die Zeit seit dem Inkrafttreten der Verträge mit Oesterreich, Italien, der Schweiz und Belgien eine zu kurze. Tw Wirkungen dieser ersten Verträge sind maßgebend sur das Urtheil, kaS letzte und meistbesebdete Abkommen ist tbat- sächlich das unbedenklichste. Es schafft für die deutsche Ge- lreideproduction keine neuen Bedingungen und schließt die Befürchtung aus, daß die Industrie »ach seiner Vereinbarung ungünstiger gestellt sein könnte, als vorder. Ter Widerstand, der im Grunde daraus hinauslief, das einmal wirksam gewordene Princip in seiner letzten Eonscqucnz anzu greifen, konnte nicht zum Ziele führen. Er war auch im Wesentlichen auf einem fremden, dem inner politischen Boden erwachsen. Ein anderes scheinbares Element der Opposition war in Wahrheit als ein solches der Förderung gedacht: die zahlreichen Bekundungen deS Mißtrauens iu die Unterhandlungstechnik der deutschen Regierung, welche den Beginn der Verhandlungen mit Rußland begleiteten, verfolgten den Zweck, der von verschieden artigen anderen Abmachungen her wohlbekannten neu- deutschen Genügsamkeit Zugel anzulcgen. In welch hohem Maße diese Absicht erreicht wurde, ist bekannt. Man verstand sich zur Heranziehung eines Zollbeirat Hs, dessen Sachkenntniß und Energie ein sehr wirksames Gegengewicht gegen die chevalereSke Veranlagung unserer Unterhändler bildete. Mit der Annahme des russischen Handelsvertrages, der die Genehmigung der Verträge mit Rumänien, Spanien und Serbien vvrausgegangen war, hat der Reichstag den einen Thcil der außerordentlichen Aufgaben dieser Session erledigt. Was übrig blieb, ist von nicht geringerer politischer Bedeutung und hängt mit der Frage nach rer Gestaltung der nahen Zukunft eng zusammen. Ter Reichstag hat durch Mittel, die weder für wirlhschaftlich solid, noch sür politisch zulässig erachtet werden können, den durch Mehrausgaben für das Heer und Mindereinnahmen aus den Zöllen verursachten Mehrbedarf rechnerisch so weit ävgeschwacht, daß die den einzelstaatlichen Finanzen von der Lage drohenden empfindlichen Störungen hinauSgcschoben scheinen. Die Natur des Rechnungswesens läßt aber ihrer nicht spotten, und wir sehen, wenn außer der sogenannten Börsensteuer weitere neue Einnahmequellen nicht erschlossen werden, spätestens im Frühjahr 189.', einer Ealamität entgegen. Auf die Frage, welche Gegenstände zur Besteuerung berangezogen werden sollen, kommt es zunächst wenig an — und für die Ablebnung der Wein- und der QuiltungSsteuer scheint ja der ganze Reichstag geeinigt zu sein—: es hantelt sich darum, daß die Verpflichtung, das Finanzwesen deS Reiches und der Einzelstaate» wieder auf gesunde Grundlagen zu stellen, überhaupt anerkannt wird. Das geschieht nicht seitens eines be trächtlichen TheileS der Mebrheit, welche dem russischen Handels vertrag zur Annahme verbolscn hat. Für die Steuerreform und im Allgemeinen sür die Führung einer Rcicbspclitik, welche diesen Ramen verdient, ist die Mitwirkung der conser- vativcn Partei nicht zu entbehren. Bei der iu der gegen wärtigen Regelung der Personenfrage allerdings nicht zum Ausdruck kommende» Wechselwirkung zwischen deutschen und preußischen Dingen fällt auch die ungemein starke Stellung der Eonscrvaliocu im preußischen Landtag ins Gewicht. Nun glaubt man nicht mehr an die Möglichkeit einer Unterstützung der jetzigen Regierung durch die Eonser- oativen, andererseits ist eine parlamentarische Beeinflussung der Krone hinsichtlich der Wabl ihrer Räthe sowohl durch die Tradition, als auch durch die Parteiverhält nisse im Reichstag ausgeschlossen und wäre, falls sic versucht würde, erfolglos. Im Augenblick — nach der An nahme des Handelsvertrags und der Vertagung der Finanz schwierigkeiten — scheint die Macht der Verhältnisse nicht derart stark, daß sie eine Entschließung »öthig macht Aber das kann man wobl sagen: eine größere politische Ausgabe verträgt der jetzige Stand der Dinge nicht mehr. Tie erste Olympiade Caprivi's schließt kritisch ab. Am 16. März Nachmittags wurde der Reichstag ver tagt, am Abend desselben Tages wurde endlich das am I.'>. März unterschriebene deutsch - sranzösische Kamcrun- Abkommrn veröffentlicht. Man braucht nur den Zeitunter schied zwischen Schluß des Reichstages und Veröffent lichung zu betrachten, um darüber klar zu sein, daß man dem Reichstag nicht Gelegenbcit geben wollte, sich über dieses Abkommen zu äußern. Im Wesentlichen sind die Be stimmungen dieselbe», wie sie im heule früh erwähnten Be- fchwichtigunasartikel der „Kölnischen Zeitung" mitgcthcilt sind, im Einzelnen aber bestätigen sic unsere Befürch tungen. Ma» hat nickt nur den Franzosen da« Land östlich deS l.',. Grades eingeräuizil, man bat ihnen nicht nur den Einschnitt bis zum May» Kcbbi bewilligt, man bat auch wieder, wie gegenüber den Engländern bei L)ola, den Cirtcl spielen lassen und die an der Grenze, aber inner- kalb unseres Gebiets liegenden Orte Kunde und Lame den Franzoscil überwiesen unb um sic herum auch noch »ach Westen einen Kreis mit einem Radius von ü Kilometern gezogen und auch dieses Land großmilthig wcggcgebe». Aber nicht genug damit, daß nian ein Dreieck bis zum Mayo Kebbi sich auS dem Fleisch schneiden lieft, man bat auch in An- wandeluiig einer großmüthigen Laune die bisher als unbestritten deutsch geltende Stadt Bifara den Franzosen überlassen. Nach allen diesen Heldcnthatcn darf cS nickt Wunder nehmen, wenn demnächst die französische Presse mit Stolz auf die Diplomatie ihrer Unterhändler verweisen und darüber frohlocken wird, daß der große Bär Deutschland sich daS Fell langsam,aber sicher scheeren ließ. Wohl versucht tieRegicrung, ihre nachgiebige Haltung zu rechtfertigen, und giebt !» einer Denkschrift eine Geschichte der Eroberungöreiscn in Kamerun, aber ihr Standpunct verträgt eine scharfe Kritik nicht, weil, wie schon heute Morgen erwähnt, sie sich einen falsche» Boden eonstruirl, aus dem sie das Gebäude ihrer Bertheidigunz aufsübrt. Und wie eine solche liest sich die Denkschrift. Es sind nicht starke überzeugende Worte, eS sind nur Lamentationen» daß bisher von Deutschland nur wenig für eine «U Ellida Zilström. Roman von H. PalmL-Paysen. Nachdruck verdolen. (Fortsetzung.) „Nicht, daß ich launisch, anspruchsvoll und eingenommen von mir bin, so — sondern —" „Bitte, fahren Sie fort." „Daß mein Handeln aus ganz anderen Gründen bervorgeht, die Sic, das weiß ich, nickt gelten lassen. Sie sind meine gütige Wirthin heute und ick bin Ihr Gast — nicht wahr, -sie ersparen mir eine nähere Erörterung." Die Sonfidia ahnt dunkel, was Ellida mit diesem im sanftesten Ton gesprochenen Worten sagen will. Es sängt an. in ihrem Inner» zu wühlen und zu kochen. Sitzt sie hier, um sich von diesem jungen Ding eine Moralpredigt halten, abkanzcln, sich gurcchtwcisen zu lasse», Sie Earola Sonfidia, die mit ihren Sträußen und Lorbeeren eine ganze Straße batte pflastern können. Trotz aller Erbosthcit verliert sic den zu verfolgenden Zweck nicht aus den Auge», schon aus dem hämischen Wunsche nicht, „diese prüde, hocbmütbige Sitlcn- prcdigerin" von ihrem Piedestal bcrabzuziehe». Sic beherrscht sich gewaltsam, lehnt sich mit scheinbarer Behaglichkeit aus ibrcm Sitz zurück, fäckelt sich, und deckt über die unruhig schillernden Augen die Lider. Sie trägt ein schwarzes, halb hohes, tief ausgeschnittenes Spitzenklcid, das die Weiße ihrer üppigen, frei dargebotcne» Glieder besonders bervorkebt. Daß sie dem Lieutenant v. Hockstedt aus alle Fälle, gleichviel durch welche Mittel, zu seinen Wünschen verhelfen will, das wird m ihr jetzt unumstößlicher Entschluß. Seine Sache ist die Ihrige geworden. Auf Ellida'S Bemerkung sagt sie mit liebcnS würdigstem Lächeln: „Als Wirthin bleibt es natürlich mein Wunsch, Ihnen alle« Störende oder gar Peinliche auS dem Wege zu räumen, Sie nur angenebm zu untcrballcn, gewiß — als Collegin aber erachte ich cS als meine Ausgabe, Ihnen nützlick zu sein, Ibre Interessen ins Auge zu fassen. Herr Gott, eS ist keine Kleinig keit, was Ihnen morgen bevorsteht. Sind Sie denn gar ^oicht bange?" .Ich bin nicht ohne Furcht, trotzdem — ich vertraue er Kunst." Die Sonfidia schüttelte mißbilligend den Kopf. „Denken Sie einmal gar nicht an Ihre Kunst und an das, was Sic leiste« können — cS ist sicherlich Besseres, als was ich je gegeben habe, aber —" „O, bitte, bitte —" „Keine falsche Bescheidenheit, meine Liebe — ich habe Sie tanzen seben, denn ich war an jenem vcrbängiiißvollcn Abend im Theater, an dem Sic eben diese Ihre schöne Kunst an ein undankbares Volk verschwendeten, ich weiß dabcr, was Sie können, — cs war einfach hinreißend —", die Sonfidia be gleitete diese Worte mit einer theatralischen Bewegung ihrer schönen Arme, cS kann ausricklig, wie ironisch gemeint sein, „und doch — und Lock — Sie sehen, nicht das. waS man leistet und giebt — sei cS das Beste, was man hat, sein Herzblut —, Herr Gott, ich bin ja auck Künstlerin gewesen, also daS macht'S nicht, die Laune des Publicums ist cs. die unsere SchicksalSwaage in der Hand hält — daS Publicum. Sie haben vorläufig nur mit diesem zu rechnen, nur zu denken: wie mache ich mich dem angenehm, welche Persönlich keiten sind dort zu berücksichtige», und da stellt der junge Hockstedt mit dem ganzen Schwarm der ihm befreundeten Eavaliere — daS ist hier so in der Stadt — in erster Linie. Die klatschen Beifall oder pfeifen, und das Publicum macht's ihnen nach. Lehnen Sie nun Hochstett'S Einladung ab, so stehe ich sür nichts morgen." „Herr von Hochstedt wird nicht so kleinlich sein", sagte Ellida mit pochendem Herzen. „Kleinlich nenne ich das nicht — menschlich nur", ant wortete die Sonfidia, die Achseln hochsiedend. „Aber eS ist nickt nur das. Sie verderben eS auch sür immer i»it ihm und seiner ganzen Suite. Diese reichen, von Barren blinkenden Goldes umgebenen Günstlinge des Glücks, denen alles käuflich ist, nur nicht eine ungesckrankte Freiheit, denn sic dürfen in ihren Kreisen den steifen Ton der Convenienz nie außer Acht lassen, die wollen außerbalb die göttliche Freiheit in vollen Zügen kosten und unterhalten sein, wollen ein Spielzeug, eine reizende Geliebte haben, und es kommt einzig nur aus deren Geschicklichkeit und Klugbeit an, den eine» ober anderen ihrer Verehrer dauernd zu fesseln, zu entzücken, bis zur Tollheit in sich verliebt zu machen, um wie ich, meine Liebe — das große Loos zu ziehen." „Und im anderen Falle?" fragte Ellida in einem sonderbar trockenen Tone. „Im anderen Falle" — die Sonfidia verzieht ihre Lippen zu einem spöttischen, mitleidigen Lächeln —, „dann ist « hall Erwerbung des Hinterlandes gelban wurde, daß die Regie rung gegenüber den Erfolgen der französischen Reisenden »ichlö lbun könne und daß sich die „Reisen von Vartk, Overweg. Vogel, Rohlfs und Nachligal schon deshalb nicht im Sinne einer Geltendmachung deutscher Ansprüche aus die Länder im Süden deS TsckaksceS venvertben ließen, weil diese ReisendenjeneLändcr lange vordem Eintritt Deutschlands in die Reihe der Eolonialmächte einzig und allein im wissenschaftlichen Interesse besucht hätten." Ader gerade weil die Gebeine unseres Mitbürgers Vogel in Wadelai bleichen, batte daS englische Ab kommen Deutschland Bagbirmi und das Ostnscr des Schari eingeräumt, einen Landstrich, ans den die Franzosen auch nicht durch Erohcriuigsrciscn Anspruch hatten und de» man ihnen wahrscheinlich überlassen hat, weil daS t'on.itö ilo !'.1trig»r kran^niso eine Verbindung deS Sudans mit dem Tschadscc und mit dem sranzösischen Eongo wünscht. Welche Wendung zwischen der Zeit, als Bismarck mit Favre im Schwa» in Frankfurt verhandelte, und der Zeit, als sich die Herren I>> Kanser und !>>-. Tankcl- maun gegen die Herren Haußmann und Monteil bei jeder Forderung der letzteren höflich verbeugte»! Wir geben ja gern zu, das; die deutschen Expeditionen im großen Ganzen ohne Ergebniß für das jetzige Abkommen waren, allein warum hat man sie denn nickt besser ausgerüstet? Die Antwort liegt in der Denkschrift selbst: die deutschen Firmen in Kamerun wünschten diese nicht, sie wollten Ricmantcn in ihre geschäft lichen Transactionen blicken lassen und verhielten sich deshalb immer gegen die Erwerbung des Hinterlandes ablehnend. Und dieser Standpuncl: das Recht der Gegenwart nicht durch eine wcilausgrcisenbe Politik zu beschränke», bat man seil 188,'» fcslgchaltcn und ist nun glücklich unter den Schlitten gekommen. Ter Vertrag vom l.'>. März, den wir an anderer Stelle abdruckcn, ist kein weitragendcs Denkmal deutscher Politik, er beschränkt die Eolonie, welche keines Zuschusses vom Reiche bedarf, auf die Größe deS deutschen Reichs und giebt mehr als die Hälfte weitcrgchendcr Ansprüche preis. Auch der Mechanismus der französischen Eolouial- politik sungirt schon seit längerer Zeit nicht ganz »ach Wunsch. Den Hauptgrund hierfür sinken Kenner der Ver hältnisse in der Zersplitterung des Eolonialdienstcö aus die verschiedensten uilNisleriellcii Verwaltunaorcssorlö — Aus wärtiges, Krieg, Marine, Handel :c Es ist daher wiedcr- kolt von der Schaffung eines besonderen sranzösifchen Eolonialministcrinins gesprochen worden und jetzt scheint nun durch den Rücktritt des Uittcrstaalsseerctairö sür die Eolonic», Lcbon, diese Frage in rascheren Fluß gekrackt werden zu solle». Eins tränkt die französischen Evlonial politikcr mit am meisten: In Eochinchina, überhaupt in den französischen Besitzungen des fernen Ostens, verdrängt der en gl i sch c Einfuhrhandcl die französischen Artikel fast aus allen Zweigen de« EonsumS, was von den geschädigten sranzösischen Iittcressentcn der Mangelhaftigkeit des Gene ralzolt larisS bcigcmesscn wird; sic drängen deshalb aus eine Revision desselben. Immerhin dürste mit einer solchen dem Nebel »och nicht abgcholse» sein, da »eben diesem noch ein zweiter Punct berücksichtigt werden muß: die Entwerthung des Silbers. Der englische Importeur von Textilwaarcn z. B. hat in Saigon einen EinsuhrzvU von 62 Francs zu zahlen. Dieser Zoll wird in Piastern ent richtet, welche von der Zollbehörde zu ihrem ossiciellen Wcrthc in Höhe von .9,15 Francs genommen werden. Der Importeur zahlt also 19,68 Piaster. Nun übersteigt aber, infolge deS gesunkenen Silbcrcurses, der jetzige Handclswcrth LeS Piasters nicht daS Niveau von 2,60 Francs. Um also den Zollbctrag von 62 Francs zu entrichten, kaust der Importeur die 10,68 Piaster, deren er zu diesem Zwecke bedarf, ans dem offenen Markte zu 2,60 Francs das iLlück, also »n Ganze» zu '>1,16 Francs, wobei er mithin am Zoll einen Prosit von 18 Proccnl macht. Nach beiten Richtungen sind Maßregeln in Vorbereitung, welche den Engländern die Ausbeutung der französischen Eolonialmärkle verleiten sollen. DaS Eassatio » Sgcsu ch deS Papstes gegen den Spruch eines sraiizösische» AppcllhvfeS und die Uiigilligkcitöerktärung der von der verstorbene» Marquise tu Plcssis Belliere dem heiligen Stubl testamentarisch zugewandten Schenkung an Häuserbesitz bat ei» Schicksal gehabt, das alle Welt über rascht bat. Die Pariser VcratbungSkammer bat, wie ge meldet wurde, entschieden, daß der EassationSanIrag an die Eivilkaiiimcr zu verweisen sei. Im Gegensatz zu der Veratbuiigskaminer, die bloS die formelle Richtigkeit der vor ihre Schranken gebrachten beanstandeten Urtheilc prüft, gebt die Eivilkammcr auf den Inhalt der Dinge ein und ist in sesern wirklich als Instanz zu betrachte». Die allgemeine Wclterslimittiilig i» Frankreich ist beute dem Vatican sehr viel günstiger als vor einem Iabre, ja, man kann sagen als noch vor ein paar Monaten. 'Anderseits ist cS allerdings unzweifelbaft, daß die sranzösischen Gerichte in Eivilsachcn sebr unabhängig, sckars und folgerichtig nrtkcilen. Der General-Proeurator hat mit Recht bcrvorgebobcn, daß feit bunderl Iabrc», aber auch schon lange vorher, kaS fran zösische StaatSrecht gegen Vcschcnkungon der Kirche feste Schranken gezogen bade. Wenn die Zulässigkeit von solchen Schenkungen an de» heiligen Stubl einmal ausgesprochen wäre, so würden bald derartige Fälle sich sehr oft wieder holen. Ramciitlich z» einer Zeit, wo vielfach und laut über daö Abiicbmcn der Spenden für den Petcrspsciinig gcksagt wird, wäre zu besorgen, daß hier und da übereifrige Geistliche am Krankenlager sroiiimcr und begüterter Personen mehr die Interesse» des heiligen StublcS als die von Familienange hörigen fördern töiintc», die ihnen vielleicht persönlich nickt genehm wären. Gerade in solchen Dingen, in der Beuacb tbeiligung der Familie, versteht man in Frankreich aber keinen Sckcrz. Man siebt dabcr dem weiteren Verlauf der Ange legenheit mit großer Spannung cittgegcn. ES ist tei» Gebcimniß mehr, daß das englische Eabiuct in Folge der Schlappe vom 19. März nahe am Auseinander- brcchen war und daß sein AuSharrcn auch jetzt noch keine Gewähr für seine Dauer bietet. In der unmittelbar an die Vcratbung über das Labonchurc'sckc Amendement sich an schließenden Sitzung des EabinctS ist cs zu erregten Debatten gekommen unk eine Ibcitwcisc Ministcrkrisc ist nur da durch vcrmicdc» worden, daß man sich darüber einigte, im Falle einer neuen, wenn auch noch so unbedeutenden Niederlage zu rückzutrctc» oder das Unterhaus auszulLscii. Die Irländer verlangen von Lord Rosebcry einen Widerruf scincr im Lbcrbause gefallenen Bemerkung, das; England erst von der Rolhwentigkctt der Gewährung von Homcrnle an Irland überzeugt werden müsse, che die hieraus bezüg lichen Forderungen der Irländer erfüllt werden könnten. Letztere sind außerordentlich mißtrauisch gegen die Liberalen geworden, da sie »nn einmal nickt glauben wollen, daß Gladstone nur Wege» seines geschwächten Sehvermögens vom Amte zurückgctrelen sei. Dieser selbst hat soeben in einem Schreibe» au eine» Abgeordneten erklärt, das; er, „ab gesehen von jeder politischen Frage", lediglich mit Rücksicht auf sein Augenlicht und Gehör nur die Wahl gehabt habe zwischen dem Zurücktrilt in der durch den Schluß der Session veranlaßt,:» parlamentarischen Pause, oder cincr kurzen Fort sctzliiig eines Kanipses gegen Schwierigkeiten, die ibm selbst am besten bekannt seien, mit der Gewißheit, daß dieser Kampf in jedem Falle enden müsse mitten in den Geschäften der Session und unter viel größeren Unbequemlichkeiten sür die eine Niete, eine Illusion gewesen, ein Traum, den man träumt, so lange man jung und hübsch ist." „Und dann ?" fragte nun Ellida wieder in dem gleichen Tone. „Dann? Sic sind gründlich meine Kleine — an das Alter darf eine Tänzerin nicht denken. Daö wäre philisterhaft, naiv aber, wenn sic glaubt, allein durch das Verdienst ihrer Kunst zum Rubine zu gelangen. Sic erringen nichts, meine Theure, gar nichts durch ihre Meisterschaft, wenn diese nickt Hand in Hand mit der Berechnung geht, will beißen: Hand in Hand mit dem Publicum." „Ein erbärmlicher Rubi», auf de» ick, verzichte, wenn cr auf so suinpngc», Grunde rubt", stößt Ellida Lilström mit gerötbetcn Wangen und einem flammenden Strabl ikrcr blauen Augen aus. Sic fühlt sich durch diese schamlosen Er klärunacn, denen nichts an Deutlichkeit sebll, iu der Würde des WeibeS verlebt. Mit bebender Lippe sagt sie: „Die Jugend bat das Rocht, Ideale hegen zu dürfen. Ich bi» noch jung und glaube daher a» Ideale, in der Kunst fowie unter Menschen. Bin ich auch nur eine Tänzerin, so bin ick zugleich ein Weib, das etwas besitzt, WaS sie jeder Fürstin gleich stellt, ja über jede Fürstin bebt, wenn diese bcrgebcn wollte, was mir für Geld und Rubin nickt seil ist — die Ehre. Mag man mich denn morgen anSzisck'cii und später entlassen, demütbigc» kann cs mich nickt, weil ich waS Benercs mitnehmc als den Ruhm, meine Tugend. Ich bi» Ihnen Tank schuldig, Fräulein, Sic baden mir die Augen geöffnet — ich weiß jetzt, daß ich die Einladung deS Herrn von Hochstedt nickt annebmen kann, daß ick, seine Huldigungen ablebncn muß, wenn ich denn auch niemals — wenn ich denn auch keine — keine —" „Keine Sonfidia werden kan», nickt wabr? Nun, sprechen Sie nur, taffen Sic mich auch noch daS Letzte hören. Sie reizender, kleiner Tugcndspiegcl", zischte die schwer beleidigte Kokette. Ellida schloß die Lippen, jene furchtbare Beleidigung bat ibr tbalsächlich in der Erregung des Augenblicks darüber binwcgschlüpfen wollen. Das abnt die Sonfidia und somit auch die Brurtbeilung ihres Selbst. Ein wülbendcr Haß loht in ihr aus und sprükt auS ihren Augen. Ellida sicht cs. Sehr erblaßt erbebt sie sich. „Verzeihen Sie mir", faglc sie mit zurückkebrenbcr Scheu, die sic vor diesem Weib von Anfang an gehabt hat, „ich Kalle Sir von Ihren Gästen fern — ich möchte Ihnen jetzt Adieu und Tank sagen sür — sür —" Wie schlecht kann sie sich verstellen und wie schwerfällig kommen die paar bösliche» Phrasen, die sic der Sonstdia für ihre Einlarung und daö genossene Fest zu sage», sich bemüht, über ibre Lippe». Die Kotctlc lächelt verächtlich. Mit einer majestätische» Bewegung, aber mit häßlich verzerrte» Gesichls- zügcn, aus dcucii all die erweckten dosen Geister dcö Hasses >.»t Hohnes bcrvorlugc», sagt sic: „Da tkun Sic reckt daran, cs ist nötl'ig, daß Sie rubcu und sich sammeln sür all die zu crwarlcnecn Ehren morgen. Ich wünsche Ihnen zu Ihren Gruutsätzc» Glück. Sie werde» weit damit kommen, für Ibre Zukunft fürchte ick, nun nichts mehr", betonte sic »i beißender Ironie und reichte Ellida bohnlächclnd die Finger spitzen. Die lassen sich kalt ansülilcn, aus ibrcm entstellten Gesicht aber glübcn die Flamme» dcü in Wallung gcralbcncn VluteS. Ein breiter, rolbcr Streifen, der verlier nicht sicht bar gewesen ist, siebt sich vom Kinn auf HalS und Briot herunter. Etlira fürchtet sich vor der Megäre. Sic verläßt, rechts und links ihr Köpfchen zum Gruße neigend, beinahe »nbemcrlt die laut lackenden und schwatzenden Gäste, das schwüle Ge mach, i» dem nun auck sogleich der angclünrigtc „mimische Ulk" vom Stapel gelassen werden soll. Nur Edith Honucgger ist ibr »achgccilt, findet »och Zeit, ibr an der Tbür die Hand zu drücken. „Ist cs »icktt sckö» — reizend bicr?" flüsterte Edith der weggehendc» Ellida mit strahlende» Augen zu. „Und welche Edre sür mich — trotzdem ich »vck, nie ei» Solo erhalte» babe, bin ich dennoch von der gefeierte» Sonfidia cingcladen worden." „Ämüiire» Sic sich nur weiter, liebe Edith", antwortete Ellida müden Tones und nickt ibr freundlich zu. Dies Märcken bat ibr seiner Zeit kaum anderes gesagt, wie beute die Svuodia, und doch welch' c>» Unterschied zwischen diesen beiden Frauen! I» dem Leichtsinn der armen Tänzerin lag eine gewisse Naivetät, die aus Unreife und mangelnder Bil düng und Erziehung bcrvorginz, wäbrcnt bei der Sonfidia bei völlig gereiftem Verstände und Alter der Leichtsinn die frivole Maske rassinirlcster Koketterie und Berechnung an genommen. Werner hat während der ganzen Unterredung der zwei Frauen ein aufmerksames Auge für die Fensternische gehabt Verstanden hat er natürlich kein Wort des, wie er wohl merkte, sebr erregte» GesvräckeS. Mit ein paar schnellen Schritten bat er sich der Sonfidia genähert. „Nun ?" fragte er nicht ohne Spannung, „wa« haben Sic erreicht, meine schöne Earola?"
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