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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940321021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-21
- Monat1894-03
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Tabellarischer und Ziffern) ay nach höherem Tarif. «krtra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 80.—» mrt Postbesörderung »l 70.—. Annalsmeschluß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Ubr. Margen»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,0 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anjkigrn sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch dm 21. März 1894. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 2l. März. Zn Danzig hat, wie im heutigen Morgcnblatte gcmeldct «orten ist, der Obervorsteher der Kaufmannschaft, Geh. Ralb Damme, dem Reichskanzler Vaprrvt die plumpe Schmeichelei machen zu sollen geglaubt, er habe vor 4 Zähren das Amt als Reichskanzler „zum Heile derNation angetreten". Damil bal der Herr Geh. Nath dem Nachfolger des Fürsten Bismarck keinen Gefallen erwiesen, sondern lediglich seinen Gegnern einen nicht unwillkommenen Anlaß zu Be tracktungen über alle die „Segnungen" gegeben, die Gras Eaprivi durch sein Abwcichen vom alten Eurse, den er doch innezubalten versprochen halte, über die Nation gebracht bat. Dieser Anlaß wird denn auch gründlich auSgebeulet, und zwar von Blättern aller Parteien, denn bei keiner von kiesen bal Gras Eaprivi sich Freunde erworben, die mit seiner wechselnden und in ihren Ziele» unklaren Gesammt- politik einverstanden wären. Am übelsten fährt er begreif licherweise bei den „Hamb. Nachr.", die ihm iu erster Linie sein Abkommen mit Frankreich über Kamerun ver rücken und dabei die Behauptung auöspreche», Fürst Bis n arck würde ein so lchcöAb kommen nicht abgeschlossen babcn. Weiter heißt es dann in dem Leibblatte deS Alt reichskanzlcrS über taS Abkommen: „Wie jchr dadurch die nationaten Empfindungen in weiten Kreisen Deutschlands verletzt worden sind, geht aus Zeitungs artikeln und Briefen, die u»S massenweise einqciandl werden, nur zu deutlich hervor. Die günstige Auffassung der hiesigen colonial mteressirten Kreise wird darin nirgends geweilt, überall kommt viel- mehr Entrüstung über das neue Capituliren vor den An sprüchen des Auslandes znm Ausdruck. Wir behalten uns vor, einige dieser Stimmen initzutheilcn: sie sind alle vo» bitterer Ironie erfüllt und lassen sich am besten mit den Worten des ersten Jägers in Wallenslein's Lager charaktcrisiren: Wir mußten uns drücken von Ort zu Ort, Der alte Respect war eben fort." Und zum Schluß wird die folgende Zuschrift citirt, die der „Kreuzzeitung" aus Paris zugegangen ist: „Gras Eaprivi erfreut sich einer große» Beliebtheit — bei den Franzosen und über sein Kameruner Abkommen herrscht eitel Freude. Allerdings begreift man nicht recht, daß ein so großer ZtaatSmann eS »öthig hatte, sein Meisterwerk so lange geheim zu halten. „AuS hvslichcrHerablassung hatte Frankreich", so schreibt der „Malin", „dem Wunsch des deutschen Kanzleramtes entsprechend, M Abkomme» geheim gehalten, die seiner Regierung keine Ver legenheit bereiten konnten". Nein, in der That der sranzösische» Kgieruiig nicht! DaS Blatt fährt fort: „Aber es scheint, daß der Minister in Berlin befürchtet hat, dasParlamcnt werde ihn der Schwäche zeihen, weil er genöthigt wurde, die formellen Rechte anzuerkennen, welche die französischen Bevollmächtigten geltend machten. Ta er im vorliegenden Fall das „Macht geht vor Recht" nicht anweuden konnte, so verstehen wir Herrn v. Caprivi's Timidität schlecht." Unser timider deutscher Staatsmanu erntete, wie mau sicht, den -polt des „sich herablassenden" Frankreichs, wie er ihn auch in Rußland ernten wird. Tie „DdbatS" drücken sich ihrem Wesen intjprechcnd gemäßigt aus, wenn sie behaupten, die französischen bevollmächtigten hätten „alles erhalten, was man erhoffen durste", »ad daß das Abkommen „lehr ehrenvoll sür Frankreich" sei. Tie ssrage, ob es auch ehrenvoll sür Deutschland sei, läßt das höfliche Mit dagegen unbeantwortet. Minder höflich, minder zugeknöpft isl die „Nation". Sie schreibt nämlich: „Tank dein Vertrage werden wir, sozusagen, die Herren des Tschadsce sein und unsere Eongo-Bcsihuiig mit der des Sudans in Verbindung ?,«setzt haben. Wir verstehen sehr gut das Gefühl, welches die deutsche Regierung veranlaßte, die Berössentlichung des Abkommens so lange wie möglich hinauszuichiebcn. Sic wollte durch fortgesetzte Indiskretionen die öffentliche Meinung vorbereite». Es wird ihr ungefähr geglückt sei». Die deutsche Presse mag jetzt laute Ruse der Entrüstung aus stoßen, sie wird es nicht durch- sehen können, daß der Reichstag das Abkomme» ver wirft. Das ist ein erster Sieg und ein friedlicher: wir haben das Recht mit der Macht verbunden." Mit dem zweiten Sieg ist natürlich die Zurückgewinnung von Elsaß-Lothringen gemeint." Das hat mit seinem Singen Geheimratb Damme gctban, der nebenbei die interessante Tbatsache ans Licht gefördert bat, daß Fürst Bismarck mit seinem Nachfolger einen Frieden »och nicht abgeschlossen hat. Qbgleich Graf Eaprivi aufrichtige Freunde in keiner Partei besitzt, so täuschen fick die „Krruzzritlliig" und ihre Hintermänner doch in der Erwartung, irgendwo Bundes genossen für den angekündigten „BcrnichtungSkamps" gegen das jetzige System zu finden. Am wenigsten denkt das Cent rum, aus das dock die KreuzzeitungSlcute bei ikrcit Ziikuiiftsträumcn am meisten rechne», daran, ihnen Hcercssolge bei dem Ansturm gegen den Grafen Eaprivi zu leisten. Die Ultramontancn lieben den verantwortlichen Ver treter des neue» EurseS nicht, aber sie möchten ein „bekanntes Hebel" nicht gegen ein .unbekanntes" enttäuschen und er klären daher dem „Bramarbas v. Plötz und Genossen" rund heraus, daß das Ecntrum nicht im Entferntesten daran denke, an der Kanzlerstürzlcrci des Bundes der Landwirthe und der „Kreuzzeitung" sich zu betheilige». Die „Köln. VolkSztg." formalirt ihre Absage folgendermaßen: „DaS Gebühren der Plötz und Genossen ist nur geeignet, den Gegnern der Landwirthschast Wasser auf die Mühle zu liefern. Für die Herren handelt es sich indes) wob! auch gar nicht so sehr um die Gewinnung von Freunden für ihre Bestrebungen, als um die Ein schüchterung der Krone: daher das Pochen mit „Millionen" von Landwirthe». Ter Bund zählt gegen 178000 Mitglieder, von denen ein Thcil nur gewaltsam bei der Fabne gehalten wird, indem man ihm sagt: erst die Beiträge und das Abonnement sür die Zeitung bezahle», ehe der Austritt gestattet wird. Um das Brainarbasiren: „Nur gegen das Svstem werden wir streiten bis zum letzten Athein- zuge; wir werden cs bekämpfen, ganz gleich, wie hoch die Stelle ist, die dafür ei nt ritt." Das ist doch wohl deutlich. Wir wollen gewiß Niemand das Recht bestreiten, ein System zu bekämpfen, daS ec sür falsch hält; den Conservaliven hat aber früher die Kampfes- art, die sie jetzt anwenden. keineswegs als conservativ gegolten. Ter König ist eben sür sie auch nur dazu da, ihren Willen zu thun. Thut er das, so ist jede Opposition ein Angriff aus die Monarchie und das Köiiiglhum; thut er es nicht, nun dann ist es eben „ganz was Anderes", denn die Interessen des König- thums und die conscrvativen Interessen, d. h. die Forderungen des östlichen Großgrundbesitzers, sind „identisch". Borlänsig sieht es freilich »och nicht danach aus, als solle der „Syslemwechstl" schon bald einlreten, aber wer kann sagen, ob das Tobe» doch nicht schließlich auch dies Mal hilft und die Eonservativen eine Zeit lang mit Miqucl beglückt werden, bis sie selbst die Bescheerung diese« alte» Stiitze des „kapitalistischen Liberalismus" genug haben?" Den „Bramarbas von Plötz und Genossen" wird hiernach Wohl kaum etwas Anderes übrig bleiben, als bei dem ange drohten „BernichlungSkampfe" auf die Socialdemokratic sich zu stütze», von der die „berufensten Stützen von Thron und Altar" sich ja schon so manches ungeeignet haben. Bisher war die Stelle eines Landeshauptmanns von Deutsch - Tüvwrstasrika nach dem Abgänge Iw. Goehring'S nicht besetzt. Major von Francois als Stellvertreter deS Landeshauptmanns verwaltete sie commissarisch, ein Zustand, der zu vielen Ilnzuträgtichkciteii führte, denn da Major von Fraiitzviö immer ans der Suche nach Hendrik Wilboi war und aus seinen Kreuz- und Querzügen sich wenig um die Verwaltung kümmern konnte, so mußte nothwendiger Weise in der Verwaltung deS Landes ein Stillstand eintrctcn. Durch die Ernennung des MajorS Lcutwcin zum Landes hauptmann ist dem nun ein Ende gemacht worden. Als Ende vorigen Zahres die vielen HiobSbvtschastcn aus Süd- westasrika tamcn, als die Plünderung vvn Kubub und der Ucbcrsall des Bastardzugs gemeldet war, da wurde von allen Seiten anerkannt, daß in Südwcstasrika etwas Durch greifendes geschehen müsse. Major Leutwei» ans Posen wurde zur Berichterstattung hinauSgcsandt und zu gleicher Zeit ging eine Verstärkung der Schutztruppc ab. Davon, daß Herr Leutwein dem Major von FranzoiS untergeben ei, war nirgends die Rede, und wenn einige Zeitungen davon sprechen, so kan» das nur auf einen Jrrthum beruhen. Major Leutwein ö Patent datirt von früher, als die Erstürmung von Hornkranz am »2. April 1808 durch Hauptmann von Francois, die diesem den Majorörang brachte. Aber auch die Ausgabe Leutwein's als Berichterstatter schloß eine Francois untergeordnete Stellung aus. Durch die Bekannt machung des NeichsanzeigerS ist nun Major Leutwein zuni Landeshauptmann ernannt und ihm der Führer der Schutztruppe, Major von FranzoiS, unterstellt worden. Für Major von Francois ist daS allerdings nichts Angenehmes und das Abschiedsgesuch desselben dürste wokl nicht lange aus sich warten lasse». Unter seiner Verwaltung bat die Eolonie trotz seiner fleißigen kartographischen Arbeit keine Fortschritte gemacht. Der immer frecher aus tretende Hendrik Wilboi und seine Hottentotte» sind eine Geisel sür das Land, und bevor Hendrik nickt besiegt ist, ist an eine Entwickelung deS von allen Reisenden als, mit Aus nähme deö KüstenstreifenS, fruchtbar geschilderten und sür die Viehzucht wie geschaffenen Landes nicht zu denke». Aber trotz aller beschwerlichen Züge und militairischen Expeditionen wird Wilboi von Tag zu Tag mächtiger, jede nicht mit Erfolg ge krönte militairische Unternehmung Francois' läßt die WitboiS in den Augen der Eingcdorenen steigen, so daß die Zeit nicht fern erscheint, daß außer den Eingeborenen auch noch die Bastards in daS Lager Witboi S übergeben. Und daß cS FranzviS trotz der erhaltene» Verstärkung nicht gelungen ist, Hendrik Witboi zurückzudrängen, daS macht mau ihm zum Vorwurf. Immerhin ist cS möglich, daß ei» Wechsel im KriegSgliick ein tritt. Als Major Leutwein in Windhvek ankam, war Major Francois gerade wieder aus dem KriegSpfabe und so hat eine Besprechung dieser Beiden noch nickt staltsindcn können. Die Er nennung Leutwein's erweckt in der Berliner Presse Befriedigung. Wenn cS nun auch befriedigen muß, daß endlich geordnete Bcrwaltungszuständc herbcigesübrt werden, so ist dock die Er nennung allein noch nicht die Bürgschaft des Erfolges. Nehmen wir aber den besten Fall a», Leutwei» bringt Orb nung in die Verwaltung und Francois macht die WitboiS unschädlich, so muß immer noch deutscher Unternehmungsgeist rin UebrigeS tbun, um der Eolonie Geld und Kräfte zuzufübrcn. Wenn Eapblättcr uns wegen unserer Schwerfälligkeit verhöhnen, so haben sie wirklich nicht ganz Unrecht, und wenn sic auf die sich jetzt schon cnlwickelndc Besiedelung des MatabelelandcS und die Ansiedelungen in Maschona verweisen, die mit Feuer cifer erfolgten, so müssen wir doch beschämt gestehen, daß unsere Eolonisationsthätigkeit gerade da, wo sic sür den Deutschen selbst vvn Bortheil sein würde, uns verläßt. WaS wir in Südwcstasrika brauchen, ist Nnbe im Lande und Unternehmungsgeist, dann wird auch diese Eolonie empor blühen. Zn -kalten ist soeben vor der römischen Strafkammer der große Betruzöproccß gegen den Eigeiithübiner und Ehcfredacteur deS ehemals ministeriellen „Popolo Nomaiio", Eostanzo Ehauvet, den Größt,ändlcr Pinto auö Novara, den ehemaligen AbtbeilungSchcs im GeneralzollamI, Gallina und zwei untergeordnete Persönlichkeiten bcendcl worden. Der bisherige Gencralzolldirertor Eastorina, der infolge der dem Proccsse zu Grunde liegenden betrügerischen Vorkommnisse abgcsetzt wurde, trat als NcbcnUägcr auf, nachdem er nach- gewiesen batte, daß er nur betrogen worden sei. Tic Anklage in dem Proecß, der über fünf Wochen in Anspruch gc nommcn hat und die zcugeneidlicke Vernehmung zahlreicher hoher Beamter, Dcpulirter, Senatoren u. s. w. »öthig machte, ging dabin, daß Ehauvet und Genossen die Staats cast'e um 500 00t» Lire betrogen baden. Der Kaufmann Pinto batte im Zabre 1800 nach Italien 100 000 Doppel- ccntncr Neis ciiigcsübrt und dafür 500 ooü Lire Zoll erlegt. Später behauptete er, daß er diesen selben Reiö wieder auö- gesührt habe, und verlangte die 500 000 Lire Zoll zurück. Lr wurde aber mit dieser Forderung anfänglich abgcwieseu, da er die erfolgte Wiederausfuhr nicht Nachweise» konnte. Schließlich wandte er sich an Ebauvet, von dem ihm bekannt war, daß er Mittel und Wege wisse, der artige Streitfragen zu schlickten. Zn der Tbat brachte Ebauvet die Zollverwaltung dazu, jene 5OO000 Lire Wiede« berauSzugeben. Dabei wurde mit falschen Schriftstücken, Be- techungen :e. gearbeitet. Politisch iiiteressiren nur die Persön lichkeiten Ehauvet« und Gallina'ö, vo» denen, wie der Tele graph schon gemeldet bat, Erstcrcr zu vier Zabren Gcsängniß. Ausschluß von öffentlichen Acmtcrn auf vier Zakrc und 52o«> Francs Geldstrafe, Letzterer zu zwei Zähren acht Mo naten Gcsängniß, Ausschluß von ösfciitlicken Acmtcrn aus drei Zabre und 1000 Francs Geldstrafe vcrurtbeilt wurde. Die Anklageschrift beanspruchte insofern ein Hobes politi sches Interesse, als sie rücksichtslos die Mitverantwortung noch höher siebender Staatsbeamter als der obersten Zoll und Steuerbehörde betonte und direct den damaligen Ministerpräsidenten wegen seiner vertrauten Be- zicbungen zum Leiter des „Popolo Nomano" angriff. „Da« vertrauliche Freundschaftsverhältnis!", beißt cS darin, „welches zwischen Ebauvet und Gallina bestand, ferner der ehrgeizige und übergreisende Eharakler des Letztere», seine Sucht „ach Vortbeileu und Beschleunigung seiner Earrie-re, endlich der allmächtige Einfluß, den Ebauvet damals auf die Minister, besonders aus das Haupt der Negierung und auf den Finanz minister (Grimaldi) anSübtc, waren sämmtlich Ursachen, welche milbalsen, Gallina zu blinder Tbeilnahme an dem Betrüge gegen den Staatsschatz ;n verführen." Tbatsäcklich bat Ebauvet Jahrzehnte hindurch in Nom eine höchst einflußreiche Nolle gespielt und außerordentliche Ncichthümer erworben, ohne daß man reckt wußte, auf welche Weise, den» sein Blatt scheint ihm nur wenig ciiigcbracht zu habe». Jedenfalls bat der Proceß wieder ei» sehr grelles Slrcisticht aus das verwcrs licke Getriebe hinter den Eoulisse» des politischen Lebens in Italien geworfen und von Neuem die Notbwcntigkcit tar- geihan, daß eine starte Hand die Zügel der Negierung führt, wenn eS dort besser werden soll. AuS dem Westen und dem Lasten Afrikas liegen zwei Nachrichten vor, von denen die crstcrc die Acten über die Nicdermctzcliliig der Eotoniie deö französischen OberstlieutenautS Boniiier durch die TuarcgS zum Ab schluß bringt, die zweite einen neuen, c»glischer)eitS in Uganda begonnene» Eolvuiatkricg meldet. Die ossi- cicllcn vom „Gauloiö" veröffentlichten Berichte über de» Tuareg Uebcvsall vom I I. Januar, welcher, der Besetzung Timbiiklu'S durch die Franzosen unmittelbar folgend, diesen 0 Lssieicrc, 8 Uulervssieicre, oi Schützen, 05 Gewehre und loooo Patronen kostete, lassen leinen Zweifel darüber, daß Bonnicr keineswegs aus dem Nuckmarsche nach KaycS war, wohin ih» die Befehle deö Gouverneurs Grodct oder dcr Negierung berufen haben sollten, sondern daß er sich mit dem ganzen Stabe auf einem Ausklärungs zuge befand und dabei — ivie bei Franzose» i» Asrita nur zu oft — die erste militairische Aufgabe, die Sicherung seiner Abtbciluiig, nicht genügend wahrgenomiucn hatte. Die Schuld trifft nicht die Negierung, sondern Bonnier allein, der selbst ständig auf Einnahme des drei Tagesmärsche von Timbuttn 43! Feuilletsi». Ellida Silström. Roman voll H. PalmS-Paysen. Nachdruck »erdeten. (Fortsetzung.) Ter Plah unten im Parguct, dort, von wo damals daS entsetzliche Pjciscn und Zischen cmporstieg — Murre vergißt taS im Leben nickt —, ist dieses Mal statt von der sckwarz- röckigen Herrengesellschaft, von seinzeputztcn Damen besetzt. Gottlob ein anderes Publicum — wenn nicht irgend wo anders die böse Sippe bockt, Unheil brütend, mit gespitztem Munde, »m vom Hinterhalte ihrem Herzblatt eine Niederlage >u bereiten. Wie cS möglich ist, daß dem guten Kinde der Muth nicht ausgcbt, daß cS noch so fröhliche» HosscnS ist und nicht die Spur Angst zeigt, daS begreift Murre nickt. Wie sollte sie dies auch! Die leisen Regungen einer so seinen Natur vermag eben nur eine ähnliche Seele nachzucmpsindcn. Ellida spricht diesen Abend, kur; nachdem Murre sie an- gelleiket und verlassen bat, den Intendanten. Es gewinnt last den Anschein, als habe er ihr Kommen erwartet. Er blättert unweit der Garderobe iu einem Notizbuch und geht, als sie erscheint, sofort aus sie zu. Es sieht sonderbar genug ans. Tie vornehme Ruhe, die ernste Güte seines geistvollen Gc- scklS batte einer Nervosität Platz gemacht, die ihr des AorgenS nickt bemerklich gewesen ist. Irgend ein großer Aerger muß ihn einnehmen, so deutlich tritt die Verstimmung in (einen Zügen hervor. ..Waö ich sagen wellte —" bemerkte er, der selten oder nie mit seinen Künstlern ror den Vorstellungen aus der Bübne zu sprechen pflegt, „wenn — wenn eS diesen Abend nickt zcbcn sollte — dann kürzen Cie ihre Partie ab — in den beiden letzten Acten sind mehrere Figuren ohne Tckärigung deö Ganzen auSrulasscn." Ihren verwunderten Blick läßt er unbeachtet. „Ich habe schon mit Zinders gesprochen", setzt er binzu, an ihr vorbei lebend, al« sei ihm idr fragender Blick unbegncm, „wir können das Nähere nach jedem Act weiter verabreden. Wiltmar weiß Bescheid." Tan» im Weggehen über seine Schulter zurückspreckent, wie zur Erklärung der besremdlichen Aeußerungen. „Die Bornirthcil de- Publicum- würde mich ärgern, und iu dem Fall — eö ist natürlich noch abzuwartcn —, in dem Fall beschneiden wir das Stück und somit auch die Quälerei." Nack dieser seltsamen Bemerkung zieht er sich wie ein Misanthrop in seine Loge zurück, die Vorhänge bis auf einen Spalt zusammenziehend, ebne den Abend sür Jemand zu sprechen zu sein. Allerorts zischelt und flüstert man von der grimmige» Laune des EbcfS, von dem „olympischen Ernst seiner Stirn", und ein Jeder saßt den Vorsatz, ihm diesen Abend nicht den Weg zu kreuzen. Nur Ellida fürchtet ikn nicht. Etwas in seinem Blick und Ton verräth ihr, daß die Qual, die sich aus seinem Gesichte ausprägt, nicht der Sacke, daß diese ibr gilt. Was ist der lalle Ruhm gegen dieses beseligende Bewußtsein? Ihr ist doch so wuntcrsam zu Muthc. Wieder so frei, wie schon einmal, so leicht, als könnte sie fliegen. Und was denkt das Publicum? Es ist aus seiner neu- lichen Gleichgiltigkeit hcrauSgerüttelt. beute mit dem ehrlichen Vorsätze hergekommen, das Talent „der kleinen bemitlcidens werthen, ungerecht behandelten Tänzerin" vornctbeilSfrei aus den rceUcn Werth bin zu prüfen. Als der Vorhang in die Höhe stiegt und nach längerem Vorspiel die entzückenden BallcIS beginnen, in denen diese kleine virtuose Schwedin den Mittelpunet bildet, befremdet sie nickt mehr durch den eigen artigen Anzug, woran sich taS Auge gewöhnt zu haben scheint, es haftet bald nur noch aus ihrer Gestalt, deren an- mulkigc Zanbeit viel berückender ist als die sinnliche Uepvig- kcit der viel älteren Sonsidia. Für Ellida ist dadurch schon viel erreicht, denn dabei lenkt sich die Ausmerksamkcit deS PublicumS mehr und mcbr in anwacksendem Interesse, in steigender Bewunderung aus ihre unglaublich elastische», holten Bewegungen. Sie bal durch den ersten Act, dem lebhafter Beifall folgt, die Voreingenommenheit siegreich nicdergekämpst, sie hat gefesselt. Murre dort oben hat nicht nötbig, mit ihrer Gesellschaft „furchtbar zu klatschen". Andere tbun daö sür sie, noch ehe sich ihre Finger in Bewegung setzen. Ter .Intendant in seiner Loge regt sich nicht. Tic Gar einen bleiben zusammengezogen und die Thür, die nach der Bübne führt, fest verschiossen. Im Stuhl zurückgelebnt, die Arme verschränk», starrt er düsteren Blicke« vor sich bin. Ist er denn niemals zufrieden zu stellen? Nun bat man dock seiner prima stallorina den ersten Beifall gespendet, daS ge füllte Haus beginnt ibr zu huldigen, wird e» voraussichtlich immer mehr tbun. Tie Liloiyenne wirk, ganz wie er eS verauSgeseben, ein rcchleS Repertoire- und Easscnstück, das dem Etat, von dom bas Ballot jährlich eine Unsumme ver schlingt, wieder aufhilst. Dcr Intendant von Hochstedt sollte sich eigentlich jetzt doch auch freuen und die Stirn glätten und auf die Bübne gehen, wo sicher die allerbeilerstc Stimmung herrscht, sich dort einmal die frohen Gesichter ansckauen, vor Allem das der prima ballerina, die so sinncSsrcudig und schönheitSsclig aus Leu blaue» Augen blickt, nun, nachdem mau ihrer ge liebten Kunst die ersten Tribute gezollt hat. Und größere, viel größere folgen. Es ist, als wären dem Publicum plötzlich die Augen geöffnet, als habe es bis jetzt geschlafen und entdeckte nu» erst, welch' eine geniale Künstlerin cS da vor sich habe i» diesem herrliche» Geschöpfe, dessen edles Gleichmaß des Körpers auch auf eine harmonische Seele schließen läßt. Tenn jede Bewegung ist durchdacht, durchgeistigt, und daS Nickeln dieses MenschciianllitzcS, der Blick, Alles, WaS sich in dem lieben Antlitz des Mädchens so bezaubernd widcrspiegelt, in der höchsten Anmuth, Natürlich keil und Unschuld, gilt der Sache, dein Ebaraktcr de« Stückes, Lein Geiste, dem cS entsprungen ist, keine Spur vo» Koketterie und Liebäugeln mit rem Publicum, wie die Sonsidia cS so gern that, keine Esscethasckerei oder Künstelei, Altes höchste Poesie. Jede Stellung ein Gruß, jede Figur ein abgerundete« Ganze«. So hat noch keine in diesem Theater getanzt, so noch keine hingerissen, und demgemäß steigert sich der Beifall des beute parteilosen Publicum« von Act zu Aet. steigert sich zu niemals dagewcsencn Huldigungen, die kein Maß und keine Grenze kenne». Es rauscht und braust durch das HauS, immer von Neuem muß der Vorhang ausrollcn, immer wieder wird Ellida vor die Nainpe gerufen mit den Aus drücken cmportragender Begeisterung. Zuletzt, beim Schlnß- act, nach dem reizenden Spiegeltanz, fliegen schnell berbci- gcschafste Sträuße, Kränze und lose Blumen ohne Zahl ans die Bühne. Kein Fuß breiter leerer Raum bleibt zuletzt nock übrig. Sie siebt auf Blumen, »ei», kniet aus Blumen, nickt mit dem sclbstbesrietigten Blick einer Künstlerin, die weiß, WaS sie werlb ist, und a» dem begehrlichen Rubin sich niit Gcnugthuung sättigt, sie ist nietcrgekniet mit dem vcr wirrtesten, verlegensten und doch glücklichsten Gefickte, leuchtende Thränen der Nübrung an dem bilsloS umberirrcndcn Auge, denn der feuchte Schimmer verhüllt ihr fast den Zuschauer- raum. Sie sckaut umher, sucht und findet nicht daS alte treue Gesicht dort oben — auch nickt ein andere-, „ach dem sie den ganzen Abend, nach jedem Acte, ehe sich der Vorhang senkt, au-grschaut hat. TaS Stück isl beendet, dcr Vorhang bleibt geschlossen, es ist der einzige Befehl, den dcr Zntcnkant diesen Abend ge geben bat. Der nickt cndcnwollciide Beifall verrauscht zu letzt unbeachtet, uuaebört. Ellida kann sich erheben, sich die feuchten Augen trockne», die vielen Hände, die sich ibr recht« und liiits ciilgcgcnstrccken, eine uack der anderen dankbar er greisen, diese oder jene ibr entgegengchalteiie schöne Blume an sich »cbiiieil, während diensteifrige Hände die anderen Trophäen in ihre Garderobe tragen. Langsam nur rückt sie vorwärts, um selbst auch dahin zu gelangen, Schritt für Schritt, und muß dabei doch immer wieder stehe» bleiben. Zeder will »och mit ihr sprechen, ibr noch etwa« Freundliches, SchmeichelbastcS sagen. Diejenigen Tänzerinnen, die nach den anstrengenden Ausgabe» eben »och au den Eoulisse» vier und dort wie matte Schmetterlinge gestanden, um der keuchenden Brust den Atbem zuriickzugebcii, um dem c> erschöpften oder blutenden Fuße sccnntcnlauge Rast zu ge währe». kommen uii» auch aus sie zu, sie baden ja Alle zu ihrem Nubmc mit beigetragen und sind stolz daraus, höre» gern ihr sanftes Lob, das sie in so lieblichen Worten aus zudrückcu versiebt. Keiner begreift es. wie sie, welche die größten Ausgaben deö Abends zu erfüllen gehabt, Alles so leicht und mühelos hat aussühren können, daß sie immer nock Athcni besitzt, gar nicht überhitzt auSsicht, nie unschön und — erschallt der erste To» dcr sic elcktrisirenden Musik — gleich wieder so frisch und noch ebenso elastisch aufspringcn kan», als hätte sie sür Alle nock Kräfte und Atbcin übrig. Ellida lächelt. „Weil ick ih» nickt verschwende", sagte sie, „damit sparen zu können, ist vielleicht meine größte Kunst." Da drängt sich durch alle die weiße» sylpbide»l,asten Ge stalten eine sonderbar gcllcibctc Frau mit langen Armen unk einem dicken Kopf. Sie steuert direct auf die gefeierte prima Im».'!!»» loS, Einzelne kennen sie und weichen aus, Andere lache» laut ans und rufen: „WaS will denn diese Frau?" — „wer ist diese gelungene Person?" — halten aber schleunigst mit weiteren Bemerlungen zurück, als sie sehen, wie herzlich, mit einer Art kindlichen Freude die kleine Silström die merk würdige Alte begrüßt. Wie das möglich ist. daß sich die Auge» dieser gefeierten Eollegiu, welche Rnym ohne Ende heute Abend geerntet, einen Beifall, wie die Sonsidia ihn »immer gesunden, immer wieder mit Thränen füllen, da« sassen die Wenigsten. Weine», wenn man sick freut, wie ist taS möglich? Närrisches Mädchen, denkt die Eine oder dir
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