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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940324025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894032402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894032402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-24
- Monat1894-03
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Tabellarischer und Zifferichitz nach höherem Tarif. »rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung >4 60.—, m«t Postbesörderung 70.—. Ännahmkschluß für Änzeigen: Abeud-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh V,9 Uhr. Lei dea Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anreißen find stets an die Extzetzitio» zu richten. Drnü '.">d Berlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 25. März Vormittags nnr bis Uhr geöffnet. LxpeMlvn Ü68 Politische Tagesschau. Leipzig, 24. März. Allem Anscheine nach fühlt der preußische Gesandte in München, Graf Philipp stulruburg, selbst das Bedürfnis;, den Schleier zu lüsten, der durch konfuse ofsiciöse Dielrungen über seinen gegenwärtigen Aufenthalt gebreitet worden ist. Bon „zuständiger Seite" wird nämlich den „Münchner Neuesten Nachr." milgelhcilt, das; der Gesandte am 22. d. von seinem Urlaub auö Meran, wo er bei seiner Mutter auf Besuch weilte, nach München zurückgekehrt ist und die Ge schäfte wieder übernommen bat, „nächster Tage" aber, wahrscheinlich schon heule, zum Kaiser nach Abbazia sich begeben wird, um dort den auswärtigen Dienst zu übernehmen. Die „zuständige Seile" wird nun wohl auch nicht verfehlen, die Abreise des Gesanklen nach Abbazia zu melden, wenn sie wirklich erfolgt sein wird. Hoffentlich findet sich auch eine „zuständige Seile", die Auf klärung darüber giebt, welcher von den beiden Osficiösen, die im „Hamb. Corr." und in der „Nordd. Allgem. Ztg." ihr Licht leuchten lassen, im Rechte ist. Bekanntlich meldete der Elftere kürzlich, der Kaiser von Rußland habe die Nachricht von der Annahme des Handelsvertrages durch den Reichstag durch eine Depesche beantwortet, i» der er nähere, persönliche Beziehungen zwischen ihm und Kaiser Wilbel», H. in Aussicht gestellt habe. Darauf ant wortete der OfficiosuS der „Nordd. Allgem. Zt.": „Bon dem „Hamburgijchen Correspondcntcn" ist ein Gerücht erwähnt worden, daß Se. Majestät der Kaiser von Rußland die Nachricht von der Annahme des Handelsvertrages im Reichstage mit einer Depesche beantwortet habe, in der er für den Herbst d:e Er örterung näherer politischer Beziehungen, und zwar von Person zu Person, in Aussicht stelle. Nach unseren Jnsorincttione» ist in hiesigen maßgebenden Kreisen von der Existenz einer Depesche solchen Inhalt» nichts bekannt." Diesem „Wissenden" sprangen mit gleicher Behauptung »och andere Kostgänger des osficiösen PreßbureauS bei; heule aber erklärt der Gewährsmann des „Hamb. Corr." auf das Bestimmteste: „ES thut uns leid, den genannten Blättern sagen zu müssen, Laß sie in der beregten Angelegenheit ungenügend inform irt gewesen sind. Die Sache hat sich so verhalten, wie wir gemeldet, davon ist kein Jota hinwegzureden. Sehr bcld wird «ssichzeigen, daß die Annäherung erfolgt ist." Wenn Graf Eulenburg in Abbazia den auswärtigen Dienst übernimmt, so wird er ja, wenn er es jetzt noch nicht wissen sollte, bald genug erfahren, wie die Dinge liegen. Wahr scheinlich hat er auch Einfluß genug, der osficiösen Miß wirtschaft entgegenzutreten, die nachgerade eine gemein gefährliche wird. Bekanntlich hat der „Kladderadatsch", der trotz seiner fortgesetzten scharfen Angriffe auf die bekannten hohen Beamten noch immer unbehelligt geblieben und nur osficiöS „dementirt" worden ist, das ofsiciöse Preßburcau ganz besonder- aufs Korn genommen. In seiner letzten Nummer richtet das Witzblatt an die Adresse dieses Bureaus die olgente Aufforderung und Drohung: „Wir haben gewartet, ob Sie — nicht aus Anslandsgesnhl, ondei» anS Rücksichten der Klugheit — die von Ihnen beeinslußle» Blätter aniveisen würde», die gegen unS geschlenderten Lügen und Bcrdächligungcn zurückzunehincn. TaS isl nicht geschehen, wir ordern Sie daher auf, eS schleunigst »nchzuhvlen. Wir ver- langen eine unumwundene Erklärung, daß man nicht nur unsere patriotische Gesinnung und die abjolnie Integrität unserer Beweg gründe anerkennt, sondern daß auch wohl Tinge geschehe» sein müssen, die unsere Angriffe als durchaus berechtigt erscheinen lassen. Das ist ja für Sie nicht leicht zu sormulire», aber es hilft nicht. Bemühen Sie sich, dies eine Mal die ichlichle Wahrheit zu sagen, dann wird es schon gehen. Können Sie gar nicht damit fertig werde», so komme» Sie zu uns; wir werben Ihnen redlich Helsen. Ter Telegraph steht Ihnen zur Beringung, also beeile» Sie sich! Wir decke», wie wir schon gesagt haben, von unseren Karlen nur das Nvthigste aus, aber wir haben noch Pfeile im Köcher, die in Sekunden lödtenl Mit drei Zeilen sprengen wir den ganze» osficiösen Prcßschwindel in di- Lust." Man kann im Interesse der öffentlichen Moral nur dringend wünschen, daß ver „Kladderadatsch", sofern nicht balv von anderer Seite — vielleicht vom Grasen Eulenburg — Wandel geschafft wirk, seine Drobung auSsübrt und kic angevrohlcn drei feilen schreibt, weiche angeblich de» ganzen osficiösen Preßschwiudcl in die Lust zu sprengen vermögen. Er würde eine gute Thal damit tbun, auch wenn der Sprengproceß noch einiges Andere mit anscngcn sollte. Steht wirklich die Anbahnung näherer persönlicher Be ziehungen zwischen dem Zarr» und Kaiser Wilhelm n. in Aussicht, so wird vie preußische Regierung in erster Linie dafür sorgen müssen, daß dir Zar nickt langer durch eine Polrnpolitik gereizt werde, die durch ibrc den preußischen Polen gemachten Eoncessionen die russischen Polen ausstachelt. Wie sehr diese vielbcklagte Politik die deutschen Elemente in der Provinz Posen und den übrigen preußischen LandcStheilcn mit polnischer Bevölkerung mit Sorge erfüllt, lehrt die kürz lich erfolgte Wicdcrauslagc einer Broschüre, die vor 32 Jahren von dem „Verein zur Wahrung deutscher Interessen" in Posen hcrausgeaebcn und in Berlin eingereicht worden war mit dem Ersuchen uni Abwehr der polnischen Uebergriffe. Die neue unveränderte und mit einem Borwort ver sehene Auslage erscheint gerade zur rechten Zeit, denn sie betont ebensowohl die Wirkung der jetzigen Polen- Politik auf die russischen Polen und den Zaren, wie auf die deutsche Bevölkerung der betreffenden Landesthcilc. In letzter Beziehung sagt der Verfasser, indem er, an- kiiüpfenb an die Tbalsacbe der erfolgten Wietercinränuinng des Borsitzes in den Kirchenvorstänke» an die polnische Geistlichkeit, den Einstuß schildert, den der polnische ultra- montane KieruS zur Zeit in der Provinz Posen auSübt: Nachdem der Adel seinen Einstuß auf das Volk immer inehr verloren, hat er nur noch dadurch eine Bedeutung, daß er Hand in Hand mit der polnischen Geistlichkeit geht. Diese bildet nach der Schilderung des Verfassers eine wohiorganislrte, streitbare Armee, die sich immer wieder erneuert und als die stärkste Stütze der nationalen Bewegung angesehen werden »inß; sie steht sichtbar oder unsichtbar an der Spitze aller Vereine und beeinflußt, mit Ausnahme einzelner Blätter, die polnische Presse. Sie bat wesentlich durch Belehrung und Rathschläge und durch Darlehne aus den reichen Mitteln der Kirchen dazu beigctragcn, die materielle Lage des Bauern- und des Bürgerstandes zu bebe», aber mit der Äbsitttt und mit der Folge, daß diese Elasten in ihren nationalen Be strebungen immer selbstbewußter auftreten, während der Bauernstand dafür trüber ganz uuempsänziich war. Kann man unter diesen Umständen wünschen, daß der polnischen Geistlichkeit auch noch die Schule überliefert werden soll? Weiler beißt cs: Wohnte der polnische Stamm in einer aiideren Gegend de» StaaieS, dann konnte» ihm bezüglich der Sprache die weitgehendsten Coiicesiionc» gemacht werde». Bei der Lage der Provinz Posen an der Grenze deS Staates, bei der Stammes- und Familienverivandt- chast mit de» jenseitigen Polen und bei dem Baude, welches die naiionalcn Bestrebungen bilde», muß cs die unausgesetzte Ausgabe sei», dafür zu sorgen, daß die Polen sich in de» preußi sche» Slaal immer mehr einlebcn und an denselben gekettet werden. ES ist dies um so nolhwendiger, da sich die pol nische Agitation von Pose» ans Weslvreußcn und jetzt auch aus Lberschtesien ausgedehnt hat, während sich auch gleichzeitig polnische Colonien im Inner» des Staates bilden. Die polnische Bevölkerung in de» Grcnzdislriclen »immt außerdem mehr zu als die dculsche; einesldeilü w>rkt die Auswanderung der Deutschen daraus ein, dann aber auch die Polonisirung derselben durch die polnische Geistlichkeit und endlich das stärkere Anwachsen des slawischen Stammes durch Einwanderung und Geburt. Jedenfalls wäre dieBerschmelziing derdeutschcn uudpoInische »Bewohner der Grenzdislricle schon weiter vorgeschritten, wäre das Be» halten der Regierung nicht ein so ungleichmäßiges, indem sie bald die Deutschen, bald die Polen zu begünstigen scheint und in den Letzteren die nationalen Hoffnungen immer wieder belebt. Sehr wesentlich wäre es gewesen, wenn für die deutschen Katholiken ausgewirkt wäre, daß sie Gottesdienst in deutscher Sprache erhallen hätten. Wenn sic in der Kirche nie ein dculsches Wort hören, wenn alle kirchlichen Amtshandlungen in polnischer Sprache vollzogen werden, so ist es nicht zu verwundern, daß die katholische Einwanderung auS den alten Provinzen unrettbar vom Polenibum ausgesogen wird. Diesem Schicksal werden auch die deutschen Katholiken verfallen, welche die Ansiedeln n gs-Eo Minis sio» dierderziebt, wenn die kirchlichen Verhältnisse dieselben bleibe». Besonders wurden die Hoffnungen der Polen wieder belebt durch die Verordnung des Grasen Zedlitz, nach der den Lehrern gestattet wurde, in den öffentlichen Schullocalen Privatunterricht in der polnischen Sprache zu crtdcilen. Sie hatten sich eben in das Unabänderliche gesunden und sich den deutschen Bewohnern i» jeder Beziehung freundlicher gegeiiübcrgestellt; sie hielten aber die von der Regierung gezeigte Nachgiebigkeit snr ein Zeichen, Laß sie noch viel mehr fordern könnten nnd aus Gewährung ihrer Forderungen rechnen dürsten. Damit tral auch wieder ein Umschlag in ihrem Verhallen gegen die Deutschen ein. Tic Gefahr ist nicht auSgeschtosse», Laß mit der Wendung der Dinge alle jene Wirrnisse wieder herausbejchworen werde», die wir kr den Jahren 1830, 1846, 1848 und 1862 erlebt Kaden, deren weitere Entwickelung nur durch ein schnelles, thal» kräftiges Einschreiten der Regierung gestört wurde." Durch den Tod Kossuth'S ist das ganze magyarische Ungarn in nationale Traner versetzt worden, und wären die Parteien nicht gerade jetzt wegen der kirchenpolitischen Borlagen der Regierung entzweit, so würde inan sich ohne Schwierigkeiten über eine solche Art von Trau^rkuiivgebung für Kossutb haben einigen können, welche gleichmäßig den Gefühlen der Nalion und den berechtigten Empfindungen der Dhnastic entspräche. Die UnabhängigkcitSpartei unter ihrem Führer Iustk bat eine Einigung uninögkick gemacht. Trotz deS weitgehenden Entgegenkommens der mit der Krone iin Einverncbmcn handelnden Regierung, welche in der Person deS Ministerpräsidenten Wckcrle einen Antrag des llntcrbauSvor- sitzcndcn, die Verdienste Kossuth'S protokollarisch zu verewigen und einen Kranz an der Bahre des tobten RevolutioncnrS nicderlegen zu lassen, in einer für Kossutl, höchst anerkennenden Rete zustiminte, verharrt die äußerste Linke mit Hartnäckigkeit darauf, daß Kossuth'S Berdienstc gesetzlich inartikulirl und die Theater, auch die Hosbübnen, dis nach der Begrädnißseier geschlossen werden sollen, ein Verlangen, dein selbst der Führer der Nalioiialpartei, Apponyi, sich nicht voll anzuschließen vermochte, indem er auf die gesetzliche Anerkennung der Thaten Kossuth'S verzichtete. Um ihr Ziel zu erreichen, haben die Führer der radikalen Linken in den letzten acht Tagen eine Agitation in Scene gesetzt, deren Folgen sich am Donnerstag und Freitag in den Straßen und den Hos- theatcrii der ungarischen Hauptstadt in Gestalt von tumul- tuarische» Kundgebungen der Studentenschaft und des Pöbels gezeigt haben. Die Studenten unterbrachen die Vorstellungen, hißten aus de» Theatern und verschiedenen Privathäusern Trancrsiaggen, und der Janhagel warf Fensterscheiben ein, boinbarbirie daS cinschrcilende Militair mit Steinen und raubte mehrere Läden aus. Leider kamen zahlreiche Verwun dungen vor, und selbst ein Abgeordneter der Iusth-Partei mußte verhaftet werden, weil er sich an dem Bombardement bctbeiligl batte. Erreicht haken die antidynastischen Eie- mente Ungarns mit diesen Einschüchterungsversuchen nicht-, denn das Abgeordnetenhaus verwarf sämintlichc Anträge der Parteien und nahm den der Regierung mit bedeutender Mehrheit an, dagegen dürste ihr Vorgehen die Folge haben, baß die Negierung jedes weitere, etwa noch in Aussicht genommene Zugcstäudiiiß verweigert, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob sie gezwungen nachgäbe. Es werden daher auch auf keinem StaatSgebLude Traucrflaggen gezogen und die Theater nur am Tage des Eintreffens der Leiche Kossuth'S und am Tage der Beerdigung geschlossen gehalten werden Besondere Bedeutung wird in den Kreisen der nicht direct regiernngSseindlichcn Parteien den Pestcr Demonstrationen nicht be,gelegt, sie werken mit Recht nur als der Ausdruck der Gesinnungen der äußerste» Linke» betrachtet, während eS feststcht, daß nicht alle Magyaren blinde Verehrer des 48er Diktators sind und nur wenige seinen Haß gegen daS Kaiserhaus »keile». Die Mehrheit der Nalion stritt fest zur Dynastie und will von einer Trennung nichts mehr wissen. Demnach scheint auch die Stellung des Ministeriums Wekerle gesichert und für die Kirchenvorlagen der Regierung hat kein Geringerer sein Votum, gewissermaßen testamentarisch, abgegeben, als Kossutb. Sollten sich die blutige» Erccssc beim Eintreffen und der Beisetzung der Leiche Kossuth'S iricberbolen, daun dürste sich in noch drastischerer Weise zeigen, daß die Iusth, EölvöS und Ugron nicht kic Nation repräsentier». In Italien sind letzter Tage zwei Processe entschieden worden, die im Zusammenhang mitten jüngsten »evolu tionairea Bewegungen in Skrilwn und Maffa Carrara stehen und den Gegnern der jetzigen Regierung einen sehr wohlfeile» Anlaß bieten, deren Vorgeben gegen jene Unruben tadelnd zu benrtbeilcn. Ter eine Proceß spielte sich in Termini (Sicilicn) ab und betraf den Verfasser eines revolntionairen Aufrufs, den EriSpi in der Kaniinersitzung vom 28. Februar alsBclcg für den ausgedehnten Aufruhrplan verlesen hatte. Gegen die Glaubwürdigkeit gerade dieses ActenstückcS hatte der Abgeordnete Evlajanni Zweifel erhoben, indem er behauptete, ein Polizcibeamtcr habe ven Aufruf abgesaßt und die Urheberschaft einem unschuldigen Manne zugcschobcn, den er aus gemeiner Rache verderben wollte. DaS Gericht hat der Darstellung Colajanni'S Recht gegeben nnd den Pvlizci- beamtcn wegen falscher Anschuldigung zu drei Jahren Gc- sängniß und in die Kosten verurlkeilk, sowie der Fähigkeit, öffentliche Aeniter zu bekleide», verlustig erklärt. — Den zweiten Proc-.ß suchen die Radicalen in dem gleichen Sinne auszubeulen, aber mit ebenso geringem Erfolg wie den erslercn. Der römische CassationShof bat nämlich auf Berufung deS wegen Aufreizung zum Bürgerkrieg iu Massa durch das Kriegsgericht zu 23 Jahren verurthciltcn Akoocatcn Molinari »n Einklänge mit dem Anträge deS GencralstaatsanwaltS dafür gehalten, daß der nothwendiae ursächliche Zusammenhang zwischen den im December v. I. von Molinari gehaltenen anarchistischen Reden und den Aus ständen in Carrara fehle, so daß daS Militairaericht nicht zuständig gewesen sei, über die vor der Erklärung deS Belagerungszustandes begangene angebliche „Aufreizung Feuilleton. Ellida Silström. 4SI Roman von H. PalmS.Paysen. Noten»! verboten. (Fortsetzung.) Dieses Vergnügen will er dem verläumderischen Feigling doch nickt machen. Abgemacht, er gehl oder fährt nickt hinaus und schlägt sich die Geschickte aus dem Kopse. Wenn daS so leicht ginge! Seine Unrnhe hatte einen geradezu sieberbasten Grad erreicht. Er sprang auf und schellte. Tobias kam. „Anspannen!" rief er noch so beslig und befeblerisch, als wenn er wüßte, daß er gleich wieder anderen Sinnes und den Befekl dann nicht erthcilen würde. Aber nun, da es gesagt, bleibt es auch dabei. Eine namenlose, quälende Vorstellung licß ihn im nächsten Augenblick wiederum eine andere Einrichtung treffen. Tobias erhielt den Befehl» eine gewöhnliche Droschke zu besorgen und nicht anspannen zu lassen. eS brauchte Keiner zu wissen, wer sich da hinausfavren ließe — er stellte sich die furchtbare Möglichkeit» daß die Angaben aus Wahrheit beruhte», nun koch vor und eS währte nur kurze Zeit — kaum eine Viertel stunde, da halte Gerhardt v. Hochstedt sein HauS verlassen und ließ sich aus der Stadt hinaus in eine einsame, menschen- vcrlaffene Gegend fahren, nach dem fernen Walde, der den Steinbruck barg. Einmal war's ihm, als höre er fernes Schlittengeläute. Pfeilschnell schoß auch bald darauf ein Gesährt vorbei, der kleine, elegante «schlitten von vorhin, den er drüben in seiner Straße gesehen, mit den beiden Damen darin. Sein scharfe- Auge sah jetzt nur noch eine Dame, die hohe, in Seide und Pelz gehüllte Gestalt der einstigen prima Iiallorina — der andere Platz war leer. Ellioa Silström befand sich nicht mehr im Schlitten, er würde sic also im Sleinbruch, im Kiosk finden, „wenn er", wie der Anonymus schrieb, „pünkt lich sei." 56. Capitel. Werner hatte die Nachricht, daß Ellida Silström im KioSk erscheinen wolle, mit ungläubigem Staunen, kann mit Ent zücken und einer grenzenlosen Dankbarkeit für dir gefällige Sonsidia ausgenommen. Die diesmaligen Vorbereitungen für den Abend wurden deshalb mit ganz besonderer Sorgfalt betrieben und wie gewöhnlich mit geradezu verschwenderischem Auswanke in kulinarischen Genüssen. Erlöster batte den vor herigen Tag zur Hinschaffung eines lururiösen Buffets be nutzt, eine Auswahl seiner Weine lagerte überdies in den Spalten und Gängen deS romantischen Felsens und Holz und Kohlen zur Genüge, um die zum orientalischen Kiosk nmze- wandelte Höhle wohnlich zu erwärmen. In die Freude auf die erwartete Lustbarkeit deS Abends mischte sich bei Werner auch ein gut Tbeil sroklockenken Triumphes. Mußte er nicht selbst glauben, waS ihm seine Freunde — und, was mehr Werth für ibn batte — das schöne Geschlecht in allen möglichen Variationen zu versieben gaben, nämlich, daß er unwiderstehlich sei und dort, wo er siegen wolle, auch siegen werde. Bei diesen spröden, ursprünglichen Mädchen, dieser reizenden Ellida Silström, die alle sich ikr Nähernden, auch ihn, mit einer so unerschütterlichen Consequenz, einer säst verletzenden Kälte abgewiesen und zurückgestoßen balle, eS bei ihr erreicht zu haben, daß sie sein Fest besuchen und idm vorher eine reizende Planderstunde unter vier Augen ge statten werde, daS war so reizvoll und verbeißend, daß ihn die Ungeduld schon früh aus der Stadt fort und in den Wald trieb. Außerdem wünschte er sich zu überzeugen, ob Colosser genau seinen Anordnungen Folge geleistet und Alles auf's Vortrefflichste für den Abend vorbereitet hatte. Einige Neuerungen waren um der zu erwartenden Damen willen gemacht worden. So batte der Diener einen bequemen Weg von der Feldseitc her in den Wald hineinbahnen, den Schnee sortschaufeln, den Boden hart stampfen und mit Sand nnd Steinchen bestreuen müssen. DaS wilde Gesträuch war bei Seite gebogen, theilweise abgeschlagen und somit der ge beimnitzvolle Eingang des Felsens sreigelegt worden. Die Spuren konnten ja hinterher wieder verwischt, das bis herige Aussehen wieder hergestellt werden Auch hatte Colosser eine von Natur gebildete grollen- und nisckenartige Vertiefung im Felsen, die bisher durch subdicke Matten und Teppiche verhangen gewesen, freigelegt und derart auS- grschmückt »nd Stufen nnd Abtheilungen darin auSaebauen, daß sich diese zur Ausstellung der kunstvoll auf Schüsseln an- gericktcten kalten Speisen benutzen ließen. Ein verschiebbarer Vorbanz verbarg vorläufig den Augen diese verführerische kleine Restauration. Um der Ausstattung diese« seltsamen Raumes auch künstlerischen Werth zu ver leiben, waren verschiedene wcrthvolle Büsten und Statue» diesen Morgen, u. A. eine wertbvolle Medicische BenuS auS Werner'S Wohnung herbeigeschafft worden, auch anderartige Schätze, seltene Urnen und Krüge, Schüsseln, einige wenige Gemälde und Nippes ohne Zahl. Der KioSk hatte durch diese phantastische Ausstattung seinen ehemaligen Charakter verloren und glich so säst einem Museum, in dem cs sich eben schon eine Weile aushaltcn ließ. Während nun Werner in seinem Reiche Umschau hielt und mit einer bis jetzt noch nicht gekannten herzklopfenden Erwartung der kommenden Stunde entgegensab, die ihm Ellida bringen soll — die Sonne allgemach dem Horizonte sich näbcrt und das Tageslicht in sanfte Dämmerung sich auflöst, gleitet von der Landstraße ab in die enge Waldschneise binein jener schnell dabinschießende Schlitten, dessen Kutscher die beiden darin befindlichen Damen säst schon eine Stunde in der verschneiten Gegend die Kreuz und dir Quer umhergcfahren hat. Ellida hat sich diesem seltenen Ver gnügen, das durch die Sonsidia scheinbar in gleichem Maße getbeilt wird, mit ganzer Seele bingegeben. Die Lust ist lrisch, von einer durchaus nicht schneidenden, sondern wohl- tbuentcn Kälte, ohne Wind, die Licktreflere der »ntergehcndcn Sonne von einer wundersamen Wirkung und Schöne. Die ganze Landschaft bat sich in ein sanftes Roth gehüllt. Ter schimmernde Schnee, der die Felder und Wiesen bedeckt und die Kronen der Waldbäumc, mancher Riesentanne Haupt durch seine Last tief bernicderbeugt, gestaltet Alles noch lickt und hell, trotz der hereinbrcchenden Dämmerung. Die Sonne ist als purpurne Sckeibe eben hinter den Horizont gesunken. Diesem von Ellida so gern gesehenen Natnr- schauspiel vermag sie unbehindert »nd mit ganzem Entzücken zuzuschauen, denn die Sonsidia hat dem Kutscher — es ist des „guten Baron" — Diener — Befehl ertbeilt, schnell zu fahren, um rechtzeitig noch auS der Schneise auf daS vahinter- liegende Feld zu gelangen. Dort gleitet der Schlitten dann langsam dahin. DaS Auge vermag, durch Busch und Baum nicht mehr verhindert, die weite Gegend zu überschauen und dem TageSgestirn zu folgen, wie eS mehr und mehr am Himmelsraum versinkt und sein Dasein nur noch durch fern bergcsandte goldene Strahlengarben verrätk, die aber immer mehr verblassen und der Herrschaft de- Monde- weichen. „So", sagt die Sonsidia, „nun werden Sie, kleine Natur schwärmerin, rusriedengcstellt sein, nun wollen wir endlich da» Ziel unserer Fahrt suchen, den KioSk, wo sich Natur und Kunst die Hände reichen. Sie werde» staunen, Kleine, Sie werden nicht wissen, was Sic zu sehen bekommen." Ei» Wink, und der Kutscher läßt die Pferde wie einen Pfeil über die Weite des Feldes, zu dem Saum des nahen Waldes stiegen. Ellida sagt: „Sie haben mich durch diese, von einem wunder vollen Wetter und schönen Sonnenuntergang begünstigte Fahrt so sehr erfreut und entzückt, daß ich am liebsten mit dieser Erinnerung beimführc und dies reine, schöne Bild der Natur nicht durch ein anderes verdrängen ließe." „Kleine, so thöricht würden Sic nicht sprechen, wenn Sic das Märchenwunder kennten, waS Ihnen gleich die Sinne ganz und gar gefangen nehmen soll", antwortete die Son sidia niit boSbastcm Lächeln. „Vielleicht würde ich später noch einmal die Gelegenheit dazu finden", enlgegnele Ellida ahnungslos. „Möglich, aber ich sagte Ihnen ,a. daß diese SebenS Würdigkeit erstlich nur an besonderen Tagen dcni Publicum zur Schau gestellt wird und dann — Sie werden begreifen — ick möcktte mir selbst noch einmal den Spaß machen" — mit einem Seufzer —» „ich muß dieser lieben Gegend, dieser mir theucr gewordenen Stadt für immer Lebewohl sagen. — Kisten und Kasten sind in meiner Wohnung gepackt. DaS ist meine letzte Ausfahrt — diejenige nach dem Bahnhof spät Abends ausgenommen." „Sic wollen heute schon von hier fort?" fragte Ellida erstaunt. Die Sonsidia bejaht. „In aller Stille, meine Liebe.-der gute Baron wünscht keine Ovationen — ich soll die Statt verlassen nicht wie eine große, gefeierte Künstlerin, sondern mich sortschleichen wie ein bescheidenes BürgerSkind. Ich habe Mittags erst eine Depesche mit dieser Bitte erhalten." „Wie gütig, trotzdem —" „Bitte, bitte — Hindernisse für einmal gefaßte Vorsätze giebt eS für die Sonsidia nicht. WaS ick sagen wollte — in einer fremden Stadt werden wir — der Baron und ich — ohne den Ballast hochzeitlicher Romantik, aus dem Standes amle znsammengegcbkn, damit habe ick meine Laufbahn als prima h»II«rina abgeschlossen, und ich denke, nichl wahr, ich kann zufrieden sein! Ader» WaS ist das — sind wir denn schon am Hirl?" Die während deS Spreckens beständig unruhig umber- leitenden Augen der Inlriguanlin blicken fragend den Diener an, „hier ist ja Steg und Weg gcdabnt — während neulich — während bisher", verbesserte sie sich schnell, „eia
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