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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940405025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894040502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894040502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-05
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Zwar ist jetzt in dem General-Major Spitz ein Gewährs mann des Blattes namhaft gemacht worden, dafür kommt durch die widerspruchsvolle Einschiebung einer neuen, unge nannten Persönlichkeit in das Getriebe zu den ungelösten RLtbscln ein neues. In Bezug auf diese Persönlichkeit bat der Verleger des „Kladderadatsch" gerade die entgegengesetzte Ansicht wie der Redakteur Polstorff. Dieser siebt in ihr den Hintermann der beschuldigten Beamten des Aus wärtigen Amtes; Herr Hosman» meint, daß man ihm die köderen Ortes als „Intriguant" angesebene „Persön lichkeit" in „kaum angreifbarer amtlicher Stellung" als Hintermann des „Kladderadatsch" bezeichnen wollte, Wenn der Verleger diese Auslassung unmittelbar au« der Unterredung mit dem Herrn General-Major Spitz, also spätestens am 6. März geschöpft baben sollte, so hat er unbe greiflich und unverantwortlich gebandelt, indem er den Rctacteur so mangelbait informirtc, daß dieser eine Persönlichkeit, welche beschuldigt war, die Seele derAngrisse argen die Herren v. Holstein und v. Kidcrlen-Wächter zu sein, für den Mitschuld ig en,wenn nicht Anstifter dieser Herren bei den ihnen zur Last gelegten „gemeinschädlicken Intriguen" batten konnte. Wie ein solches Mißverständniß zwischen zwei Männern, die sich der gleichen Sprache als ihrer Müller spräche bedienen, möglich war, liegt außerhalb unseres Fassung« Vermögens. Es muß angesichts vcS Verhaltens des „Kladdera datsch" nach dem 6. März angenommen werden, daß sein Verleger an den hochgestellten „Intriguanten" und „vermutb- lichc» Anzclller" der gegen die Herren von Holstein und v. Kiderlen-Wächtc'r gerichteten „Kladkeradatsch"-Angriffe nicht geglaubt bat; er durste aber trotzdem bei Herrn Potstorfs nicht die Auffassung entstehen lassen, daß ihm General-Major Spitz die „dritte Persönlichkeit" als eine solche gekennzeichnet habe, die die ganz entgegengesetzte Rolle spiele. Diese „drille Persönlichkeit" im Halbdunkel eines „Intri guanten" — natürlich gegen de» neuen EurS — gezeigt, erscheint sehr verdächtig. Sie ist in dieser Angelegenheit schon einmal aus der Ferne gezeigt worden und sie gehört überhaupt zu den meistbenutzten Requisiten einer an der Irreführung, nicht nur der öffentlichen Meinung, eifrig arbeitenden Eliquc. Diesmal ist es ein Beamter, gegen den man kaum einschreite» kann, ein andermal war es ein ehemaliger Beamter, ein drittes Mal eine nur social bervorraget.de Persönlichkeit rc. Der.große Unbekannte, der in der „Kladderavatsch"-Angelegen- teit aufgetauckt ist, muß bei Seite bleiben, bis er schärfere (ionturcn angenommen bat. Von der Mission des Herrn Generalmajors Spitz bleibt ohnedies noch Erkleckliches übrig. Es muß vorausgeschickt werden, daß der „Kladderadatsch" lettisch fehlerhaft bandelt, wenn er jetzt, wie früher, das .Auswärtige Amt" mit Bestimmtheit als diejenige Stelle bezeichnet, von der aus er um Stillschweigen ersucbt worden ist. Das Auswärtige Amt als solches hat dergleichen natürlich nicht getbau, wobl auch nicht ein anderes NeichSamt. Die Ausdruckswcise des „Kladderadatsch" ölte den Deinen lirungsapparat, der wobt kaum so sicher sunctionirl Kälte, wenn das Blatt, statt eine Behörde bei ihrem officiellen Namen zu nennen, sich auf die Feststellung der Thalsache beschränkt hätte, daß ihm aus dem Kreise der Reichs- tegicrung heraus der Wunsch aus Einstellung der A» griffe ausgesprochen worden ist. Selbstverständlich aber kann rie Existenz und die Benuhiiiig einer rein sormalen Rückzugs linie, wie sie dem Auswärtigen Amte offen gelassen wurde für die Beurtheiluug der Sache nicht die geringste Bcdeulung beanspruchen. Wir dürfen deshalb, indem wir den neuesten Erklärungen des „Kladderadatsch" folgen, die von ihm ge brauchte Bezeichnung „Auswärtige- Amt" einstweilen deibehaltco. Nach .diesen Erklärungen ist Herr General- Major Spitz nach seinem eigenen Zugeständniß „nicht im Austrage", aber „auf Veranlassung" de» Auswärtigen Amte« bei dem Verleger des „Kladderadatsch" gewesen, um dort zu bekunden, daß die Angriffe des Blattes „sehr nnangenrhm empfunden werden", und um zu ersuchen, die Angelegenheit ruhen zu taffen. Daran ändert auch die angeblich „authentische" Dar stellung des „ Berl. Fremden bl." nicht- Denn wenn auch Generalmajor Spitz, nachdem er im Auswärtigen Amte Er kundigungen eingczogen hatte, Herrn Hosmann „privatim" aufsuchte und ihm zur Einstellung der Angriffe rirtb, so bat er einen solchen Schritt doch sicherlich unternommen, ohne sich zu vergewissern, daß dieser Schritt vom AuSwärtigrn Amte gebilligt werde. Was man aber durch Billigung zur Ausführung kommen läßt, da« veranlaßt man, wenn auch nicht direct, aber doch indircct. Wenn Herr Hosmann versichert oder vermuthet — die ist nicht ganz klar — der General habe „nur im noch mehr verwirren. So viel ist aller Wrlt klar: entweder beruhen dir Angriffe des „Kladderadatsch" trotz des Un geschicks seine« Verlag« und seiner Redaction aus Thatsachen, oder das Blatt ist von einflußreicher Seite zu einer un erhörten Verleumdung mißbraucht worden. In jedem Falle muffen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. ntereffc für meine (des Herrn Hosmann) Person es über nommen, mit mir die Angelegenheit zu besprechen" — so wird dadurch nur bekräftigt, baß dem General die Urber- nabme der Mission nabe gelegt worden war. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" legt da- Haupt gewicht darauf, daß der General die Herbeiführung der Unterredung im Interesse des Verlegers übernommen bade. Das ist indessen nebensächlich; „veranlaßt" worden ist er sicher nicht ini Interesse des Herrn Hosmann. Das ist im Interesse Derjenigen geschehen, denen die Angriffe „sehr un angenehm" waren. De-Weiteren ist die „Nordd. AUg. Ztg." hochbesriedigt von der Erklärung de« Verlegers, daß er den General um die Ermächliaung geheten habe, Herrn Polstorff Mitthcilung zu machen. Die Erfüllung dieser „Bitte" war aber bedingt durch diejenige des Generals, die Angelegenheit ruhen zu lassen. Sollte der Zweck erreicht werden, so mußte Herr Polstorff unterrichtet werde». Der „Reicksanzeiger" hat versichert, die letzte Erklärung im Briefkasten des „Kladdera datsch" beruhe „von Anfang bis zu Ende aus Erfindung". Nun besagte der „Anfang", der „Kladderadatsch" sei ersucht worden, z» schweigen. Dieser Theit der ErNärung ist durch diejenige des Verlegers für Alle bestätigt, die ein Anklammern an die Bezeichnung „Auswärtiges Amt" für nichtssagend erachten. Anders siebt es mit dem zweiten Tbcile, nachdem Herr Hosmann erklärt, die Arußcrung, „es seien ungehörige Dinge vorgefallen", sei vom General- Major Spitz n i ch t getbai, worden. Hier besteht derselbe Wider spruch zwischen Redacteur und Verleger, wie hinsichtlich der „dritten Persönlichkeit". DaS Urtbeil der „Nordd. Allg. Ztg ", daß die Brieskasteniiotiz ihrem ganzen Inhalt nach eine „leichtfertige Erfindung" sei, ist deshalb aber noch keineswegs begrünrct. Wenn das Blatt der einen Versicherung des Herrn Hofmann, von ungehörigen Dingen sei nickt die Rede gewesen, Glauben schenkt, so kann sie die andere nicht de zweifeln, daß General-Major Spitz um die ÜHederschlagung der Angelegenheit ersucht habe. Auffällig ist, daß da« boch- osfieiöfe Blatt außer Stande geblieben ist, die „dritte Per sönlichkeit" gegen den ,„Kladderadatsch" und im Allgemeinen zu vcrwerthe». Der „Reichs-Anzeiger" schweigt noch. Seine In spiratoren scheinen also weder die „authentische" Darlegung des „Bcrl. Freindcnbl", noch die Auslassung der „Nordd Allgeni. Ztg." übernehmen zu wollen. Das ist begreiflich genug. Hoffentlich schließt da-, was er sagen wird, die Ver- mutbung auö, daß weitere Vertuschung-Versuche unternommen werte» sollen. Solche würden die öffentliche Meinung nur politische Tagesschan. " Leipzig, 5. April. Der Reichstag, der beute seine Arbeiten wieder ausnimmt, beginnt seine Beratungen mit der Frage des Fartstldungs- schulutttrrrichts a» Sonntagen. Zu diesem Gegenstände war kürzlich eine Darlegung gegeben worden, in der betont wurde, daß mit der Regelung im 8- 12» der letzten Gewerbc- ordnungSnovelle der Kirche nicht etwas genommen, sonder» jewährt werden solle; sodann wurde bemerkt, die Voraus etzung für da- Zustandekommen der jetzigen Fassung dcS s. 12» sei gewesen, „dass dadurch der notb wendige Unterricht an Sonntagen nicht gestört würde". Die ersterc Bemerkung ist nicht bestritten worden, sie ist ja auch eine notorische Thatsache. Gegen die letztere jedoch ist der Ein- wanv erhoben worden, die Mehrheit des Reichstages im Jahre l89l sei von der Voraussetzung auSgegangen, daß der größere Theil der Fortbildungsschüler unter keine» Umstände» von dem Besuche des sonntäglichen Gottes diensteS abgehalten werden dürfe. Dem gegenüber ist z» nächst daraus hinzuweise», daß dieser Einwand jene Bemerkung materiell gar nicht trifft, weil in ibr von einem Unterricht während des Gottesdienstes gar nicht die Rede war. Sodann aber ist cS doch nicht die ReichStagSniebrheit allein, welche das Zustandekommen von Gesetzesbestimmungen ermöglicht. Die jetzige in Rede stehende Borschrist des 8 12» der Gewerbe ordnnng ist da- Ergebniß eines EompromiffeS. DaS geht aus de» Verhandlungen des Reichstages vom Jahr 189 t un zweideutig hervor. Es war in der ersten Lesung der Reichs tagSconimission der Antrag gestellt worden, an Sonn- und Festtagen den ganzen Vormittag (als die Zeit des Gottesdienstes) frei zu halten. Die Vertreter der ver kündeten Regierungen bekämpsten, wie es ausdrücklich im EommissionSberichtc (Seite llt" des zweiten An lagebandcS Reichstag- Drucksache» 18'.)» Ol) heißt, diese» Antrag. In der zweiten Lesung wurde beantragt, daß vor und während des Hauptgottesdienstes der Unterricht nicht stattsindcn dürfe. Von den Vertretern der verbündeten Regierungen wurde zugegeben, daß cS gewiß nicht wünsckcnS- wertb sei, wenn der Besuch des Gottesdienstes unmöglich gemacht werde; aber allgemein für den ganzen Vormittag den Unterricht zu verbiete», gehe zu weit. Abgesehen vo» dem Zweifel, ob eine solche Bestimmung nicht in die lande- rechtliche Regelung des FortbildungsschulwcsenS eingreise spreche dagegen da« Bedenke», daß damit der aus einer lang jährigen Entwickelung beruhende Bestand unsere« Fort bildungSschulwesenS in Frage gestellt werden würde. Bei gänzlicher Ausschließung dcS Sonntag-Vormittag-unter richtS würden sich die Gemeinden nur in den seltensten Fällen bereit finden lassen, die für einen aiiSreichende» Unterricht erforderliche Zahl von Stunden festzusctzeii, noch weniger werte es gelingen, die Lehrkräfte zu gewinne». Be sonder« werde hierunter der wichtigste UnterrichtSgegciisland der Fortbildungsschule, da- Zeichnen, leiden, da dieser Unterricht nicht ausschließlich >„ den Abendstunden crlbeill werden könne. So wörtlich zu lesen in dem schon erwähnte» EommissionSbericht. I>» Plenum dcö Reichstag« äußerte der preußische HandetSminister Frhr. von Berlepsch am 2.'». Februar I89l, die verbündeten Regierungen gäben zu, daß es durchaus wünschenSwertb sei, daß während dcS )auptgottesdiensteS ein Unterricht in der Fortbildungsschule überhaupt nickt stattfänbe, dagegen bätteu sie Bedenken, daß die- im Gesetz ausgesprochen würde. Was man damit er- trrdr, werde sich von selbst machen. Andernfalls würbe eine ganze Reibe wobltbätig wirkender Fortbildungsschulen vadurck einen Stoß bekommen. Nach alledem kann doch kein Zweifel darüber herrschen, daß die verbündeten Regierungen ihre Zustimmung zu der jetzigen Fassung de» 8 >2» nur unter der Voraussetzung ausgesprochen baben, daß der notbwentiae Unterricht an Sonn tagen nicht gestört werden würde. Der Unterricht an Sonntagen wird aber nun leider durch da- Verhalten der kirchlichen Bebörde» an viele» Orten geradezu unmöglich gemacht. Die verbündeten Regierungen wollten weder den Besuch des Gottesdienstes, noch de» notbwcudigcn Fort- bildungSunterricht an Sonntagen gestört wissen. Beides ließe sich wobl erreichen, wen» der im 8 >2» vorgezeichnete Weg der Festsetzung besonderer Gottesdienste vorgeschrieben würde. Diese» LiK-z will man seitens der Kirchenbehörden vielfach nicht besebreiteii Es läßt sich tcSbalb nicht wegdiSputiren, daß die Voraussetzung, von welcher man dei dem Eompromiß über die Gestattung deö 8 >2» der Gewerbeordnung auS- gegangen war. nicht zngetrosse» ist. Die Folgerungen hieraus ergeben sich von selbst. DaS prcnsftsche Abgeordnete»!«»»» hat geüern den Zu schuß zu dem Vlbr-Travc-Ikanal durch rie Stimmen der Nationalliberalen, dcS EentrumS, der Freisinnigen und der Mehrheit der Freiconscrvative» genehmigt. DieEonser- vativen stimmte» »lit wenige» Ausnahmen dagegen. Die- ist kein Rubiiicöblatt in der Geschichte der eonscrvativcn Partei in Preußen unk zeugt von ihrem gegenwärtigem politischen Niedergänge Ihre Redner brachten keinen einzigen sachlichen Grund für die Ablehnung vor, sondern zogen sich nur hinter kleinliche und kurzsichtige SparsamkeitSrilck- sichtcn zurück. Dies nnd die Versagung einer anständigen Unterbringung der pergamenischc» Altcrtbümer kennzeichnet diese Sorte von übelangcbrachter Sparsamkeit. DaS war doch sonst nicht gerade eine besondere Eigenschaft der preußischen Eonscrvativcn. Andere Parteien sind auch sparsam. Aber a» wirtbschastlich productiven Anlagen, an Eulturintcreffen nnd an moralischen Ehrenpflichten darf man diesen Trieb nicht auSüben. ES craiebt sich auch an« den AuSlassnnge» conscrvativcr preußischer Blätter, daß diese Art von Sparsamkeit nicht ans sachlichen Erwägungen bcrubt, sondern lediglich den Zweck verfolgt, einer politischen Verstimmung AnSdrnck »u gebe» und der Industrie, auf Koste» wichtiger und auch für die Landwirtb- schast sehr bedeutsamer LandcSintcreffc», einen Denkzettel wegen de« russischen Handelsvertrags :u geben. Wenn die preußischen Mitglieder der conscrvativcn Fraetion des Reichs tag« in diesem ebensolche Verstimmungspolitik treiben, so er öffnen sich trübe Aussichten. Kürzlich erging an die französischen Anarchisten ein in der „Petite Republique" veröffentlichtes Schreiben de« Bazno- sträslinas »nd Anarchisten Eyvocl, Verwegen der Erplosion im Eafö Bellcconr zu Lnon vcrurtheilt und nach Numea tcporlirt worden ist. Ehvoel rieth darin seine» anarchistischen Gesinnungsgcnoffc». die Propaganda der Thal aus- zugcbc», weil diese nur da« Verderben der „wackeren" Vorbnt der Revolution nnd die Verzögerung dcS Triumphes der Freiheit über die Tbrannei nach sich ziehe» könne. Seine anarchistischen Brüder müßte» sich vor allen Uebertreibungen hüte» und Gewallthalen vermeide», welche allgemeinen Tadel bervorriescn, und sich der Herzen und der Geiste r bemächtige», wenn sie die Revolution vorbercitcn wollten. Tie Journale Medea. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. tRachtruck verbotene Sj (Fortsetzung.) Der Herr Präsident schlug an'S GlaS. „Meine verehrten Damen und Herren! Wertbe Gäste! Einen Kreis wie den, welcher sich um unser» bescheidenen Tisch versammelt hat, könnte man mit einem Blumensträuße vergleichen —" „Es bat geklingelt!" ries freudestrahlend die Frau Präsident, die ganz und gar die Fassung verloren hatte, dazwischen. Der so schnöde unterbrochene Präsident verstummte, und da die übrigen Anwesenden die« schon beim Beginne der Rede ihres WirtheS gcthan, herrschte eine Minute lang eine heilige Stille um die Zwiebclmustcr herum, i» die nur leise und durch den Teppich gedämpft wie aus weiter Ferne ein einmaliges zaghaftes Doppelsohlcnknacken bineinklang. Aller Augen hatten unwillkürlich die Richtung nach der Lbür ge nommen, dem Erwarteten entgegen. Diese öffnete sich, und da« Mädchen brachte die Kartoffelschüffcl »nd einen Brief herein. Die Frau Präsident stand aus, zerriß zitternd vor Ungeduld das große Eouvert und stieß einen unarticulirten Schrei aus. „Um GottcSwillen!" rief der besorgte Maler Zondi und warf, in die Höbe springend, den Stuhl hinter sich uni. „Bemühen Sie sich nicht", wehrte die Präsidentin, einen empörten heimlichen Blick nach der Langlotz schleudernd und mit einem Lachen, welches an Las Odoardo Galotti'S im fünften Acte erinnerte, . e« ist eine freudige Ucber- raschung, die ich Ihne» vorzulesen habe ... in ver Tbat eine sehr unerwartete Ucberraschung . . ." „Nun?" riesen die Schwestern. „Meine Verlobung mit Fräulein Martha Reiche, Tochter de« Kaufmanns Alfred Reiche und Frau Luise geborene Wickboldt, beehre ich mich hierdurch anzuzeigen . . . Paul Förster . . ." „Die Präsidentin lächelte mit einer unbeschreiblichen Hand- bewcgung im Kreise herum, Frau Langlotz lächelte gleichfalls, Ida traten die Thränen in die Augen, die Uebrigen aber machten es wie die schmatzenden Fische im Parkteiche, denen ei» übermiithiger Bursche plötzlich eine ganze Semmel hinab- geschleudcrt, sie ließen alle Brocken schwimmen und balgten sich eine Weile lang um den unverscklingbaren Neuankömm ling. Der Präsident, dessen angcfangene Rede vollkommen vergessen war, setzte sich in Folge dessen wieder. „Reiche? Reiche?" zwitscherte die Aeltere, „war das nicht die hübsche Freundin von Ihnen, Fräulein Ida?" ^Nur eine cbemalige Schulkameradin meiner Tochter", erwiderte die Frau Rentier geringschätzig. „Nein", sagte Ida mit fester Stimme, „Fräulein Reiche ist wirklich meine Freundin, und ich freue mich herzlich über ihr Glück". »Zu gönnen ist eS ibr freilich", fuhr die Mutter fort, „denn bei ihren Verhältnissen war an so etwas allerdings schwer zu denken". „Verhältnisse", näselte der Referendar mit dem dünnen Haar, „daran stößt sich ei» ehemaliger Schauspieler nicht". „Pfui, wie kann man so boshaft sein!" ries die Jüngere über den Tisch hinüber. „Ist sie arm?" „Mehr als da«1" „Solch neu Mann lob ich mir!" „Benvcnuto Cellim", warf der Zuckersabrikant mit dröhnen der Stimme dazwischen, indem er sich ein Stück Braten anspicßte „War sie Mitglied der BoluptaS?" fragte der humoristische Bergrath. „I, wo denken Sie hin", protestirte die Frau Präsident, „nur Gast". „Dann gehört die Sache also nickt hierher. Ich stelle den Antrag, zur Tagesordnung überzugeben." Er hob prüfend die vor ihm stehende Weinflasche gegen die Hängelampe. „Hier ist frischer Stoff", brummte der Präsident kauend und schob ihm eine andere hin. „Jawohl, sprechen wir von etwas Interessanterem", stimmte die Frau Präsident zu. Da die Sache schließlich außer Ida, die Frau Rentier »nd die Frau Präsident Niemande weiter sonderlich be rührte, als höchsten- noch den kleinen Zondi, und den in an genehmer Weise, so ließ sich die Gesellschaft denn auch im Allgemeinen durch dieselbe nicht am Genüsse der Taselsreuden stören, waS der humoristische Bergrath insbesondere durch Vertilgung zweier weiterer Flaschen beurkundete, unk Herr Zondi durch einen Toast aus die liebenswürdigen Wirtde, welcher der Hauptsache nach eine Zusriedenbeitserkläruna der Gäste mit Speise und Trank zum Inhalte batte, in Folge deren der Abend als ein durchaus gelungener zu be zeichnen sei. Schwester Nummer Eins unterhielt sich auf das An genehmste mit dem Kunstkenner, welcher in ihrer Brosche ei» kostbares, zweifelsohne au« dem dritten Decennium des acht zehnten IabrbundertS stammcndeS Miniaturbild entdeckte, und Referendar Mcixner war durch das wiederholte pflichtgemäße Anstöße» mit seinem zukünftige» Schwiegcrpapa in eine so überaus fröhliche Seclcnstimmung geratben, daß er sei» Fensterglas statt in'S rechte in'S linke Auge drückte und seine Rechte unter dem Tisckc eine ganze Weile ans dem Knie seiner Nachbarin ruhen ließ statt auf dem seinen, ohne es zu merken. Pfänderspiele wurden nach Tisch nun nicht gespielt, dafür trug Herr Zondi freiwillig einige seiner besten Schwänke vor, sowohl da« Lied von Herrn Friedrich Wilhelm Schulze in Berlin, der seine Frau au« Eifersucht mit einem Regc»- chirmc durchbohrte (den er noch dazu hinterher auf panntc), als auch jenes moralische von der Schlange i» Afrika, „die jedes Thier ohn' Ahnlaß bieß" und die in ihrer übergroßen Bo-Heit sich schließlich selbst in den Schwanz »nd „zu Tode bieß — Vcrläumder, merke dies" Auch Frau Präsident that da- Menschenmögliche, »»» die Gäste zu unterhalten, und gab sogar, indem sic ein Eigarrcnkistä>cn an jenen Schädcltheil ihres Gatten hielt, hinter welchem, einem an ilit' zufolge, da- kleine Gehirn beginnt, ibrc berühmte Scherzfrage zum Besten, was dies zu bedeute» habe, nämlich „Mondschein a» der Küste von Habannah". Allein trotzdem erlahmte die Lustbarkeit bald zusebcndS, und da die Frau Präsident überdies das Unglück batte, den Zuckersabrikanten mitte» in einem zärtlichen Geflüster mit dem äitercn der beiden Eanarienvögel durch eine Frage nach VaSgo de Gama zu verstimmen, der gar nicht aus seinem heutigen Repertoire stand, und auch die Bowle zur Neige ging, empfahl man sich. Nur Frau Rentiere Langlotz blieb als Letzte mit Ida zurück „Nun", sagte sie mit bebenden Nasenflügeln, als sich die Thür hinter dem ausnahmsweise beurlaubten Gesckwister- paare geschloffen, „das muß man zugeben, Frau Präsident, fein baben Sie Ihre Sache gemacht . . ." „Mutter!" „Still! Du dumme-, alberne- Ding Tu! . . . Ja, fein . . . blamirt baben Sie mich!" „WaaaS?" schnaufte die Frau Präsident, „da» ist ja empörend! . . . DaS ist der Dank! Der Dank dafür, daß man . . . Wen» ich mich jetzt nirgends mehr blicke» lassen kan», wer ist de»» schuld daran als Sie?! Sie baben mich blamirl! Mich, die ich'« in der ganzen Stadt bereits als Factum crzäblt, uni binlcrbcr von Ibiie» Lügen gestraft zu werden . . . Ibnen geschickt ganz recht . . . DaS haben Sie davon, daß Sic Plebejer prolegircu . . ." Es können eben nicht Alle von — Grasen abstammen", lispelte die Frau Rentier mit einem tiefen K»ir. „Was wolle» Sie damit sagen?" „Ob . . . nicht« . . . gar mchlS . . . verbindlichste» Dank, Fran Präsident . . . gute Nackt . . ." Die Fra» Pränkeut sank aus das Renaiffancesopba. „Na, höre 'mal, Alma", sagte der Präsident, der rin von beide» Parteien völlig ignorirtcr Zeuge dieser) Scene ge wesen, „das finde ick aber dock sonderbar . . ." „W.is sinkest Du svnkcrbar?!" rief Frau Alma aufipringenk. „O T», Tu! Ich vergreife »lick noch an Dir! Beleikigcn laßt Tu mich vo» dieser . . . dieser . . . Geh mir a»S den Anzc»! . . . AuS den Angc», sage ich, Tu . . . T» . . . Waschlappen . . ." „Ich gebe ja schon', erwiderte der friedfertige Präsident »nd knackte binaiiS. Zornsprühcnd stampste die Frau Rentier die Treppe binlintcr und ging davon, ebne die dienstfertige Fee, welche das HanSllwr öffnete, auch mir eines Blickes zu würdige». Traurig schlick Ida an ihrer Seite. „So etwa« muß iiia» sich deinetwegen bieten lassen . . . von ... von einer .. . Ha» dsch» bin am sc ll . . . Ei» Fräulein HabenicktS . . . eine Bettlerin sticht Tick aus, Tu . . . Na, warten Sie nur, Fra» Luise geberciic Wickboldt, meinen Glückwunsch sollen Sie sich nicht hinter den Spiegel stecken! . . VH. Martba war i» die Stadt gegangen, Frau Reiche saß allein am Fenster und schaute, die Hände milde in den Schooß gelegt, binanS in den frostigen FrübjahrSncbcl. Immer derselbe einzige quälende Gedanke drchle sich in ihrem gemarterten Hirn berum, der Gedanke an diese Ver lobung, an der sic doch selber eigentlich schuld war. Diese Verlobung, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen wollte, die sich ibr fast stündlich immer vo» Neuem ausdringlich in Erinnerung brachte, so sebr sie anck den Kopf in de» Sand vergrub, um nickt« ;» sebcn, nichts zu hören. Je oster der zulünftige Sckwiegersobil ibr HauS betrat, desto verhaßter wurde er ihr. Sein übermülhige« Lachen, seine kecken Groß-
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