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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940406027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-06
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Wer diese Absicht hegt, wird nicht gesagt; jedenfalls aber würde ihre Ausführung die Bänke des Hauses und die Tribünen stillen, denn die ^Kladderadatsch"-Affaire beherrscht in weit höherem Maße als manche der wichtigsten GesetzeSvorlagcn die öffent liche Meinung. Da aber die „Nordb. A l l g e m. Ltg." heute erklärt, es werde eine Aufklärung, „so weil sie überhaupt nöthig ist", vermuthlich nickt auS- bleiben, so wirb der Reichstag böckst wahrscheinlich erst diese Aufklärung abwartcn, bevor er seinerseits um eine solche ersucht. Graf Caprivi hätte am Besten gethan, schon früher irgend eine Gelegenheit zu einer Aussprache zu be nutzen. Daß den Angriffen des „Kladderadatsch" auf hohe Beamte irgend welche Intrigue zu Grunde lag, konnte von allem Anfang an nicht zweifelhaft sein. Entweder mußte das Witzblatt Grund ru seinen Angriffen und Beweismaterial für seine Behauptungen haben, oder aber eS mußte von Gegnern dieser Beamten getäuscht und mißbraucht worden sein. Eine dritte Möglichkeit war ausgeschlossen. Allerdings konnte eS für den Reichs kanzler nicht angenehm sein, öffentlich zu constatircn, daß irgend eine Intrigue den Angriffen zu Grunde liege. Aber auch sein Vorgänger bat sich nicht gescheut, von den Friktionen zu sprechen, die ihm von „Hintcrtreppen- politikern" bereitet würden, und er erreichte durch diese offene Aussprache wenigstens das Eine, daß man ihn in der Ocffcntlichkcit nicht für die Folgen dieser Frictionen verant wortlich machte und daß man von seinenr energischen Willen erwartete, er werde mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den intriguanten Hintertreppenpolitikern zu Leibe gehen. Graf Caprivi, der nun einmal eine Abneigung gegen die von seinem Lorgänger betretenen Wege hegt, bat ein anderes Verfahren anwenden zu sollen geglaubt. Er hat, wenn auch nickt gerade direct veranlaßt, aber doch wenigstens geduldet, daß Lwischenpcrsoneu in die Sache sich mischten und den „Kladderadatsch" zum Schweigen zu bringen suchten. Dabei sind Worte gefallen, die auf einen Einfluß hinveuten, gegen den der erste Beamte deS Reichs nicht einmal anzu- kämpfen wage. Und was das Schlimmste ist: diese Worte lasten sich nicht feststellen, da sie hinter verschlossenen Thüren gefallen sind und augenscheinlich nicht mehr fest im Gedächtniß der Sprecher hasten. In diese uncontrolirbaren und der Phantasie den weitesten Spielraum lassenden Aus lassungen mischen die Officiösen ihre ungeschickten und unvor sichtigen Stimmen und steigern den ohnehin schon allgemeinen Eindruck, daß eS dem Nachfolger des Fürsten BiSmarck an der feste» und energischen Hand fehle, die seinem Borgänger eigen war. Mit vollem Rechte schreibt die „Nat.-Ztg": „Es hieße di« Pflicht der Presse in dieser Angelegenheit nur sehr unvollständig erfüllen, wen» man diese so behandelte, als ob lediglich ein Streit zwischen einigen Beamten des diplomatischen Dienstes und dem „Kladderadatsch" vor- läge. Wenn die Behauptungen des letzteren in weite» Kreisen «ine unbestreitbare Erregung hervorricfrn. so beruht dies darauf, daß die Wintliche Meinung in den letzten Jahren vielfach in persönlichen und sachlichen Fragen durch Entschlüsse überrascht worden ih, welche nicht den Eindruck ausreichender Begründung, zuweilen nicht den Eindruck machten, daß sie unter ausreichender Mitwirkung der hierzu berufenen Personen erfolgt seien. Sinem einzelnen derartigen Falle gegenüber beruhigt man sich mit dem Gedanken, daß die näheren Umstände nicht bekannt seien; häufen sich aber solche Vorgänge, so gerathen die zunächst be- theiligten Kreise und wcilerhi» die Bevölkerung überhaupt i» eine Stimmung, in welcher die Aussaat des Mißtrauens, mag sie nun von wohlmeinenden, selbst beunruhigten Leute» oder von Jntri- uante» und Frondeur« auSgehen, üpvig ausiprießt. Es ist ein loßer Zufall, daß sich dergleichen diesmal aus dem Gebiete des diplomatischen Dienstes gezeigt hat; es hätte gerade so gut aus dem der inilita irischen Ernennungen oder in irgend einer sachliche» Frage geschehen können. D:e Schwingungen, in welch« der große Wandel von 1888 und 1890 den öffentlichen Geist in Deutschland versetzt hat, habe» sich noch keineswegs be- ruhigt; was Noth thut, ist eine Handhabung der Slaats- geschäfte, welche nirgends einen Zweifel an der reis- lichen Ueberlegung und sachlichen Erledigung aller Fragen, der persönlichen wie der materiellen, aus- kommen läßt. Nur so kann eine politische Atmosphäre wieder dergcstellt werden, in welcher bösartige Ausstreuungen nicht ge deihe»; setzt ader ist vielfach sogar die gutgläubige Kritik zügellos geworden. Ob die von rer „Nordd. Allg. Zlg." vermutbele Aufklärung hinreichen wird, den Zweifel an der Festigkeit und Energie des Grasen Caprivi nickt nur in diesem specielle» Falle, sondern überhaupt zu beseitigen, muß einstweilen dahingestellt bleiben, jedenfalls aber ist schon im Interesse des Herrn Reichs kanzlers zu wünschen, daß er sich nickt mil einer Erklärung im „Reichs-Anzeiger" begnügt, sondern selbst im ReickSlage die Gelegenheit zu einer offenen Aussprache ergreift und dadei wenigstens den Willen bekundet, jeder schleichenden In trigue, auch wenn sie von einer schwer zugänglichen Stelle ausgcbcn sollte, mit der Entschiedenheit cnlgegenzulreteii, welche die Pflicht des verantwortlichen Leiters der deutschen Politik ist. Wie widerspruchsvoll und verwirrend das Treiben der Officiösen ist, gebt reckt deutlich daraus bervor, daß ein Tbeil von ihnen aus das Entschiedenste an der Behauptung festhält, die verbündeten Regierungen beständen nach wie vor auf der Durckberalhung der sämmtlicken Lteuerrrsnrmnar- lagcn während der lausenden Session des Reichstages, während ein anderer Tbeil heule ebenso bestimmt behauptet, der Reichs tag werde seine Arbeiten wahrscheinlich schon in drei Wochen beendigen, da die verbündeten Regierungen den Wunsch ausgegeben bätlen. die Sleucrverbandlungen, die ja doch, von Börsen- und Lolteriesteuer abgesehen, kein prak tisches Eraebniß versprächen, in die Länge zu ziehen So seien die Regierungen dem baldigen Schluß der Session nicht abgeneigt und gedächten, die Zwischenzeit bis zum Herbst zur Ausarbeitung neuer Steuerprojecte zu verwenden. Ob diese Widersprüche auf Meinungsdifferenzen in den Kreisen der ReickSregicrung, oder lediglich auf die mangelhafte Conlrole der officiösen Federn zurückzusübren sind, läßt sich nickt entscheiden. Seltsam genug wäre eS jedenfalls, wenn die verbündeten Regierungen an die Ausarbeitung neuer Steuer projecte gingen, bevor auch nur der ernstliche Bersuch gemacht worden wäre, die alten durchzubringen. Verzichtete man aus diesen Versuch, so würde i» der nächsten Session die principiclle Opposition sicherlich mit der Bebauptung vorrücken, die alten Projekte seien noch viel besser gewesen, als die neuen, die eine gründliche Durchbcrathung noch weniger verdienten. Die in Ungar» nach den Kossuthdenionstrationcn eingetretene Beruhigung der öffentlichen Stimmung und das allgemeine Bedürsniß nach Eindämmung aller lleber- treibungen treten beute auch in dem angesehenen Theile der fortgeschrittensten oppositionellen Presse hervor. So schreibt das Organ der äußerste» Linken, „Egyctertes" u. A.: Die jüngsten Tage habrn unser nationales Selbstvertrauen zweifellos gestärkt, denn sie zeigte» das ungarische Volk einniüthig und entschlossen. Aber inan sagt, sie hätten neue Mißverständnisse und tiefe Verstimmung in der Seele unseres gekrönten Königs heraufbeschworen. Wir inüsseu ohne Zweifel Alle dazu beitragen, daß dieser Schatten, welcher vielleicht durch den zurückgebliebenen Nevel srüderer Mißverständnisse verdichtet wird, ehestens voll ständig verscheucht werde. Wir denken wefeuttich ander« über die Nothwendigkeit des Vertrauens zwilchen König und Nation, als daß wir de» Ton recriniinirender Drohung, der in der Trauer klage Otto Hernians durchbrach, uns arteignen sollten. Anderer seits würdx Jeder das Stigma der gegen die nationale Einpsindtmg verübten Felonie verdienen, der in der Verstimmung deS Königs einen geeigneten Hebel erblicken würde, um die gegenwärti fe Negierung zu stürzen. . . . Gebe» wir unserem König neuerdings zu wissen, daß wir unsere constitutionelle Freiheit bis zum Tode vcrtheidige», daß wir unsere Rechte aut geietzttchem Wege erweitern, daß wir unser» geschichtlichen Berus vollständig erfüllen wollen, daß wir die Helden unserer Kämvsc im heilige» Andenken bewahren, daß wir aber Kraft des vcrsassungs mäßlgen Bandes allezeit einstehen für die Sicherheit des Thrones, und daß es in diesem Lande Niemanden giebt, der die wohlthätige Gemeiniainkeit zwischen König und Volk, aus der sich die künftige Größe unserer Nation aufbaut, stören wollte. Auch der „Budapesti Hirlap", welcher sonst in allen ultra nationalen Kundgebungen voransckreitel, äußert sich in gleichem Sinn. DaS sind hockst bemerkenSwerlhe, freudig zu be grüßende Symptome der Lage, zu denen auch die öffentliche Erllärung Franz Kossuth'S gehört, daß er die beabsichtigte Reise in die Provinz aufgegebcn habe, welche — ob gewollt oder nickt gewollt — dennoch zu politischen Demonstrationen geführt Kälte. Von sehr wohllbätigem Einfluß wird auch die bevorstehende Anwesenheit Kaiser Franz Iosepk'S in Ungarn sein, für welche große königSlrcue Kundgebungen geplant werden. Wie hie und da in Deutschland scheint auch in Frank reich die Antisemitcnhctzc mit der Proteslautenhetze sich verschmelzen zu wollen, wenigstens hat der Director der anlisemttischen „Libre Parole", Edouard Drum out. der „Ahlwartt Frankreichs", wie ibn ein deutsches Blatt treffend bezeichnet, unter den, Titel „Ein kleines Irland" in seinen! Blatte gegen die Protestanten im Gard-Departement ein Haberseldtreiben schlimmster Sorte begonnen. Bekanntlich ist dieses Departement ein Bestandthcil jener Languedoc, wo der Protestantismus sich am raschesten entfaltete und die arau samsten Verfolgungen zu erdulden hatte. Daß ein Jahr hundert nach der französischen Revolution das „Hugenotten gelichter" an der Verwaltung und den öffentlichen Aemtern gleich den Katholiken seinen Antheil bat, erscheint Drumont ungeheuerlich. Mit allgemeinen Be trachtungen darüber begnügt er sich nicht, sonder» läßt ein Verzeichniß aller Personen, Männer und Frauen, Richter, VcrwaltungSbeamte, Lehrer, Aerzte u. s. w , aus stellen, die aus der Staatskasse besoldet werben, und damit noch nicht zufrieden, schimpft die „Libre Parole" darüber, daß die Preisgerichte bei Pferde-, Hunde- und Gartenbau Aus stellungcn vorwiegend aus Protestanten rufammenaeictzt sind, und daß man in der städtischen Bibliothek von NiincS, wo die meisten Beamten Protestanten sind, die vollständige Sanim lung der „Nerue du krotestLntisiue t'i au«.»»««" aufgelegt findet. Man sieht: was Fanatismus und Lcrupellosigkeit in der Wahl der Mittel anbetrifft, erweist sich der Antisemitismus als ein gelehriger Schüler des llltramontaniSmus. — In Paris raucht wieder ein neues Panama-Unternehmen aus Vorgestern fand dort eine Versammlung von Inhabern von etwa 18 000 Panama-Obligationen statt, in der die Vollendung des PanamacanalS beschlossen wurde. Es soll zu diesem Zwecke ein Syndicat von Obligationairen und eine Gesellschaft init einem Capital von 60 Millionen Francs gebildet werden. DaS Syndicat wurde beauftragt, sich mit den Abwicklern der alten Panamaqcsellschafl in Verbindung zu setzen. Fürs erste wurden 20 Mjstwnen Francs gezeichnet Dieses Beginnen ist ein ganz aussichtsloses, denn man weiß, daß die Kosten für Wetterführung der Canalarbeiten von Fachleuten ans 700—gix» Millionen Franc« geschätzt worden sind. In Wirklichkeit kann eS sich nur um eine neue Specu lation auf das Geld Solcher bandeln, die, wie überall in der Well, so auch in Frankreich, nicht alle werden. Aus dein Sckauplatz kcS amerikanischen Branntwein- Aufruhrs i» Süd Carolina ist die Lage noch unver ändert. Die Grafschaften Darlington und Florencc befinden ick ibatsäcklich im Belagerungszustände. Stark dcwaffnelc Polizei bewacht vier Staalsfchenkeu in Cbarleston. Man erwartet, daß der Gouverneur weitere radicalc Maßregeln ergreife» wird. Die Lcichcnbcschaueruntersuchung über die vier in Darlington ermordclcn Gcbeimpolijisten wird un gewöhnliches Iittcrrcfsc erregen. Sollte» -Schutzleute AuS agen zu Gunsten der Ermordeten machen, so wird sie auch die Miliz nicht vor der Rache des Volkes schützen können. Die Versicherungsgesellschaften Heden die Versickerungen der SlaatSfchcnkcn aus, La sic fürchten, diese möchten jeden Augen blick von der Menge zerstört werden. Gouverneur Tillmann erklärte der Miliz, daß er die Polizei des Staates in die Hände nebmcn und daS Gesetz durchführen werde, möge cs koste», was eS wolle. „Gesetz ist Gesetz, und als Gouver neur habe ick geschworen, daß die Gesetze beobachtet werben sollen, dis sic aufgehoben sind. Und dazu helfe un« Gott. Ich werde alle meine Kraft anwenden, ihnen Gehorsam zu verschaffen". Wenn einige Milizsoldaten den ihnen zuge- gangenen Befehlen nicht gehorcht hätte», so seien genug da, die dem Befehl Folge leisten würden. Die Gegner deS SpiriluoscilgcsetzcS müßten sich dem Willen der Mehrheit kvS Volkes untcrordncn. „Mein Leben ist bedroht worden, ader ich bade keine Furcht, und ich werde die Legislatur zusammen berufe», wenn weitere BoUmachtcn »otbwcndig sind." Die Milizlruppc». vor denen der Gouverneur kiese Rede hielt, jubelten derselben zu. Im Rcpräscnlantcnhause zu Washington haben übrigens die Rebellen am Mittwoch einen Wortführer gesunde». Dort beaittraglc GroSvcnor von Obio eine Uittcrsuchuiig über das Verfahren deS Gouverneurs Tillman», weil er den telegraphischen Verkehr zwischen den verschiedene» Staaten gehemmt »nd dadurch eine thalsächliche Ccnsur der Presse ausgcübt habe. Deutsches Reich. I.. Leipzig. 0. April. Vor dein 2. Strafsenate des Reichs gericht« lam heute abermals ein Proecß gegen den Buch- druckereidesitzer Glöß i» Dresden wegen Beleidigung deS Reichskanzlers Grafen von Caprivi zur Verhandlung. Es bandelte sich um den im Verlage des Angeklagten erschienenen „Politische» Bilderbogen Nr. 8", cnlkaltend das „Jude» ABC " Durch einen BerS und das dazu gehörige Bild fühlte sich Graf Caprivi beleidigt, weshalb er gegen Verleger »»d Verbreiter Straflanirag stellte. DaS Landgericht Berlin 1 sprach am 5. Januar elf milaiigeklagle SvrlinicntSbuchbändler frei, vcrurlkeille jedoch den Verleger Glöß wegen Beleidigung zu 5»o Mark Geldstrafe, erkauulc dem Beleidigten die PublicalienSbesugniß zu und ordnete die Unbrauchbar inachung eines TbeilcS deS Bilderbogen« a». — Gegen dieses Uriheil hatten der Angeklagte und der Staatsanwalt Revision cmgelcgl. Der Elftere rügte u. A Beschränkung der Vertkeitiguiig, sowie Nichtbeachtung der Einrede der Ver jährung und die Uiizusläntigkcit tco Berliner Gerichte«. Die Revision de« Staatsanwaltes, verwies daraus, daß gegen den Angeklagten nickt Tbälerschast nach 8- l8ä de» St.-G-B, sondern nur ein FabriässigkeitSvelict nach Feuilleton. Medea. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. «Nachdruck Verbolea.) lvj (Fortsetzung.) Aufathmend blieb sie mitten im Zimmer stehen und stützte ihre Hand auf die Tischplatte. Der letzte Rest von Roth war aus ihrem Gesichte gewichen. Ihr graues Auge blickte starr inS Weite. Nicht die weichherzige Mutter war sie mehr, die sich in schwacher Stunde vom Drängen ihre« wilden KindeS batte überrumpeln lasten — nur noch dir in ihrem Stolze gekränkte, von einem Schauspieler beleidigte, von einem Zeitungsschreiber nicht mit dem schuldigen Respect behandelte Patriziertochter aus dem alten grimmigen Ge schleckte der Wickboldt. ES klingelte. „Gut, da ist Martha". VIII. Zu der selben Stunde, in der Frau Fabrikant Langlotz ihrem theilnahmSvollen Herzen bei der Iugendgcspielin Luft macht«, gratulirte Chesredacteur Martini seinem jüngeren College» und Freunde. Der höhnische, gallige Zug in seinem verwitterten Gesichte schien durch einen leichten Hauch von Melancholie gemildert. Er sprach etwas weniger belfernd als gewöhnlich, und seine Au-drücke waren nicht so bissig wie sonst. Er saß rittlings auf seinem Stuhle, den Rücken nach dem Schreibtische ge wendet und arbeitete tiefsinnig an seinem langen polnischen Schnurrbarte. „Ich Hab' mir » gedacht . . . eS schwante mir so etwa» ... Sic thun mir leid, lieber Herr Förster, wirklich leid; denn Sie waren im Grunde genommen trotz Ihrer idealen An wandlungen kein übler Kerl." „Ich war? . . . Und leid? . . . Lieber Herr Martini, heute wenigstens sollten Sie mir gegenüber solche Späße lassen." „Es sind keine Späße", erwiderte Martini düster, „es ist «ein ganzer Ernst . . . Cie ballen c» so gut . . . eine sorgenfreie Zukunft . . . und nun machen S>e solch' «inen Streich ... den dümmsten, den der Mensch begehen kann ... sich von einem Weib« an der Rase hernmführru zu lasten .. „Sie werden beleidigend!" „Ja, ja. so ist'S", fuhr Martini bitter fort, ohne aus Paul'S Aufbrausen zu achten und als ob er mit sich selbst spräche, „. . . welch' köstlichen Preis gewinnt nicht ein Mann an solch' süßer Braut . . . DaS liebe, junge, rundliche, sanfte, geschmeidige Tcing! . . . Gerade so sanft muß ihr Herz sein, gerade so frei von allen scharfen Ecken ihr Gcmüth, gerade so fügsam ihr Eharaktcr . . . Diese wunderschönen Linien an Wange. Mund und Kinn, diese Augenlider, die so zart sind wie Blütbenblätter, diese langen Wimpern, die sich kräuseln wie Staubfäden und die dunkele feuchte Tiefe dieser wunderbaren Augen! ... Ja ja, haha! Wer zarte Pfirsiche liebt, vergißt leicht den Stein und beißt zuweilen daraus, daß ihm die Zähne weh tbun . . ." „Was haben Sie, Martini?" rief Paul verwundert. „Nichts", entgegnete Martini trocken, „ich citire nur . . . Ich hab'S auswendig gelernt für solche Fälle . . . Einer von den wenigen Dichtersprüchen, die in meiner Gehirnbibliotbek stehen ... Ach Gott, ein Mann, der sich so lange in der Welt herumgetrieben wie Sir, der sollte eS doch auch schon wissen, daß eS zwischen Augenwimpern und Sittlichkeit keine unmittelbare Beziehung giebt." Er sprang aus. „Wenn Sie noch ein einzige« Mal ohne anzuklopfcn hereinkommen, werfe ich Ihnen daS Tintenfaß an den Kops!" „Herr Hahn läßt um den Leitartikel bitten", erwiderte der Filzschuhbote mit der Ruhe eines Seneca. „Sagen Sie Herrn Hahn, ich wünschte, daß die Pest ihn holte, und kommen Sie in einer Viertelstunde wieder!" Der Unhörbare verschwand. „Sehen Sir", fuhr Martini, auf- und niedergehend, fort, „ich liebe die Menschen überhaupt nicht, ich habe keine Ur sache dazu, sie zu lieben, aber — drei Sorten von Menschen hasse ick, ja, ich hasse sie! ... Die Schornsteinf'cgerlebrlinge, dieses Bettelvolk, die Kellner, dieses Bettelvolk, und die Weiber, die Weiber mit einer einzig»» Ausnahme — der George Elict, weil sie die Weiber schlecht macht! ... So kennt kein Mann das Weib, kann er es nickt kennen, das Hcuchclgeschöps, da- in der Wiege schon Komödie spielt, wie daS Weib ihr eigene» Geschlecht kennt, und die« Weib bat es trefflich gezeichnet! . . . Da . . . da . . Er raunte nach seinem Schreibtische, riß die Schirdlade aus, bolte ein zersetzte» Böchrlchen heraus unv blätterte wild. „Da . . . da . . schrie er und schlug mit der Rechten auf die Blätter, „da ... eS ist ganz gottlos und gegen die Bibel, daß eine Frau ein Segen für den Mann sei . . . wer hat denn das ganze Elend ini Paradiese angerichtct? . . . Man könnte ebenso gut sagen, Nattern und Wespen und Schweine und wilde Thiere seien ein Segen, da sie doch nur Uebel sind, die zu unserem jetzigen PrüfungSstande gehören, und die sich ein Mann mit Recht so weil wie möglich vom Leibe hält, in der Hoffnung, daß er sie im anderen Leben ganz loS wird ... wenn eS ein anderes Leben giebt! . . ." „Sie sind krank", lachte Paul. Es klopfte und im selben Augenblicke trat vergnügt lächelnd Herr T. O. Willrich ein. „Ah . . . mein lieber Herr Förster", sagte er, auf Paul zugebend, „ich freue mich, freue mich aufrichtig . . Und ihm die Hand schüttelnd: gestatten Sie mir, daß ich Ihnen meine besten Glückwünsche ausspreche . . . LaS ist wirklich vernünftig von Ibnen . . ." (Martini warf mit einem verächtlichen Achselzucken Eliot's Adam Bebe in die offene Schieblade feines Schreibtisches zurück.) . . das könnte sich mancher zum Epempcl nehmen . .." „Zum abschreckenden, ja", grunzte Martini. „Das dachte ick mir, daß Sie wieder nicht damit ein verstanden sind, und wcnn'S öloS wäre, um mir Opposition zu machen." Er wendete sich zu Paul. „Sie haben sehr recht gethan, junger Mann, sehr recht; ich kann mir nichts Schöneres denken, als ein trauliches Heim . . ." „Und einen traulichen Pantoffel!" Herr T. L. Willrich ballte krampsbaft beide Hände zu sammen, wie um sich selbst im Zügel zu halten. Sie kennen ihn ja mit seinem Pessimismus, hören Sie nicht aus ihn . .. Ja, eS ist doch schließlich nur da« Weib, welches unS unser Leben zu einem wirklichen Leben gestaltet . . ." „Nur die weiblichen Flöhe beißen!" ries Martini da zwischen. Herr T. O. Willrich griff sich nervös an den Hemdrnkragen, aber er bezwang sich. „Wie gesagt, ich freue mich . . ." „Ich begreife nicht, wie rin vernünftiger Mensch sich solch einen Klotz anS Bein binden kann." T. O Willrich machte eine Bewegung mit Lippen und Gaumen, als ob er etwas verschlucke. „Ich habe Sie schon wiederholt gebeten, sich in Ihren extravaganten Aeußerungcn zu moderiren!" „Und ich Ibnen ebenso oft erwidert, daß ich genau so rede wie mir'- beliebt." „Wie können Sir sich erlauben, mich einen unvernünftigen Menschen zu nenne», und meine Frau mit einem . . . Klotz . . . b>» hm . . stotterte T. O Willrich, der ganz roth ii» Gefickt geworden. „Ick bade Sie nickt gemeint... Schon daS Kindergeschrei allein kan» Einen verrückt niachen . . ." „DaS ist durchaus nicht der Fall", entgegnete T. O. Will rich energisch, „im Gcgcnlbeilc, cö ist das Lieblichste, was ein Vaterbcr: hören kann ... ich möchte gar nicht sein ohne Kinbergcfchrei . . . eS fehlt mir ordentlich etwas . . ." „Nun, darum auch!" höhnte Martini und machte eine Geste, mit welcher man Orgelpfeife» anzudcule» pflegt. „WaS soll daS heißen?" schrie jetzt Willrich, der fick nicht mehr beherrschen konntc. „Wen'S juckt, der kratze sich!" „Ich verbitte mir alle solche un . . . u» . . . alle solckc Anzüglichkeiten!" „Sie baden sich von mir gar nichts zu verbitten!" „DaS ist mein HauS hier!" „Und meine Stube!" „Tic sollen von mir hören!" „Aber nicht schriftlich, nicht schriftlich! TaS verbttle ick mir! Ich kann Geschriebenes beule nicht lesen!" ries Martini dein erzürnten Herausgeber nach, der mit zusaminengebisscne» Zäbncn, beide Fäuste in den Seitentaschcn seines IacketS, kirschroth im Gesicht, wie ei» Pfeil zur Thür kinau-schoß „Da gebt er bin", lackte Martini giftig, „und singt nicht mehr, der BeglückungSapvstel! Sie kennen >l>» ja mit sciuem Optimismus", fuhr er mit der Sckccrc klappen» fort, „hören Sie nicht aus ihn, junger Mann, ich warne Sie . ." „Nun ist« genug", unterbrach ibn Paul hcstiz. „ES bandelt sich um keinen Scherz, und Sic sieben vor einer Tbatsacke. Jedes weitere Wort in dem bisherigen Sinne müßte ick als eine Beleidigung ausfasscn, eine Beleidigung gegen meine Braut» die (der To» seiner Stimme wurde verbindlicher) noch dazu eine Landsmännin von Ihnen ist." Martini wurde blaß und ging langsam nach seinem Pulte. Mir scheint eS beinahe, dachte Paul, als er am Nachmittage aus dem Wege nach der Cascrnenstraßc war. daß Martini selbst so ein Eliot'scker Bartbel Masse» ist, mit besten Worten er sich in einen solchen Furor bineinredcl. Am Ende auck einmal irgendwo „im Süden" seine bitteren Erfahrungen a»S allereigenftcr Quelle geschöpft hat . . . der Arme . . . Er überholte Cläre mit Miß Anita Maxwell, die sich auf einem kleinen AuSgange in die Stadl befanden, aus welchem
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