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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940407028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894040702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894040702
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-07
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!l 258« den Slawen und Aren klerikalen Helsera, keinen persönlichen Feind batte. Im politischen und kulturellen VcreinSlebcn der Deutschböhmen nahm Schmeykal durchweg eine leitende, immer aber mitthätige Stellung ein. E« gab kein deutsche« Unternehmen io Böhmen, dessen Förderer er nicht gewesen wäre, kaum einen gröberen deutschen Verein im Lande, dem er nicht als Gründer, ordentliche« Mitglied oder doch Ehrenmitglied angchört hätte, rahllo« beinahe sind dir Ge meinden Teutschbohmcn», die ihm ihr Ehrcnbürgerrecht ver liehen haben. Er war. seit den fünfziger Jahren advocalorisch thätia, Mitglied de« StaatSgerichtSboleS und Ausschußmitglied der Advocatenkammer. In Schmeykal« Eigenart lag e« begründet, daß seine Bedeutung nicht sowohl in seiner Vor- kämpserstellung gegenüber dem Tschechenthum und dem Feu dalismus gipfelt, als vielmehr in seinem Wirken als Ordner und Lenker der deutschen Kampfreihen, und aus diesem Felde ist er für den Augenblick wenigsten« nicht zu ersetzen. Die nationalpolnische KoSciuszko-Feier, welche im Lause dieser Woche in Galizien begangen wurde, galt dem 4. April, dem Jahrestag des siegreichen Treffen« von Raclawice, mit welchem Thaddäus KosciuSzko den Feldzug de« Iabre« 1794 gegen die Russen begann, um zu Ende desselben Jahres bei Macicjvwicc der feindlichen Uebermacbt zu erliegen. Iu Krakau hatte sich an läßlich diese« Gedenktages ein KoSciuSzko-ComitS gebildet, welches eine nachträgliche Feier vom 31. März bi« zum 4. April in Aussicht nahm. Aber schon am Sonnabend gab sich in den unteren Bevölkerungsschichten eine Be wegung kund, welche gegen Abend zu wilden Aus schreitungen anwuch«. Eitiige Stunden hindurch war Krakau rn der Hand de« Pöbel« und am Sonntag und Montag wieder holten sich trotz der ausgebotenen starken Militair- und Polizeimacht die Tumulte, so daß am Mittwoch, nachdem etwa 8V Berhaftungen vorgenommen worden, und die Ruhe wieder hergestellt war, die Stadt eher einem Feldlager als einem Festplatze glich. Alle möglichen Nachrichten werben zur Erklärung der Unruhen aufaelischt, die Einen behaupten, eS sei russisches Geld dabei im Spiele gewesen, um die polnischen KoSciuSzkojchwärmer zu conipromittiren, Andere wollen wissen, die Ausschreitungen seien gegen die Juden gerichtet gewesen, und wieoer Anvere schreiben ihnen einen socialdemokratiscben Eharakter zu. In Wahrheit bürste man eS mit Ausschrei tungen zu thun haben, ähnlich denjenigen, die auf die Nach richt vom Tode Kossuth'S in Pest vorgesallcn sind. Offenbar wollte man das dort gegebene Beispiel nachahmen und eine allgemeine Theilnabme der Bevölkerung erzwingen. KosciuSzko ist der polnische Kossutb. Die Ausschreitungen begannen damit, daß mehreren hervorragenden Aristokraten, die ihre Häuser während der allgemeinen Beleuchtung zur Ehrung des An denken« des polni>chcn Nationalbelden unbeleuchtet ließen, die Fenster eingeschlagen wurden. Der Angriff gegen da« Palais des Cardinals wird damit erklärt, daß er über die angesetzte Festzeit sich nach Rom begeben habe. Soweit hatten die Demon strationen einen rein nationalpolitischen Eharakter, zuletzt aber bemächtigte sich, offenbar nach einem von auSwärt« organisirten Plan, der Pöbel der Bewegung, die in einen geradezu anarchistischen Hexentanz ausartete: in blinder Wuth wurden die RegicrungSgebäude, die Wohnungen der obersten militairischen Behörden, Läden und Fenster der reichen Juden ebenso wie der Ehristen bombardirt. Die Vorfälle zeigen also ein Doppeltes: das immer häufigere Hcrvorbrechen de« nationalen Fanatismus in Oesterreich und den Versuch des Anarchismus, die, gleichviel zu welchem Zweck, erregten Bolksleideoschasten für seine Zwecke auS- zudeuten. Die französische Socialdemokratie ist schon inmitten der eifrigsten Agitation für die internationale Arbeiter feier des 1. Mai begriffen. Soeben hat der „National rath der französischen Arbeiterpartei" einen Aufruf an die Genoffen oder „camaruiles", wie man dort sagt, erlaffen, der mit bombastischen Phrasen zur Vernichtung ver bestehenden Ordnung aussordert. IuleS GueSde und sein Generalstab erwarten von dem „Frankreich der Arbeit und der Socialdemokratie", daß eS diesmal an der Spitze der „großen Wcltmanisestatiou de« 1. Mai" marschire. Da« sei um so mehr seine Pflicht, „als e« an Stärke be deutend gewonnen und keinen Gegner mehr zu bekämpfen bat, als die bis ins innerste Mark verfaulte Bourgeoisie". Da» einzige, worauf sich der französische BourgeoiSstaat noch stützen kann, sind nach Herrn GueSde die .Kochtöpfe der Anarchie". Er geht nicht soweit, zu behaupten, daß Regierung und Bourgeoisie die als Sprengbombenbehälter zu verwentmiden anarchistischen „Kochtöpfe" auf Be stellung ansertigeu lassen; eS wird aber, was sich die sentimentalen Vrrhimniler der „Helden" de« Anarchismus in Pari« hinter die Ohren schreiben mögen, angedeutet, daß die BouraeoiSrepublik mit den anarchistischen Bombenmännern rin Herz und eine Seele sei, und ein« ohne da« andere nicht mehr leben könne. Natürlich sind IuleS GueSde <L Eo. eisrigst bemüht, „nacbzuweiscn", daß zwischen Socialdemokratie und Anarchismus ein unüberbrückbarer Abgrund klafft, während Bourgeoisie und Sprengbombenwerser so unzertrennlich zusamiiiengehören wie Licht und Schatten; da» hindert aber nicht, daß die französischen Arbeiterführer, genau Wie ihr« deutsch«» Freunde, indirekt de» Dynamitgtsrlle», wo sie können, dir Stange halten. Soll di« Manifestation des 1. Mai den französischen Bourgeois und Arbeit gebern wirklich imponiren, d. h. einen .heilsamen" Schrecken einjagen, so kann c«, da« sehen die Führer der Bewegung selber ein, nicht« schaden, wenn bi« dahin noch einige .Kochtöpfe" springen und etliche harmlose Leute in dir Luft geblasen werden. Auch der Regierung kann, nach socialdemokratischem Dafürhalten, ein Denkzettel in Gestalt eine« anarchistischen Attentat» gar nicht schaden, damit sie etwa» gcsügizer gegen die Wünsche de« .arbeitenden Volkes" wird. Es ist daher leicht möglich, daß in der Zeit bi« zum 1. Mai Paris noch mancherlei Ueberraschungen erlebt, von denen die socialdemokratischcn Arrangeure der Maidemon stration natürlich vorher nicht« verratheu. Mittlerweile wird sich die Kammer mit einem neuen, von der Regierung au»- gearbeiteten Anarchistengesetz zu befassen haben, und man kann nur hoffen, daß e« angesichts der fort und fort sich wiederholenden Attentate da« Uebel an der Wurzel trifft. Deutsches Reich. SS. Berlin, 6. April. Die Frankfurter Staats anwaltschaft hat sich einer Beleidigungsklage deS Herrn Hofprediger a. D. Stöcker gegen die „Frankfurter Zeitung" im öffentlichen Interesse angeschlossen. Nicht mit Unrecht läßt das Blatt bei dieser Mittheilung die Frage folgen, ob das öffentliche Interesse nicht dringlicher eine strafrechtliche Verfolgung der Angriffe gegen Zwei hohe Beamte de« Auswärtigen Amtes erfordere? ^ Berlin» 6. April. Dem Reichstag ist ein neuer, mit der Republik Uruguay abgeschlossener Handelsvertrag zugegangen. Es ist einer der üblichen Meistbegünstigungs verträge. Ein älterer Vertrag war, wie eine Denkschrift auSsührt, im Jahre 1873 von Uruguay gekündigt worden, die beiderseitige Behandlung auf dem Fuße der Meist begünstigung hatte aber fortgedauert. In der vertragSseind- lichcn Stimmung der Republikaner war seit ciuigeu Jahren ein Umschwung eingetrelen, und es schien jetzt zweckmäßig, den Handelsbeziehungen des Reichs zu Uruguay die bisher fehlende vertragsmäßige Grundlage zu geben. Die dem Reich zugestandene Meistbegünstigung erhält eine Einschränkung bei besonderen Zugeständnissen an Brasilien, Argentinien und Paraguay; doch bleibt da« Reich von solchen Vergünstigungen nur so lange ausgeschlossen, al« dieselben nicht auf andere Länder ausgedehnt werden. Die Dauer deS Vertrags wurde auf drei Jahre festgesetzt, vorbehaltlich weiterer Geltung bis zu einem Jahr nach Kündigung. u Berlin, 6. April. Bekanntlich gehen die Be strebungen der Thierärztc ebenso wie die de» größten TbeileS der Apotheker darauf hinaus, daS Abituricntcnexamen als Vorbedingung für ihr Studium eingesührt zu sehen. Diese Bestrebungen haben bei der Mehrheit der UntcrrichtS- conimission des preußischen Abgeordnetenhauses Zustimmung gefunden. Wie aus einem soeben herauSgegebenen Berichte dieser Commission hervorgebt, hat die Mehrheit derselben die Ansicht, daß die gegenwärtig geltenden Bestimmungen Uber die Vorbildung für die Eandidaten der Thier- medicin nicht mehr völlig genügen, daß auch für sie eine gewisse Abgeschlossenheit der Vorbildung, wie sie durch Ab- solvirung der neunclassigen höheren Schulen (Gymnasien, Realschulen, Oberrcalsckulcn) gegeben werden solle, rn hohem Grade erwünscht sei. ES Purde anerkannt, daß durch den augenblicklichen Stand der tbierarzneilicken Wissenschaft und die demgemäß gesteigerten Anforderungen des Lehrplanes der thierärztlichen Hochschulen auch ein höheres Maß von Vor- kenntnisscn bedingt werde und daß bei der eminenten Wichtig keit der thierärztlichen Thätigkcit für die Landwirthschast nicht nur, sondern selbst für die sanitären Zustände der Be völkerung eine möglichst umfassende und tiefe Durchbildung der Thierärzte gefordert werden müsse und die- um so niehr, als heutzutage die meisten Landwirthe bei der Art ihrer Vor bildung schon eine erhebliche Summe von Kenntnissen in der Thierheilkunde besäßen. Es wurde schließlich betont, daß wegen der hohen Bedeutung des Berufe« der Thicrärzte auch das Streben derselben, eine dieser Bedeutung entsprechende höhere sociale Stellung zu gewinnen, für unberechtigt nicht zu erachten sei. Diesem Slandpunct hat die Mehrheit der Unterrichtscommission deS preußischen Abgeordnetenhauses dadurch Ausdruck gegeben, daß sie bei dem Plenum den Antrag stellt, eine aus Einführung de« AbiturientenexamcnS als Vor bedingung sür daS thierärztliche Studium gerichtete Eingabe der Regierung als Material zu überweisen. l). k. Berlin, 6. April. Wie wir aus absolut sicherer Quelle erfahren, kehrt der stellvertretende Gouverneur von Ost-Asrika, Major von W roch ei», nach Deutsch land zukück. Major von Wrochem ist seit dem 20. Scptbr. vergangenen Jahre« in Afrika thätig, seine Gattin folgte ihm am 17. Januar d. Ä. nach. Der Grund zu diesem Rücktritt ist noch unbekannt, doch wird vermuthct, baß damit die auf speciellen Wunsch des Kaiser- mit dem nächsten deutschen Dampfer erfolgende Rückkehr deS Oberführer» der Schutz truppe, Majors Freiherr» vonManteusel, nach Afrika zu- saminenhängt. — Wie e« heißt, soll der Kaiser beabsichtigen, den König von Dänemark seiner Zeit in Wiesbaden zu be suchen Es würde die« aber einem späteren Besuch de« Kaiser« in Kopenhagen zur silbernen Hochzeit de« dänischen Kronprinzen nicht vergreisen. — Ja einem Theile der ausländischen Presse werden immer wieder Gerüchte über eine Erkrankung de« Kaiser in die Welt gesetzt. Die „Maadeb. Ztg." kann au« guter Quelle versichern, daß da« Befinden de» Kaiser« au«- grzeichnrt ist. — In der am 5. d. M. abgehaltenen Plenarsitzung de» BundeSrathS wurde auch über die dem Kaiser zu unter breitenden Vorschläge wegen Besetzung dreier Ralh-stellen beim Reich-gericht und dreier Mitgliedsstellen beim Reich«-Bersicherung«-Amt, sowie über eine Eingabe, betreffend Schwundvcrgütung für verarbeiteten Branntwein, Beschluß gefaßt. — Die englische Zeitschrift „Note»" will von einem britischen Marineosficier erfahren haben, daß der jetzige Herzog von Coburg bei einer Unterhaltung einmal folgende Aeußerung gethan: „Ich habe mich niemal« heimisch in England gefühlt. Die englische Rare besitzt keine Gefühl-wLrme, und eine Ader der Illoyalität läuft durch da« ganze Land. Ich bin deshalb stolz daraus, daß ich direct vom Hause Hannover abstamme. Meine Liebe und Sympathie wurzeln gänzlich im deutschen Vaterland«, und wenn e« sein »luß, wird mein Degen stet« dem Lande meiner Ahnen zur Vers^ung stehen." Hierzu macht da« „Bcrl. Tagebl." folgende Bemerkung, der wir ausnahmsweise zustimmen können: „Wenn der Gewährsmann der „Notes" nicht etwa, wie wir on- nehmen möchten, aus dem Monde wohnt, und der Herzog, wie wir nicht annehmen, die Worte wirklich gesprochen, dann hätte man hier einen eklatanten Beweis, wie große Ereignisse ihren Schatten vorauswersen." — Einen Generalbcricht über den preußischen Staat«- bauShaltSetat sür 18S4/S5 hat Abg. vr. Sattler (nat.- lib.) auSgearbcilet und darin ein Gesammtbild der Finanzlage entworfen. Der Bericht wird demnächst der Budget- coniinission des Abgeordnetenhauses zugehen. — Der Zollbeirath tritt, der „Wes.-Ztg." zufolge, nach drei Wochen wieder zusammen. Die gestellten Fragen be ziehen sich auf 600 Tarifpositionen. — DaS Organ des Herrn Stöcker, daS „Volk", nennt dir Namen mehrerer wegen des hannoverschen Spieler- processeS angeblich verabschiedeter Officiere. Wir halten diese« Verfahren so lange für unstatthaft, bi« amtlich be glaubigte Mittheilungen vorliegen. — Zur Herausgabe einer neuen katholischen Lehrer zeitung, mit welcher auch, wie seiner Zeit berichtet, eine katholische Tageszeitung verbunden sein sollte, wird eS vor läufig noch nicht kommen. Die „Katholische Scbulzcitnng sür Norddeutschland" theilt mit, daß der betreffende Plan eines oberschlesischen LchrerS rein privater Natur sei. Der Plan habe inS Ungewisse vertagt werden müssen, da die an gekündigte General-Versammlung der behufs Herausgabe der Zeitung zu gründenden Gesellschaft aus unbestimmte Zeit habe verschoben werden müssen. Ob der Plan jemals die Unterstützung von Finanzleuten und Männern von Einfluß finden werde, sei z» brweiseln, zumal da auch die katholischen Lehrer sich sür die Herausgabe wenig interessiren. — In der freireligiösen Gemeinde ertheilt jetzt, wie dir „Post" berichtet, an Stelle des vr Bruno Wille «in staatlich ge- prüfles Fräulein Jda Altmonn den Jugendunterricht. — Vor dem hiesigen Landgerichte wurde heute der Be- leidigungSproceß gegen den Rechtsanwalt Asemissen- Detmold, welcher im „Bcrl. Tagebl." und in Eingaben an das Reichsjustizamt und den BundeSrath die Iustizpflege in Lippe-Detmold kritisirt hatte, sowie gegen den „verantwort lichen" Redakteur des „Bcrl. Tagebl." Harich verhandelt. Ersterer wurde zu 600, Letzterer zu 800 Geldstrafe vrrurtbeilt. * Währungen, 6. April. Der Kaiser wird in diesem Jahre früher als sonst, nämlich bereits Anfang Mai, zur Jagd in Prökclwitz eintreffen. Sein Aufenthalt wird 8—lO Tage dauern. * Posen, 6. April. Die gestrige KoSciuSzko-Feier ist hier wie in verschiedenen Städten der Provinz ohne Zwischen fall verlaufen. „Dzicnnik PoznanSki" hebt mit Befriedigung hervor, daß die polnische Bevölkerung sich musterhaft benommen habe. Die Festlichkeiten hätten gegenüber den Krakauer Ereignissen einen vortheilhaften Eindruck gemacht. * Bayreuth, 6. April. Am Ab«nd der letzten Reichstags- stichwahl kam es in Wunsiedel auf öffentlicher Straße zwischen freisinnigen und nationalliberalen Wählern zu einem großen Skandal, in Folge dessen gegen di« Betheiligten da-Etraiverfahrea ringeleitet wurde. Gestern wurden von der Strafkammer des Land gerichts Hos von der Anklage deS Aufruhrs freigejprochen: Öekonom Magdt, die itausleute Ponader und Bauer, der Steindrucker Reppich; dagegen wegen Beamtenbeleidigung verurtheilt: Ilr. pkil. Rudolf Brandenburg zu 30 und Kaufmann Joseph Wodianka za 10 >l Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte sür sämmt- liehe Angeklagte Freiheitsstrafen beantragt. * St. Johann, 6. April. Der Vorsitzende der BergwerkS- direction erklärte der BertrauenSmäonerversammlung der Inspektion 2, daß di« Wiederanlegiing der für immer «h. gelegten Bergleute von vornherein nicht beabsichtig, gewesen sei: dahin achende Gesuche müsse er aufs Bestimm- teste ab lehnen. Eine Arnderung der Arbeit«ordnung sij nicht angängig. (F. Z) Oesterreich.Ungar«. * Wien, 6. April Der Präsident des ComitS« der inter nationalen Ausstellung sür VolkSernährung wurde heute davon verständigt, daß der Kaiser in Person die Ausstellung am 20. d. M. Vormittag« eröffnen werde. — Zur Verabschiedung von dem deutschen Botschafter Prinzen Reuß und dessen Gemahlin, welche Abends 9 Uhr nach Weimar abgrreist find, hatten sich am Bahnhöfe ein- gesunden da« Personal der deutschen Botschaft, der Minister de« Auswärtigen Graf Kalnoky, der ReichSsinanzminister Sallay, der Finanzminister vr. von Plener, die Sectio»«- chrf« ,m Ministerium de» Au«wärtigen Freiherr v. Pasetti und Graf Welser«heimb, sowie zahlreiche Mitglieder de« diplomatischen EorpS und der Aristokratie. — Die sämmtlichrn Tischlergehilfen beschlossen, falls ihnen nicht achtstündige Arbeitszeit, Abschaffung der Accordarbeit in allen Betriebe», ein Minimallohn von 10 Gulden pro Woche, sowie Freigabe de« 1. Mai bewilligt wird, noch im Laufe diese« Monat« iu einen Massenstreik rinzutreten. Auch die Wiener Bauarbeiter, deren Zahl über 30000 beträgt, und die vor einigen Jahren schon einmal ausständig waren, überreichten neue Forderungen, welche die Baumeister aber ablehnten. Werden die Forderungen nicht bi» morgen bewilligt, soll am Montag der Ausstand beginnen. * Wien, 6. April. Da» Abgeordnetenhaus setzte heute die Generaldebatte über da- Budget fort. Kramarz hob hervor,' man könne den Jung sich echrn ein Lokettiren mit der Arbeiter- schast nicht Vorwerken. Die Juagtschechea hätten gegen di« „Om- ladina" nicht- gethan, weil sie in den Demonstrationen derselben nur den Ausdruck der Erbitterung de« böhmischen Volkes erblickte». Bosjnak führte au-, daß di» Slowenen sich der Loalittoa an geschlossen haben, weil an der Spitze der gegenwärtigen Regierung eia Mann stehe, der von dem Befühle der Gerechtigkeit durchdrungen fei. Wachmann erklärte Namens der Ruthen«», dieselben seien leicht für die Regierung zu gewinnen, wenn di« Letztere den ge rechten Wünschen der Ruthenen Rechnung trage. Schamane! bekämpft« die Eoalition. Zaleski «atgeanete, die Eoalition ermög- liche die Durchführung großer legislatorischer Arbeiten. Er erklärte ferner, die Polen würde» de» ruthenischea Patrioten loyal entgegen- kommen. Kaizl bemerkte, dir böhmische Frage müsse gelöst werden. Di« Eoalition sei zur Stagnation verurtheilt. Ruß gab dem Schmerz über das Ableben Schmeykal'- Ausdruck. Er blicke mit Befriedigung auf di» bisherigen Leistungen der Coalitions- regierung. Redner wie« ouf dir Bedeutung des abzuschließenden Handelsvertrags mit Rußland hin, begrüßte die Erklärung äaleski'S als eine Kräftigung der Eoalition und erklärte schließlich unter lebhaftem Bestall, er Hobe vertrauen zu der Regierung. Die nächste Sitzung findet morgen statt. * Addajta, 6. April. Die Kaiserin Auguste Victoria verbrachte den Vormittag mit den kaiserlichen Prinzen im Park und unternahm am Nachmittag mit den älteren Prinzen einen Ausflug zu Wagen nach Lovrana, wohin die jüngeren Prinzen in Begleitung einer Hofdame mittelst LocaldampserS fuhren. * Ahtzazzia, 7.April. (Telegramm.) Die Kaiserin unterließ dir Reise nach Venedig, wie eS heißt, wegen einer heftigen Migräne. * Prag, 6. April. Zu dem Leichenbegängnisse Schmeykal'S gehen Separatzüge nach Böhmisch-Leipa ab. An der Bahre werden in Prag und Leipa je drei Redner sprechen. Im Laufe des Tages trafen überaus zahlreiche ÄeileidSkundgebutigen ein. Finanzmioister vr. von Plener zeigte seine Theilnahme am Leichenbegängnisse telegraphisch an * Gablonz (Böhmen), 7. April. (Telegramm.) Gestern Nacht explodirte im Garten der Glaswaarenfabrik Joseph Kostlan in Zasada eine Dynamitbombe, doch wurde, abgesehen von der Zertrümmerung der Frnstersch^K n „no einer Gartenmauer, kein weiterer Schaden dadurch „laßi. * Broby «Galizien), 7.April. (Telegramm.) ^^.iedeu Verkehr außerordentlich erschwerenden DeSinsecttons Vorschriften gegen Rußland sind nach dreijährigem Bestehen, sür Personen wie für Effecten, nunmehr wieder aufgehoben. Frankreich. * Paris, K. Avril. (Telegramm.) Eine den Blätter» zugegangenr Mittheilung der „Agence HavaS" stellt in Ab rede, daß die Differenz zwischen Frankreich und Por tugal bereit« gänzlich beigelegt sei. Die französische Regierung habe keineswegs die Absicht kundgegcben, ihre rechtlich begründeten Forderungen fallen zu lassen. — Die Einnahmen au« den indirekten Abgaben ergaben im Monat März 6 900 000 FrcS. mchr, als im Budget vor gesehen war. Darunter Mehrertrag an Zöllen 4 500 000 Franc». — Der Untersuchungsrichter begab sich heute in da- CharitSspital, um den beim letzten Bombenattentat ver wundeten Schriftsteller Tailhade zu vernehmen. Er fand diesen jedoch in einem so schlimmen Zustand, daß eine Ver nehmung unmöglich war. Tailhade kann nur durch fori gesetzte Einspritzungen au« dem Zustand der Bewußilosigkect gebracht werden. Die Aerztr bezeichnen seinen Zustand als vorzeschwebt, dem ich alle die Liebe, so viele Liebe entgegcn- bringen könnte f ja, ich glaube» ich vermöchte eS wohl gar nicht, einem Einzigen zu geben, waS jetzt nach vielen Rich tungen bingeht. Von all der Liebe aber mußt Du den Löwenantbeil bekommen. Dir verdanke ich ja da» ganze Glück: vor zwei Jahren noch glaubte ich, daß eS nicht« in der Welt geben könnte, wofür eS sich lohnte, zu leben, und jetzt — ach, ich könnte Seiten vollschreiben von dem Unterschiede zwischen jetzt und früherI Ich sitze am Fenster und sehe den Himmel mit seinen bellen gelben und rothen Streifen, die wie Pfade zu der Insel der Seligen erscheinen. Aber wenn sie auch zu er reichen wäre, diese Insel, ich würde nicht hingehen, ich will keine absolute Seligkeit, ich will Arbeit) Diese dunkeln Wolken dort, dir z»m Licht, zur Klarbeit führen, sind mir lieber; wie verstehe ich doch (ohne Arroganz gesagt) das Lessing'sche Wort von dem Vorziehen des Suchen- nach Wahrheit über den Besitz der Wahrheit selbst! Dies England ist nicht das Land für mich. Alle« schön, aber so eben. Niemals überkomnit mich solch eine Stimmung wie im Ge birge, wie an der See oder wie aus meinem Hügel in Dresden. Mein lieber alter Zschrrtniyer Hügel mit deinem einsamen Pappelbaume, wie gut kenne ich dich, wir in allen Wettern kenne ich dich! Da hatte ich die Aussicht auf die Berge und hatte den freien, frischen Wind! O, könnte ich doch wieder einmal in einem richtigen Sturme stehen! Wie die Seevögel stets denselben monotonen Schrei haben, so will ich mit dem meinen schließen: Schreibe bald Deiner Anita." Cläre faltete den Brief, aus dem sie vorgelcsen, zusammen ^Mnn, was sagst Du dazu ? Nickt wahr, das ist ein prächtige« Mädchen! So sind alle ihre Briese! Mit achtzehn Iabren! Und in einer fremden Sprache! Sollte man'» glauben! Wa« ist aus diesem stummen Kinde geworden!" Paul saß mit dem Hute in der Hand auf dem alten blauen Damastsopba in dem kleinen Salon der mütterlichen Wohnung, in welchem der Flügel Cläre'« stank und Cläre'S Schreibtisch, an dem er sie soeben bei der Antwort an die Freundin getroffen. Er batte da« Gesicht nach dem Balcon- frnster gewandt, vor welchem die rankenden bunten Blütben am Eisengeländer hi» und her flatterten, und sah nachdenklich hinau« aus Miß Anita Maxwell« Hügel, dessen einsamer Pappelbaum sieb im Winde bog. „Und diese Anhänglichkeit an Dre-den", subr Cläre ent zückt fort, „diese Verehrung Deutschland«! Sie rst stolz darauf, daß ich ihr einmal gesagt, sie komme mir vor wie eine Deutsche. Wie kennt sie unsere Dichter!... Und dann diese Liebe für mich ... ist sie nicht rührend! Wie selten schreibe ich ihr, wie selten komme ich dazu, und trotzdem schickt sie mir ganze Tagebücher! Ihr innerste» Selbst möchte sie mir offenbaren, sie wünsche, daß ich jede Regung ihre« Herzens verstehe. Da- wünsche sie, die früher diese« Selbst so sorgfältig behütet, bewacht Hahr, wie der Drache den Nibelungenhort. Aber da sei ich gekommen und habe den Drachen grtödtct, und jetzt gehöre mir der Hort, wenn ich ihn wollte: sie glaube nicht, daß er Unglück bringen könne, wie das Rheingold." „Er wird Dir nicht ewig bleiben, der Hort", sagte Paul träumerisch. „Sobald der wirkliche Siegfried erscheint, wirst Du vor ihm weichen müssen. Da- ist nur ein Uebrraang. Im Sturme wünscht sic zu stehen — wenn alle die Liebe, die sic nicht glaubt, Einem allein geben zu können, dennoch einmal eine Richtung annehmen wird, so wird da- einen Sturm geben, der mächtig in den Aesten ihre« LebenSbaume« schütteln wird!" „Du wirst ja ganz poetisch", lachte Cläre. Paul schwieg und stand aus. „Schon wieder fort?" »Ich wollte nur einmal sehen, wie « Euch geht... ich habe Martha versprochen, sie endlich in da» Goldene Vließ mit- zunehmen, heute ist der Gaslfreund und die Argonauten, morgen Medea mit dem neuen Jason. So lange wir ver- heirathet sind, drängt sie mich, und e« kam noch nicht dazu." „Ab ... nun, so grüße mir Medea und Martha." In Paul « Gesicht zuckte es. „Und grüße mir auch Dein Kindel. Deine kleine wilde Hummel." „Danke" Er verabschiedete sich drüben bei Mutier Förster und bei Tante Lina unk ging. „ES kam mir vor, als ob Paul gar nicht recht wohl wäre... hatte er Dir etwa» Besondere« zu sagen?" fragte Tante Lina nacb einer Weile Cläre, der sie da» BeSperbrod io den Salon brachte. „Nein, ich habe nicht« bemerkt So ist er ja doch immer, wenn er mit den Gedanken in seinem Romane steckt. Er denkt ru viel nach. Er Kälte nicht sollen seine Stellung bei der „Neuen Dresdener Presse" ausgeben, wenn auch seine dichterischen Arbeiten ihm jetzt genug einbringen. E« muß doch aufreibend sein» immer wieder Neue» zu schaffen." Tante Lina blickte besorgt auf Cläre. „Meinst Du, daß e« die« ist?" „Es muß doch wohl... oder wa» denkst Du denn?" „Ich? ... O, nichts, nicht« ..." Martha wartete schon auf Paul. „Wo warst Du nur so lange?" „Drüben." „Ach." „Hast Du etwa« dagegen?" fragte Paul gereizt. „Warum sollt' ich daS?" erwiderte Martha mit einem leichten Schmolltone. „Gieb mir einen Kuß." „Ich bin nicht aufgelegt zum Küssen jetzt." Sie hing sich schmollend an seinen Arm. „Ich bin müde", sagte er und rief einen unten vorüber fahrenden Wagen. Als am Abend de« folgenden Tag«, am Abend nach der Mcdea-Aufftthrung, Martha schon lange schlief, saß Paul vor seinem Schreibtische. Draußen aus dem Vorsaale schlug die Wanduhr zwei. Paul klappte da« Buch zu, in dem er nochmal- nach- grlesen, was er eben gesehen, und seufzte: „ES giebt kein modernere« Schauspiel al« die« ... moderne Empfindungen in antike- Gewand gekleidet . . . wer weiß, welche Medea daran schuld war, daß Grillparzer e« sich von der Seele herunter geschrieben ... ja, ja» er hat Recht: Was «ft der Erde Glück? — Ein S-Y-»ieuI Wa- ist der Erd« Ruhm ? — Ein Trau» " XI. Von Zeit zu Zeit sich mit der Hand über dir Stirn streichend, ging Paul am anderen Morgen in seinem Arbeits zimmer aus und ab. .Da» ist ein ewige« Ticken! Ich kan» keinen Gedanken scstsassen! Halte die Uhr an!" sagte er stehen bleibend. „Martha, welche vor Paul « Schreibtisch saß, erhob sich stumm Die kleine Weckeruhr aus dem Regale schwieg. Jetzt war e« still in dem teppichbelegten Gemache, dessen dichtverhängte Thüren auch jedem Geräusche von außen wehrten. „Schon al- ich noch ein Knabe war", begann Paul langsam, „könnt' ich nickt ruhig rinschlafen im Dunkeln — Nun? Hast Du'«?", fragte er ungeduldig. Martba'S Feder flog über da» Papier. „Ja", erwiderte sie nach einer Weile. „Ich habe Dich gebeten, immer da« letzte Wort zu wieder holen, sobald Du fertig bist". „Ich war noch nicht fertig." ^ „. . . im Dunkeln — ein Streifchen, ein winzige« kleine« Stückchen wenigsten« de« Fenster« mußte »»verhüllt, mußte frei bleiben — damit — wenn ich erwachte in der Nacht — ich einen Ausblick hätte — auf einen Stern am Horizont — einen dämmernden Morgenstreifea —" .Morgrnstreifen." „Sonst legte sich dir schwarze Finsterniß mir wie ein Alp auf die Brust — al- ob ich ersticken müßte — schreie» hält' ich mögen vor Augst, vor beklemmender Todesangst — nach dem dämmernden Streifchen Hoffnung draußen..." Martha hielt innr und wandte sich nach Paul um. „Schon wieder so trübe?" „Schreib' nur", rntgegnete Paul, „und unterbrich mich nicht." „Nein", sagte Martha aufstehend, „Du sollst nicht immer Geschichten erdenken, die so traurig ansangen. Wa« ist Dir nur? Ich will sie Dir sortküfsen, diese Nachtaedankcn." Sic ging auf ihn zu und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Laß mich", wehrte er, „immer und immer die» Ge tändel... willst Du denn nie und nie begreifen, daß da« Leben au« etwa« Anderem besteht?... Zeig her, was Du geschrieben." Martha traten die Thränen in die Augen. Sie setzte sich wieder. Paul blickte ihr über die Schulter. Seia Gesicht verzog sich: „Nun ja, ich dacht' e« doch ... sinnlo« ... auf ein Wort mehr oder weniger kommt Dir'« nicht au ...'« ist Alle« ver geblich ... geh, ich werde selbst schreiben". „Laß mich dock, Paul", bat sie, „ich will mir die größte Mühe geben .. „Geh" sage ich, „und halte mich nicht auf. sieh nach dem Linde... Du lernst da« nie.. „Paul!" „Genug nun!" rief er heftig „Und da nimm den Zettel mit, ich kann Drin kindische« Gekritzel nicht ansehen, ohne michzu ärgern". Mit unterdrücktem Schluchzen ging Martha hinan«. Paul setzte sich an den Schreibtisch. (ffortsttznu, f,l»t.>
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