02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940411021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894041102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894041102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-11
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Zig." daraus hin. daß die verbündeten Regierungen es wohl gern gesehen bas« würden, wenn die Finanzresorm und die Steuergesctzc in AeichSlagt durchbcralhen wären, daß sie aber keinen Ailaß baden, dem Streben einer Partei, die nur ein qililorischeS und Wahlinteresse daran habe, namentlich .'äs Tabaksteuergesetz der Proccdur de« „AbwürgenS" zu uilerzieben, durch ein Bestehen aus ihrem Schein zur Hilfe zu komme», um so weniger, al- die sinanzpolitüche Silualion, rit sie durch die willkürliche Erhöhung der Einnahmen im jutSvoranschlagc seitens einer Mehrheit des Reichstage« Dlaltet werden sollte, cS auch den Freunden der Tabak- »rlagc und de« Reichsfinanzresormgesctze« im Reichstage nscknvert haben dürste, sür ihre Auffassung mil Argumenten .ülzutrtten, die sich aus einer anderen Situation ergäben. Las vssiciöse Blatt fährt dann fort: „Gelänge es jetzt der Partei, zu siegen, die es nach nicht- weiter d«l«siet, als mit dem Triumphgeschrei vor di« Wähler zu treien, daß sie «mH die Tabaksabrikatssteueroorlage abgewürat habe, so würde naturgemäß später die Möglichkeit, mit diesem Pro,ect von Neuem oor dev Reichstag zu treten, nicht so einfach liegen, als es der Fall sei» mochte, wenn die finanzpolitische Opposition sich nicht daraus wird berufen können, daß die in Frage stehende Vorlage im Krüh- iahr 1894 durch ein Votum des Reichstages abgelehnt worden sei. Diese und andere Erwägungen können den verbündeten Regierungen es nahe legen, jetzt nicht mehr Eifer sür die Turchberathung der -teuergesetzr zu prästiren, at« der Reichstag in seiner Mehrheit er lernten läßt." Die ganze Frage der ReichSsteucrresorm wird also aus die lommende Herbstsession vertagt und alsdann mit frischen Kräften und hoffentlich mit besserem Erfolg wieder aus genommen werden. In der Vertagung einer Frage, die nun einmal im gegenwärtigen Augenblick bei der herrschenden Llimmung und Geschäftslage nicht mehr zu einem be friedigenden Abschluß zu führen war» ist an sich noch kein großes Unalück für das Reich zu erblicken. Ein halbe« oder ganze« Jahr kann man sich zur Nolh noch durchbelsen, und wir hegen gar keinen Zweifel, daß, wenn der Reichstag im Herbst und Winter sich wieder vor die Frage gestellt sieht, alsdann eine wesentlich andere Stimmung und Auffassung herr schen wird. Bis dahin wird sich die Flunkerei, daß man gar keine ueuen Einnahmen brauche, in ihrer ganzen Leerheit dargestellt dabeu. Die Sache liegt so: Was im Reich zur Bestreitung seiner Bedürfnisse nicht ausznbringen ist, das müssen eben die Einzelstaaten berbeischaffen, und sie sind dazu nach Lage ihrer Finanz- und Steuervcrhältnisse nickt mehr im Stande. Der Druck auf den witerwilligen Reichstag muß von den Emzelslaaten an-gehrn und wird sicher nicht ausbleiben. E» hat sich sckon im bisherigen Verlauf der Angelegenheit eine starke Verschiedenheit zwischen den Vertretungen der Bundesstaaten int de« Reichs in der Auffassung der Stcuerfrage geltend gemacht, uid wir werden die Wirkung erleben, wenn erst in den Haus- bellen der Einzclstaaten die harten Thatsachen handgreiflich bervortreten. Die Opposition ist sehr naiv, wenn sie fordert, bi wirthschaftliche Beunruhigung durch Steuerpläne müsse jetzt endgiltig aus der Well geschafft werden, und dabei nicht LaS Geringste thut, um diesen allerdings wünschenS- werthen Zustand möglich zu machen. Die einzige Möglich keit, da- Reich abzuhalten, stets nach neuen Steuerprojecten zu sorscken oder die allen immer wieder bervorzusucuen, besteht eben in der Beschaffung dauernd genügender Ein nahmen. Dieser Ausgabe bat sich der Reichstag aus Popu- larilätSsucht und Angst vor den Wählern sür jetzt entzogen. Aber er wird bald durch den Zwang der Tdalsachen zu seiner Pflicht gerusen werden. In reckt peinliche Lage ist die conservativc Fraction des Reichstags durch de» bereits uiitgetbeilten Antrag dcS Grasen Kanitz, betreffend den Einkauf und Verkauf des zum Verbrauch im Zollgebiete bestimmten ausländischen Getreides aus ausschließliche Rechnung dcS Reiches und die Feststellung eines Mindestbelrages sür die Verkaufspreise, geralhen. Der Abg. Rickert, der diese peinliche Lage auSnutzen möchte, dringt darauf, Laß der Antrag noch vor Schluß der Session zur Beratbung komme, und preßt dadurch der „Leipz. Ztg." folgende Klage aus: „Mit richtigem Jnstinct hat der Liberalismus aller Sckattirungen herousgesuhtt, daß ihm mit diesem Antrag ein Geschenk in den Schooß fällt, wie es willkommener gar nicht gedockt werden konnte. Schneller und wirksamer könnten die Conservativen den Niedergang der conservativen Sache sürwahr nicht besiegeln, olS wenn sie diesen Antrag zu dem ihrigen machten Daß Deutichland seinen Bedarf an Brod- srüchten aus der eigenen Ernte decken kann, wenn man die inländische Landwirthschast zur Erweiterung deS Anbaues durch eine Prämie von 70 .äl aus Weizen und von 40 .sl aus Roggen er inuthigt, ist uns gar nicht zweifelhaft. Bon den Jahre» des Miß- Wachses abgesehen, würde also ausländisches Getreide überhauvt nicht mehr nach Teutschtand kommen, La- geplante Monopol also lhat- sächlich als Einfuhrverbot, d. h. als Bruch sämmtticher Handelsverträge wirken. Selbst die Anlragsleller begreifen wohl, daß daS Ausland daS nicht ruhig hiniiehinen, sondern mil Maßregeln anlworten würde, die das Ende unserer gesaminten A ussuhr- industrie bedeuten. Nahm man bisher an, daß die Welt im Zeitalter des Dampfes und der Elektriciiät unter dem Zeichen des Verkehr- siehe, so wägt der Antrag Kanitz Las Motto: aller Verkehr unter den Völkern ist ferner verboten. Aller Außenhandel hört aus, Handels- und Zahlungsbilanzen, Wechselcovrse, inter nationale Zahlung-Verbindlichkeiten giebt es nickt mehr. Jeder Staat bildet einen geicklossenen „Handei-staat". Was dann Weiler werden soll, wenn mit gleichem Rechte die Arbeiter mit einem Antrag auf Gewährleistung von Miaimallöha«, kommen und simmtliche Industriezweig« schon als Entschädigung sür den Verlust des auswärtigen Marktes di« staatliche Garantie von Waarenpreisen verlangen, die um mindestens 30 bis 50 Proc. höher sind, als die jetzigen, wer diese Preise bezahlen und wie sich die Sache insbesondere in unserem sächsische» Jndustriestaate gestatten soll, daS weiß außer dem Grafen kkanitz »nd der „Kreuzzig. wohl nur »och Herr Bebel." Schon vorher batte das conservative Blatt über den auch von Herrn vr. v. Frcge mit Unterzeichneten Antrag gesagt: „Bis zu welchem Grade die Gabe ruhigen Denken- den Kreisen, die jetzt ausschließlich unter dem Einstusse der .Kreuzzig." und des Herrn v. Plötz stehen, bereits abhanden gekommen ist, wissen wir ja aus den Zuschriften, die uns im Lause des letzten JahreS zugegangen sind, zur Genüge. Von altconservativer Besonnenheit ist in diesen Kreisen schon lange Nichts mehr zu bemerken. Aber daß die Begriffsverwirrung bereits soweit geht, wie dieser Antrag voraussetzt, haben wir trotzdem nicht eher geglaubt, bis wir ihn schwarz aus weiß vor uns sahen. Jetzt fehlt dloS noch, daß das Handwerk und die übrigen Gewerbe für ihre Erzeugnisse dasselbe beantragen, und die focialistische Confusion ist fertig." Gemäßigt conservative preußische Blätter äußern sich nicht viel anders. Man darf also, wenn der Antrag noch zur Beratbung kommt, scharfen Auseinandersetzungen zwischen seinen conservativen Freunden und Gegnern entgegensetzen. Der vom «Zentrum eingebrackte Gesetzentwurf, betreffend die Aushebung des JesuitrnzesrtzrS, wird voraussichtlich am nächste» Montag zur dritten Lesung und damit zur vollen Erledigung komme». Ter BunLesralb wird dadurch ge- nötbigt, über die Angelegenheit förmlichen Beschluß zu fasse». In zweiter Lesung ist der Eenlrumöantrag m»t 172 gegen l.36 Stimmen angenommen worden. Von den Con- scrvative» fehlten damals nicht weniger als 31 Mitglieder, während das (Zentrum seine Leute fast vollzählig aus dem Platze batte. DaS (Zentrum soll auck jetzt die äußersten Anstrengungen macke», wiederum eine Majorität zusammen» zubriiigen. Dir möchten daher alle Gegner des Icsuilen- tbuniS dringend aufsorder», zur Schlußabstimmung sick voll zählig ciiizufinden. Die Umstoßung des bedauerlichen Be schlusses zweiter Lesung ist nach der Zusammensetzung des Reichstags keineswegs ausgeschlossen. Die Annahme des An trages auch in dritter Lesung würde die ReickSrcgicrung in Versuchung sübrcn, in HandelSvertragSverhantluiigen mit dem (Zentrum einzutrelcn, deren Abschluß >n jeder Hinsicht verderblich sein müßte. In den Nirdcrlandrn haben gestern die Wahlen für die Zweite Kammer begonnen. Gab man sich im ersten Augenblick nach der Auslösung der Kammer und nach dem Uebergang deS WablvereinS „Bürgerpflicht" ins radicale Lager dem sicheren Glauben hin, daß die liberale Partei von dem Schlag, der sic betroffen, niedergeschlagen und e»t- mutbigt sei und das Schlachtfeld, aus dem der Kampf um die Wablen geführt werden muß, ohne Widerstand den Raticalen uberlassen werde, so haben die letzten 8 Tage das gerade Gegentbeil gezeigt. Aus der defensiven und zu wartenden Haltung ist sic in eine sehr aggressive über gegangen, in allen größeren Städten zeigt es sich deutlich, daß man nicht so ohne Weiteres gesonnen ist, die Zu kunft dcS Landes in die Hände deS Proletariats zu legen. Freilich bleibt den Altliberalcn nichts übrig, als in alle» Wahlkreisen Seite an Seite mit den Ultramontanen zu gehen, eine im Parlamentarismus der letzten 30 Jahre in den Niederlanden geradezu ungebcucrliche Erscheinung. Od aber die liberal - ultramontane Gegnerschaft gegen den Wahlgesetzenlwurs Tak'S in der neuen Kammer über eine genügende Majorität verfügen wird, um an demselben die radikalen Auswüchse zu beschneiden, erscheint mehr ai« zweifelhaft, denn bei allen Anstrengungen, welche die an dem gemäßigten Programm der liberalen Partei sesthallenden Führer in der letzte» Woche sich- baden kosten lassen, ist es ihnen doch nicht geglückt, daS „Amsterdamer Hanbelsblatt das bisher unbestritten als Organ der Altliberaten galt davon abzuhalten, daß cs der Spur der „Bürgerpflicht" folgte und den fast nur conservative und plutokratische Elemente in seinem Schooß beherbergenden Amsterdamer Wablverein „Verfassung" an der Ausstellung dreier radicalcn Eandidatcn neben einigen Liberalen zu verhindern. In allen Wahlbezirken herrscht, ganz im Widerspruch mit dem phleg matischen Volkscharalter, eine fieberhafte Aufregung, und inan sieht überall mit größter Spannung dem Ergebniß der Wahlen entgegen. Die Montagssitzung de« englischen Unterhauses muß als eine der politisch bedeutsamste» seit dem Amtsantritt deS (ZabinelS Rosebery betrachtet werden. Es wurde in ihrem Verlaufe über die Frage entschieden, ob die Regierung sür ihre Politik das Vertrauen der Mehrheit besitze oder nicht. Der Schatzkanzler Harconrt hatte den Antrag gestellt, für den Rest der Tagung die Dienstage für Behandlung der Regierungsvorlage» freizulassen, sowie an den Freitagen Morgensitzungen anzuberaumen. Ohne die beantragte Fest legung der Dienstage zu Gunsten der Regierung würde ür diese keine Aussicht gewesen sein, auch nur eine ibrer Reform - Vorlagen zum Abschluß zu bringen. Hier wäre nun die beste Gclegcnbeit gewesen, durch Ablehnung dcö Harcourt'scken Antrages der Regierung klipp und klar ei» Mißtrauensvotum entgegenzuschleudern, was dann entweder zum Rücktritt des Ministeriums oder aber z»r Auflösung des Unterhauses hätte führen müssen. Das Haus ging dieser Kraftprobe aus dem Wege. Der Fübrer der conservativen Opposition, Balfour, erklärte vorsichtig, er glaube nicht, daß die Regierung bei dieser Gelegenheit scheitern werde. Schließlich ging der Antrag Harconrt mit einer zwar nicht bedeutenden, aber immerhin einer solche» Stimmenmebrbeit durch, wie sie de» Partciverbältnissen des Hauses entspricht. Es herrscht offenbar allseitig die Erkcunlniß vor, daß cS jetzt unthunlich sei, in den natürlichen Entwickelungsgang der Dinge beschleu nigend cinzugreisen. Immerhin wird die Regierung sich nicht verhehlen, daß sic auch jetzt »och hart am Abgrunde hingeh», zumal da auch die Arbeiter im Bewußtsein des zunehmenden Gewicht- ibrer Stimmen aiisprnchsvoller werden. So ist die „un abhängige Arbeiterpartei" in Lanarksbire sehr böse darüber, daß die MinisscricUc» bei der kürzlichcn Nachwahl daselbst keinen Arbeiter ats (Zandidalen ausgestellt baden, und der Erccutivraik des Londoner ZweigvcreinS erläßt deshalb die Weisung an die Arbeiter Londons, bei künftigen Wahle» nur für den Aibeitercandidaten zu stimmen, und wo ein solcher nickt aufgcstclll ist, fick der Stiiiimcnabgabe zu enthalten. Nicht »linder selbstbewußt treten einzelne Arbeiterführer dem von der Regierung bestellte» Vorsitzenden des vor einem halbe» Jahre gegründeten Einig ungSrathcS zur Bei legung von Streitigkeiten zwischen den Bergleuten und Grubenbesitzern in England und Wales, Lord Sband. gegenüber auf, nacktem in der letzten Sitzung deS NatbeS durch seine ausschlaggebende Stimme bei der Ausstellung der „Regeln" drei wichtige Forderungen der Arbeiter «Festsetzung eines LobnininimumS, sowie eines Preisininimunis beim Verkam von Koblcn und Einsicht in die Geschäftsbücher der Eigciitbümcr) abgclehnt worden sind. Die Bergleute erklären den EnngungSrath sür ein« Institution politischer Heuchelei nnd Lord Sband für eine» Betrüger, denn wa« er verworfen habe, seien gerade die Hauptforde rungen der Arbeiter, über die der Ratb urtbeile, als ob nicht viel darauf ankäme. Mögen nun auch nicht alle Arbeitervertreter im Ratbe diesen Uebertreibungcn beipflichten, so dürste doch daS Vertrauen der Bergleute aus die Unpartci lichkeit der Institution, von der man sich so viel versprach, nicht unwesentlich erschüttert sein. Die aiiitlichen Angaben über die russischen RaSkoluiken (Ketzer) und sonstigen Scctircr sind höchst niizilverlässig, da nur die Zahl der offenkundigen Schismatiker bekannt ist, während über die im Gckcimen von der Kirche Abgefallcnen nur Schätzungen aus Grund gewisser AnbaltSpuncte möglich sind. DaS große militairstatistische Werk über Rußland, La der (spätere) GcneralstabSchcf Obrulschew vor 2 t Iakrcn bcrauSqab, beziffert die damalige Bevölkerung dcö Reiches auf 78> z MiU.. darunter 51 > 2 Mill. Angehörige der russisch-ortho- toren Küche, mit Einschluß de« RaSkvl. Ans Grund einer sehr vorsichtige» Berechnung (nach den Liste» der am Abend mahl Tbcilnebmciidc») schätzte das ofsiciclle Werk damals die thatsächlicke Zahl der RaSkoluiken aus acht Millionen. Seit dem ist die Bevölkerung de« Reiches von 78 aus 120 Millionen gewachsen, der Raokol aber in sckr viel böberem Verhältnis». Zablrcichc neue Seelen sind seil jener Zeit entstanden, darunter die Schtnnda. die sich noch inimcr weiter ver breitet und deren Anhänger nach Millionen gezählt Medea. Li» bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. ^N»Lvru<l verbeten ) 41 (Fortsetzung.) „Warum nicht? In sechs Jahren kann man sich schon iclimatisiren . . . Warum bist Du denn eigentlich nicht Schauspieler geblieben ? Hält st 'rüber kommen sollen und ß'li paar Mal hunderttausend Dollars wegschleppen. Wir snd drüben entsetzlich gierig aus die deutschen stnr!-." „Laß die «tnr?. Was mich betrifft, kommt später. Ich hcb'S eben nicht bi« zum Kar bringen können. Setz Dich nrr wieder und beruhige Dick, wir zwingen Deinen Magen »iht. Und erzähle . . . denn auf Deinen Postkarten stand zevöhnlich nicht mehr al- Deine jeweilige Adresse." „Haha! Weil die Deinen immer so mhaltreich waren . Och Hab' Deiner hübschen Frau schon Alle« erzählt; warum philffophirst Du so lange . . ." Ls war mit einer vcn Deinen neuen Landsmänninnen. „Eben! Die sind gefährlich! . . . Aber, wenn Dick denn di« N-ugierde gar so sehr plagt, die Sache ist rasch ab gemacht." „N,o?" ,,W« ich sab, daß eS hier nicht vorwärts geben wollt«, verlaust ich, was ich von angestammten Gütern besaß . . „Ang-stammten Gütern ist gut!" „Unterbrich mich nickt! . . . und daS war gerade so viel, daß mir außer dem Zwischendcckbillet sür den alten schwarzen «ackeligen „Jakob" noch vier Dollars übrig blieben. Du spieltest damals in Liegnitz." „Ja, ja, weiter." „Mit diesen vier Dollar- nnd einem Empfehlungsbriefe in der Tasche betrat ich New-Hork» Freiheit-Pflaster. Ein Dollar gi»g gleich vorweg in den, Gasthose ersten Range- fort, dem ich die Ehre erwies. Mit dreien langte ich bei New- »an L Co., Maschinensabrikant» an. .„Können Sie einen Od-roieur gebrauchen? Hier meine Empseblung." Lia Kr." Ich also wieder zurück in mein boariUna-Kon»« und den »eitea Dollar ansgegcssen. WaS nun? Fremd in diesem Nmivrb und noch zwei Dollar-. Abermal- zu Newman L Co Mime» Sir einen Arbeiter gebrauchen ?" Kr." Nun da habe ich vier Monate am Schraubstocke gestanden, Gott Lob, daß ich'- gelernt hatte, dann wurde ein Platz im Ingenicur- bureau frei, da zog ich die Blouse wieder au- und stieg in s Vorderbaus. Und al- ich - dort satt bekommen, sah ich mich allmählich nach waS Besserem um nnd avancirte nach San Francisco, wo ich Kältemaschinen baute. Und wie ich so 'n halbe- Hundert fertig construirt halte und so 'n kalbe« Dutzend Mal nach Honolulu 'nüber gegondelt war, damit die Pflanzer drüben ihr Bier in der richtigen Temperatur trinken konnten, sagte mir Mr. Cleveland — nicht der Präsident, sondern mein Brotherr —, wenn ich wollte, könnte ich in New-Hork eine Filiale von ibrem Kram errichten. n»t?" sagt' ich, „ich will aber erst 'mal 'nüber, mir ne Frau suchen , denn die hiesigen paffen mir nicht. Bin selbst amerikanisch genug geworden, trotzdem ich da- Heimweh nicht lvS werden kann und am Sylvesterabend alle Jahre meinen einsamen Grog mit Thränen verderbe. Ick brauche etwa- deutsche Poesie in - Hau-, daß sich da- Strenge mit dem Zarten ... na, Du weißt ja . . . Und nun bin ich da nnd will seben, ob ich sie bekomme oder allein wieder 'nüber fahren muß." Paul antwortete nicht gleich. Er wußte, wem die Braut- fahrt galt, er wünschte Cläre da- reichste Glück der Welt, aber der Gedanke an die Trennung von der Schwester, die mit seinem Leben so sehr verwachsen war, stimmte ibn traurig. Was wogte ihm nicht Alle« gerade jetzt durch Gehirn und Herz! Es schien ihm, al- könne er e- gerade jetzt nicht er tragen, die Schwester zu entbehren, e- war ihm, al- muffe er ganz und gar den Halt verlieren, wenn sie ginge . . . Auch Martha blickte nachdenklich vor sich hin, auch sie dachte an den Verlust, den der geliebte Mann erleiden würde, batte sie doch au- mancher Bemerkung Paul'« über diesen Jugendfreund und au- seiner Ankunst dir richtige Schluß folgerung gezogen. Aber in ihr Grfübl der Freude sür Cläre und er- Mitleid« mit Paul mischte sich noch ein unbestimmte« Gefühl der Erleichterung. Biel war von dieser Schwägerin ihr wcggenommen worden. Wenn Paul die Schwester verlor, der ein so großer Theil seiner Liebe gehörte, mußte er ihr nun ganz und »ngetheilt werden. Karl erhob sich. „Warst Du schon drüben bei meiner Mutter?" fragte Paul zerstreut. Eine sinnlose Frage, da er ja doch wußte, daß Karl noch nicht dort gewesen sei. „Nein, aber ich will meinen Besuch gleich beute Abend noch machen, ich habe wenig Zeit sür meine Besuche, in sech« Wochen muß ich wieder fort, Ma'am, wie wi?«, wena Sie die Freundlichkeit hätten, mit hinüberzugchen? Dick. Paul, frage ick nicht erst." Martha wollte nicht störender Zeuge eines Wiedersehens sein, da« ohne ihre Anwesenheit vielleicht rasafcr zu dem Ziele führte, zu dem es ohne Zweifel führen sollte, deshalb bat sic, man möge sie entschuldigen. „Dann aus Wiedersehen, Ma'am. Da- Kindl sind Sie mir noch schuldig, das schon „Bah" sagen kann. Haba! Paul als Vater! Ich Hab' ihn mir nie so vorstellen können!" „O, er ist ein scbr guter Vater", lachte Martha. „Auch ein guter Mann?" „Ich weiß nicht, fragen Sie ihn selber." „Komm nur, komm", drängte Paul. Martha begleitete die Beiden bis ans die Treppe hinan- und borckte auf ihre verhallenden Schritte. „Eine hübsche Frau hast Du, eine herzige Frau", sagte Karl. „Ja ia", erwiderte Paul. Die Schritte waren verstummt, aber ein anderer lang samer schwerer Schritt kam heraus. Martha wartete. Ab, der Briefträger. „Eine ganze Menge", sagte ver Mann. Martha nahm da« Packet und warf einen Blick aus da- obenausliegenve Couvert. DaS war nicht sür Paul, da- war sür sie. Merkwürdig. Sie legte die anderen Briefe aus Paul'- Schreibtisch, ging in ibr Zimmer und öffnete. Ein paar gedruckte Zeilen. „Honorar sür Einzelcursu- in Kalligraphie. Deutsche und lateinische Schrift. Mart 10. — Hugo Rost. Bei Beginn zu entrichten." Das war ja schauderbast fatal . . . Vierzig Mark, so viel hatte sie augenblicklich nicht einmal in ihrem Vermö gen .. . Wie gut, daß sie nicht mit zu Cläre gegangen, daß sie auf der Treppe gewartet, daß der Brief nickt in den Kasten gesteckt worden! Dann wäre die ganze Geschichte gleich berauSgekommen! Und wie gut, daß Paul dem Briefträger nicht gerade in die Hände gelaufen! Sie waren jedenfalls nach link« gegangen und Jener war recht- gekommen. Sonst hätte er ihn getroffen und die Briese an sich genommen. Aber woher jetzt gleich da- Geld nehmen? Auf so viel hatte sie gar nicht gerechnet. Und dann auck erst am Schluß der Stunden. Bi» dabin wäre ihre Casse längst wieder gefüllt gewesen ... Ah! Sie bat ja noch da« Geld für da- Kleid daliege«, da- Paul ihr geschenkt; «in wahre« Wunder, wie daß Allcs sich so herrlich treffen muß! Daß er ibr die Summe gerade gestern gegeben ! Davon wird sie'- einstweilen nehmen Da- Ge- cbäft, aus dem sic so viel schon bezogen, in dem sic so bekannt war, wird sicherlich nickt gleich in den nächsten Tagen wieder eine Rechnung schicke». Nein, gewiß nicht. Sehr bald wird sie sich das Fehlende von ihrem Taschengelde erspart babcn. Ia. ja. Altes gebt gut. Sie holte die vierzig Mark au« einem Ebcnbolzkasten in ibrem Schränkchen, tbat sic in ein Couvert, siegelte dies und schrieb dje Adresse. DaS Couvert steckte sic in die Tasche. Gleich ni orgen soll das erledigt werden. Wenn nur Paul wirklich nichts davon weiß! Kaum konnte sic cinschlascn vor Unruhe. Spät in der Nackt erst kam Paul nach Hause. Er hatte Karl in sein Hotel begleitet, und bei einer Flasche Dein war der Tag beschlossen worden. „Wie kommt c» den», daß die Briese gestern Abend nicht in den Kasten gesteckt worden sind?" fragte er am anderen Morgen. „Ich horchte Euch nach, als Ibr gingt, da kam der Brief träger und gab sie mir selbst." „So so.^ ES war richtig. Er hatte ihn nicht gesprochen. XV. Von sämintlichen Familienmitgliedern war Tante Lina am meiste» durch da» unvermutbcle Aliflanckc» Karl Stock au« der Fassung gebracht. Wenn Cläre dock nicht etwa wieder unvernünftig wäre! Das machte ihr Unruhe. So auSgesüllt ibr auck ihr eigenes selbstloses, opferfreudiges Lebe» dünkte, da« ganz der älteren Schwester und deren Kinder» gewidmet war, so tonnte sic sich dock nicht f^i dem Gedanke» zufrieden geben, daß Cläre einn,». mit einem ähnlichen fick vegnügcn solle Je mehr sie sich nach ibrem erste» und ein zigen LiebeSschmcrze beschieden, um so weniger verzichtete sie für Cläre. Und ibr Kummer war eS, daß die« leichtlebige Kind ihre Wünsche nach dieser Richtung bin am Ente nie mals erfüllen werde. Vortreffliche Bewerber waren im Laufe der Jahre aus den Plan getreten: keiner batte der kleinen übermülbiqen Spröden Herz zu rühren vermocht. Jetzt kam Karl Stock, der Jugendfreund, der arme PsarrerSsohn al« verniögender Mann a»S Amerika. Zum Besuche. Zum Besuch«? WaS soll da« heißen? Was wird nun werden? Kommt er wirklich Cläre - wegen? Und wenn cS der Fall, wird Cläre die-mal „ja" sagen? Hat sie am Ende gar nur
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