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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940425027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894042502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894042502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-25
- Monat1894-04
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«eMgS-PreiS ^ tzrr -vn-tex»edit1m» od« den kn l»iirk und den Vororten errichteten Aut« »»bestellen abgeholt: oiertel,ährUchX4^0, bcs zweimaliger täglicher Zustellung i»t Hau« » SSO. Durch die Pos« bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich X 6.—. Direkte täglich« Kreuzband,endnng int Autlaad: monallich Xl 7 50. Dic Margen-Antgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, bi« Sbeod-Autgade Wochentag« ü Uhr. Redartion und Expedition: Aotzanuedgaffe 8. Die Erp«ditto» ist Wochentag« unnnterbroche» geosfuet vo» früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Ott« Me»«'» Lortim. (Alfred -Atznlb UntversitätSstrabe 1, LoiiS Lösche, Knt-arioenstr. I«, pari, und K-»ig«platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan f8r Politik, Localgeschichte, Handels- und GeschSstsverkehr. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge» spalten) 50^«, vor den Familiennachrichtei» (6 gespalten) 40 Brügere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. 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Tic Handelsverträge sind durch die äußerste Linke, die Sociatdcnio- traten und die sreisinnigenGruppcu.den größtenTbeit dcrNatio- nalliberalen, die Hälfte des Eentrum«, die Polen und kleine, sonst antinationale Gruppen gegen die conservativen Parteien in ihrer großen Mchrbeit, die andere Hälfte des EcntrumS, eine Minderheit der Nationalliberalen und die Antisemiten zu Stande gekommen. Die Entscheidung über die Steuer reform ist vertagt. Immerhin aber kann man auch hier schon von positiven und von negativen Parteien reden. Zu den elfteren rechnen wir die conservativen Parteien, die Nationalliberalen, die Polen und b>S zu einem gewissen Grade auch das Eentrum oder wenigstens einen Tbeil desselben, zu den Gegnern die ganze äußerste Linke. Das Gesammlergebniß ist sonach, daß die Nationalliberalen in allen drei großen Fragen die Regierung unterstützt, die beiden conservativen Parteien bei der Mititair- und der Steuerreform mitgewirkt, bei den Handelsverträgen widersprochen, das Ecnlrum die Militair- resorm bekämpft, bei den Handelsverträgen sich durch Halbirung selbst aufgehoben bat und in der Slcuerfrage eine noch unsichere Stellung einniniml. Durchaus positiv baden die Polen sich verhalte». Die Parteien der Linken haben die Regierung bei den Handelsverträgen unterstützt, in der Steuerfrage und bei der Militairreform (hier mit Ausnahme der freisinnigen Bereinigung) bekämpft. Die Anti semiten haben bei der Militairsrage milgewirkt, bei den Handelsverträgen widersprochen, in der Stcuerfraae ist ihre Haltung noch unsicher. Das Bezeichnendste an diesem Rück blick aus die Haltung der Parteien sind die grundverschiedenen Mehrheiten, welche den Ausschlag gegeben haben, bald die Rechte, bald die Linke. Gesund und ersprießlich ist dieses parlamentarische Berhätlniß nicht. Aber jeden falls würden die Berbältnisse noch ungesunder werden, wenn das von einem Theilc der konservativen erstrebte und allem Anscheine nach auch vo» dem Herrn Reichskanzler gewünschte conservativ-klerikale Bündniß zu Stande käme. lieber die Mehrheit verfügen die Dcutscbconservativen und das Eentrum nickt; wollten die verbündeten Regierungen sick trotzdem bereit finden lassen, ihre Borlagen nach de» Wünschen dieser beiden Parteien zureckt zu schneiden, so würde so gut wie gar nichts zu Stande kommen. In den Schaarcn der Vergarbeiter aller Eulturländer herrscht zur Zeit wieder eine starke Gährung. Zn Nord amerika haben bundertlauscnd Bergarbeiter die Arbeit niedergeleat, weil sie sich einer Lohnherabsetzung nicht fügen wollen. In Frankreich hat der unlängst in Graifsesac ab- gehaltene LandeSeongreß, auf dem über 70 000 Bergarbeiter durch Dclegirte vertreten waren, ein Comit« ermächtigt, den allgemeinen AuSstand zu organisiren, falls das Par lament den gesetzlichen Achtstundentag verwerfen sollte. In Oesterreick ist aus dem letzten socialdemokratischen Partei tag in Wien bei der Resolution über den MassenauSstand zur Ertrotzung des allgemeinen Stimmrechts aus besonderes Betreiben der gut organisirten böhmischen Bergleute ein Zusatzantrag beschlossen worden, der den Achtstundentag bei den Bergarbeitern als beute bereits erreichbar hinstellt I und eine Action der gesammten socialdemokratischen Partei! ür diese Forderung als notkwendig bezeichnet. In Eng- an d berrsckt unter den Bergleuten von England und Wales große Mißstimmung darüber, daß der nach dem letzten großen Bergarbeiter-Ausstand »iedergesetztc EinigungS- ratd zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Gruben besitzern und Bergarbeitern die drei Hauptforderungen der Arbeiter: Festsetzung eines Mintcstlohnes, sowie eines Mindest preises beim Verkauf von Kohlen und Einsicht in die Geschäftsbücher der Eigenthümer, durch die ausscklaggebende Stimme des Vorsitzenden, Lord Shand, abgclehnt bat. In Belgien bat sich der in La Louviöre abgehaltene LandcScoiigreß der Bergleute ganz im Sinne der eng lischen und französische» Kameraden für Einführung des Mindestlobnes, Verstaatlichung der Bergwerke und für internationale Vereinbarungen behufs Einschräiikting der Koblenförderung zur Verhinderung der Ueber-Erzeugung ausgesprochen. In der Hauptforderung herrscht bei den Bergarbeitern der verschiedenen Länder eine bemerkcnS- wcrthe llebereinstimmung. Unter diesen Umständen ver spricht der für die Pfingstwoche nach Berlin einberufcne fünfte internationale Bergarbeitertag von nickt zu unterschätzender Bedeutung zu werden, da dort über alle die oben berührten Fragen verhandelt werden soll und nicht zuletzt auck über den allgemeinen Ausstand zur Erzwingung deS Achtstundentages. Die Dclcgirten- wahlen zu dem Berliner Eongreß sind in den verschie denen Ländern zum Theil bereit« vollzogen. Der große über 160 000 Mitglieder zählende britische Bergarbeiter-Ver band will allein 22 oder 23 Delegirte senden, wozu noch Vertreter der Bergarbeiter-Verbände von Sckottland, Turdam und Rortbumberland kommen werden. Frankreich wird unge fähr 10 Delegirte entsenden, ebenso Belgien. Oesterreich, das auf den früheren Eongresse» immer »ur durch den böbmischen Bergmann Einger vertreten war, soll diesmal inebrerc Ver treter schicken. Unter den britischen und den sranzösisckcn Delegirte» werden sich nahezu ein Dutzend Parlamentsmit glieder befinden, die aus dem Bergarbeilerstande hervor gegangen sind. Die agrar-socialistis che Bewegung in dem getreide- reiche» ungarischen Tiefland zwiscken Donau und Karpathen, dem Alsötd, welche schon vor zwei Jahren zu einem Aufruhr führte, der mit Waffengewalt niedergeschlagen werden mußte, breitet sick von ihrem Eentrum, der Bauernsladl Vasarbcly, wo eS am Montag zu einem blutigen Zusammenstoß zwiscken den Feldarbeitern und der Gendarmerie kam, immer weiter aus und bat gestern Maco und Umgebung ergriffen DaS Gebiet, aus welches sick die agrar-socialistiscke Agitation erstreckt, ge hört zu den reichsten und fruchtbarsten Landstrichen Ungarns und ist beinahe ausschließlich von Magyaren dcwcbnt, aber der Boden gehört vielfach in meilenwcitcm Umkreis einem einzigen Magnaten, der Hunderte von Tagelöhnern beschäftigt und ihnen Löhne zahlt, von deren Niedrigkeit inan sich außerhalb Ungarns Wohl nur noch in Andalusien und Unteritalien eine Vorstellung zu macken vermag. Einen eigenen, wenn auck noch so kleinen Grundbesitz zu erwerben ist diesen Tagelöhnern unmöglich; ihre Kinder müssen Knechte bleiben, wie ihre Väter und Vorfahren alle Knechte gewesen sind; selbst Pachtungen zu erlangen, ist nur wenigen besonders vom Glück Begünstigten möglich. Diese Zustände machen es begreiflich, daß die socialislischen Hetz- lehren, die bei der ungarischen Industrie-Arbeiterschaft bisher wenig Anklang gesunden haben, bei den Landarbeitern des Alsötd auf keimkräftigen Boden falle». Schon seit Jahres frist haben die Bauern ausgesprochen socialistische Vereine organisirt und sich mit den Vertretern der internationalen Socialdemokratie in Pest in Verbindung gesetzt. Die unter Führung deS früheren Polizisten Kovalsch stehende» Feld- arbeiler sagen, sie seien keine Ungarn; sie hätten kein Vater land; ein Vaterland bade nur derjenige, der auch Vermögen besitzt. Die bisberige Untersuckung ergab, daß die nack bekannten Mustern getroffene Organisation eine vorzüglicke war. Jedes Mitglied deS creirten Verbandes der Landarbeiter war ver- pftichtet, wöchentlich 10 kr. zu den Kosten der Bewegung deizutraßen. Kovatsck bekannte sich vor der Behörde als internationaler Socialist, der gleick seiner Partei kein Vater land kenne. Er erklärte, daß die gegenwärtigen Zustände unerträglick seien und um jeden Preis beseitigt werden müßten, mögen darüber nock so Viele den Tod finden „Wir sind unser sehr Biele", sagte er, „und unsere Zabl wäckst von Tag zu Tag. Wir wollen keine Steuern zahlen unk keine Soldaten stellen. Wir allein sind die nützlichen Arbeiter, die Herren sind Tagediebe, die gehenkt werden müssen." Diese Sprache wirk dem Schürer des „Bauernkrieges" bald vergehe», den» die Regierung ist ent schlossen, den Autrubr mit aller Kraft zu ersticken. Sic ist dazu um so mehr bereckiigt, als sic schon Vieles getban bat, um der Bevölkerung aufzubelsen. Sie erkennt nack den Er klärungen deS Ministerpräsidenten Wckerle im ungarisckcn Abgeordnetenhaus die sckwcre Notblage an der TbciS an und wirk eS an neuen Versuckc» nack der wirtdsckastlicken und administrativen Seite zur Abhilfe nickt fehlen lassen. Poli tische Folgen werden die Ereignisse kaum haben. Der Versuch der Delcgirten Frankreichs und des b'ongo- staatcs auf der Brüsseler Eonserenz, über die Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphäre» zu einer Einigung zu gelangen, ist nach der plötzlichen Abreise der sran- zösischen Unterhändler als vorläufig gescheitert zu be trachten. Dieser AuSgang überrascht, da sowohl von Brüssel wie vo» Paris aus wiederholt osficiös ver sickert wurde, daß bei dem von beiden Seiten bewiesenen Entgegenkommen ein günstiges Resultat zu erwarten siebe, lieber die Gründe, die eS zu keiner Einigung kommen ließe», wird Stillschweigen beobachtet, aber sie sind wobl darin zu suckcn, daß gewisse principielle Fragen nock immer nickt klar liegen. In der wichtige» Frage des Besitzstandes des Eongo staateS bat nach französischer Auffassung der Eongostaat die Gebiete, mit denen sick die Eonserenz besaßt, willkürlick und im Widerspruche mit früheren Eonvcntione» inne. Ein weiterer schwieriger Punct ist die LiguidalionS Frage. Für den nicht undenkbaren Fall, daß der Eongostaat sich wieder austöscn sollte, steht Frankreich, nack den Acten von 1884 und 1885, da« Vorrecht aus die Besitzungen desselben zu. Später, nämlich ini Iakre 1887, hat jedoch der Eongostaat die beide» genannten Acte in dem Sinne zu inlerprctiren geflickt, daß dieses Vorrecht »ur in Ucbereinstimmung mit de» Interessenten Belgiens ausgeübt werden kann. Obgleich diese Einschränkung sebr wesentlich ist, hat Frankreich damals dock nicht ausdrücklich Protest er hoben, sondern dieselbe, „soweit sie den vorhergcgangcnen inter nationalen Acte» nicht widerspreche", zur Kennlniß genommen. ES scheint jedoch, daß die französische Regierung gegenwärtig die vom Eongoftaate beliebte Auslegung der Acte von 1884 und 1885 als unzulässig aufsaßt. Sollten die Dclegirlcn deS EongvslaateS aus dieser Interpretation beharren, so dürste ein diplomatischer Eonflicl zwischen Frankreich und dem Eongoftaate nur schwer zu vermeiden sein und müßten die strittigen Fragen einem Schiedsgerichte unterbreitet werden, dem Frankreich freilich am liebsten aus dem Wege ginge. Wie die letzten Nachrichten über den Stand der parla mentarischen Action in Italien erkennen lasse», hat Erispi die Situation von allem Anfang an richtig erkannt »nd sich dir Mittel zu sichern gewußt, welche zu ihrer daneriidcii Be herrschung nothwendig sind. Dahin gehört neben der Wahrung enger Fühlung mit Len ausschlaggebenden Factoren und der öffentlichen Meinung die entschlossene Bekämpfung der extremen Elemente von reckt« und links. Erispi weiß, daß sich die ge mäßigteren Elemente, wie sehr sie zögern mögen, seinem politischen Winke Gehorsam zu leiste», dock »ock weit größeren Wider willen gegen ein Zusammengeben mit den Eavallotti, Imdriani und lutii >>iu»uti bkgk», weil eine solche BundeSgenossenschast »e in den Augen ihrer Wäbler um allen polnischen Eredit bringen würde. Die Opposition der extremen Parteien sicht sich in ihren eigenen Schlingen gefangen. Namentlich die Socialrcvotulioiiaire müssen zu ihrem Schaden noch den Spott in de» Kauf ncbmen. Sie wollten durch Anzettelung des sicilianifchcii Aufstandes der Popularität des leitenden Staatsmannes eine Grube graben und il»> für alle Zukunft unschädlich macken. Statt dessen ist c« Erispi durch Aufdeckung ibrer unpatriotische», ja bochvcrrälberischcn Durchstechereien Mil französische» Sendboten gelungen, die äußerste Linke vor dem Lande i» unheilbarer Weise zu eompromiltiren. Erispi läßt seine Gegner i» aller GcmülbSruhr ihre Fehler begeben und benutzt sic binterbcr in ausgiebigstem Maße für eine Zwecke. Wie schon hervorgchoben, erscheint, wie da« Marine so auch da« Hccresbudget gesickert, und da der Er folg, wie der Mißerfolg ansteckend wirkt, so dars man auch mit ziemlicher Gewißheit auncbmen, daß die Mehrheit» ehe re die Folgen einer Kammerauslöfuiig trägt, zu allem zu stimmen wird, was Erispi und Sonnino ihr an Vor lage» »och unterbreiten werden. Mit der von den Um- slurzparleien immer wieder aufgewärmten Propbezcihung, daß Erispi der letzte Minister de« KönigthumS in Italien sein werde, bat eö, wie man siebt, noch gute Wege. Außerordentlich zu statten kommt dem Eabinet Erispi auch der diplomatische Erfolg, den eS in den Be ziehungen Italiens zu de» Vereinigte» Staaten zu ver zeichnen bat, ein Erfolg, der ibm vom Nalionalbewußtsein veS VotteS hock angerechnet werten wird. Wie bekanntlich aus Washington gemeldet wurde, hat dir Regierung der Vereinigten Staaten die Initiative der italienischen Regie rung zu Gunsten der italienischen Auswanderer, welche di«- ber unter de» drückendste» Verhältnissen in den Ankunst« Häsen sich aufbiellcii, günstig ausgenommen. Die Regierung der Per einigte» Staaten zeigt sich geneigt, in den genannten Häfen RegierungSburcaux cinzuricklc» »nd vom Eongreß cuicn Eredit zu fordern, damit die italienischen Auswan derer direct »ach den ackerbautreibenden EotonisatianS- districtcn geschickt werden können. Seit den blutigen Exccsfen des Pöbels von New Orleans gegen angebliche italienische Gebeimbüiidlcr »nd der Erklärung deS Washingtoner Eabinet«, sich in die Angelegenheiten cmcS EinzclsiaateS nicht einmischen zu können, herrschte zwischen de» Regierungen beider Staaten ein ziemlich frostiges Verbällniß. Augenscheinlich bat man sich i» Washington beeilt, de» ersten sick bietenden Anlaß zu benutzen, ui» durch Eingehen aus erfüllbare Wünsche den Italienern zu zeigen, taf; der Union als solcher jede Vor eingenommenheit gegen die italienische Nationalität durchaus seru liegt. I» gleicher Richtung liegt der Erfolg des italienischen Eoiisnts in Porto Ategre, welcher für die Ver letzung italienischer Bürger in Rio Grande do Sul volle Gcnuglhutttig erlangt hat. Mit dankcnswcrlber Energie gebt augenblicklich die ciigltfÄc Polizei den Anarchisten zu Leibe, und man muß ibr die Anerkennung zollen, daß, wenn sic einmal zugreist, was allerdings nickt sebr oft geschieht, der Eoup wohl vorbereitet ist und ein wirklich „guter" Fang ge macht wird, während die sranzösiscke Polizei planlos blttitert Verdächtige auf ciinuat sislirt, um wenige Tage daraus säst alle wieder entlassen zu müssen. Jeden falls in der Fang, der am Sonntag in der Londoner Ost Vorstadt Slralsord mit dem italienischen Anarchisten Guiseppc Ferrara, uliu-i Faranbi, ulinn Earnot, gemacht Feurlletsi,. Die neue Lehre. Eine Erzählung aus dem sächsischen Siebenbürgen zur Zelt brr Nesarmation «I Vo» Siegfried Moltke-Raimund. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ohne eine Antwort schritt Erhard hinaus. Wie er an die Zelle des alten Mönche« kam, lehnte er sich an den Pfosten. An der Pforte des Todes kehrte ihm alle Besinnung zurück. Er bekreuzigte sich »nv flüsterte: „Heilige Jungfrau, vergieb!" Dock wenn ein Menschenkind schier ein Vierteljahrhundert so gut wie nichts hat sehen können, so schärst eS sein Gehör um so mebr. So ging'« dem alten Gregor. Selbst diese geflüsterte Bitte batte er vernommen. „Erhard!" „Ja, Vater?" „Was ist », da« die Jungfrau vergeben soll?" Erhard schoß baS Blut in die Wangen. .Nickt«, Vater Gregor." „Nichts? Erhard, Du lügst!" „Vater Gregor " „Hab' ich um Dich verdient, daß Du mich belügst in meiner letzten Stunde ?" Eine stille Pause entstand. Erhard trat au des Bruders Lager: „Hab' ick Dir web getban, Vater?" „Ja, Erbard, weil ick Dich liebte. Du nennst mich Vater und nanntest mich so seit dem ersten Schritt, den Du über unseres Kloster« Schwelle tratest. Nun kenn, so betrachtete ich mich als Deinen Vater und lernte Dick kennen im tiefsten Innern, wie ein Vater sein Kind kennen muß. — Erbard, Du warst ein frommer Sohn Deine« Kloster«, jetzt bist Du'S nicht mehr " »Aater —", warf Erbard ein. „Still, Erbard! Seit zwei Tagen bist Du verwandelt. ll»d ich weiß, wa« e« ist. Du hast rin Mädchen gesehen " »Vater Gregor —" „Laß mich reden, e« wird die letzte Rede meines Lebens. — Ein Mädcken hast Du gesehen, und die Liebe hat Dich um garnt. Ist'« so? — Du schweigst und antwortest dadurch deutlich genug. So vernimm!" Der Alle richtete sich mübsani auf. und auf den einen knöchernen Arm gestützt, beugte er sich dicht zu dem knienden Jüngling vor und begann, indem er die freie Hand auf Erhard s Schulter legte, mit ungemein sanfter Stimme: „Gehe hin und — — liebe! Da ich vorhin still und einsam auf meinem Lager rubete und nichts als das eintönige Gebetmurmcln Dieter s durch diese Zelle klang, in der ich fünfzig Iabre meines Lebens gewohnt, da kam eS über mich wie eine Offenbarung. Fünfzig Jahre, sagte ich mir, habe ich hier geweilt und nichts getban für mein ewiges Heil, als gebetet und gestammelt und Gott angerusen ui» Guave für meine Sünden. Ick schämte mich und schäme mich noch dieses Egoismus. Denn ich sagte mir, der Mensch sei in der Welt, um der Welt zu dienen und in diesem Dienste den Himmel sich zu erwerben. Bete und arbeite! Aber nicht nur: bete! heißt eS. WaS habe ich getban, Erbard, daß ich jetzt vor meinen Herrgott treten darf und sagen: Siehe, Vater, hier bin ich! Nimm mich auf in Dein Reich, denn ich habe nur Dir gedient aus Erde»! Nicht«, glaube mir, nicktS tbat ich, da« mich zu solch süßen Worten berechtigte. Nein, nicht das Beten allein führt zum Heil, sondern ein rctlick mühsam, mühselig Leben, ei» rechtschaffen Arbeite» in dem Herrn. Schaffet, daß ihr selig werdet, heißt eS. Und ich habe fünfzig Jahre nicktS gethan. Siebst Du, mein Sobn, baS ist der Enkgedanke meines LebcnS! Nun denn, ick babe Dich geliebt wie einen Sohn Der Himmel hat mich doch für so würdig befunden, im Angesichte des Todes Dich und Dein Herz zu erkennen. E« ist rein und edel, und darum soll eS dereinst nickt vo» demselben Bangen und Zweifel be fallen werden an der Todespforte, wie jetzt daS meine. Draußen in der Welt, jenseits dieser dumpfen Mauern stürmt eS und tobt. Ja. Erhard, die Wahrheit ist auserstanden aus ihrem Schlafe. Was der Heiland gepredigt, hat Iahrbunderte ge schlafen. ward eingcschläsert vor Jahrhunderten durch chr- und gelbsüchtige Kirckenbäupter. Nicht eine Gemeinde christlich gleich trachtender Menschen war die Ehristenheit. sondern tagende- Element nach Rubi» und Ehre, nach Geld und Reichlhum! Die Einfalt und Einsackbeit bat tarniedergelezen! Jetzt endlich dröhnet di« mächtige Stimme Le« Erlöser« von Neuem durch das All! Die Reformation ist diese Stimme! Wohl Dem, der sie vernimmt! Höre sie, wen» Tu Ohre» bast zu kören! Wahrheit und Klarbeit bringt sie in die Geister, Liebe und Erkcnntniß de« einzig Göttlichen in die Herzen. Selig, wen sie entflammt; er wird erkennen, daß nur ein sittsam Leben und Streben in Arbeit, in Fleiß, in Liebe zum Nächsten daS Ziel erreichen läßt, das ich gestickt ein bald Jahrhundert durch Tappen im Finstern, in den Wirrnissen eine« walttivollen Glaubens, gesüllt mit Puppen und Trug- gcstalten. Ich habe nichts getban, nichts als gebetet!" „Ihr wäret glücklich, Vater?" „Ich war'S! Ick bin's nicht mebr! Ich bin nichts gewiß, daß ich das ewige Heil erwerbe, daß mir mein langes Säumen vom wahren Lebenswandel vergeben. Nein, Erbard, nickt der Priester kann vergeben, denn er ist ei» Mensch, und wie kann der vergebe», der selbst sündiget ; nicht der Heilige kann vergeben, denn er war ein Mensch; Gott allein, der unfeblbar ist i»l ewigen All, er nur vermag machtvoll zu sprechen: Gehe bin in Frieden, Dir sei vergeben uni meine« lieben SobncS willen, um Deiner Reue und Buße willen, die ich erkannt in Deinem Herzen." „Jetzt, Vater Gregor, wird sie der Herr erkennen in dem Euren!" „Meinst Du, mein Tobn?" Der Alle umklammerte den jungen Mönch. „Meinst Du wirklich, Erbard?" Er streichelte den Jüngling, und auch er stieß an daS Buch. „Nimm Dein Gebetbüchel und licS mir!" Zitternd griff Erbard nach deS Mädchens Buck und schlug eS auf. Er schritt zum Wandbret, wo ein dürftig Licht stand, und begann zu lesen, wo er gerade daS Blatt getroffen: „Wo Einer heiß in Lieb entbrannt Und hält sein Herz in Liebe rein. Da wird von Gott er wobt erkennt Und kehrt dereinst zum Himmel ein. Wo Einer treulich stets geschasst, Oda' »logen über weltlich Pein, Mit Gotivertrau'n und Manetkrakt: Der kehrt dereinst zum Himmel «in. Und wo zwei Herzen treu vereint, Umstrahlt von Licbcsgiorieiischein, Wenn sie auch oft tn Nolh geweint, Sie kehren doch zum Himmel ei». Drum Liebe soll, Du Menschenkind, Und Arbeit soll Dein Lebe» sein, Dann hast Tu Dir den Lohn verdient Und kehrst dereinst zum Himmel ein. Und wenn Du dennoch siet« gefehlt, Muht Tu nicht müd' und zaghast sein: Hat Dich im Tod noch Gott beseelt, Kehrst Tu zum Himmel dennoch ein!" Erbard schwieg. Die schwere» Atbemzllge deS Sterbenden tönten verncbiiilim an sein Ohr. Er eilte leise anS Lager und erfaßte die erkaltende Hand: „Hat Dich im Tod noch Gott beseelt. Kehrst Tu zum Himmel dennoch einj" „Ich danke Dir, mein Sobn!" flüsterte der Greis sterbend. „Gehe morgen hinaus und weihe Dein Leben der Welt, der es gehört. Tbuc Gutes und sei rechtschaffen Diene Deinem Gott nickt allein durch Bete», Fasten und Kasteien, sondern durch ein Lebe» voll Arbeit und Liebe. Gehe — hin — und sei glücklich!" Gregor sank zurück in seine Kissen und starb. Erbard verrichtete, tief erschüttert, ein Gebet. Dann, wie gestärkt von des Tobten Mahnung und Weisung, ging er zum Licht, nabm daS Buck und las die sündigen Lieder, deren eines seinem treuen Freunde ein rnbig Ende verschaffte. Ein deutscher Scilergescll war s, der einst all' diese Lieder besungen, und die sie »icrcrschricl', muß seinem Herzen wohl sehr nahe gestände» sei» und er dem ihre». IakoduS hieß er. Wie viel Giutb und Lcibenschast, und dann wieder, wie viel Ernst und Gotlcrgcbc»hc>t sprach aus diesen Liedern! Wie viel »eine, heilige Liebe, wie viel Gram, Kummer und Herze leid! Und kann auf der letzte» Seile stand, vvn zitternder» wer weiß, wie sehr turcksurchtcr Hand geschrieben: „Er ging — er kehrte nie wieder. Ob er noch lebt?" Und diese Worte waren verwischt und auSgetausen, mühsam nur zu entziffern. Thronen sind'« gewesen, di« das verschuldeten, und seltsam: noch war da« Blatt stuckt — aber nein: Ge schleckter sink seitdem versunken, die Throne jetzt ist frisch, und der sie vergoß, schloß das Büchlein, einen festen Vorsatz
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