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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940428014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894042801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894042801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-28
- Monat1894-04
- Jahr1894
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Bezugs-PWA tz, tz« Hanptexpedition od«r den im EkiM bezirk und den Bororte» errichtete» Aus gabestellen ab geholt: vierteljährliche 4.50, hei zweimaliger tägllcher Zusiel luag tu« HauS e 5ck0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vieNeljährlich tz.—. Direkte tägliche Kreuzbandjeudung in- Ausland: monatlich e 7 50. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abeud-Ausgabk Wochentags b Uhr. Uedactioa und Expedition: AotzanneSgaffe 8. Mm^en-Ausgabe. rimiger TaAMalt Anzeigen-PretS Rst Sgrspaltme Petitzeile 26 Pfg.' Reklamen unter dem Redaction-ftrich (4 ge« spalte») 50/4, vor den Familieunachrichtei» (6 gespalten) 40 ^ Größere Schriften laut nnserrm Preis- «erzeichniß. Tabellarischer und Ztfferasatz »ach höherem Tarif. Nett»-Vellage» (gesalzt), »ar mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung e W.—, mit Postbesörderung e 70c—. Annalimeschluß fir Anzeige«: Me Expedition ist Wochentag- onunterbroche» ge-Met von stütz 8 bi- Abend- 7 Uhr. Abead-AuSgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- stütz '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annabmestellrn je eia« halbe Stund» früher. U»jri<en sind stets an die Ertzebtti«« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Filialen: Olt» Me««'» Eorti«. («lstrtz Hatztüb llaiversiiät-straße 1, L«-iiS Lösche, latharinenstr. 14, pari, und SönigSplatz 7. Lrgan för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. H m Sonnabend oen 28. April 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 2S. April, Bormittags nnr bis Uhr geöffnet. Lxpvältlon Ü68 l^elp^lxer 'raxeklattes. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume der Geschäftsstelle unseres Wasserwerkes in Leipzig-Reudnitz, Margarethenslraste Nr. 8, bleibt dieselbe Mittwoch, den 2. Mai ». I., für den Verkehr mit dem Publicum geschlossen. Leipzig» den 2ö. April 1894. , Der Rath der Stadt Leipzig. Io. 1805.vr. Georgi. Tr. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Räume bleibt die große Rathsstube Montag, den 30. April o. A., geschlossen. Leipzig, den 27. April 1894. Der Rath drr Stadt Leipzig. Or. Geor gt. Größe!. Bekanntmachung. Die Herstellung einer 322 w langen Schleuß« 3. C laste in der Vlumenttratze und einer >80 m langen, 40 cm weiten Thonrohr- schleuße in der Augustrnstratze zu Leipzig-Gohlt« soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen stlr diese Arbeiten liegen in unserer Tiesbau- Berwaltung, RatddauS, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 auS und könne» dort eingesehen oder gegen Entrichtung von SO die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: »Herstellung der Schleuste» i» der Blumen- u. Auguften- ftratze i» Leipzig Mohlis" versehen in dem oben zeichneten Geschäftszimmer bis zum 1 1. Mai p. I., 5 Uhr Nachmittags einzureichen. Der Rath behält sich dar Recht vor, jämmtliche Angebote ab zulehnen. Leipzig, den 27. April 1894. Des RathS der Stadt Leipzig Io. 1768. Straftenbaudeputation. Bekanntmachung. Die Herstellung einer 145 in langen Schleußt 3. Elaste in der Lindenthaler Straße und einer 360 IN langen, 40 cm weiten Thonrotirschleußi in der Lindenthaler, Aeutzeren Halleschcn und Marienftratze in Leipzig-Gohlis soll au einen Unternehmer »er- dmigcn werden. Di« Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Ticsbau- Bcrwaltung, Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23, aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 /H, die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Herstellung der Schleusten in der Lindenthaler, Aentzrren Halleschen und Marienftratze in Leipzig-Gohlis" riehen in dem oben bezeichnelen Geschäftszimmer bis zum 12. Mai P. A. Nachmittags » Uhr einzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmllich« Angebote ab- zulehuen. Leipzig, de» 27. April 1894. Io. 1768. Des RatheS der Stadt Leipzig Stratzrnbaudeputatton. Bekanntmachung. Die Herstellung einer 300 w langen Schleuß« 3. Elaste in der Lindenstratze zu Leipzig-Gutritzsch soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeit liegen in unserer Tiefbau- Verwaltung, RathhauS, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Herstellung der Schlrutze 3. Elaste in der Lindenstratze in Lripztg-Vutrilzsch" versehen in dem oben bezeichneten Geschäftszimmer bis zum IN. Mat d. I., 5 Ubr Nachmittag- einzureichen. Der Rath behält sich Las Recht vor, sämmtlich« Angebote ab- zulehnen. Leipzig, den 27. April 1894. Des Rathes der Stadt Leipzig le 176kl Stratzenbau-rcpntatio». Der städtische Lagerhof in Leipzig lagert Waaren aller Art zu billigen Tarifsätzen. Die Lager- scheine werden von den meisten Bankinstituten bestehen. Leipzig, den 26. April 1894. Dir Trputatlon znm Lagerhofe. Oeffenttiche Buchhändler-Lehranstalt. TX« Prüfung drr angcmeidelen Schüler findet Montag, den NN. April, früh 7 Uhr im Schullocole, Löhrftraße 7, I. ^Verein für BoikSwobi) statt. Feder und Papier sind milzubringcn. Drr Unterricht beginnt Mittwoch, den 2. Mai, früh 6 Uhr. Or. A lllem 8wltt> Graf Hoensbroech über die Parität im preußischen Staate. (Schloß.) )7. Hält die preußische Verfassung für Hewifse Fälle die Im parität aufrecht, so ist nun zu fragen: Sind diese „gewissen Fälle" bei katholischen Bewerbern gegeben? Die Beant wortung der Frage macht es notbweudig. vie moderne Auf fassung vom Staate der katbolischeu Lehre vom Berbältmß d«r Airch» znm Staat gegenüberzustellen Die ethische und staatsrechtliche Basis, auf welcher der preußische Staat wie jeder andere ruht, ist der Anspruch und das Bewußtsein absoluter Selbstherrlichkeit. Autonom muß der Staat sein: er gicbt sich selbst seine Gesetze; er allein erklärt ihren Sinn; er allein wacht über ihre Ausführung; er allein beurtheilt ihre Zweckmäßigkeit und Moralität. Autonom muß der Staat sein: er wählt sich elbst seine Beamten; er allein entscheidet über ihre Eigen- chaften und Befähigung; er allein schreibt ihnen ihre Pflichten vor; er allein nimmt sie in Eid und Treue Autonom muß der Staat sein: seines Amtes ist der öffentliche Unterricht und die öffentliche Erziehung, jene Grundbedingungen und Voraussetzungen jeder staatlichen und politischen Eristenz. Autonom muß der Staat sein: er allein ist Herr in seinem Gebiet; keine andere Macht hat das Recht, bei irgend einer taatlichen Einrichtung, Verordnung und Gesetz milzusprechen, »litzureziercn; äußerlich abgeschlossen durch die LandeSarenzen gegen andere Staaten, ist er auch innerlich in seiner Macht- lnv Rechtssphäre abgeschlossen gegen jeden Eingriff und Ecn- kuß fremder Gewalten, er ist Souverän nach außen wie nach innen. Das ist der moderne Staat, der preußische Staat, und sein Recht. Neben dieser Auffassung steht eine andere —, die katholische. Sie folgert: Giebl eS für alles Geschaffene nnr ein Princip nach dem Schrislwort: Einer ist der höchste und allmächtige Schöpfer, so giebt cs auch nur eine Ordnung des Universums und einen letzten Endzweck der gesammten Schöpfung. Dieser Endzweck kann nur bestehen in der Verherrlichung Gotte- und in der ewigen Bescligung der vernünftigen Geschöpfe. Zu diesem Endziel führt nun aber die Kirche bin. Sie ist demnach nicht nur eine vollkommene Gesellschaft, denn eine solche muß jene Genossenschaft sein, di: zum vollkommensten aller Güter hinleitet, sondern sie ist auch, eben weil ibr Zweck der höchste ist, die höchste unter allen Gesellschaften Hieraus folgt, daß jede andere Gesellschaft, welchen Namen sie auch führt, der Kirche unterstehen und von ihr Norm und Richtung empfangen muß. Man mag daher den Staat erbeben, wie man will, und seine Hoheit noch so sehr steigern: seine Unterordnung unter die Kirche bleibt bestehen. Denn die Kirche ist die allein scligmachende, die allein existenz- berechtigte, unmittelbar von Gott eingesetzte Heilsanstalt. Sir umspannt Himmel und Erde: den Einzelnen, die Familie, die Gemeinden, den Staat Sie ist die höchste, absolute Richterin und Gesetzgeberin auf dem Gebiete der Moral. Jede Frage, die aus diesem schier unbegrenzten Felde sich erhebt, gehört vor das Forum der Kirche, mag diese Frage nun vas Familienrecht, das Staalsrechl oder das Völkerrecht betreffen; von ihrem, mit dem Anspruch auf Unfehlbar keit auflretendcu Urtheil giebt eS keine Berufung; ein Jeder, ob Privatmann oder Beamter, ob Bettler oder König, ob Katholik oder Protestant, hat ihrem Spruch sich zu unter werfen Auch in allen anderen Fragen entscheidet die Kirche, wenn sie spricht, mit bindender Autorität: HanS und Schule, Heer und Steuerwesen, Wissenschaft und Kunst, nich t s ist ausgenommen. DaS ist die katholische Lehre und Praxis, an der seit den Tagen Gregor's VIl. nichts geändert worden ist und nie ge ändert werden wird. Wie weit die Suprematie der Kirche Uber den Staat sich erstreckt, davon wissen viele Tausend Katholiken, selbst gebildete, so wenig, daß sie oft bona licke eS als Entstellung und Verleumdung zurückweisen, wenn ilmen diese ungemegenen Ansprüche entgegengehalten werden. Verkörpert aber ist die Kirche im Papst. Er ist nach katholischer Lehre der von Gott selbst gesetzte Gipfel jeglicher Souverainität. Die Worte Christi: Alles, waS du binden wirst auf Erden, soll auch im Himmel gebunden sein, und Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelvset sein, gestatten keine Ausnahme und drücken ein allgemeines und absolutes Richteramt auS; sic schließen Alles und Jedes in sich. AuS diesen katholischen Principien erzieht sich die Stellung deS Papstes zum Staate und zu seinen Organen. Der Papst ist zunächst in jeder Beziehung von jeder Staatsgewalt un abhängig. In seine Hand allein unter allen Gewalten der Erde ist die zweifache Macht, weltliche und geistliche, ge legt. Er ist der geborene und höchste Richter aller bürger lichen Gesetze; spricht er ihre Nichtigkeit aus, so sind sie nichtig, und kein Katholik, ob Privatmann oder Beamter, darf sie beobachten oder zu ihrer Ausführung Mitwirken. „Demjenigen, der den Papst für irrtbumSsähig hält, scheint dies sonderbar; aber wir, die wir als Katholiken das Gegen- theil glauben, geben zur Antwort, daß, wenn der Papst die Staalsgrnndgesctzc irgend eine« Landes verdammt, dies ein handgreiflicher Beweis dafür ist, daß sie wirklich irrthümlich und verdammungswürdig sind." *) Mit dem „Recht" des Papstes, einzugreifen als oberste Instanz in das innere Leben der Staaten, haben wir den eigentlichen Höbepuncl seiner Vollmacht erreicht. Technisch- theologisch ausgedrückt heißt dieser Höyepunct: die Lehre von der indirecten Gewalt des Papstes in weltlichen nnd politischen Dingen. Nicht kraft seiner gewöhnlichen, habituellen Gewalt — so lautet diese Lehre — kann der Papst die Fürsten ab- und einsctzen, die bürgerlichen Gesetze ändern oder ausbedcn und die Angelegenheiten der irdisch-politischen Ordnung vor sein Tribunal ziehen; aber er kann dies Alles lrast seiner außergewöhnlichen Gewalt, wenn nämlich da« Wohl der Kirche und das Heil der Seelen dies erfordern. Geschichtliche Belege für diese Lebre beizubriogen, ist hier nicht der Ort ; sie finden sich überreichlich in den vielgenannten Bullen Bonifaz' VlU., bei Bellarmin, in den Depeschen deS Earvinal» Anlonelli an den Pariser Nuntius, bei Manning re. In Ueberenistimmiing mit dieser Lehre siebt auch der berühmte Satz, de» erst vor wenig Tagen Herr I)r Lieder in einem un bewachten «uzendlicke zu Papier brachte: „Wir hatten lde, de», russischen Handelsvertrag) mebr nach Fulda (Bischöfe) und Rom (Papst), als in Be-lin nach dem Schloß (Kaiser) u.id und der Wilhelmstraßc (Regierung) hin den Beweis zu führen, daß wir im neue» Reichstage nicht die demokratische Partei deS nackten unsruchidaren Widerspruchs seien." Gewiß war die- Wort nicht für die Oeffeatlichkcit be- *) I-tderator«, O» Obie« o lo 8tnw. Xapoü 1871 p 365 stimmt und sein Urheber würde eS lieber ungesagt machen. Aber eS steht einmal da und drückt prägnant und scharf das Verbältniß der preußischen Katholiken zum Papste auS, wie es in Rom verlangt wird. Wie hier der Abgeordnete zum deutschen Reichstag und preußischen Landtag dachte und sprach, so muß — nach römischer Austastung — auch jeder preußische Beamte denken und sprechen, und ze wichtiger die Frage, um die eS sich handelt, je einflußreicher die Stellung, die er bekleidet, um so mehr muß er sagen: „Ich bade eher dem Papst und seiner Weisung, als meiner Regierung und ihrer Weisung zu folgen." Und in jedem Conflict, der zwischen der preußi schen Staatsregierung und dem Papste als Ober haupt der katholischen Kirche entsteht, muß jeder katholische preußische Staatsbeamte nicht nur innerlich, der Gesinnung nach, auf Seite des Papstes stehen, sondern er muß, soweit die strittige Frage seinen AmtSkreis betrisst, auch äußerlich die Partei deS Papstes ergreifen. Mit andern Worte»: Jeder katholische preußische Staatsbeamte muß jede Weisung, die ein Papst in seiner Eigenschast als Oberhaupt der Kirche ihm giebt, aussübren; er darf keine staatliche Verordnung, kein staatliches Gesetz, mag eS sich beziehen ans was immer zur Ausführung dringen, wenn der Papst diese Ausführung untersagt und erklärt, diese Verordnung und dieses Gesetz sei der Lehre und de» Grundsätzen der Kirche zuwider. Unter solchen Umständen kann der preußische Staat hei der Vergebung seiner Beamtcnstellen die Parität »ich» ge währen. Nur diejenigen Katholiken haben ein Recht auf paritätische Behandlung im Staatsdienst, welche die staats rechtlichen Grundsätze ihrer Kirche verwerfen. Das eigent lich religiöse Element, das in der katholischen Kirche als Religion vorhanden ist, und daS solche „liberale" Katlwlikcn gerade so gut besitzen und gerade so gut sich wahren können, wie ihre „ultramontanen" Glaubensgenossen, dies religiöse Element ist in hervorragender Weise geeignet, Treue, Ge wissenhaftigkeit und Rechtlichkeit — Fundamentaleigenschasten eines Staatsbeamten — zu wecken nnd zu festigen und Männer beranzubildcn, die im eckten und wahren Sinn Gott geben, was Gottes, und dem Kaiser, waS des Kaisers ist. Deutsches Reich. 6-;: Dresden, 27. April. Seit einiger Zeit bat man auch in Sachsen einer zweckentsprechenden Umgestaltung der Arbeitsvermittclung mebr Aufmerksamkeit als bisher zugcwendct. Obgleich auch die besten Einrichtungen zur Arbeitsvermittelung nickt im Stande sind, in schlechter Geschäftszeit die vorhandene Arbeitslosigkeit zu beseitigen, so ist doch die gesammtc gegenwärtige Arbeitsvcrmiltelung, mit seltenen Ausnahmen, so wenig zeitgemäß und den heutigen socialen Anforderungen entsprechend eingerichtet, daß aus zahlreichen Gründen eine durchgreifende Umgestaltung z» wünschen ist. Auch die sächsischcRegierung will augen- sckeinlich der Frage der Arbeitsvermittelung näher treten. Sie läßt gegenwärtig in allen über 2000 Einwohner zählenden säcksischen Orten eine Erhebung über die Verhältnisse der gemeinnützigen und städtischen ArbeilS- vermittelungs stellen veranstalten 88. Berlin, 26 April. Am deutschen Reiche ist eine neue Schattenseite entdeckt worden. Herr Ilr Sigl bat an die Versammlung deS oberbayerischcn Bauernbundes in Aibling telegraphier: „Berlin erkältet, stockheiser", und der in mehreren bayerischen Bezirksämtern hochberühmte Gymnasiallehrer vr. Kleitner hat jenes inhaltsschwere Telegramm sofort in seiner ganzen historischen Bedeutung ersaßt, indem er eS auslegte al« „einen neuen Beweis, dag wir (die Altbayern) nach Berlin blos das Gute binzutragen haben, schließlich auch unsere Gesundheit, daß man aber nichts Gutes davon hcrunterbringt." Leichtfertige mögen diese Klage leicht nehmen; wir für unseren Theil sind durch sie belehrt, daß Gras Bray und Herr v. Lutz bei der Beratbuug der Versailler Verträge, wie in vielen anderen Puncte», auch insofern bayerische LcbenSintercssen preiSgegebcn haben, als sie die Hinzuziehung mcdicinischer Sachverständiger verabsäumten. Wenn es sich um einen andern Abgeordneten handeln würde, könnte man die Frage nach der Lebens weise aufwerfcn, um für die krankhastc Reizung der Kehle eine unpolitische Erklärung zu finden; bei Herrn I)r. Sigl ist dies jedoch ausgeschlossen. Es findet vermuthlich eine ungünstige Einwirkung der Reichs- Verfassung auf die niederbayeriscken Schleimhäute statt. Herr Professor Virchow ist leider verreist und selbst heiser, so daß man leider außer Stande ist, über diese auch für den Malzaufscklag, mithin für die bayerischen StaatS- sinanzrn, vitale Frage sofortige Auskunft zu erlangen. Denn er ist der einzige Gelehrte, dem man vertrauen darf, daß er sein Gutachten ohne Voreingenommenheit für die Reichsverfassung und ihren Sckvpser abgeben wird. Brennend aber ist die Frage. Man kann ja manche- Thcuere für die Dauer der Abwesenheit in die Obhut treuer Freunde geben, und Herrn Sigl sind mit solchen Licbesbeweisen sogar Klöster zu Diensten crbötig, aber von seinen Sprechwerkzcugcn kann sich selbst rin Ab geordneter. der, wie der große Niedcrbayer, schon lange keinen parlamentarischen Gebrauch von ihnen macht, unmöglich trennen. Möglich bleibt allerdings, daß vr. Kleitner irrt, wenn er das Reich für den Schnupfen seine- Freunde- ver antwortlich macht, und daß dieser den Aufenthalt in große Städten überhaupt nicht verträgt. Man erinnert sich, daß er auch einmal von einer Wiener Reise, die einer gänzlich un politischen Nichte galt, in höchst ramponirtem Zustande nach Hause zurückgekehrt ist. Er wäre auch damals nicht im Stande gewesen, in einer ländlichen Versammlung zu erscheinen * Berlin, 27. April. DaS bloße Gerücht von einem Schluss« der Landtag-session, sobald der Etat im Herren bause erledigt ist, hat die ..Kreuzzeitung" au- dem Häu-cken gebracht. Sie sieht wie der betrübte Lohgerber schon da- Fell der KirchenverfassunqSnovelle davonschwimmen und macht de-balb verzweifelte Versuche, zu retten, waS ncch zu retten ist. Um den Lärm, der von den Liberalen geschlagen werde, brancke sich die Regierung nicht zu kümmern; die Wahlen zum Ab geordneten bau sc hätten den klaren Beweis erbracht, wie wenig das Volk an dem liberalen Ent rüstungSrnnimel über kirchliche und Schulangclegenbeiten be- tbciligt sei. ES ist sebr zu bedauern, daß die Absicht der Regierung, diese Vorlage einzubringen, nicht bereit- bei den Wahlen bekannt geworden ist. Ibr Ergebniß würde sich vielleicht an viele» Stellen wesentlich ander- gestaltet baden trotz der Unterstützung, die die Regierung bei den Wahlen wieder einer Partei Kat zu Tbcil werden lassen, die sie im Reichstag als heftigste Widersachcrin zu bekämpfen hat. * Berlin, 27. April. Zn den jüngsten Vorgängen im niederbayerischen Bauernbünde erfahren Vie ,M. N. R." aus zuverlässiger Onellc: Herr Vr. Ratzinger er hielt kürzlick vom Ausschuß des niederbaneriscken Bauern bundes einen Brief, in welche», ihm bedeutet wurde, daß nach tz. 3 Absatz 2 der Statuten des Bundes die Ab geordneten des Bundes verpflichtet seien, sich mit Aus schuß und Vorstandschast desselben in allen Fragen ins Einvernehmen ;» setzen. Herr vr. Ratzinger erwiderte, daß er die Statute» und damit auch de» fraglichen Paragraphen nickt gekannt bade, daß er denselben indeß unter keine» Umständen anerkennen könne, da nach seiner Ansicht wahrend der LandtagSscssio» eine derartige Organisation ruhe und die in fraglichem Paragraphen enthaltene Bedingung anck unvereinbar sei mit dem Eide des Abgeordneten. Er sickerte in der Angelegenheit vollste DiScrction zu, stellte es indeß Ausschuß und Vorstand- sckaft des Bundes frei, die Sache öffentlich zu behandeln, in welchem Falle der Bund seine» Austritt als erklärt gelten lassen möge. Die Antwort des Bundes war die bekannte öffentliche Erklärung. Tie anderen Abgeordneten des Bundes erkennen gleichfalls den tz. 3 Absatz 2 der Bundesstatuteii für ihre Person nicht an. Sie erklären alle, unter keiner Bedingung von Ratzinger zu lassen. Sie wollen mit den Vertrauensmännern ihrer Wahlkreise sich besprechen, um in der nächsten Wocke eine außerordentliche Versammlung der SectioiiSvorstände und des Ausschusses berbeizusühren bekusö Abänderung deS kritischen Para- raphen. Wahrscheinlich erfolgt eine Trennung deS nieder- ayerischen Bauernbundes in einen Straubingcr und einen Rottlhaler Bund. Tie Wahlkreise Straubing und Kelheim neigen sich Gech und Wieland zu; der Wahlkreis Deggendorf und das Roltlbal sind entgegengesetzter Ansicht. V. Berlin, 27. April. (Telegramm.) ES verlautet, der Kaiser werde im Lause des Sommer- wiederum eine Seefahrt »ach Norwegen uiiternebnicn und dieselbe voraussichtlich Ende Juli aiitrctcn. Ferner verlautet in parlameiitarischen Kreisen, der hevorstehente Besuch deS Prinzen Heinrich am russischen Hofe sei als Vorläufer der Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm zu betrachlen. Es scheine im Plane, die Zusammenkunft im Sommer statlfinden ;» lassen. Berlin, 27. April. (Telegramm.) Wie die „Post" erfährt, wird daS geheime ffipilcabinct des Kaisers am l. Mai von hier nach Potsdam üdersiedcl». -» Berlin, 27. April. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" hört, daß nach den bis herigen Bestimmungen mit der feierliche» (siiiwcihnng des neuen Rrichstaasaebandrs am 18. Octoder eine durch den Kaiser zu vollziehende Schluß st ei nlegung verbunden werben soll. -7-Berlin, 27. April. (Telegramm.) Die „Post" erfährt, daß die Samoa Franc Gegenstand eines MeiriiingS- auStauscheS zwischen den betkeiligten Mächten sei. Tie „Post" glaubt, in der Aniiahmc nicht zu irren, daß die Samoa-Frage den wichtigste» Gegenstand des Vortrages des Staat-secrelairS v. Marschall bei dem Kaiser in Karls ruhe gebildet habe. (-) Berlin, 27. April. (Telegramm.) Der Bnndrs- rath bat beute den NeichStagSbeschlüssen, betr. die Abzah lungsgeschäfte, Herr, die Abwehr »nd Unterdrückung von Viehseuchen und betr. den Schutz der Waaren- bezeichnungen, sowie den AuSschnßanträgen, betr. die AuS- sührungShestimmunge» zum Gesetze wegen Aufhebung des Identitätsnachweises für Getreide, zugestimmt. — Die „Schlesische Zeitung" schreibt: „Die Regierung ticu in, Abaeordnclenhause bereits zu erkennen egrbe», daß sie, falls die Enischeidung jo fallen sollte, auch den acultattve» Landwirthschait-taiilinern zustiinmeii wolle; sie be kundet damit, daß sie »lit deni zur Zeit Lrrcichbaren sich zufrieden zu geben gesonnen sei. Wird bei folchkin Enigegenkommen eine Verständigung erzielt, da»» ist der Boden gut geebnet, »in an die weiteren Arbeite» heranzutreten; nach einigen Jahren wird sich a» der Hand posiliver Erfahrungen ja uuichwer seststcllen lassen, ob der obligatorische Charakter der LandwirlhichaftSkaniinern wirklich nothwendig ist." * Hamburg, 27. April. Die „Hamb. Nachr." treten in einem Artikel: „Das Reichsgericht unk die Presse" für das Reckt der Presse ein, öffentliche Interessen wabr- zunebinen. DaS Reichsgericht bat kürzlich auSgesührt, die Anwendbarkeit des tz. 193 deS Strafgesetzbuches auf Aeußc- rungen der Presse unterliege lediglich den allgemeinen Be stimmungen des Strafgesetzes; der tz. l93 erfordere ein indi viduelles Interesse DcSjciiige». der die Aeußcrung thue. Dazu bemerken die „Hamb. Nachr": „Der Fehler besteht in der Verneinung de- Rechte- der Presse, öffentliche Uebelstände zur Sprache zu bringen und dabei in Wahr- nehmung berechtigter Interessen zu handeln. Diese Aussassuna steht nzit den thatjächlichen Verhältnissen des modernen öffent liche» Lebens in vollstem Widerspruch. Wenn eS über- Haupt eine nicht blos theoretisch gedachte, sondern praktisch vorhandene politische Leffentlickkeit giebt, so Ist es die von der Presse vertretene. Und wenn die Interessen dieser Oeftentlichkeit der Bureaukraiie gegenüber wahrgenommen werden sollen, so kann diese Wahr nehmung naturgeinast nur durch die Presst selbst erfolgen, nicht Lurch das Amtsgericht oder sonst »ine Instanz, die für die politischen oder wirihschaftlichcii Frage», um die es sich handelt, kaum da- qenügeiide Verständnist besitzt, sondern im besten Fall« alle- julistisch- (ormaltstisch aburtheilt. Hier muß Freiheit herrschen, und Io lange nicht aus der Form, in der die Wahrnehmung berechtigter öffentlicher Jnieresien durch di» Preffe erfolgt, der »nimue injurinmli bervorgeht, »iiiß Llraslojigkeit garanlir» fein, sonst ist es mit der Preßfreiheit z» Ende Die Auffassung de- Reichsgericht« widev- spricht Len heutigen politischen Verhältnis»--
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