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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940428021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-28
- Monat1894-04
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Vezugs-Vrei- I» der Hanptrrprdttio» oder de» t» 8t»d1- hqckck »»d den Vororte» errichtete» >»«- »aoesielle» «bgeholl vierteljährlich ^14^0, bei jwestnntiaer täglicher Z»ft«ll»»g in« Hau« bchü. D«rch die Post bezöge» für Deutschlnnd »ad Oesterreich: vierte',>>drl,cy » S.—. Direct» tägliche -reuzdandienvuug t»t LnStand: mouatUch ^4 7.A. Die Morgen-«»«gab« erscheint täglich'/,? llhr, di« Ad«»d-AuSgird« Wochentag« b Uhr. Lrkutis, >«- Lrpediti»»: A»tz«»ne«M»Ge 8. »te Lrpeditiov ist Wochentag« »nuntrrbroch«» geöMet »»» früh 8 bt« Abend« ? Uhr. /Male«: Ott« Me««'« Kertt«. («lfrrh Universitättstraste 1, L»li« Lösche. tat-arinenstr. 14. Part, und K-nlgSvlntz 7. Abend-Ausgabe. HiMr.TiWlM Anzeiger. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. AnzeigenPreiA die k gespaltene Petitzeile 26 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSftrich <4aa» spalten) bO-H. vor den Familtennachrichie» (6 gespalten) 40->j. «rohere Schriften laut unserem Preil« verzeichnih. Labellarischer and Ztffrrnsatz »ach höherem Torts. ffrtrn-Beilagen (gesalzt), aur »Nt der Morgen-Anrgube, ohne PostbesärderuaA 80.—, mit Postbesörderuog Kl.—. Annalnneschluk siir ^uzeigeu: Bbend-Au-qabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und -»nabmestelle» je ei»» halb« Stunde früher. T»zeigen sind stet« an die ExPrditto» zu richte». Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. ^215. Sonnabend den 28. April 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den ÄS. April, Bormittags nur bis VsS Uhr geöffnet. Lxpeältlon ä«8 l'arredlattes. politische Tagesfchau. * Lctpzis, 28. April. Im preußischen Herrenhausc hat gestern der Minister Präsident Graf Eulen bürg Gelegenheit genommen, nicht nur den Reichskanzler gegen die Borwürfe der Eonjcroativcn. er habe kein Herz für die Lantwirthschaft, in Schutz zu nehmen, sondern auch über die Frage sich zu äußern, ob durch die Besetzung der Aemter de» Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten mit ver schiedenen Männern der Einfluß Preußen« aus das Reich in uachtheiliger Weise vermindert worden sei. Nach den uns vorliegenden Berichten erklärte Gras Eulenburg: „ES ist gesagt worden, bah die preußische Regierung keinen ge »uzend«» Einfluß im Reich habe, und besonders daß ich persönlich leinen Einfluß auSübe» könne. Ich kann nicht verlangen, daß Gras Mirbach die Angelegenheiten, die mich angeden, so im l ledächtniß har, daß er wissen sollte, daß ich bereits zweimal länger« Jahre Mitglied des Bundesraths gewesen und in diesen Dingen incht ganz ununterrichtet bin. Aber auch sachlich ist die An- lielrgenheit keineswegs von der Bedeutung, die ihr von ver> lchiedenen Seiten beigelegt wird. Unsere Bundesverfassung be ruht daraus, daß im Bundesrath nicht die persönliche Meinung des einzelnen Bertreters zum Ausdruck kommt, solider» es werde» Li« Stimmen abgegeben nach der Instruction dos Staates, welchen er vertritt. Und nun werden Sie mir zu- geben, daß «ine bedeutendePersönlichkeit unter Umständen einen sehr großen Einfluß gewinnen kann, aber nach der staatsrechtlichen «Lonstructioa des Bundesraths, soweit es auf die Ltlmmeiiabgade ankomint, kann der Betreffende die Stimme nur abgeben io. wie er beauftragt ist, für Preußen also so, wie sie in allen wich- ligen Angelegenheiten vo» der preußischen Regierung festgestellt ist Also es ist ein Jrrtbum, wenn man anoimmt, daß die preu ßiichc Regierung im Bundesralh nicht genügrnd vertrele» sei. . . Davon, daß die Machtstellung Preußens nicht genügend gewahrt worden sei, kan» keine Rede sein. Ich Hab« vor zwei Jahren Gelegenheit gehabt, mich eingehend über das BerdälNiiß vom Reich zu Preußen zu äußern, und zwar namentlich in Beziehung aus die rrenuung der beiden ersten Aemter. Ich bin weit davon ent fernt, mich nach der einen oder anderen Richtung hin zu begeistern, das sind Fragen, welche je »ach de» Um- 'landen und je nach der Persönlichkeit einmal in dem Sinne, einmal in einem anderen entschieden werden können. Aber nach den zweijährigen Erfahrungen, mng inan über di« Sach« denken wie man will, muß ich doch sage», der Einfluß von Preußen im Reich ist bisher nicht zu kurz gekommen." Da« heißt mit anderen Worten: eS ist jetzt nicht an der Zeit, der Lösung der Frage näher zu treten; es ist möglich, daß die Trennung der Aemter sich als nachtheilig erweist, bis jetzt kan» man daS aber noch nicht behaupten; Preußen bat bis jetzt einen größeren Einfluß im Reiche nicht gebraucht und kann daher die Lösung der Frage bis zu dem Zeitpunkte vertagen, an welchem daS Bcdürfniß nach größerem Einfluß ich geltend macht. Den Conservatiden ist damit bcmerk- lich gemacht, daß die preußische Regierung sich als treibenden Keil aus den Grafen Eaprivi jetzt nicht benutzen zu lassen gewillt ist; was die Zukunft bringt, läßt Graf Eulenburg im Dunkeln. Jetzt soll Ruhe sein. Vielleicht auch aus parla mentarischem Gebiete. Schon vor einigen Tagen nabin j man an, der preußische Landtag werde von der Regie rung unter Verzicht auf die noch nicht durchbcratbenen Gesetzentwürfe demnächst geschloffen werden. Diese Annabmc gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch die Rede des Grasen Eulenburg, die deutlich genug erkennen läßt, daß bei der preußischen Regierung daS Rubcbedllrfaiß vorwiegt und ganz besonders wenig Neigung besteht, Dinge zum AuStrag zu bringen, welche die Frage der Zweckmäßigkeit der Trennung der beiden ersten Aemter brennend machen könnte». Unser Berliner s» - Correspondent schreibt unS hier über: »Die deutsche Politik richtet sich nach der Natur, die in diesem Jahre ganz außergewöhnlich rasch dem Sommer zueilt. Eommerrube schon im April für den ReichSiag, vielleicht auch für den Landtag, jedenfalls für die ganze Politik Ruh' in allen Wipfeln. Diese zu verkünden, bat der schweigsame Graf Eulenburg im Herrcnhause seine Rede gehalten. Tie überaus schwüle Witterung begünstigte die Rübrung nicht, sonst würde wobl über manche bärtige Wange eine Zähre gerollt sein, als der preußische Ministerpräsident mit mülteilicher Zärllickkeitdcn schützenden Mantelum dendeutschenReichSkanzler legte. Und nun ist Alles gut — bis zum Herbst. Bis dahin aber zuverlässig. Man darf eines ehrlich gebastenen Waffen stillstandes zwischen den getrennten Aemtern und, vielleicht von dem Kintertroinmellärm einiger schwer versiebenden Ossiciöscn abgesehen, für einige Monate jener Langeweile in der Politik gewärtig sein, die Graf Caprivi versprochen, welche aber eintreten zu lassen bisher über seine Kräfte ging. Wie das so gekommen ist, mögen die Weisen erklären, eS haben vcrmutblich verschiedenartige Wünsche und Umstände auf den Abschluß eines Gotlessrirbens hingedrängl. Die Form der conservativen Opposition wird dabei nicht dir letzte Rolle gespielt haben. Ob da« Erlöschen der Landtags- session Ulitbestimmende Ursache der Ruhe oder eine Folge derselben ist, sei dahingestellt. Jedenfalls wird da- preußische Parlament dem deutschen sehr bald in die Ferien Nach folgen und gleich diesem politisch bedeutsame Aufgaben ungelöst zurücklaffen. Die LandwirtbschaflSkaminern, das Kirchenversassungsgesetz und die Eanalvorlage bleiben wobl alle drei liegen. Sollten sich die conser vativen Zeitungen über das Schicksal der Stöckcr'- schen Herzensangelegenheit erbosen, so wird man die Entrüstung sehr «um grsno snlm nehmen dürfen, denn wegen der Kammern und des EanalS ist ihnen der Ausweg des Einschlafens nicht unbequem. Sie wären schließ lich in die Lage gekommen, gegen die obligatorischen Land- wirthschaftskammern, deren Ablehnung sie den National liberalen als Frontstellung gegen die Landwirtbschast an- rcckneten, selbst in namentlicher Abstimmung zu votiren. Also auch sie profitiren von dem verfrühten Sommer, den man einem voraussichtlich sehr rauhen politischen Winter vorangehen läßt." Bezüglich der angeblichen Verhaftung deS deutschen HauptmannS von Seel in Frankreich wegen Spionage ist zu bemerken: In der jüngsten Rang- und Quartierliste von 1893 wird zwar Hauptniann von -secl noch als Play major von Bitsch ausgeführt; derselbe hat jedoch bereits im vorigen Jahre seinen Abschied genommen. Weiter scheint festzu stehen, daß der nicht mehr active Hauptmaun, Platzmajor außer Dienst von Seel sich auf einer Erholungsreise befunden hat Ausgeschlossen erscheint hiernach, daß Herr von Seel, als er an» ll. April aus dem Bahnhöfe von Marseille a>S der Spionage verdächtig angebasten worden sein soll, erklärt haben könnte, er versehe augenblicklich noch die Functionen als Playmajor von Bitsch, wie dies in der französischen Presse behauptet wird. Der „Matin" sagt, Herr von Seel sei vo» einer „RccognoScirung i» den Alpen" gekommen und bade durch sein Benebmcn die Aufmerksamkeit der Bebörden wach- gcruscn Nach dem Bureau des Spccialcomnnffarö geführt, bade er seine wirkliche Identität zunächst nicht sestzuslellen vermocht. Die unbesliininten Antworten sollen dann den Ver dacht verstärkt babe», auch sind angeblich bei dem Ver hafteten, sowie in dessen Gepäck „Papiere sehr compro- miiiirenker Natur", insbesondere ein Notizbuch mit Noten, welche die Alpengrenze betrasen, sowie Karten gesunden worden, „ans denen die Lage der mililairiscken Werke berichtigt war". Dann erst soll Herr von Seel seinen wabren Per sonenstand angegeben habe». — Zunächst läßt sich schwer ab- sehen, welche Bedeutung die Position der militairischen Werke in den Alpen für Deutschland haben soll, da an der Alpcn- arenze für Frankreich doch nur Italien und die Schweiz in Betracht kommen können. Em deutscher Officier wird ilnet- dalber sicherlich nicht spionircnSbalber in den Seealpe» berumkriechcn. Da an amtlicher Stelle in Berlin nichts Näbercs über die Angelegenheit bekannt ist, muß man über de» sonderbaren Fall erst Aufklärung abwarten, ebe man ihn weiter behandeln kann. Wahrend Pariser Blätter zu berichten wissen, der Procurator von Marseille babe die amtlickc Ausiorderung erbasten, gegenüber dem „deutschen Ossicier" eine strenge Ucberwachung anzuordnen, und das hochnothpeinlictie Verbör werte mit aller Energie fortgesetzt, meldet der i» Straßburg erscheinende „Elsässer", v. Seel befinde sich zur Zeit in Bitsch, wo er sich auch während seiner angeblichen Verhaftung aus- gehalteu babe. Das entspricht dem ossiciösen französischen Dementi von der Berbastung, das aber von der Pariser Presse völlig ignorirt wird. Ausklärung bleibt, wir gesagt, abzuwarten Tie Ab sichten Frankreichs auf Madagaskar dürste» durch den Gang der Ereignisse aus der Insel zu beschleunigter Reise ge vu-acht werden. Wie man weiß, ist der Republik dort von den übrigen europäischen Mächten so ziemlich freie Hand gelassen, und Frankreich würde seine» Vortheil daselbst schon längst energisch wabrgenonimen babe», wenn eS nicht nach der Seile der internationalen Politik durch die getroffenen Abmachungen sich vollständig beruhigt wüßte. Andererseits legt den Franzojc eben ihre bevorzugte Stellung in Madagaskar auch gewisse wenigstens moralijcke Verpflichtungen aus, für den Fall, daß Freiheit und Leben der dortigen Ausländer von den Eingc borcnen ernstlich bedroht werden sollten. Nach den mit der letzten Post auS Madagaskar cingetroffenen Nachrichten nun hat die Lage daselbst in der Thal eine bedenkliche Ver schlimmerung ersahren, dergestalt, daß auS den euro päischen Colonistcnkreisen immer dringender der Ru nach Schutz sich erhebt. Wenn Frankreich in Wahrheit mit dem Gedanken umgeht, seine Schutzhcrrschaft über Madagaskar zu begründe», so wäre der Augenblick dazu jetzt nicht übel gewählt. Es scheint auch, daß man in den franzö fischen RegierungSkreisen dem Plane eines energischeren Aus tretenS auf Madagaskar nicht abgeneigt ,st; verschiedene An deutungen, welche in den letzten Wochen durch die Pariser Blätter gingen, lassen daraus schließe», daß der Plan der E.. sendung eines ExpcditionScorpS »ach Madagaskar erwogen wird Dasselbe würde daS französische Protectorat emsctzcn und in der Hauptstadt Tananarivo eine dauernde Garnison stationiren. — Der zwischen dem Hengestaat und Frankreich entbrannte Gebietsstreit betrifft das rechte Ufer des Ubangistromcs und das Thal deS Zuflusses des M'Bomu. Der Eonaostaat bat im Norden über die vierte Parallele hinau« eine Reibe Posten errichtet, deren Räumung Frankreich fordert. Tie mäckst'gc» Sultane der streitigen Gebiet«, der Sultan von Baiigasjo und der Sultan von Samio, stehen im Bunde mit dem Eongostaate, der diesen Sultanen Gewehre. Kanonen und Munition geliefert bat. Beide Sultane stehen mit ihre» Kricgerschaaren gerüstet, um im Vereine oiit von belgischen Ofsicicrc» bescbliglen congostaatlichen Truppen jeden Einbruch der Franzosen mit Gewalt zurückzuweiscn. Da« congvstaat- liche Hauptquartier befindet sich unter dem Oberbefehle deS EapitamS Le Marmel iu Ljakoma, am Zusammenflüsse de- Ubangi und M Bomu. Unweit davon haben die Franzosen in Abiras einen Posten errichtet, den Eapitain Decazrs und Lieutenant Julien mit k»«0 senegalesischen Schützen besetzt kalten. DaS siebt sehr kriegerisch aus, und vorläufig will noch keiner von beiden slreilcntcn Tbeilen nachgebcn. LörauS- ichtlich wird aber schließlich doch ein Ausgleich gefunden Verden müssen. In tSiigland soll das Experiment des Achtstundentag«, nachdem man in den Slaatsarsenalen für Armee und Marine damit begonnen, nun in großem Stile fortgesetzt werden. Wie aus London gemeldet wurde, bat daS Unterhaus die zweite Lesung der Bill, betreffend die Einführung des Achtstunden tages in den Bergwerke», mit 28l gegen 194 Stimmen an genommen. Im Lause der Debatte batte bekanntlich der SiaatS- sccrctaic des Innern, ASquitb, erklärt, er und die große Mehrheit tcs EabinetS unterstützten die Vorlage, woraus her vorgebt, daß inncrbalb der Regierung selbst keineswegs Uebcr- einstimmung über die Ratbsanikeit dcö Versuches berrscht. Ebaraktcrisiisch ist andererseits, daß die Mehrheit für den Gesetzentwurf außer a»S den Liberalen aus einem nicht geringe» Tbeil der Eonscrvativen und der liberalen Uiiiviustcn bestand. Daß sowohl die meisten Arbeitgeber des vereinigten Königreichs, wie überbaupt alle die jenige» Kreise, welche mitten im wirthschaftlichen und socialen Leben der Nation stehen, der Sache die schwersten Bedenken entgegeiilringen, haben wir wiederholt hervorgehoben. Die Bergwcrtdesiyer sind entschiedene Gegner de« Achtstundentages, und ihr immer wiederkehrrndeS eoternm conijs,» ist die sorgenvolle Frage: Was wird auS dem Kampfe der einheimischen Industrie gegen den Wettbewerb de« AuS- lantes, wen» die Jnlant-prvduction immer kostspieliger, die Lebenshaltung der arbeitenden Elasten immer anspruchs voller sich gestaltet? Wenn Lord Roseberh letzthin gegenüber den Dclegirte» de« Bergarbeiter - Verbände«, die er cmpsing, der Zuversicht Ausdruck lieh, daß Englands Vorgehen auf der Bahn deS Achtstundentage- die Staaten des europäischen EontinenteS nach sich ziehen werde, so verliert dieser Hinweis durch daS naheliegende Beispiel deS Freihandels sehr a» Nachdruck. Auch mit dem Freihandel ging England voran, statt aber diesem System auf dem ganzen Weltall Bahn zu breche», gestattete sich die Entwickelung so, daß überall das System des Schutzes der nationalen Arbeit die Oberband gewann, und daß jetzt sogar in England die Bewegung, welche das Mutterland und seine Eolonien zu einem gegen die andern Staaten abgeschlossenen Zollvcrband zusamnicnschweiße» will, schon im Begriff steht, ihre Hand nach der Siegespalme auS- rustrccken. Auch mit dem Experiment des Achtstundentage«, fürchte» die Industriellen, werde England sür andere Leute das Lehrgeld zablc» und die Kosten tragen müssen, zum Schaden seiner eigene» Production, zuni Nutzen der auslän dischen Eoncurrenz Selbst in den Kreisen der Bergarbeiter bat der gesetzlich sestgelegte Achtstundentag viele Gegner. Die Bergleute von Northumberland und Durbam wollen nicht« Fereilletsn. 2m feindlichen Leben. 21 Roman von I. Schwabe. <N»ddri»k »erd«tni.> Ein enger Winkel thut sich vor ihnen auf; ein winzige- Fenster hoch oben in der Wand, wie in einem Gesängniß, läßt nur ein schwaches Dämmerlicht in dieses, offenbar dem nahen Corridor nur durch eine dünne Bretterwand abge- wonnenc Dreieck hinabschimmern, und Fräulein Hochbeim schaudert, als habe sic in ein unterirdisches Verließ geblickt und ihre Augen hängen fragend an Rose's schöner Gestalt, als bemühe sie sich vergeblich, deS Mädchen- elegante Er tcheinung mit dieser Umgebung in Einklang zu bringen. Und wieder lächelt Rose leise und sagt: „Hier schlafen Miezchen Kerbel und Lulu Brenner und an die dritte Wand dieses Käfigs sollte mein Bett zu stehen kommen — ich aber habe dafür gedankt. Muß man sich denn Alles gefallen lassen?" Und um Rose'S schön geschwungene Lippen liegt der ausgesprochenste Trotz. Nun ist eS Fräulein Hochheim, welche lächelt. „Sie kaffen sich wohl überhaupt nicht- gefallen", sagt sie mit ihrer tiefen Stimme. „Nein, so leicht nicht", lachte Rose. Die Fremde hat offenbar ihre Freude an de« Mädchen« sieghaftem Wesen „Sie sollten „Victoria" beißen", sche«t sie, ein wenig müde. „O, nein", wehrte Rose ab; „Alles kann ich leider nicht durchsetzen. Vergeben« habe ich mich bemüht, auch diese beiden Kinder anS dem abscheulichen Winkel da heraus zu bringen, aber Madame war noch dickköpfiger als ich. DaS kümmert e« sie, daß Miezchen schwindsüchtig ist und klein Luln'S blühende Jugend bei solcher Scklafstätte verkümmern muß Ich wollte sie beide mit zu mir nehmen — da« Zimmer ist groß und luftig, der reine Salon! Aber Madame fürchtet Revolution unter den anderen Geistern und hat nicht Lust, sämmtliche junge Damen so elegant einzurichten, wie e« in meinem Kopfe steht, und sie verstand sich nur schweren Herzen« dazu, mir ihr höchst überflüssige«, nur halb eingerichtete« Fremdenzimmer eiuzuräumen, weil ich ihr rrNärt hatte, daß ich sofort wieder abreisrn würde, wenn sie keinen anständigen Schlaff«« für mich habe. — Wem» man seit acht Jahre» sich mit dem Leben herum geschlagen hat, lerot man eS, Deutsch mit den Leuten zu reden", fügte sie, wie ihre rücksichts lose Energie enschuldigend hinzu. „Und diesen so mühsam eroberten Salon soll ich nun mit Ihnen »heilen?" fragt Fräulein Hochheim, „thut es Ihnen nicht leid?" „Nein; da- heißt, eigentlich war mir der Gedanke sehr ungemüthlich. Ich hatte mich in den fünf Monaten so nett da oben eingerichtet, nun sollte ich Gesellschaft bekommen — Gott wußte, wer daS nun wieder war! Jetzt aber bin ich beruhigt und heiße Sie herzlich willkommen in meinem eich!" „Ich danke Ihnen; aber, wenn Sie sich nun täuschen. Wen» ich wirklich eine höchst ungcmüthliche Person wäre?" Rose blickte offen forschend in da« ernste Gesicht vor ihr. „Ich glaube nicht, daß ich mich täusche", sagte sie herzlich. „Sie sind ein gute-Kind", meinte die Fremde, fast mütterlich zärtlich. „Ich bin vierundzwanzig Jahre", lachte Rose. „Und ich fast dreißig und ich komme mir oft noch viel älter vor." Rose schüttelte verwundert den Kopf. „Sie sehen nur so ernst auS und so vornehm; aber kommen Sie doch hinüber, da ist unser berühmter Salon!" Dieser Salon! ES war ein großes Gemach im dritten Stock mit zwei Hellen, breiten Bogenfenstern, die auf einen weiten, mit prächtigen alten Linden besetzten Platz binauS gingen. Zwei saubere Matratzenbetten standen in seiner Mitte, über welche weiße Decken gebreitet waren. Auch eine schön polirte Waschkommode, mit einer Marmorplatte, welcher Luru«! schmückte den Raum, welcher außerdem nocki einen einfachen Schrank und die Koffer der beiden jungen Mädchen aufwie«. Zwei Stühle, auch einfach, aber nett und im Hinter gründe eine große, grünverhangene Garderobe, welche dir Familie Haspe bemltzte, dazu ein breiter Gla«schraok mit dem FrirrtagSporzellan und einigen Gläsern Eingemachte« — war er nicht herrlich, dieser Salon? Und alle» war sa»brr und frisch und bell, dafür sorgte Rose schon selber und durch die große» Fenster strahlte die Sonne hinein, di« Sonne, d« ste alle so sehr liebten und io deren belebenden Strahlen sie doch nur gar so selten wandeln dursten! Und Fräulein Hochbeim athmetc sichtlich erleichtert aus, da sie diesen Salon erblickte, der ihr aber doch nur deshalb in so rosigem Lichte erschien, weil die kluge Rose ihr znvor eine» Einblick in die übrigen Gemächer verschafft hatte. Dir kluge sonst so kühl denkende Rose hatte den merkwürdig romantischen Gedanken, daß dies« stolze, ernst vornehme Er scheinung nothwendig au« einem Grafcnhauie stammen und durch irgend welche- Unglück hierherverschlage» sein muffe. Sie nabm sich vor, der Fremden ein treuer Schutzgeist zu sein auf dem rauben Boden deS Hause- Eonrad Haspe und sie meinte, sie werde sie sehr liebhaben können, viel mehr noch als Lulu und Miezchen, denen sic doch recht gut war, die aber doch nur liebe, anhängliche Kinder waren während jene — o, wenn sie doch einmal eine Freundin haben könnte! — Rose ist ganz glückselig zu Mull, bei dem Gedanken. Aber daS Fräulein ist doch seltsam verschlossen und so sehr zurück haltend, so gar nicht zum vertraulichen Plaudern aufgelegt, wie eS scheint — da hat sie Rose denn Abends nach GeschästS- schluß zunächst für eine Stunde allein in dem großen Zimmer gelassen, hat mit Miezchen und Lulu und Aline Winter ein weniq geschwatzt unten im allen düster» Eßzimmer, und hat die Kinder getröstet, welche fürchten, die hübschen Abende in Rose's Zimmer seien nun vorbei mil dem Auftauchen dieser „schwarzen, geisterhaften, unheimlichen Erscheinung", wie Mieze ,agt. „Unheimlich?" denkt Rose, und „unheimlich?" fragt sie sich, da sie endlich ihr Zimmer auffucht. — Fräulein Hochbeim war gewiß sehr müde, sie hat sich inzwischen längst zur Ruhe gegeben. Wie ein schöne- Bild liegt sie da in den weißen Kiffen, regungslos. Rose wagt kaum aufzutreten, um ihre Ruhe nicht zu stören. Da dringt ein leise-, tiefe« Stöhnen an ihr Ohr und Rose schleicht sich auf den Zehen an daS Bett der neuen Gefährtin. Und nun siebt sie zwei krampfhaft verschlungene, weiße Hände und einen wahrhoft verzweifelten Au-druck in dem schonen Gesicht. Die Augen sind nur leicht geschlossen und Thräne aus Thräne tropft auS ihnen hervor. — Rose wagt eS kaum, zu athmen, da aber seufzt jene so tief, so erbarmungswürdig ans, daß sie sich nicht enthalten kann, zu sagen: „Liebe« Fränlein, ist Ihnen nicht Wohl, oder ist eS nur, weil Sie sich so unglücklich bei un« fühlen, daß Sie so weinen?' Und sie sucht ihr leise vorzustelleo, Laß eS wirklich nicht so entsetztlich bei Oswald Haspe sei, daß man sich mit der Zeit an inauchr« gewöhne, daß man ja nicht auf ewig an daß Hau« gefesselt sei und sein Glück nach einiger Zeit von Neuem wo ander- versuchen könne, wobei aber auch nicht eben viel heran» komme, wie die Erfahrung sie gelehrt habe umsonst — die Fremde antwortet nicht. Sie beginnt aur leise »od i» erschütternder Werse zu schluchzen uod spricht auch ferner kein Wort. Da setzt sich Rose still am Bette nieder und ergreift ihre Hände und flüstert ihr freundlich Nebreicke Worte zu und legt ihr zuweilen die eigene kühle Hand auf die glühende Stirn. So sitzt »ie wohl mehr als eine Stunde lang, diS daS krampfhasle Schluchzen ruhiger wird, der fliegende Atbem leiser gebt und endlich tiefer Schlaf die Ausaeregte umfängt. Dann geht auch Rose geräuschlos zur Ruhe. 3. Sie hieß Dora Hochbeim; das heißt, eigentlich hieß sie Dora von Hochbeim, aber das ging im Geschäft natürlich nicht. Ihr Vater war Ossicier; die Mutter verlor sie schon frühe, und als der Vater vor etwas mehr als einem Jahre starb und sie nebst einer jüngeren Schwester säst mittellos zurück ließ, da war sie viel zu stolz, um vo» der Gnade ihrer Verwandten zu leben und zog eS vor, ibr eignes Brod zu essen. Tie Verwandten waren freilich scbr empört darüber und sagten sich endlich ganz von ihr loS, nur ein Vetter von ibr, der auch Hochheim heißt, Erwin von Hochbeim, welcher auch Ossicier ist, Hauptmann in B., und welchen sie sehr gern zu haben scheint, bekümmert sich noch um sie, obzwar auch er nicht gerade über ibrcn Entschluß in Entzücken ge- ratben ist. — Sie aber hatte sich durch keinerlei Einwendungen wankend machen lassen, ließ sich sür Eorrespondenz und Buch führung auSbildcn »nd nahm ihre erste Stelle als Buch halterin in E an. Von dort war sie in gleicher Eigenschaft an Eonrad HaSpe empfohlen worden; ihre junge Schwester aber, die, zart und schwach bei den Verwandten zurückblieb, haben sie vor zwei Monaten zu Grabe getragen. — DaS Alle« batte die zudringliche Gesellschaft, Madame an der Spitze, glücklich gleich in den nächsten Tagen cmS ihr herauSgelockt »nd Rose war ganz empört darüber. Wie sic eS haßte, solch' ein neugierige» AuSsragen! Selbst offen und zutraulich, fragte sie dock nie und erfuhr deshalb nur, was ibr Andere freiwillig, im Bcdürfniß nach einer mit fühlenden Seele, mitthcilten. Und war das nicht besser, al- solch eine trockene LcbenSgcschichtr? Sie hatte mit keinem Wort gesragt und Dora Hochhrim hatte ibr nickt» gesagt, aber sie sah den tiefen SchmerzenSzug um den ernsten, nur selten lächelnden Mund, sie sah die dunkeln Augen oft so träum- und leitverloren in die Ferne schauen, und sic umgab die Fremde mit einer zarten, fast rührenden Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Miezchen und Lulu, Rose's bisherige Pfleglinge, wurden ganz eifersüchtig «k dieser Sorgsalt und Aufmerksamkeit.
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