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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940505026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894050502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894050502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-05
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Aber was rorbergegangen war und wa- nachfolgte, unterschied sich merklich von dem Vorbilde. Der alte Curs hatte sich eines RcickSlagS entledigt, der mit seiner Mehrheit Windthorst- Grillenbergcr-Richter der geborene Gegner der RegierungS- kolilik und einer Hecresverstärkung gewesen war. Graf Eaprivi hingegen war mit einem Parlamente nicht zum Ziele gelangt, in dem neben den natürlichen Freunden einer ausreichenden Wehrmacht starke Parteien verlreten waren, die Grund und Neigung hatten, seine Stellung zu befestigen. Schon hatte dieser Reichstag der Regie rung eine Heeresverstärkung bewilligt gehabt, und es bedurfte einer ungewöhnlichen Taktik, um ihn in einer Lebensfrage tcs neuen Curses in die Opposition zu drängen. Der zweite Kanzler zeigte sich der Schwierigkeit gewachsen. Er hatte turch seine mit der Osnabrücker Ansprache um die Palme iiaalSmännischer Voraussicht ringende Zahlenwuthrede vom November 189t die Auflhürmung der Hindernisse glücklich rorberritet. Als die Zeit der Erfüllung nahte, sicherte die publicistische Einleitung der Action, die in ihrer Zweckdienlichkeit nur von der neuesten Leistung des Officiösen beim „Hamburger Correspondenten" erreicht wird, sowie sein schroffes Ablchnen der Bennigsen'schen und sein zu späte Annahme der Huene'schen Vcrmittelungsvcrschläge den schwer erreichbaren Mißerfolg. Am 6. Mai und an den vorhergehenden Tagen wurde un Reichstag gefeilscht, wie aus dem Markte, aber das Geschäft zerschlug sich, die Militair- vorlage wurde mit der unerwartet großen Mehrheit von 2l0 gegen 162 Stimmen abgelchnt. Aus der großen staatS- männischen Action war keine andere Realität hervoraegangen, als die Notbwcndigkeit, bc.m römischen und dänischen Hof einige „Mißverständnisse" aufzuklären. Die Neuwahlen freilich ergaben, Dank der gesunden Grundstimmung des Volkes, eine knappe Mehrheit für die herabgeminderten HeereS- forderungcn der Regierung. Während aber der Scplcnnats- ceichstag eine ersprießliche Thäligkeit entfaltete und sich selbst verständlich auch der Pflicht unterzog, die Einnahmen zu den Ausgaben zu bewilligen, ist der Nachfolger des unter dem neuen CurS aufgelösten Reichstags ein völlig unberechenbarer Factor geworden mit wechselnden, unnatürlich gebildetenMajori- lälcn.dicinnatioualenExistenzsragen versagen. Der 6. Mai >893 bat einen schlechten Reichstag entfernt, um einem nicht besseren Platz zu machen. Eine jedenfalls erfreulichere Bedeutung hat der Tag als Todestag berdeutschfreisinnigen Partei. Sechs Mitglieder derselben hatten für die Militairvorlage ge stimmt und am Abend versammelte Herr Richter die Fraction, um die Abtrünnigen Hinausweisen zu lasten. DaS gelang, wenn auch mit geringer Mehrheit. Aber im Uebrigcn batte der Partei-Autokrat, dem in vieljähriger Dictatoren- berrlichkcit das Maß der Dinge verloren gegangen war, sich schwer verrechnet. Er erließ am folgenden Tage — nur mit seinem Namen und dem Gefälligkeitsgiro eine- süddeutschen Demokraten versehen — einen Ausruf an die Wahlkreise, sich um ihn als den Führer einer neuen „freisinnigen Volkspartei" zu schaaren. Alle, Alle — blieben weg Be, den Hauptwahlen errang die neue Partei auch nicht einen einzigen Sitz, erst bei den Stichwahlen aelangten, von den verschiedensten Parteien auS den ver schiedensten Beweggründen gestützt, Herr Richter und zu il,u, 2l weitere Abgeordnete als die Trümmer seiner bis dahin 67 Mann starken Partei io den Reichstag. Der „hörbare Ruck nach links" war mißglückt, d,e lügenhafteste» Zahlenausstellungen und bcstillustrirten Flugblätter hatten nicht- geholfen. Ein Tbeil der Wähler verdammte die Ver leugnung de- CardinalpunctcS im FortschrittSprcgramm, der zweijährigen Dienstpflicht, ein anderer zog die Consegucnz der deutschfreisinnigen Agitation und wählte socialdcmokratisch. Seitdem fristet Herr Richter als vom „Vorwärts" aus drücklich bestallter Großpensionair der Sociatdcmokralie uud gelegentlich beschäftigter Condotliere des CentrumS sein poli tisches Dasein. Er trägt sein wohlverdientes Mißgeschick mit leidlicher Ergebung, manchesmal aber faßt ihn ein unwider stehlicher Drang zur Selbstvcrspottung und dann schreibt er in die „Freisinnige Zeitung": Ter Abgeordnete Richter hat dem Miguel oder dem PosadowSky das Conccpt verdorben. Der im Leitartikel unseres heutigen Morgenblattes be sprochene, mebr interessante als erbauliche Streit zwischen der kanzlerofficiösen „Nordd. Allgem. Ztg." und dem preußisch-officiöscn „Hamb. Corr." darüber, ob die vo» dem letzteren angeführten Beweise für den engen Zusammen hang zwischen Ve» obersten Stellen örS Reiches und tu Preußen nicht nur richtig, sondern auch zweckentsprechend seien, wird von beiden Blättern fortgesetzt. DaS elftere bringt nämlich die folgende neue Erklärung: „Der „Hamburgische Correspondent" batte sich kürzlich die Mühe genommen, den engen Zusammenhang zwischen den obersten Stellen des Reichs und in Preußen zu erweisen, sich dazu aber gänzlich un- geeigneter Mittel bedient. Das Blatt hatte behauptet, daß einer- feits Erwägungen in der Reichsinslanz wegen etwaiger Verlängerung der Frist »ür die Zuckerausfuhrprämie» „aus den Einspruch der preußischen Regierung, insbesondere des preußischen Finanz- Ministers" fallen gelassen worden seien, und daß andererieiis „entschiedene Bedenken" der berufenen Vertreter der Reichspolitik di« Aufnahme eines Sicherheitsventils für di« Provinz Posen in den preußischen Gesetzentwurf über die Landwirt». schastSkammern verhindert hätten. Auf unsere Bemerkung, daß diese Erzählungen jeder Begründung entbehrten, bleibt das Hamburger Blalt bei seinen Behauptungen stehen und fragt, ob denn das Dementi bedeuten solle, daß in beiden Fällen keine Einigung zwischen dem Reich und Preußen stattgefunden habe. Die Frage trifft den Kern der Sache nicht; denn e« haben in beiden Fällen überhaupt keine Meinungs- Verschiedenheiten obgewaltet, die das ein« Mal durch eine» Einspruch Preußens, das andere Mal durch eine Einmischung der Vertreter der RcichSpolitik in eine preußische Angelegenheit zu begleichen gewesen wäre». Warum von Reichswegen der Anregung aus Jnleresienlenkreisen, die Frist für die Zuckerprämien zu per- länger», nicht nachgegeben worden ist, das hat, wenn wir nicht irren, gerade der „Hamburgische Correspondet" zu jener Zeit (December vor. Jahres) richtig unter zahlenmäßigen Angaben über die Wirkung des bestehenden Gesetzes auSeinandergesetzt. Wie in diesem Fall« zu einem Einspruch Preußen- keinerlei Anlaß vor- gelegen hat, so ist auch in dem anderen vom Reichskanzler niemals ein Bedenken geäußert worden. Der „Hamb. Corr." wird nun wohl erkennen, wie wenig seine Beweismittel der löb lichen Absicht entprochen haben, Diejenigen szu widerlegen, „die fortwährend von Differenzen zwischen de» Inhaber» der obersten Reichsämter und einzelnen preußischen Minister» reden". Wenn übrigens einzelne Blätter von der Angelegenheit unter der Rubrik „Kampf der Officiösen unter einander" Nolcz nehmen, so befinden sie sich in einem Jrrthum. Nach Lage der Dinge kann der Gewährsmann des Hamburger BlatteS nur seine eigene Phantasie zu Rathe gezogen haben." Gleichzeitig schreibt der „Hamb. Corr.": „Aus Grund eingezogener Erkundigungen gewinne» wir den Eindruck, daß die „Nordd. Rllg. Ztg." bei dem gegen Mittbeilimgen des „>>amb. Corr." gerichteten Dementi nicht genügend unter richtet gewesen ist. Zu der Zeit, als die Frage der Auircchlerhaltung der Zuckerprämien in negativem Sinne entschieden worden ist, hat man zuständigen OrtS gar kein Geheimniß daraus gemacht, daß aus Anlaß der bekanntlich von Allerhöchster Stelle im Reiche gegebenen bezügliche» Anregung unter Anderen auch der preußische Finauziniiilstcr zu einer Aeußerung per- antaßt worden und daß wesentlich aus die von diesem erhobene Be- denken >ene Anregung fallen gelaffen ist. Ebensowenig scheint die „Nordd. Nllg. Ztg." in dem zweiten Falle von den Vorgängen ausreichende Kenntniß zu haben; da eS sich aber um eine »och schwebende Frag« (LandwirtbschastSkammernl handelt, verzichten wir zur Zeit aus »ine weitere Auseinandersetzung." Eine weitere Aufklärung hat man sonach im „Hamb. Corr." zunächst nicht zu erwarten; sie ist aber auch kaum nöthig. Jedenfalls lassen die Wendungen und Windungen der „Nordd. Allgem. Ztg." den „Kern der Sache" erst reckt unberührt. Haben — daö ist dieser Kern — preußische Regierungskreise ein „Sicherheitsventil" für die Provinz Posen für nothwendig erklärt oder nicht? Diese Frage muh die „Nordd. Allgem. Ztg." verneinen können. Ist sie dazu außer Stande — und das muß Jeder annehmen, der sich erinnert, welche „SichcrbeitSventile" Herr Miguel und mehrere seiner preußischen Collcgen früher für dringend nölhia ge halten baden —, dann behält der „Hamb. Corr." Reckt, denn die Schutzmaßnahme fehlt in dem preußischen RegierungSenlwurs über die LandwirtsckastSkammern, obgleich die Behörden der Provinz Posen cinmüthig eine solcke Maßregel al» nothwendig bezeichnet haben. Ueberall wird man daher den Eindruck haben, daß der „enge Zusammen hang" zwischen den obersten Stellen de- Reiche- und in Preußen in diesem Falle hergestellt worden ist durck dir Unterwerfung Preußens unter den Willen de- Reichskanzlers, der den polnischen Bundesgenossen so manckcS heißen Scklacht- tagcS nicht kränken mochte, aber auch seinen Sieg nicht ge rühmt sehen mag, weil er nickt stolz aus ihn ist. Wenn der «enge Zusammenhang" zwischen den obersten Stellen de« Reich» und in Preuße» sich noch oft so glänzend offenbart, so können — die Polen sich beglückwünschen. Der sranzöfische Panamarnmmel hat einen würdigen Abschluß gesunden: Cornelius Herz ist frei und kann un behindert nach Frankreich zurückkrhren! Man erinnert sich, daß Herz vom verstorbenen Baron Reinach und der Panama- esellsckaft große Summen erhalten, nach Rcinach'S Be- auptunz erpreßt hatte. Es sollen an die 10 Millionen gewesen sein, die Herz dem Hauptagenten für die parlamen tarische Bestechung abgenommen bat, nachdem dieser sie von der Canalgesellschaft zu unlauteren Zwecken bezogen. Als die Enthüllungen erfolgten und der geängstigte Baron Reinach vor dem Anfang des ProceffeS sich da» Leben genommen, Herz sich nach England gerettet hatte, als die Proceffe wegen gesetz widriger und betrügerischer Geschäftsführung und wegen Be stechung nach vielem Lärm und langen Berhandlungcn ein kläg- jichcS und unbefriedigendes Ergebniß geliefert hatten, und auch diese- vor dem CaffationShose unter dem VcrjäbrungS- paragraphcn der Vernichtung anbeimgesallen war, blieben nur mehr die Civilklagen der Panama-Obligation-inhaber gegen Herz und die Erben Reinach und die der letzteren gegen Herz 88. Jahrgang übrig. Der durck besonderes Gesetz im vorigen Juki zur Vertretung dieser Klagen gegen VerwaltungSratd und sonstig« Personen, die widerrechtlich Gelder von der Panamagesellschast bezogen, eigens ermächtigte Vollmachtinhaber der Ovligation«- bcsitzcr erwirkte bann am l5. Februar diese« Jahre- die Verurtkeilnng gegen Cornelius Herz. Von diesem Zritpuncte bis zum 10. März wurde daraus der heute vorliegende Vergleich unter den bclhciligten Parteien glücklich unter Dach gebracht. In kurzen Worten läuft derselbe darauf binanS, daß die Gcsammlsorderimgen der Panamagesellschaft gegen Rcinack und Herz ;»m Zwecke des Ausgleiches aus 3 Millionen Franken scstgcstellt werden, daß t 500 000 Franken davon Ur. Cornelius Her; und Gattin zur Last fallen, die im Lause eines JabrcS abzuzablen und als Tilgung aller Forderungen, sowohl seitens der Erben Reinach als der Panamagesellschast» zu betrachten sind. Die Erben Reinach zahlen ihrerseits den ObligationSiuhabern t Million Franken aus und treten ihnen außerdem ihre Forderung an die Erben des verstorbenen ehemaligen Minister- Barbe, der auch von Reinach Panamagelder be zogen, ab, wofür auch ihnen vollständige Quittung ertheilt wird. Die Forderung an die Erben Barbe beläuft sich auf 550 000 Franken. Seitens der Vertreter der Obligation«- inbaber und der Erben Reinach werden alle gegen Herz schwebenden Klagen und Beschlagnahmen zurückgezogen Die sämmttichcn Kosten des Verfahrens gegen Herz in Frank reich, sowie im AuSlande, sowie die Kosten, die der Ver gleich mit sich gebracht hat und nach sich ziebt, auch an Stempel und dergleichen Gebühren, fallen mit Zinsen ' Cornelius Herz zur Last. Die von ibm zu erlegende Summe von 1 500 000 Franken, sowie die jedenfalls nickt kleinen Kostenbeträge werden als Hvpotbck auf den in Pari« liegenden Hänserbesitz der Eheleute Herz eingetragen. Der CivilgerichlSbos deS SeinedepartementS bat diesen Aus gleich genchinigt und rechtskräftig gemacht, da» strasgcrichttiche Verfahren gegen Herz wird eingestellt, nachdem die Panama- Abwickler die BelrngSklage zurückgenommen haben, und der AiiSlicferungSaiiirag wird zurückgezogen. Von den Pariser Blättern protestier der „Soii" heftig gegen diesen samostn Ausgleich und fi'ibrt ans, die Justiz muffe ikreu Laus nebmen, da der Wohlstand und die Ehre der Natron durch Cornelius Herz geschädigt worden seien. DaS Blatt fordert das Mini sterium auf, seine Schuldigkeit zu thu». In der Tbat erscheint eS auch kaum glaublich, daß derartige private Vereinbarungen «in strasaerichtlicheS Verfahren beende» sollen. Sollte eS dock bei dem Spruch de- Pariser CivilacricktS sein Bewenden haben, dann dürste die Sckwindelsirma Herz, deren..todtkranker" Cbes seine Ges'undbcit wahrscheinlich bald wiedercrlangt haben wird, in Kürze wieder an- Geschäft gehe». In Prag hat die Bermäblu ng de« „ungekrönten König-" von Lpanten Don Carlos mit der Prinzessin Roban in aller Stille stattgesundcn. Do» Jaimc, der Sobn de« Prätendenten, bat an der HochzcilSseier nicht Theil ge nommen; zürnend blieb er in Spanien zurück, und die Feste, die in den Baökischen Provinzen und in Navarra von den Carlistcn auS Anlaß der Vermählung ihres „Königs" veran staltet wurden, bat der Mißvergnügte gemieden. Diese Haltung seines Lohnes wird ein bitterer Wermuthttropsen in dem hochzeitlichen Freudenbecher Don Carlos gewesen sein, und die nachträgliche Auflehnung eines TbcilcS seiner Anhänger gegen die Mahnung de- Papste-, sich mit der alsor.sischen Monarchie zu versöhnen, kann dem Carlistenober- haupl jene Bitterkeit kaum versüßt baden. Es kommt Hinz», daß die Auflehnung gegen den päpstlichen Willen sich in einer zu milden Form äußert, um ganz ernst genommen zu werden. Don Carlo-' Anhänger wollen nicht nur gute Carlisteu, sondern vor Allem auch gute Katholiken bleiben, und so Zm feindlichen Leben. 71 Roman von I. Schwabe. lNa-druck ««rseten.) (Fortsetzung.) Fräulein Hubert aber dacht«: Wenn Ihr singen wollt — meinetwegen; ich aber habe keine Lust, Eure Schildwache ab- nigcben. Kümmert Ihr Euch dock sonst nicht viel um mich! ES ist mir auch im Grunde einerlei. Ich werde doch über kur; oder lang die Erste hier, und wenn Herr oder Frau Haspe sie einmal bei ihren albernen Faxen erwischen — kann e« mir nur recht sein. Die Anderen aber verließen sich scelenruhig darauf, daß Fräulein Hubert schon auspaffen werde. Sie trauten ihr zwar nicht allzuviel und hatten sie sehr im Verdacht, daß sie eine kleine Zwischenträgerin sei, daß sie eS verstehe, sich bei Madame in ganz besondere Gunst zu setzen vnd daß eS ihrem Verdienst immer zuzuschreibcn sei, wenn Monsieur einmal zu ungewohnter Zeit ganz unerwartet unter ihnen erschien, wenn man gerade einmal etwas lesen wollte, oder wenn man sich, als Ersatz für ein schlechte«, ungenießbare« Mittags mahl. Kuchen und Kaffee batte vom HauSburschen besorgen laßen oder gar Schinken und Brod und bayrische« Bier! Ater ertappt war man doch noch niemals worden, dazu stand man denn doch selber zu vorsichtig alle Zeit auf Posten, und wenn man aus Furcht vor Fräulein Hubert « böser Zunge fick nickt mehr bätle rühren sollen, na, da hätte man sich ,a gleich begraben taffen können, und dazu War man doch noch entschieden zu jung! Und wenn Fräulein Hubert nicht auf- paffen wollte, so konnte sic eS bleiben lassen! Und wenn der Ebes eS einmal entdeckte, daß sie zuweilen sangen, so war e« auch einerlei — den Kopf mußte er ihnen ja doch wohl lasten! Fräulein Hubert aber versprach se,erlich, Wache halte» zu wollen, und nun bettelten Alle von Neuem: „Ein Lied. Rose, ein Lied!" Langsam erbob sich Rose endlich von ihrem bequeme» Sitz, gäbotr ein klein wenig, reckte sich ein wenig, al« wollte sie den letzten Rest von Träumerei abschütteln, und sagte: „Ra, »rinetweaen! Aber, wa« denn ?" „Die Ballade, Rose, die Ballade!" rief Miezchen begeistert. -Ader da« liegt ihr za viel zu hoch!" flötet« Alin« Winter mit ihrer hohen Stimme, die immer leicht gefühlvoll vibrirte. Fräulein Winter spielte Clavier und hatte auch «in paar Gesangstunden gehabt, ehe ihr Vater, der Herr RegierungS- registrator, starb und al« die Verhältnisse sie zwangen, in« Geschäft zu geben ; sie war die einzige, außer Dora, welche überhaupt Musikstunden genossen hatte, und sie war nicht wenig stolz darauf. Sie hatte deshalb immer em sehr weise» Urtbeil in musikalischen Dingen und wiederholte nun mit großer Wichtigkeit: „Dce Ballade liegt Ihnen viel zu hoch. Selbst bedeutende Künstlerinnen haben die Senta nicht geben können, weil die Partie so hoch liegt." „DaS weiß ich, Verehrteste", versetzte Rose ruhig: „ich bin auch keine bedeutende Künstlerin und singe die Ballade, wie eS mir paßt, nämlich so tief, wie e« meiner Stimme paßt. Warum sollte ich nicht, wenn e« mir Vergnügen macht? Sind nicht dieselben Lieder für Sopran und Alt, Tenor und Baß umgesrtzt worden? Ich bin schon sehr froh, daß ich die Ballade überhaupt so gut behalten habe!" „Ja, eS ist zum verwundern, wa« Sie Alle- behalten, Rose." „Nun denn in GotteSnamen die Ballade! Aber rasch, Rose, rasch, sonst kommt Madame, ehe Sie fertig sind." Und sie begann. Halblaut, mit süßem, träumerischem Aus druck erklangen die ersten Töne, al- getraue sie sich nicht her vor damit, oder auch, als müsse sie sich erst hinein finden, dann aber brauste die prachtvolle Stimme wie Orgelton auf, der Bortrag wurde freier, feuriger, wahrhaft dramatisch be lebt; die meerblauen Augen öffneten sich weit, al- sähe» sie va« Gespensterschiff in seiner ganzen Unheimlichkeit vor sich. — Dir schöne Gestalt stand, leicht bewegt, auf einer breiten, vorspringenden Stufe, mit kleinen gemalten Tischen und Eragören im Hintergründe, wie ans einem Podium, und ihre Zuhörerinnen blickten atheml»« entzückt »u ihr auf, die ganz selbstvergessen in ihrer Rolle aufging. War da« nicht wirklich Senta, wirklich und leibhaftig — wa« that es, daß die Stimmt um so und so viel Töne tiefer erNang? Und als sie jetzt in wahrhaft bestrickender Weise sang: „O möchtest Du, bleicher Seemann, st« finde». Betet, daß bald »in Weib Tr«»« ihm halt!" da falteten sie alle ergriffen die Hände und schauten fast ge rührt zu dieser Senta auf, wrlche, die Hände betend empor gehoben, schirr unergründlichen, tiefen, schwärmerischen Blicke« zur Höhr sah. Sie wagte» e« har nicht, za klatschen, wie st« es sanft doch meist so unermüdlich thatcn, wenn Rose sang; sie waren so versunken, so entzückt und sie fuhren alle wie vom Donner gerührt empor, da dicht in ihrer Nähe eine tiefe Männer stimme ganz unerwartet in die athemlose Stille hinein rief: „Bravo — bravo — großartig — wunderbar! Wo studiren Sie Gesang, mein Fräulein?" In tiefster Verwirrung stieg Rose von ihrer Estrade herunter. Miezchen aber lächelte glückselig — da- war ja Lohcngrin! Zornig suchten Aller Blicke Fräulein Hubert — wie war eS nur möglich, daß sic eS nicht gesehen und gebort, daß ein Mann von dieser Größe den Laden betrat! Hatte sie auch geschlafen, geschlafen, während Rose sang? Fräulein Hubert aber kicherte boSbaft vor sich hin: „So Wollte ich e» haben, die Blamage ist ihr sehr gesund!" Und dann nickte sie mit dem Kopfe und tbat, als ob sie fest schliefe. Herr Eckhardt ließ indeß seine Blicke einen Augenblick amüsirt über die erschreckten Gesichter der jungen Mädchen schweifen, bemerkte auch wohlgefällig Miezchen« begeisterte- Anstarren und wandte sich dann rasch und lebhaft an die in ihrer Verwirrung doppelt schöne Rose: „Haben Sie schon Aussicht aus ein Engagement, Fräulein?" „Engagement?" stammelte Rose, und dann, wie sich selbst wiederfindend und damit auch die Herrschaft über die wunderliche Lage, in die sie so ohne Verschulden gerathrn: „Sie spotten, mein Herr, und Sie haben vielleicht Recht dazu. Es war sehr albern von mir, meinen Freundinnen den Gefallen zu thun und hier im offenen Laden zu sinken." „Aber ich freue mich aufrichtig, Sie gehört zu baden, liebe« Fräulein", entgegnet« er eifrigst, „und ich denke gar nicht daran, zu spotten; ich wiederhole nur meine Frage nach Ihrem Lehrer — Sie haben eine vorzügliche Schule!" Und seine Stimme klang so warm, seine Worte so tief überzeugt und sein« Blicke drückten so unverhohlen Bewunderung au-, daß Miezchen leise flüsterte: „Gott sei Dank, nun wird es doch so — Tristan und Isolde!" — Di« zukünftig« Isolde aber sagt« aena» so kühl und rrservirt und stolz, wie es nach Miezchen« Memnog einer Isolde im ersten Act znkam: „Wenn Sir nicht spotten, so irren Sie doch, mein Herr Ich habe noch niemal« einen Lehrer gehabt, kenne keine Note nnd singe, wa« ich singe, nur nach dem Gehör." „Ader der brillant« Vortrag, da« schauspielerische Talent!" „Ist niewal« gepflegt worden alle« nur wild ausgewachsen — wie da« ganze Menschenkind", entgegncte sie mit leiser Sclbstironic. „ES ist fabelhaft", rief er au«, „beinahe unglaublich!" Und seine Blicke streiften mißtrauisch ihr schönes Gesicht. „Ich wüßte nicht, warum ich lügen sollte!" sprach Rose stolz. „Aber — wollen Sie mir nicht sagen, womit ich Ihne» dienen kann?" „Ich wollte — nur ein paar Manschettenknövfe; aber da- ist nebensächlich, mir im Augenblick ganz nebensächlich Haben Sie nie den Wunsch gehabt, zur Bühne zu gehen?" „Wer hätte nicht Wünsche", sagte Rose, und ihre Stimme klang so viel weicher, dunkler als bisher, „man lernt eS schließlich, mit ihnen fertig zu werden." „Aber Sic müssen zur Bühne, mein Fräulein", versetzte er eindringlich, „Sic sind das Ihrem Talent schuldig. Wissen Sie nicht, daß auch da« Talent so gut wie der Adel ver pflichtet? Diese Stimme, diese« Talent, diese Gestalt und diese» Gesicht! Und Sie denken, wie e« scheint, gar nicht einmal daran, sich auSbilden zu lassen?" „DaS kostet Geld", sagte Rose anscheinend rubig, doch in hartem Ton, und ihre seinen Nasenflügel bebten nervös und um den stolzen Mund zuckle eS wie in innerer Qual, „wenn ich Geld batte — wäre ich nicht Verkäuferin ge worden !" „Bah, da« Geld!" meinte er sehr verächtlich „Wenn Sie nur wollen! Aber Sie müssen ja wollen und Dircctor Möller wird mir sehr dankbar sein, daß ich Sie entdeckt habe . . . Und die Manschettenknöpfe " Mechanisch griff Rose nach einem Kasten, der in großer Auswahl die schönsten dieser »nentbehrlicksten tArgenstände entbielt. Er nahm di« ersten besten. „Und Ihr Name, mein Fräulein? Bitte, schreiben Sie ibn mir doch auf eine Karte, ja'?" Und wie im Traum schrieb Rose Müller ibren Namen auf eine umherliegende GeschäftSkarte. Er schaute die Handschrift verwundert a» und schien sich einen Augenblick zu besinnen und wieder umfaßten seine ent zückten Blicke Rose « schöne Gestalt. „Auf Wiedersehen» mein Fräulein", sagte er heiter und reichte ihr die Hand. Sie legte wie aus höhere» Befehl die Ihrige hinein und er schüttelte sie kräftig, al« sei sie schon jetzt seine Eollrgn». Dann empfahl er sich höflich.
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