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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940508020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894050802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894050802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-08
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Tie Regierung hat zwar in den letzten Tagen nock ein kleines Gesetz eingebracht und ein .weites ankündigcn lassen, aber dies geschah wohl nur in der Absicht, der ihr wegen der Landwirtbschaftskammern erwünschten Fortsetzung der Berathungen nach Pfingsten eine» erhöhten Schein von Berechtigung zu verleihen. Man hat, was unseres Wissens in Preußen lange nicht geschehen war, angesichts dieser Vertagung aus die Kosten dingewitsen, welche durch die Notdwendigkeit, während der Unterbrechung und darüber hinaus den Abgeordneten Tage gelber zu zahlen, verursacht werden. Und in der Tbat spielt eine Summe von etwa 100 000 .^S, einer innerdiplomatischen Action zecpsert, keine geringe Rolle in einem Lande, welches für die Fori- dilbunzsschulen nicht das Allcrnöthigste auszubringe» imStande sein soll. Zumal die „Vertagung" sür die meisten Abgeordneten scheu lange vor dem gestrigen Montag durch eigene Entschließung derbeigesübrt worden war. Sb nach den Ferien in terAngelezen- heil der LandwirthschastSkammern ein positives Ergcbniß erzielt werden wird, steht dahin, diejenige des Dortmund- Rhein-Canals wird allem Anscheine nach zu Boden fallen. Lus das Wesentliche dieser letzteren Frage soll hier nicht eingezangen werden. Sollte aber der Canal in der nächsten Tagung bewilligt werden, so wäre die Verzögerung be dauerlich, da sich, wie man hört, bis dahin die Boden spekulation die Hinausschiebung zu Nutze gemacht haben wird. Von wichtigeren Gesetzen ist bei Beginn der sienen nur die Synodal-Ordnung erledigt. Die Durstigkeit seiner Leistungen wird man aber in dieser Zeit der geletzgeberiscken Ueberproduction dem Parlament kaum zum Vorwurf machen. Ter preußische Landtag hat überdies aut den letzten Tagungen in der Steuerreform ein gewaltiges Stück Arbeit hinter sich. Zu bedauern ist nur, daß der Etat eint diesmal, trotz der geringen Anzabl von Aufgaben, nicht rechtzeitig erledigt worden ist. Die schuld trägt hauptsächlich tu« Eentrum, welches die Etatsdebatte zu einer allerdings gänzlich mißglückten Entfachung der Culturkampf-Slimmung mißbraucht bat. Von dem Vorwürfe der Zeitverschwendung aus partcitaktischen Rücksichten sind auch die Conservativen nicht freizusprechen. Das Verdienst, welches sich diese Partei durch Herbeijübrung einer Erörterung über den polnischen Sprachunterricht erworben bat, ist nachträglich durch die Stellungnahme zu der Frage der LandwirtbschastSkammer für "Hosen reckt fragwürdig geworden. Auf sein früheres geistiges Niveau ist das preußische Abgeordnetenhaus nur in der Debatte über den gediegenen Finanzbericht des Abg. vr. Sattler hinausgelangt. Ein merkwürdiges Wahlerperiment ist im Grotz- terzogthum Baden in Verschlag gebracht. Dort besteht sür die LandtagSwahlcn bereits daS allgemeine gleiche Kablrecht wie sür den Reichstag, nur mit dem Unterschied, laß tie Abgeordnetenwahlen in direct, durch Wablmänner, erfolgen Seit längerer Zeit schon wird von verschiedenen Seilen an der Beseitigung des indirecten WablversabrcnS gearbeitet, dessen praktischer Werth bei der gleichen Be- reckiligung aller Steuerzabler bezweifelt wird, wie wir glauben, nicht mit Recht. Eine Commission zur Berathung eines demokratisch-freisinnigen Antrags aus Einführung de- directen Wahlrechts hat nun einstimmig diesen Antrag angenommen, jedoch unter der Bedingung, daß damit daS Gesetz und Vergeben gegen die ungarische Staatshoheit vorwirst, bildet eine von dem Comits im Mai 1802 verfaßte, in Druck gegebene und zur Uebcrreichung an den Kaiser in Wien bestimmte, in deutscher, magyarischer, französischer, italienischer und rumänischer Spracht geschriebene Denkschrift. Dieselbe erklärt, daß die im Iabre l848 erfolgte Union SietzenbürgcnS mit Ungarn die den Rumänen gewährleistete Autonomie vernichtet babe, und zwar aus Grund teS Beschlusses eines siebenbürgisckcn Landtags, in welchem die Rumänen nicht ihrer Anzabl und Bedeutung ent sprechend vertreten gewesen seien ; derselbe sei nämlich noch aus Grünt des Wahlgesetzes von 1790—9l zusammengesetzt gewesen, also auf Grund von Gesetzen, welche der Zeit deS finstern ^ Feudalismus anaehören. Weiter heißt es in dem Memo- zabl steigern könnte, da in ihren großcntheilS unbestrittene.,tt.ranrum u A.: „Wir sind Söhne eines Königreiches, an dessen Wahlkreisen bekanntermaßen die geringste Wablbelbeiligungb »Spitze mit Weisheit und Klugheit ein stolzer Sproß der daS Proportionalsystem verbunden wird, wonach die einzelnen Parteien soviel Abgeordnete erhalten, wie sie im Verkältniß zu der von ibnen aufgebrachten Stimmenzahl zu beanspruchen babcn. Die Zustimmung der Regierung und der erste» Kammer zu diesem sehr umwälzenden Antrag ist allerdings nicht wahrscheinlich. Sollte er angenommen werden, so könnte die Wirkung leicht eine weitere Stärkung der socialdemokratischen, vielleicht auch der ultramontanen Partei werden Wenn man dieses System auf die ReichS- tagSwablen anwendcn wollte, so würden die Socialdemokraten mit ihren im Iabre 1893 abgegebenen 1,7 Millionen Stimmen weitaus an der Spitze stehen, das Centrum würde folgen, e« ist aber zu bemerken, daß diese Partei, welche zulctz,', 1,4 Millionen Stimmen ausgebracht hat, leicht ihre Stimmen staltzufindcn pflegt. Die von der conservativen und der nationalliberalen Partei bei den vorigen Wahlen auf gebrachte Stimmenzabl ist annähernd gleich, rund 1 Million, die Zahl der conseivativen Vertreter aber erheblich größer^ henzollern thront, und daS rumänische Volk, seinem Könige zu Dank und zu Liebe verpflichtet, könnte nicht der Interessen deS Friedens halber die Interessen seiner Existenz als Nation und Stamm opfern." Der Kaiser hat seiner Zeit (68 gegen 53). Tie kleineren Gruppen würden wohl an- .-die Entgegennahme der Denkschrift, welche ibm eine rumänische, nähernd ebenso viele Vertreter haben, als sie nach jhrex v-n ani»».-o, Stiflimenzabl beanspruchen könnten. Wir müssen danach die Besorgniß haben, daß die schädlichen Wirkungen deS allge meinen gleichen Wahlrechts durch das Proportionalsystem nur noch verstärkt, keineswegs gemäßigt würden. ES ist auch schwer einzusebcn, an welcher Stelle die Auswahl und Ver- tbeilung der Vertreter erfolgen sollte, wenn nicht mehr da« Stimmenergebniß in den einzelnen Wahlkreisen, sondern in der Gcsammtheit derselben ausschlaggebend sür die Zahl der Vertreter sein soll. In vielen Fällen würde es dann Vor kommen, daß Wahlkreisen Abgeordnete aufgedrängt werden, deren Parteistellung der Mehrheit der Wähler gar nicht entspricht. Mit Spannung verfolgt man weit über die Grenzen Oefterretch-UngarnS hinaus den Kampf, der im Pester MaznatenbauS um die ungarische Civilebe auSgefochten wird, und der vielleicht morgen schon zur Entscheidung gelangt. Bon beiden Parteien, der liberalen Regierungs partei »nd den Klerikal-Conservativen, werden noch in zwölfter Stunde gewaltige Anstrengungen gemacht, um jede einzelne Stimme wird gerungen. Dabei tritt mit immer größerer Bestimmtheit in Pester Blättern die Behauptung aus, daß Gras Kalnoky, der gemeinsame Krieg-minister beider ReichShälften, der Mittelpunct jener Bestrebungen am Wiener Hose sei, welche auf den Fall der Vorlage hinarbciteu. Seinem Emstuß wird es zugeschrieben, daß die Desertionen im liberalen Lager größer sind, als man anfänglich annebmen konnte; infolge dessen sind die Aussichten der Regierung im gegenwärtigen Augenblick nicht die besten, doch läßt sich auch beute noch nichts Bestimmte« über da« Resultat der Abstimmung sagen, da voraussichtlich nur ganz wenige Stimmen den Ausschlag geben werden, je nachdem eS gelingt, die genügende Aiizabl Stimmen für oder gegen zu abscntiren. Sollte die gegen den Grafen Kalnoky rrbobene, fast un glaubliche Bcsckuldizung einer gesetzwidrigen Einmischung in rein ungarische Angelegenheiten sich tbatsacklich substanziiren lassen, so wird die Ebegesetzvorlage noch ein Nachspiel von kauni geringerer politischer Bedeutung babcn. — In Klausenburg in Siebenbürgen hat gestern vor dem Schwurgericht die Hauptverhandlung in dem sogenannten Memorandumproccß begonnen, d. h. in dem Proceß gegen 23 Mitglieder des ExecutivcomitöS der „rumä nischen Nationalpartei Siebenbürgens". Den Gegenstand der Anklage, welche dem Comits Aufreizung gegen wn den Wiener Antisemitenfübrern Lueger und Consorten mit offcnenArmen aufgenommene und von den Inngtschechen beglück wünschte Deputation überreichen sollte, abgelehnt. Auch in Rumänien selbst istfortgcsetzt,nai»cntlich in der letzlenZeit,lebhaft für die „Autonomie der Sicbcnbürgcr Volksgenossen" in pan- rumänischcm Sinne agitirt worden — eine Agitation, die auch schon wiederbolt zu Excesscn fübrte, und die kürzlich erst die rumänische Regierung veranlaßte, in der Kammer zu er klären, daß sie internationale Verwickelungen herbeifübren könne: bezweckt doch die Bewegung in letzter Linie die LoS- reißung der von Rumänen bewobnten Thcile Siebenbürgens von Oesterreich und ibre Bereinigung mit dem Königreich Rumänien. Ueber die Aufregung, in welche der Proceß die rumänischen Irredentisten versetzt, ist bereits berichtet worden. In den Kreisen der französischen Industriellen verfolgt man mit gespannter Aufmerksamkeit den Fortgang der Ange legenheit deS socialdemokratischen Deputieren Toussaint, welcher durch seine Brandreden während deS Streiks in Trignac so erheblich zur Verschärfung deS Con- flictS zwischen Arbeitern und Arbeitgebern beigetragen hat, daß daS Gericht sich veranlaßt fand, bei der Kammer die Genehmigung zur Einleitung deS Strafvcrfabrcns gegen den BerufSbetzcr nachzusucken. Der Dcputirtcnkamuicr kam dieser Fall sehr unerwünscht. Sie möchte es weder mit derRegie- rung noch mit den socialdcmokratisckenWählerinassen verderben; andererseits aber hat doch die Industrie des Landes offenbar ein Anrecht daraus, seiten- dcrKammcr gegen den z» ihrem schweren Schaden betriebenen Mißbrauch der parlamentarischen Immunität wenigstens soweit geschützt zu werden, daß über mäßige Herausforderungen und Aufreizungen zu Gewalt thatcn, wie der Genosse Toussaint sic i» Trignac verübte, nicht dem ordentlichen Richter in einem Staat-Wesen, das den Grundsatz der allgemeinen staatsbürgerlichen Gleichheit verkörpern will, entzogen werden. Die Kammer setzte einen Ausschuß zur Berichterstattung über den Fall ein, der bei einigem guten Willen ebne Umstände hätte vom Plenum entschieden werden können. Dadurch allein bewies sie schon, daß sie einer Ucberanlworlung deS Schuldigen an ren Richter im Grunde ibreS Herzens abgeneigt war, und der Ausschuß batte den Wink so gut verstauten, daß er mit ganz Uber wiegender Mehrheit sich gegen die Eröffnung des Gerichts Verfahrens wider de» sociale» Friedensstörer Toussaint erklärte, obgleich der RegicrungSvertretcr nachwicS, daß im Geiste deS Grundsätze-: Gleiches Recht für Alle, der Deputirle Toussaint dem ordentlichen Ricktcr nicht unter dem Vor wände seiner parlamentarischen Immunität vorentbalten werden dürfe. Infolge dieser Erklärung der Ausschußmebr beit beabsichtigte dicRegierung, die Sache fallen zu lasten, doch ist dieselbe aus eigenes Betreiben der Mehrheit der Abgeordneten, die sich noch in letzter Stunde auf ihre Pflicht dem Lande und namentlich der Industrie gegenüber besonnen zu haben chcint, wieder ausgenommen worden und soll, wie u»S der Drabt meldet, heute in der Kammer zur Sprache kommen A» den» Plenum wird cS nunmehr sein, entweder den Entscheid der Commission zu dem ihrigen zu machen oder dem Gebot des gesunden Menschenverstandes Folge ;n gebe». Im erstcrc» Falle beschwört eS eine Cabinetskrise heraus, da, wie »nö gleichfalls telegraphisch berichtet wird, die Regierung aus der Sache eine Vertrauensfrage machen wird. Jedenfalls würde das Eintreten der Kammer für daS parlamentarische Immunitätsprivileg im concrete» Falle von der Socialdemokratie zur Ziehung weiterer Con- sequenzen auf« Intensivste auSgebeutet und die Erhaltung leidlicher Beziehungen zwischen Arbeitgeber» und Arbeitern auf daS Bedenklichste erschwert werden, wenn die Kammer cS für eine» legitimen Gebrauch des DepulirtenmandateS er klären sollte, bei AuSständcn den Conflict durch Aufreizung zum Umsturz der bestehenden Ordnung bis zur Unkeilbar- keit z» vergiften. Die Kammer hat durch ihre sonstige Politik bewiesen, daß sie von dem Willen beseelt ist, den Interessen rer nationalen Industrie zu Hilfe zu kommen. Conseguenter Weise sollte man »»» auch erwarten dürfen, daß sie in einem Puncte, der sür das Wohl der Industrie kaum minder wichtig ist, als der Schutz deS heimischen ArbcitSmarkteS, nämlich die Wahrung der Autorität deS Arbeitgeber-, der DiScipli» »nd Vertragstreue der Arbeiter, sich nicht selber untreu werde. Mit ihrem Feldzug, den die Engländer im Febrn. gegen Kaba Rega von Unjoro unternommen, habe» >>e, wenn auch »och eine officiellc Bestätigung der aus Zanzibar vorliegenden verläßlichen Nachrichten auSstcht, besonderes Glück gehabt. Es wnrde, wie der Draht gemeldet hat, nicht nur daS Reich Kaba Rcga'S eingenommen und er selbst ver trieben, sondern eine Abtbcilnng der Engländer wandte sich noch Weiler nordwärts, den Nil hinab, besetzte Wadelai und hißte dort die englische Flagge. Dadurch erhält der Feldzug gegen Kaba Rega erst seine richtige Erklärung. Er war ja ein unan genehmer Nachbar, wie dies sckon Emin Pascha erfahren hat, am schwersten siel aber wokl ins Gewickt. daß sein Gebiet gerade zwischen Emin Pascka'S ehemaliger Provinz und Uganda lag. In jener, und zwar im Norden derselbe», hat bekanntlich der Belgier van Kcrckbovcn, welcher seitdem den Tod ge sunde», Fuß gefaßt, und es lag den Engländern wohl daran, ihre Besitzansprüche den Belgiern gegenüber tdatsächlich zur Geltung zu bringen. Man bat jetzt wobt bald Aufklärung über die Verhältnisse in der chcmaligcn cgyptischen Acquatorial- provinz z» erwarte»; wie dieselbe aber auch anSsallen wird, Deutschland muß sic von Neuem zum Bewußtsein bringe», daß cS dort, wo sür uns mehr zu holen war, als anderwärts in Afrika, daS Nachsehen bat. Es ist schmerzlich, jene Ge biete in sremtcn Händen zu wissen, die nur die Energie eines Deutschen cultivirtc »nd vor den Mabtistenschaaren schützte. Wäre Stanley nie nach Wadelai gekommen und hätte Emin fast mit Gewalt „befreit", so säße dic>cr noch beute in Wadelai, und hätte er sein Gebiet nickt länger für Egnptcn verwaltet, so war er der König der Acguatorialprovlnz. Die Wiederbesitz naknie seiner Provinz schwebte auch Emin vor, als er den deutschen Rcickotienll verließ und fick ans seinen Zug nach dem Nordwesien begab, der ihm in Manyema den Tod bringe» sollte. Leider fand er schon Engländer Feuilleton. Im feindlichen Leben. -> Roman von I. Schwabe. l5taa>eru<l rerl-eten.) (Fortsetzung.) „Aber Sie sind wie ein Gedicht", sagte Rose warm — eine Elegie — eine —" Tragödie hätte Rose beinahe gesagt, ta sie die nachtdunkeln Augen Dora'S so rätbselvoll von ihr weg und in die Ferne schauen sab. „Also — ich werde gehen", erklärte sic dann mit komischer Feierlichkeit und dann in ihrem heitersten, übermüthigften Tone: „Und wenn der Herr Director meint, daß etwas mit mir anzusangen ist, etwas recht Tüchtiges nämlich — eine Längen» dritten oder vierten Range- will ich nicht werden! — dann giebt es morgen Abend Cbocolate unk Crömeschnitten für die ganze Gesellschaft auf unserer Stube!" ..Es wäre himmlisch!" jubelte der ganze Cbor. — „WaS wäre denn so himmlisch, und warum wird nicht gearbeitet?" ries zürnend Herrn Haspe - nervöse Stimme ärgerlich dazwischen und er schien nicht« weniger als angenehm berührt, da drei, vier junge Mädchen auf einmal sich beeilten, ihm die neue Mär mitzutbeilcn, und zwar triumpbircnd mit- zutbeilen. Er verstand nickt eben viel von dem aufgeregten Geplauder, und erst als Rose ihm i» aller Ruhe den Sach verhalt auSeinandersetzte, meinte er, während seine unruhigen Lugen unheimlich zu ihr hinüber flackerten: „Ich würde mir die Sacke sehr überlegen. Fräulein Müller! Es ist nicht alle- Gold, was glänzt, und wenn ich Ihnen dom Ersten ab zehn Mark zulege, so wäre rS mindesten- leichtsinnig von Ihne» —" „ Zehn Mark Zulage — ist er verrückt ? Und mitten im Iabre — und nachdem sie kaum füns Monate da ist?!" so flüstert e« spöttisch, höhnisch, neidisch in der Runde, und selbst Lulu und Miezchen borckten verwundert aus. Der Cbes aber fuhr, da« ausfällige Gemurmel, di« ver wunderten Blicke kaum beachtend, fort: „Mindesten« leichtsinnig von Ihnen, eine so glänzende und sichere und ehrenhafte" — er betonte daS letztere Wort ganz descnder« — „Existenz, wie Sie sie lei mir haben, aufzuaeben, »» phantastischen Ideeen nachzujageo. di« sich, im besten Falle, doch erst nach Jahr und Tag verwirklichen können, vielleicht aber auch sich niemals verwirklichen. Ich kenne das Leben bester als Sie und habe auch schon hinter die Coulisten gesehen. Natürlich können Sie geben heut Abend, aber überlegen Sie eS sich genau, ehe Sic sich zu etwas verpflichten! Umsonst bildet Sie Herr Director Möller nickt auS!" DaS klang Alle« sehr wohlgemeint, sehr vernünftig, sehr weltklug; kein Zweifel, Herr Haspe kannte die Welt und batte auch hinter die Coulisten gesehen; was wollte daS aber Alles sagen gegenüber Rose'S warmer Begeisterung? Es verschwand wie Nebel vor der Sonne. Es mußte ja gehen! Warum sollte sie sich denn fürchten? Wenn dem Herrn Director an ihrer Stimme gelegen war, würde er ihr keine zu drückenden Verpflichtungen auferlegen, und wenn irgend Jemand anders ihr die Mittel zum Studium leihen wollte, warum sollte sie sie nicht nehmen? ES war doch bekannt genug, welche Gagen Primadonnen beziehen — wie leicht konnte da daS Studium znrückberablt werten! Nein, sie ließ Herrn Haspe - trockene Vernunft keineswegs wie Mehltbau auf ihre Freute fallen, sie giug den ganzen Tag wie auf Wolken umher, sie lachte und scherzte unaufhörlich, sie strömte von Witz und Uebermuth völlig über — selbst Dora schüttelte den Kopf zu diesem Uebermuth. „O, Dora» schelten Sie nicht", bat sie lackend — „ ick will ja gar so gern reich und berühmt werden. Wäre eS nicht ein Glück, cm große- Glück ?" Sie küßte Dora stürmisch und eilte hinauf, Toilette zu machen. Dora folgte ibr eine halbe Stunde später und da saß sie noch vor dem Spiegel und ordnete gar sorgfältig die kleinen, krausen Löckchen, die so duftig die klare Stirn umspielten. Sie trug nur ein einfache-. dunkelgrünes Kleid, aber wie gut ibr e« stand! Keinerlei Schmuck, außer einer winzigen Granat nadel, dem einzigen Schmuck, den sie überhaupt besaß; die Mutter batte die kleine Nadel ihr zur Confirmation gegeben, wie sie ihr schon von der Großmutter vererbt worden war, und unechten Schmuck trug Rose n»n einmal nichl. „O, Kind, Sie werden ja jetzt schon eitel", scherzte Dora. „Nicht wahr?" lackte Rose. „Ick habe mich eben ganz ernsthaft betrachte», Zug sür Zug, und ,ch glaube, r« wird reichen für die Bübne. Die Nase ist hübsch groß, da« ganze Gesicht energisch geschnitten, die Augen liegen gerate tief genug, und ich kann sic ganz weit aufmacken — der Effect wird nicht aoSblriben!" „Gewiß nicht, Kind; Sie haben ja scho» gestern reichlich Effect gemacht. Ich bin nur neugierig, was Erwin zu dieser Wandlung sagt. ES wird ibm Spaß machen." „Wird eS? — Ick glaube, er ist sehr gut. Aber, ei» wenig trocken — ist er eS nicht, Dora?" „Keine Spur. Sie kennen ihn nur nickt." „Und doch ist mir, als sei er ein alter Bekannter, als kennte ich ibn schon seit Jahr und Tag — er siebt so ver trauenswürdig auS." „Nicht wahr? Sagte ich eS nickt gleich. Sie könnten Ibr gewohnte«, Männern gegenüber stets beliebtes Mißtrauen diesmal bei Seile lasten? Schließlich ist'S doch schade, daß Sie nicht zur Baronin kommen!" „Warum?" fragte Rose ganz erstaunt. „Sie könnten ihn da näher kennen lernen!" „Nun, wer weiß — vielleicht gebe ick einmal Gastrollen in B." Und damit schlüpfte sie in den Mantel, hals Dora beim Anziehen deS ihrigen, drükte den kleinen, schmucklosen Hut aus das prächtige Haar, und zusammen verließen sie daS HauS durch den häßlichen, breiten, schmutzigen Tboreingang. Dora ging über die Promenade den Babnbösen zu; Rose nach der entgegengesetzten Seite ebenfalls über die Promenade »ack dem eleganten, weit draußen liegenden Stadttbeil, wo die reichen Leute sih reizende Villen in prächtigen Gärten erbaut haben. Dort lag auch daS HauS, welche- Director Möller bcwobnte. E< sah sehr vornebin auS. Ein Diener in Livröe meldete Rose seinem Herrn und führte sie eine breite, mit Terpicken belegte Treppe hinaus Sie wurde gebeten, Hut und Mantel abzulrgen, und sab sickb ald in einem eleganten Raum, einem alten Herrn gegenüber, der ihr freundlich sic Hand entgegen- strcckte und sie böslick willkommen bieß Und siebe da, sie kannte diesen Herrn — erst kürzlich nock batte sie ihm ein reizende- Perlmutterportemonnaie verkauft! Der Herr aber erinnerte sich ebenfalls vieseS besonderen Umstande«, meinte, daß sie in Folge dessen eigentlich alte Bekannte seien, bat sic in liebenswürdigster Weise. Platz zu nehmen, und erzählte im gemüthlichste» Plauderton, wie Eckoardt in Heller Begeisterung von ibr gesprocken und wie sie beide gern bereit seien, ihr die Wege zur Künstlerlaufdabu zu ebnen, wenn sie sick sür dir ersten sechs Iabre an sein Institut verpflichte und wenn Talent, Stimme und Fleiß groß genug seien, die Schwierigkeiten einer solchen Laufbahn zu überwinden Und dann mußte sie singen — Tonleitern aus und ab. Und Gott sei Dank! rS gab keine neugierigen Zuhörer» auch Lohengrin nickt, wie sie anfangs gefürchtet, und die Tbiiren zu den Nebenzimmer» waren geschlossen. Tann galt cS, il>» Gehör zu prüfen. einzelne Tone, die er aus dem Clavier anscklug, ricktig zu treffen, unv es ging prächtig, sie traf sic alle niit Leichtigkeit. Dann kamen cinfachc Lieder an die Reibe, wie sic fick im Volke von Munke zu Munde sortpslanzen, endlich die Ballade, die Eckhardt gekört. Diese aber wollte ihr nickt gelingen; sie n ar zu besangen, sie konnte sich von dem Gedanke», daß sic hier Probe singe, nickt frei mache», sie sang zwar musikalisch rein und klar, aber ohne jeden schauspielerischen Effect, der den Vortrag gestern für Eckhardt gerade so anziehend gemacht batte. Herr Möller aber schien cs gar nickt anders erwartet z» babcn, er nickte nur leicht mit dem Kopfe und sagte: „Sehr gut, mein Kind, sehr gut!" Dann sludirtc er nock einmal anfmcrlsam ibr Gefickt, fand, daß cö sehr bühnenmäßig, sehr au-drncksfäbig sei, klopfte Rose, nickt gerate zu deren Freude, kräftig aus die Schulter und meinlc: „ES wird geben, mein Fräulein, eS Wirt sicker geben! Kündigen Sie nur einstweilen Herrn HaSpe — am besten heute Abend nock Morgen spreche ick nock einmal init Eckhardt, welcher Ibnen die Gesangstunten uiienlgcltlich geben will — ein großer Vorzug, mein schöne- Fränlcin, denn kcr Sänger giebt sonst überhaupt keine Stunden, so viele Schüler er auch habe» könnte rann bekommen Sic unscrn Coniract in ten nächsten Tagen zugeschickt. Inzwischen — aus Wiedersehen, mein scköneS Fräulein!" Er schüttelte kräftig Rose'S Hand »nd begleitete sie bis nr Zimmerthür „Na, cic batten wir mit Leichtigkeit!" örtc ibn Rose, nachdem die sick kaum geschloffen, ganz laut und sehr vergnügt zu sick selber sagen, nur sic batte plötzlick da- Gefühl, als babe sie, ohne eS ;» wisse», den, Mann da drinnen ibre Seele verkauft. Sehr nachdenklich stieg sie die Treppen hinab. II. Ibre kleine silberne Ubr zeigte ein Viertel nach neun, als sie in die Thür trat und aus die Straße binan« schaute Einen Augenblick sab sie sich fast surchlsam um Es war so still hier, und eS schien ibr so dunkel, trotz der bell brennenden GaSlatcrncn draußen. Aber die Lust war so frisch, so rein, und in ruhiger Klarheit funkelte da oben daS ganze Heer der Sterne. Wie tbörick»! Sie war wirklick ganz ucrvö» aus- geregt Schäme Dick, Rose! Soll man nickt in allen Wcchsel- fällcn des Leben« seinen Gleichmuth bewahren? Bist Du so sehr an da« Wandeln in Dunkel und Schatten gewöhnt, daß
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