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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-09
- Monat1894-05
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Thüngen in einem in der „Neuen Bayer. LandeSztg." veröffentlichte» Schreibe» dem Grafen Eaprivi beleidigende Borwürse gemacht hatte. Wegen dieser Veröffentlichung bat indeß der Herr Reichskanzler eine An- liaze nicht erhoben, vielleicht deshalb nicht, weil in Bayern die Schwurgerichte über derlei Vergehen abzuurlheilen haben. Eine Anklage erhob der Reichskanzler erst, als die Berliner Zeitung „Volk" das Schreiben abdruckie. Die Anklage richtete fick gegen die drei genannte» Personen und forderte die Verfolgung des Herrn v. Thüngen wegen einer in Berlin vvllführton Beleidigung. Die Kammer tkbntc die Anklage auch auf die Veröffentlichung in ter ,N. Bayer. LandeSztg." aus. Herr v. Thüngen weigerte sich nun bekanntlich, als Bayer vor einem Berliner Gerichtshöfe zu erscheinen, dessen Eompetenz er bestritt. Er war auch in der gestrigen Verhandlung nicht erschienen und wird »iiii aus Be schluß der Strafkammer z» m nächste» Term in vorgeführt werden. Der sensativnsbedürftige Baron wird die Umstände seiner Festnahme vcrmuthlich entsprechend insccnircn und in dem leicht erregbaren Unterfranken vielleicht einen theatra lische» Erfolg erzielen. Das hätte aber jedenfalls weniger zn sage», aiS die Tkatsache, daß auch die besonnen Ur teilende» das in Berlin beliebte Verfahren »ach der gkstrige» Verhandlung nocl, »»günstiger beurtbcilen, als vor der. Die Frage der Znständiglcit, in welcher der Berliner Staatsanwalt von dem grundsätzlichen Standpiinclc des Reichsgerichts — daß ein Preßvergchcn überall verfolgt werden könne, wo die betreffende Zeilungsiiummer gelesen dird — mag, soweit sie eine juristische ist, hier unberührt bleiben. Sie hätte bei anderer und besserer Gelegenheit ent schieden werden können, wenn der Herr Reichskanzler sofort »ach dem Erscheinen dcS ihn beleidigenden Schreibens des Herrn d. Tküiigen in der „Neuen Bayer. LandeSztg " Anklage gegen den Verfasser inWürzburg erhoben hätte. Nach der politische» Seite bin ist sie von dem Berliner Oberstaatsanwälte jedenfalls im rechte» Lichte gezeigt worden. Man halte gegen die Staatsanwaltschaft den Borwurf erhoben, sie verschlechtere durch die gesetzlich ihr nickt ansgenölliigte Forderung dcS Frbrn. v. Thüngen vor ein Berliner Gericht die ohnehin be- tcnkiichc Stimmung in Bayern. In den „Hamb. Nachr." Var wiederholt und in scharfen Ausdrücken dieser Borwnrf eines politische» Fehlgriffs aus den Ehes der preußischen Justiz verwaltung, den Minister v. Schelting, ausgedehnt worden. Tie Antwort des Berliner Oberstaatsanwalts ist deutlich: Der Reichskanzler bat ein preußisches Gericht zur Verfolgung teS Bayern aufgefordcrl. „Wie könnte Jemand glauben, daß die Staatsanwaltschaft dem Reichskanzler die Er hebung einer Anklage verweigern würde mit der Begründung, daß aus politischen Gründen die Erhebung der Anklage nicht angängig sei!" Die Erklärung ist ausreichend. Die .rücksichtslose preußische Burcaukratie" hat an diesem Falle leine» Alitbeill Die ausschließliche Verantwortung für ihn trügt Gras Eaprivi, der kein Burcaukrat und nur sehr nebenher preußischer Functionair ist. Diesmal könnte selbst ein Pistolenschuß die Wahrheit nickt aus der Welt schaffen, daß der Reichskanzler gelegentlich nicht gut derathen wird. In unfern Parlamenten zeigt sich in zunebmendem Maße eine gewisse Gleichgiltigkeit und Unempfindlichkeit gegen BrrfassungSüberschrcitungrn. Es bandelt sich dabei allerdings nicht um große Gegensätze und tiefgehend» Eonslicte, sondern um Uebcrschreitungcn, die durch äußere Umstände veranlaßt sind. Aber man sollte doch, wenn eS das Grundrecht des Staats gilt, auch in äußerlichen und formalen Dingen etwas empfindlicher sein. Wir er» leben es jetzt häufig genug, daß der Etat nicht rechtzeitig fertig wird, cS werden namciillich im Reichstag, mitunter aber auch im Abgeordnetenbause, Beschlüsse, und zwar auch in entscheidender dritter Lesung von einem offenkundig beschlußunfähigen Hause gefaßt, die im Widerspruch mit der klaren Versassuiigsbeslimmung sieben: „Zur Giltigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich." I»I Reichstag kommt sogar, durch eingewurzette Praxis und stillschweigendes Gcschebenlasseii, die große Mehrzahl der Beschlüsse ans eine Weise zu Stande, deren RcchlSgiltigkeit ernstlich bestritten werden könnte. Stärker noch ist die Zumutbung, die jetzt allem Anschein nach dem kon stitutionellen Princip in der Frage unseres handels politischen Verhältnisses zu Spanien gemacht wird. Nur wenige Tage noch trennen uns von dem Ablauf deS bereits vier Mal, das eine Mal schon mit einer kleinen BcrsassuiigöUberschrcitung. verlängerten Termins für ein Provisorium. Am 15. Mai muß entweder, was doch Wohl schwerlich in der Absicht der Reichsregiernng liegt, das vertragsmäßige Berbältniß zu Spanien aufgehoben oder aber die Regierung muß im Vertrauen auf spätere Indemnität beim ReichStagdic Verantwortung übernebme»,auö cigcnerMachtvvll- kommcnheit ein abermaliges Provisorium zuzligestehen. Damit entsteht aber ein versassungsividriger Zustand, »nd zwar nicht aus wenige Tage, sondern voraussichtlich auf mehrere Monate. DaS kann man doch in der Thal nicht so ganz leicht nehmen. Gleichwohl finden wir in den linksgerichteten Blättern, die sonst die unantastbare Beobachtung des VerfassungsreckrtS als obersten Grundsatz des öffentlichen Lebens betrachte», nicht ein Wort dcS Bodenkens oder Widerspruchs gegen die Situation, in die wir jetzt unfehlbar geralhcn. Bei der Spannung, die gegenwärtig zwischen Belgien und Frankreich herrscht, mußte man einigermaßen erstaunen, bei dem amllicben Banket der französisckie» Abtheilung der Antwcrpeiier Weltausstellung den bclgiiche» Minister de Brnyn und den französischen Gesandten Bouröe sich in den Armen liegen zu sehen. Dies neueste Fraternisiren hat indessen einen lieferen Grund. Als der König den französischen Ausstellungs raum betrat, sagte er zu de» beiden französischen Eom- missarcn: „Sie kennen meine Gefühle für die fraMösische Nation, und Sie wisse», wie sehr ick wünsche, baß die zwisckieil ihr und der belgischen Nation bestehenden guten Beziehungen aufrecht erhalten und befestigt werden. Ich kenne Ihre Bemühungen hierin und danke Ihnen dafür ebenso, wie ich Sie dazu beglückwünsche." Es schweben nämlich neue Unterhandlungen zwischen Frankreich und dem Eongostaate, um, wenn möglich, de» afrikanischen Streit zu begleichen. Frankreich will, um jeden Conflict mit Belgien selbst zu vermeiden, auf sein Vorzugsrecht verzichten, wenn der belgische König den Eongcstaat Belgien überlassen will, wogegen FrankreichGebiktszugestäildnisse erwartet. Dieser Verzicht ist für Frankreich kein sonderliches Opfer, da eS sehr gut weiß — und das ist ihm auch von Brüssel aus bemerkt worden —, daß weder England, noch Deutschland eS zugeben werden, daß Frank reich den Eongostaat ganz oder tbeilweise annectirt. Andererseits liegt dem Könige sehr viel daran, daß diese französische Streitfrage binficktlich des Vorzugsrechts beseitigt wird, damit die Uebernabme des EonaostaatcS durch Belgien nicht aus Hindernisse stößt und daö Fortbestehen dcS ganze» Eongowerkes in belgischen Händen gesichert bleibt. Ob ein Einvernehmen erreicht wird, bleibt abzuwartcn; jedenfalls ebnen die jetzigen gegenseitigen FreundschastSbezeuguiigen die Bahn. — Inzwischen schreitet in Belgien auf innerpolitischem Gebiet die G ähr un g im klerikalen Lager weitersort. Nack, der jungkalholischcn Fraction, die sich erst kürzlich ans ihrem Parteitage zu Lüttich feierlich von der ultramon tanen Partei losgesagt hat, kommen jetzt auch die Bauern, die bisher zu den verläßlichsten Stützen deS belgischen Klerikalismus gehörten. Seit Jahren waren die »lira montanen Parteifübrcr gewöhnt, die bäuerlichen Wähler am Gängelbande zu führe». Die städtischen Wahlvercine stellten gewöhnlich nach souverainem Belieben die Eandidaturen für die ländlichen Wahlbezirke auf, und die Bauern batten nichts weiter zu thun, als am Wahltage zur Wahlurne zu schreiten und für die ihnen aufaezwungene» Eandidate» zu stimmen, die lediglich die Interessen dcS KlerikaliSnitiS vertraten. DaS soll nun anders werden und ein besondererBauerncongreß über die politische NeuorganisirnngdesBauernslandeS beschließen. In »ltramontanen Kreisen bat das Erwachen der Bancrn- schast begreiflicherweise große Unruhe bcrvorgerufen. Denn abgesehen davon, daß Niemand weiß, welchen Weg die länd lichen Wähler einschlage» werde», läuft ungcfäbr die Hälfte der gegenwärtigen klerikalen Senatoren »nd Abgeordneten Gefahr, die Mandate zu verlieren. Wie ernst man in kleri kalen Kreisen die Sache aufsaßt, geht aus der Tkatsache bervor, daß die Bischöfe dieser Tage i» Mecheln zusaninien- tratcn, »m unter dem Vorsitze de« dortigen Cardinalerz- dischosS GooßenS über die Stimmung in den Kreisen der Bauernschaft zu berathen. Im VerwaltungsorganismuS der französischen Republik zeigt sich eine faule Stelle nach der andern. ES bandelt sich diesmal um die Verwaltung der Eotonien. Sämmt- liche Marseiller Blätter können nicht umhin, die neuesten Enthüllungen über Mißstände wiederzugeben, die sich i» dem dort befindlichen Annex der Pariser EenIralsteUc gezeigt haben. Dieser Marseiller Eolonialdienst ist nämlich damit betraut, in den »leiste» Fällen für die Ver- proviantirung der französischen Eolonial - Truppen ans Madagaskar, in Dahomey, im Indischen Ocean und anderwärts mittelst öffentlicher Lieitaiioncn Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke werden für Rechnung des EotonialministeriumS in Marseille Wein, Mehl, Droguen jeder Art, sowie Alles, was im klebrigen die Ernährung der Eolonialtruppen betrifft und in den Eolonie» selbst nicht beschafft werden kann, gekauft. Ebenso werden dort die Anschaffungen für die Egiiipirung der Truppen, sowie für die Unterbringung in Baracken gemacht, so daß der alljährliche Geschästsumsatz sich auf Millionen beläuft. E« verlautete »un, daß Untersch leise im großen Stile stattgefuiiden haben, und eine von den Groß- kanslenten Marseilles ausgehende Petition unterrichtete den Eoloniatminister von den Mißbräuchen verschiedener Art, die sick^ die Direktion deö in Marseille eingerichteten Dienste- zu Schulden kommen ließ. Insbesondere wurde von den wirklichen Licitationcn beinahe vollständig Abstand ge nommen, um die Lieferungen ohne Weiteres guten Freunden zu übertragen. Sobald aber die Licitationcn unumgänglich nvtbwendig waren, beseitigte man die unbeguemcn Mit bewerber aus andere Weise, indem die Qualität der cin- gcreichten Proben bemängett wurde, was dann nicht ver hinderte, daß die acceplirlcn Lieferungen der guten Freunde eine weit gcriiijzcrc Qualität aufwicscn. DaS Eotonial- ininisterium bat sich gcnöthigt gesehen, den Gcnoraluispcctor Verrier zur Untersuchung der Angelegenheit »ach Marseille zu senden, während der Direktor dos in dieser Stadt cin- gerichtelen Eoloiiialdienstcö unverzüglich »ach Paris entboten worden ist. Tic Vorgänge werden wohl auch im Parlament zur Sprache gebracht werden, in welches nunmehr auch Wilson, der Schwiegersohn Grövy'S, wieder cinzicben wird. Bekanntlich Hatto die Dopiilirlenkammer ani 20. Februar in einem Anlauf von sittlicher Entrüstung mit 405 von 400 Stimmen die Wahl Wilson s IN Loches wegen der vielfachen „Unregelmäßigkeiten", die der Qrdenö- und Stimmen- schacherer sich hatte zn Schulden koinme» lassen, für ungiltig erklärt, was den abgebrühten Patron nickt hinderte, bei der Ersatzwahl in Loches wieder zu caudidircn. Und siebe da, das souveräne Volk setzte sich über jene moralischen Bedenken hinweg und hob Wilson wieder ans den Schild, wie cö auch die meisten der nicht weniger als Wilson comproinittirlen Panamahcldc» wieder zu „Ehren" gebracht bat. Für moralische Defecte hat man in Frankreich eben ein kurzes Gedächtnis;. DaS rnglische QbcrhanS beschäftigte sich am Montag mit der Angelegenheit der Flotte. Auö den Programm »tittheiluiigen Lord Spencers, die entgegen der ursprüng lichen Absicht der Regierung den Schleier doch etwas mehr lichten, ist zu ersehen, daß die Flottcn'- vermehrung sich auf den Bestand von Schlachtschiffe», Kreuzern und Torpedobooten erstreckt, d. b., das neue Programm soll England in den Stand setzen, seine maritimen Interessen während des nächsten Krieges sowohl offensiv, als defensiv voll wahren zn können: offensiv, indem seine Schlachtflotte und Torpedos den Feind anfsuchen und iin rangirten Tresse» vernichten, defensiv, indem die englischen Kreuzer für Sicherung der großen orkani schen Heerstraßen sorgen, auf denen die überseeische Zu fuhr von MassennahrnngSmiltel» erfolgt. In jedem Falle können die englischen Seerüstungen, wenn sic ihren Zweck wirklich erreichen sollen, nur im größten Stile sich vollziehen, da andere Mächte, wie Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten von Amerika, nickt säumen werden, ihre maritimen Positionen ebensalls zeitgemäß zn verstärken. Sie haben dabei vor England den einen nngcnieiiie» Vortboil voraus, daß ihre Weltorganisation ihnen gestaltet, zur Deckung de« wacksendcn ManiisckastSbcdarsS nach Belieben aus dein Reservoir der scedieiislpslichtigeii »nd sccdicnstsähige» Bevöl kerung zu schöpfen, wahrend England mit seinem Weltsystem schon jetzt seine liebe Nott, hat, selbst in tiesstcn FriedenS- zeitc» complct bemannte Kriegsschiffe i» Dienst zn stellen. Londoner Blätter machte» noch unlängst an; die Tbatsache aujmerksam, daß die Indienststellung eines Kriegsschiffes nur möglich ist, wen» dasselbe die Lücken seines ManiischastShestandcö durch Hcruinborgen bei vcn Depotschiffen ergänzt. Im Ernstfall kann England ja ans die gcsammtc Besatzung der Handclö- und Fischcrflottcu znrückgreisen, aber doch nur inncrhalh ge wisser Grenzen, die cs nicht überschreiten darf, wen» cs nicht zwei seiner riesigen nationale» Erwerbsquellen zum Versiegen bringen will. Im Ban neuer Sckisse kann England es jedem Eoncnrrciiten zuvorlhu», der cigenttichc wunde Punct ist die BcmannungSfrage, »nd das ist den maritimen Eoncurrenten Englands wohlbekannt. Feuilleton. Im feindlichen Leben. ISs Roman von I. Schwabe. tNachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Er liebt sie, und sie liebt il»n — daran ist doch nichts zu lidaucru, und sic wird schon zu ihm zurnckkchrc», wie er cS mit solchem dramalischcii Ausdruck verlangt. Ueberspannle Hopfe! Warum ist sie nickt gleich bei ihm geblieben? — Rim — und Sic — kamen wohl gerade von Möller — laben diese» Lumpen von Eomödianten gründlich ablauscn taffen — ich bade cs gesehen — zufällig — es war zum dachen! Sie sind wirklich prachtvoll, wie Herr Eckhardt sagte." Und wieder mußte sich Rose wundern, wie Herr HaSpe so ganz zufällig auf eben diesem Wege erschienen sei! „Und Sic haben eS nun völlig satt mit der Dbeater- lausbabn, Fräulein Rose?" fragte er schmeichelnd und lauernd zugleich »nt faßte nach ibrer Hand. Und Rose empfand ci» Grauen vor dieser heißen, bebenden, mrvöscn Hand; sie sab die dunkeln Auge» ihres Ehefs gleich Tigcraugcn blitze», und eine tiefe Sehnsucht erfaßte sie. Main »nd übernatürlich groß, daß Jemand kommen und sie erlösen möge ans der rings aus sie eindringenden Gemein den und sie hiliüberretten auf eine glückselige Insel ferne — ldellensern. Aber cs kain kein Retter, kein Erlöser für sic, allein wie immer stank sic dem Leben gegenüber. Nun, so wollte sic sich burchkämpsc», tapfer »nd allein wie immer, komme, was da trolle — cS sollte sie bereit finden! Und eS kam. „Rose", bat er weich, mit bebenden Lippen, „Rose schon Sic. Ihre Freundin ist klüger als Sie!" Und Rose sab, wie Dora, den Kops an die Schulter deS Geliebten gelebnt, die Augen glückselig ;» ihm ausschlug, da er sich nikterbkuglc, ihren Mund zn küssen! Empört wick Rose ein paar Schritte zur Seite. „Es ist ebschculick", rief sie, „Sic, ein verbciratbeler Mann!" „Bah, ist nicht der dort auch ein verbeirathcler Mann?! Auch ick babc meine Frau nie geliebt und — ich liebe kie, Rose! Wissen Sie das nicht längst?" Rose atbmetc tief und schwer, die Empörung nabm ibr s«8 den Athcm; sie meinte, sie müsse ersticken, und doch webte solch ein reiner, erfrischender Abendwind, »nd die Sterne blitzten so hell und klar vom unbewölkten Himmel hernieder! „Ich bleibe Dein, jetzt und in alle Ewigkeit!" flüsterte eben Dora dem Geliebte» zu, lind in Rose'S Herzen schrie eS laut: Fort, nur fort, womöglich gleich, fort au« den ganzen entsetzliche» Verhältnissen, fort, nur fort! Keinen Augenblick verweilen länger, als nötbig ist! O, der Ekel! — Und tcin Gedanke mehr an eine glänzende, ruhmgesckniückte KUiistlcr- laufhah» — würde nickt auch dort die Gemeüibeit lauern auf Schritt und Tritt? Und kein Mitleid mehr für Dora, kein Bedauern für Miezchen — — wen» sie hcimgiiig, wie bald, wie bald — war ibr denn nicht wohl, unsäglich wohl? Und zwei große, schwere Tropfen dingen an Rose's Wimpern um der Menschheit Wille», an deren Güte sic so gern glaubte und die ibr dock diesen Glaube» so grausam und so sicker mebr und niehr untergrub. „Rose, warum antworten Sie nicht?" fragte Herr HaSp« das schweigende Mätcken. „Ick babe Cie erschreckt, aber — ich liebe Sie ja, Rose!" Und wieder näherte er sich ihr unb faßte nach ihrer Hand. Da richtete sich Rose zu ibrer ganzen stolzen Höbe auf. „Sie werden mich jetzt verlassen/Herr HaSpe", sagte sie, und ibrc Stimme klang eiskalt und wie klingender Stahl, wäbrend sich doch ihre Hände krampfbast ineinander schlangen, „und Cie werden mich nicht Wiedersehen — denn morgen mit dem Frühesten reise ich ab." Er wollte auffahren. „Sie baden sich dcS RecktS begeben, mir Vorschriften zu machen. Ein Wort noch, und ich rufe den nächsten Schutzmann an! Cie werken mir ein Zeugniß schreiben »nd mir durch das Mädchen ans mein Zimmer schicke». Ibrer Frau können Sir sagen, daß ich aus irgend welchem Grunde plötzlich nach Hause gerustn sei. Sie werten nicht den geringsten Versuch macken, mich zu ballen — Sie haben kein Recht mehr Laz». — Und nun gehen Sie — ich bitte — gehen Sie!" Und wie ein Befehl «lang diese Bitte. Und er ging. Zähneknirschend ging er, aber er ging. Mntbigc Tugend bat immer! die Macht in den Händen, und selbst scheinbar zertreten triumphirt sie doch. Und er ging; aber er ging an Dora vorbei, und Groll im Herzen und Wutb über Rose « Abweisung, bereitete eS idm ein grausames Vergnügen, als störender Dämon über die Ahniingölosen hcreinzubrechen. „Guten Abend, Fräulein Hackbeil»", begann er auch hier freundlich grinsend. Erschrocken fuhr Tora zusammen. „Scköner Abend heute", fuhr er unheimlich lächelnd fort, „schöner Abend — höchst angenehm für glücklich Liebende, Fräulein Hochbcini? Warum haben Sie eS verschwiege», daß Sie solch ein zärtliches Verbälliiiß baden? Da ist doch nichts zu verschweigen! Es ist doch keine Schande — erst muß man lieben, ehe man beirathcn kann. Wann gicbt eS Hochzeit?" Auf Dora's Gesicht malte sich peinlichste Verlegenheit, ihr Begleiter aber sagte rasch: „Sobald die Vcrbältnisse es gestatten, mein Herr! Eie sind wobl Fräulein Hockikeim'S Ebes, mein Herr?" „Ja", sagte Tora, „und mein Verhältniß, Herr HaSpe — ich habe geglaubt, daß daS meine Privatsachc sei und nur mich allein angebe!" „Gewiß, gewiß, mein schönes Fräulein", böbnte er, „voll kommen Ihre Privatsache, und, mein Herr, ick werde e» ganz als Privatsachc behandeln und — Ihre Frau Gemahlin wird nichts von »lir erfahren — ganz gewiß gar nicht«, mein "»errl Aber, mein Herr» wir sind eine sehr tugendstrenge amilie, meine Frau achtet sehr aus den guten Nus unserer jungen Damen — cs wäre mir lieb, wenn daö Fräulein unser HauS recht bald verlassen wollte — Sie verstehen mich dock, mein Fräulein?" »vollkommen, Herr HaSpe", sagte Tora kübl und schmiegte sich erschauernd an den Geliebten. — Rose aber börte jedes Wort der vor ibr Herschreitcnden. Sie war wie gelahmt. Sie fuhr sich wiederholt mit der Hand über die Stirn — ob sic nur träume, ob sie daS Alles erlebe! Dann schlug sie rasch einen Seitenweg ein »nd eilte wie von Furien gejagt auf dem kürzesten Wege nach Hause. — Mit strahlenden Gesichtern erwarteten sie die jungen Mätcken ans ihrem Zimmer und wichen entsetzt zurück, da sie ihr todtenblaffcS, verstörtes Gesicht, ihre zitternde Gestalt saben, die sich kauin ausrecbt zu erhalten vermochte. Mil bebender Stimme «heilte sic ibnen da« Rötbigste mit, „nd nun die erschiockenk», zweifelnden, spöttische» Gesichter ringsum! Nur Lulu und Miezchen waren ganz echt in ihre», Zorn und in ihren Tbränen. „Und ich gebe mit Ihnen, ich gebe mit, Rose", ries Miezchen mit überströmendcn Auge»; keine Stunde bleibe ich länger in diesen, Hause! Und zu denken, daß ich daS Alle« in meiner Dummheit verschuldet habe!" Und deftiger rannen ihre Tbränen. Rose tröstete sic, wie man rin Kind tröstet. Ta« babe Alle« so kommen müsien. Wer wisse, wozu es gut sei! Und zunächst werde sie nun nach Hanse geben — babe sie doch ihre Eltern so lange nicht gesehen! Und vielleicht werde sie über B. fahren und die Baronin sebcn — vielleicht — sic wisse cS noch kam» — die Nackt sei ja »och lang genug; sic Werre ohnekin nickt viel schlafe», sic werke packen und sich Alles überlege». Und nun möge inan sie allein lassen! „Und ich werde auch packen", sagte Miezchen und ging schluchzend als die Letzte zur Tbür biuau«. lind nun draußen dies Summen »nd Reden und Mntb- maßcn und Miczchcn'S Weinen und Llllu's zorniges Aus- bransen dazwischen! Rose körte kaum daraus; sie legte mit bastiger Hand Stück um Stück ihrer Wäsche, ihrer Kleider, ihrer Bücher in de» alten großen .Koffer und borchle bebend auf Tora'S Schritt und zitterte davor. Endlich kam sic» mit leuchtendem Gefickt, mit sieghafter Miene. „Zu ihm nun doch, zn ihm!" flüsterte sic leise und ohne Rose zu beachten. „O, Tora!" schrie Rose bei diesem Anblick von Schmerz überwältigt aus, „o, Dora, wie konnten Sie das thun!" Und Dora rief erschrocken: „O Kind, Sic wissen Alle« — auch Sic babc» uns gesehen? Q, »im denken Sic wohl recht schlecht von mir?" Sie sagte cs leise, tonlos, als sei sie bereit, einen TodeSslrcich zu empsange». lind dann wild anssabrent: „O Kind, Kind, wenn Sic lieben könnten, glühend, beiß, leidenschaftlich wie ick selbst, sic würden nickt so mitleidig dreinseben und dock so verunheitciid — Sie würden mich wenigstens verstehen!" Sie tbat ibr so leid »nd sie war auch selbst so müde — Rose krackte keine Moralpredigt wegen des verbciralbcten Mannes fertig. Sie schloß die Bebende nur weinend in ibrc Arme »nd küßte sic und hat sic dann mit ansgehohrne» Händen, sich auszurassen und sich frei zn machen von einer Liebe, die sie dock schließlich unglücklich mache» müsse, ans jede» Fall. Aber — „ick will nicht, bei Gott, ich will nickt!" ries Tora in leidenschaftlicher Glnth. „Warum soll ick seiner Liebe entsagen? Warum soll ich mein nnglnckseligcö Glück zerstören, da es dock mein einziges ist?" Und Rose erbebte vor der Wildheit der Leidenschaft, die in Dora's Worten, in ihrer Stimme lag. Dann wurde sic plötzlich weicher, rulngcr; unter Tbränen zeigte sic ihr sein Bild, das sic in dem Medaillon am Arm band trug, »nd sie erzählte ihr die Gt-swickle ibrer Liebe, die eigentlich gar keine besondere Geschickte war. Cie wurde von ihm für sein Geschäft als Eassirerin engagirt. Sie trat ihren Posten a» und nach drei Tagen wußten sie, daß sie sich liebte», nach vierzrb» Tagen sagten sie cs sich, und nun wollte Tora das Haus sofort verlassen.
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