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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-10
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Daoellar,scher und Zißcrniatz nach höherem Tons. Srtra-VeUnqcn (gefalzt), nun: mit der Morgen.Ausgabe, ohne Poit^esorbeeunq ü0.—, mit Postbesvrderung 70.—. Ännadmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag«! 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachniittrrgr 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ',,0 Uhr. Vei den Filialen und Annahnie^ellen l« «in» Halde Stunde früher. >»ze,«ea sind stets an di« Oxpeviti«» zu richten. Druck und Derlag von E. Polz i» Leipzig. Donnerstag den 10. Mai 1894. 88. Jahrgang politische Tagesschau. * Lripsig, io. Mai. Die i» ganz Deutschland so kläglich verlaufene social dcmolratischc Maisricr erhält trotz dieses Verlaufes ein de tcutuiigSvoUcS l)iach spiel durch den Kamps, der in Berlin zwischen den Brauerei-Arbeitern und ihren Arbeitgebern a»S- gebicchen ist. Bekanntlich Halle ci» Tbcit dieser Arbeiter zVötlchcr) am l. Mai die Arbeit ruhen lassen; als sic am andern Tage erschienen, wurde ihnen angcküntigt, daß sic rer dem 7. Mai nicht wieder zur Arbeit zugclassc» werde» konnten und bis dahin ihres Lohnes verlustig gebe» würden. Darauf fand am <1. Mai eine Gcncral- rersa»»»lunz der Böllchergcsellcu statt, in welcher ein Eeneralstrcik beschlossen und zugleich neue Forderungen bezüglich deS Lohnes und der Arbeitszeit aufgestcilt wurden. Pon diesen Beschlüssen wurden die Brauereien am 5. Mai in Äenuiii'ß gesetzt; am 0. wurde die Rixdorscr VercinSbraucrci bvycoltirt, die den socialdemolratischen Äaiseicrern besonders energisch cntgegcngclrelcu war. Wie schon gemeldet, hat nunmehr der 82 Betriebe umfassende Vcrcüi der Brauereien Berlins und der Umgegend sich mit der boocottirle» Rixdorser Brauerei solidarisch erklärt und beschlossen, falls am Ui. Mai der Boncolt nicht aufgehoben sei, unter Einschränkung des Betriebs 2» Proceni seiner Arbeiter zn entlassen. Lurch de» weiteren Beschluß, mit Entlassungen in erster Reihe Diejenigen zu lrestcn, welche die streikende» Böttcher durch Versuche, einzelne Praiiercic» zu bcycollircn, unterstützt habe», ist ei» Zu sammenhang zwischen dem Streik unk der Abwchri»aßregel ter Brauereien gegeben. Die Brauereien habe» auch alle Ursache, diesem Ausstand gegenüber Eininüthigkeil und unersLiillerlichc Festigkeit zu zeige». Der Streik ist eine politische Action, hervorgegangcn aus der partielle» ArbeitS- »lekerlegmig am 1. Mai und bestimmt, die Arbeilörnbe am srcialtemvkralischen „Wellscierlag" sür alle Zukunft zu er zwinge». Eine weitere Forderung der Ausständigen, wonach ArbcilSkräjle nur vom Arbeitsnachweis der organisieren Bclicher entnommen werden dürfen, kennzeichnet den Äus- sianb gleichfalls als eine» im soeialdemokratischeu Äachliiileresse begonnenen. Nachdem die vereinigten Arbeitgeber ldssl» und in den folgende» Jahren den Berjuch, Urnen durch einen vom inlernallonalen Socialistencouzresse aufoelconirieir Feiertag den Fuß auf den Nacken zn setzen, adgewiesen haben, besteht jetzt offenbar die Absicht, nach der Aegcl „üiritlv et linxeru'' durch Angriffe auf einzelne Gewerbe ui einzelnen Orlen das Ziel der allgemeine» ArbeitSruhe am l. Mai allmählich zu erreichen. Für das persönliche EellungSbediirfuiß der deutschen socialdcniokratischen Führer ist die Sache von großer Wichtigkeit. Ohre ohnehin be strittene NaiigstcUung auf den Socialisteneongrcssen und innerhalb der internationalen Socialdeniokratic überhaupt wird gefährdet, wenn es nicht gelingt, den WellfciertagS- Beschluß turchzuführen. Noch grössere Bedeutung hätte eine auch nur einigermaßen ausgedehnte Maifeier sür die Aus breitung der revolutionairen Partei in Deutschland. In rielen anderen Ländern, auch in Oesterreich, kam eine ältere VolkSsitle dein Feiern am l. Mai entgegen. Dort tritt das Lcmenstralive mehr zurück, das bisherige „Blaumachen" an kiesem Tage greift um sich und erhält einen socialdcniokratischen Anstrich, cS ist aber im Wesentlichen nicht die Ausführung der soeirldeinotralischcn Ordre. Zn Deutschland aber würde der .Wellfeierlag" die Bedeutung einer ungeheuren Machtkund- gcbung ccr Sccialdeinokralic und der entsprechenden Schmäle rung des bürgerlichen Ansehens haben und ihm namentlich auch ron den der Uuisturzpartei bisher serngeblicbeucn Eleiiienlen der Arbciterwclt beigemessen werden. Ter Sieg würde um so glänzender, seine Wirkungen müßten ui» so nachhaltiger sei», weil cS gerade bisher misslungen ist, dem deutschen Bürgellhniii ii» l. Mai den Geßlerhut aufzusteckcn. Der Berliner Böttchcrstreik ist ein erneuter Bersnch, zu diesem Ziele zu gelange», und verdient darum die allgemeine Be achtung. Zn den deutschen Parlamenten spielen jetzt überall Walilreckitssnigeu eine große Nolle. Dein Reichstag bat ein ganzes Bündel sceialdcinokratischer und freisinniger An träge auf Abänderung des ReichöwablrechtS Vorgelegen, von denen nur der aus Sicherung tcö AbsliinmungSgebciinniffcS bezügliche zur Beralhung gelangt ist. Im preußischen und in anderen deutschen Landtagen wird die Wahlrcsorm- frage bei jeder Gelegenheit bcbandelt. TaS Drängen nach Veränderungen auf diesem Gebiet geht meist von der äußersten Linken, den Freisinnigen und Socialdemokratcn auS, aber auch daS Eentrum arbeitet mit an diesen Bestrebungen, deren Ziel in rer Schwächung oder Aufhebung deS größere» Wahlrechts der höhere» Steuerzahler zu den Landtagen und in der noch wcilcrgebcnde» Dcniokralisiruilg des RcichSwahlrccklS liegt. ES ist dieser Frage gegenüber eine wahre Unruhe auSgebrockcn, die sich in den verschiedenartigsten Anregungen äußert. Ob viel Praktisches dabei berauökomint, ist allerdings sehr zweifelhaft. Jedes Wahlrecht hat Bedenken gegen sich und bringt Mißständc hervor und niemals wird cS gelinge», eine nicht nur der Volkszahl, sondern auch der Bedeutung der verschiedenen Volksschichten sür Staat, Gesellschaft und Eullur vollkommen entsprechende Vertretung herbeizu- sührcn. Der allergefährtichste, roheste und culturseindlichste Zustand würde cinlrcten, wenn nur noch ganz ausschließlich die brutale Zahl der VolkSinassen den Ausschlag bei allen Vertreter- Wahlen geben würde. Wollte inan dieses Princip bis zu seine» letzten Folgerungen cutwickct», so müßten nicht nur die gesetzgebenden Körperschaften, sondern auch die Conimunal- verwaltungen den Massen anSgeliefcrt werden. Wir könnten daun in unseren großen Znduslriestädtcn schöne Zustände erleben. Einer noch weiteren Demokratisirung deS ReichS- wahlrcchtS, ebenso wie einer Schwächung der staatserhaltendeu Elemente in den LandeSvertrctungeu müsse» alle patriotischen und einsichtigen Männer Widerstand leisten. Das ncugebildete niederländische Eabinet, dessen Vorsitz, zusainmt dem Portefeuille des Auswärtige», der liberale Abgeordnete sür Utrecht, Rockt,übernommen hat, setzt sich ausschließlich auS Männern zusammen, welche gemäßigt liberalen Anschauungen huldige». Dieser Umstand, der ihm eine vollkommene Homogenität und damit ein im Allgemeinen kaum hock genug zu veranschlagendes Moment innerer Kraft ver leibt, stellt eöaUcrdingS, in Anbetracht der obwallenden Parteicoir- stellalion, aus eine recht schmale parlamentarische Unterlage. Die Fortschrittler tragen cS dem neuen Ministerium »ach, daß dessen Freunde über ihre eigenen Eandidatcn bei den Wahlen gesiegt haben. Ob cS auf die Unterstützung der Katholiken rechnen dars, ist zweifelhaft, weil diese in ihren Hoffnungen auf Berück sichtigung hei der Porteseuillevertheilung sich getäuscht finden. Tie Eonservativen ihrerseits bekunden mehr Neigung, mit den Katholiken als mit den Liberalen zusaniiiienzugebew Mit den Liberalen allein aber bat das Ministerin,» keine Kaiiimcrmehrbcit. Tie Schwierigkeiten, welche den Lebensweg des Ministeriums Roell schon von Anbeginn bedrohen, sind daher nicht geringe, und man dars gespannt darauf sein, ob und wie demselben sein erstes Debüt glücken wird. Seine vornehmste Aufgabe müßte natürlich in der Einbringung eines neuen Wahl gesetzes bcsteben, in Gemäßheit der von Roell zu den radicalcn Tauschen Entwürfe s. Z. gestillten Amendements, aber, wie nach einem aus Haag uns vorliegenden Telegramm verlautet, wird die Regierung die Frage der Wahlrescri» in der nächsten Sitzung gar nicht ans die Tagesordnung setzen, sonder» vielmehr „Zeit zu gewinnen" suchen und die An gclegcnhcit wahrscheinlich erst Ende tcS nächste» IabrcS zum AuStrag bringen. Den Dank des Landes wird sich taS Eabinet Roell damit sicherlich nicht verdiene», wobl aber seine Eristenz einige Zeit fristen, denn die Möglichkeit ist keineswegs ausgeschlossen, daß fick gleich bei der Frage der Wahlrcsorin das LooS deS Ministeriums entscheiden würde, da Roell den Anbängern des allgemeinen dcniokralischcii StiiilinrcchtS nicht weit genug, den Gegnern jeder Wablresorm aber schon crbcblick zu weit gebt. Einer Eoalition von rechts und links dürfte das junge Eabinet kani» Stand zu ballen vermögen, weSbalb es alle brennenden Fragen, so auch die jenige der Einführung dcS allgemeinen obligatorischen Mili- tairdicnstcS, ans die lange Bank schiebe» und sick inebr mit der Verwaltung als mit politische» Neuerungen befassen will, Eine» zureichenden Grund hierfür vermag man freilich nicht zu finde». Für beule Abend wird die Abstimmung dcS englische» Unterhauses über das Budget erwartet. Mil wetckeli Hoffnungen oder besser Befürchtungen man in RcgicrungS- kreise» derselben glaubt cnlgegensebcir zu müssen, zeigt eine uns durch den Draht übermittelte Ae»ßcru»g. welche der Preniicrmiiiister Lord Rosebcry gestern im Liberalen El»b zn London gcthan hat, wonach er mit der Möglichkeit rechnet, daß die Majorität der Regierung „nur zwei Stimme»" betrage. Rosebcry will auch in diesem schlimmsten Fall de» Kampf gegen die Opposition „bis ans Ziel sortsetze»", dieser Kamps dürste aber nicht mit dem erwarteten Sieg gekrönt sein. Bei der Abstimmung über die Wahlreformbill im Untcrbause war die Majorität sür die Regierung schon aus l«> Stimmen zusainincn- aeschniolzcir, acht Parncllitcn, sechs Nationalisten und cbcnsoviele Radicale hatten sich der Stimmabgabe enthalten. Ein klägliches Ergebniß! Bezüglich der Abstimmung über die Getränke- steuer-Erhöbung deS BudgelS baden die neu» Par nettsten erklärt, sick nickt nur der Stimmabgabe zu enthalten, sonder» gegen die Regierung stimmen zu wollen. Es brauchen nur andere Iren und Liberale die>em Beispiele zn folgen, und — ein zweites liberales Ministerium wäre über solche Steuer- vermebrung zu Falle gekommen. DaS Hin- und Herschwanken Roseberp'S bat lähmend ans die ministerielle Partei gewirlk, und die Begeisterung, welche man im ersten Augenblicke sür ihn empfand, ist stark im Abnehmen begriffen, denn selbst seine Anhänger kommen nachgerade zu der Einsicht, daß er auS der unbestreitbar schwierigen Lage, in welche Gladstone daS neue Eabinet gestellt hat, ebensowenig einen AuSweg weiß als sein Meister. Wie in Dänemark nach dem kürzlich erfolgte» Schluß der Reichstagssession die politische Lage sich gestalten wird, läßt sich noch nickt mit Sicherheit abmcssen. Wenn der ehr würdige Präsident dcS LandSthingS, Atvoeat Liebe, in warmen Worten den scheidende» Abgeordnete» gegenüber der Hoffnung Ausdruck gab. daß der Ausgleich zwischen Regierung und Folkelbing dem Lande einen wirklich dauernden Nutzen bringen möge, so gewinnt diese Hoffnung allerdings eine Stütze in einem vor wenigen Tagen erlassenen Maustest der moderaten Linken, worin diese ihre Freude über den Ausgleich auSdriickt und ibre weitere Theilnahme an rer Verhandlungs- Politik in Aussicht stellt. Sehr kühl dagegen stebt die Gruppe der 1.'» Mitglieder der moderaten Linien inner dem Kolkething-Präsidenten HögSbro, welche gegen den AuS gleich stimmte, »och immer den Bemühungen gegenüber, sie zum Wiederanschluß an taS Gros der Partei zu bewegen. Am stärksten beschäftigt die politischen Kreise die Frage des Rücktritts dcS Ministeriums Estrup. Estrup hat be kanntlich s Zt. erklär», er beabsichtige allerdings, nachdem der Ausgleich zu Stanre gekommen, sein Portefeuille nieder- ziilegcii, um den Änsioß, den die Liberale» bisher an einer Person genommen, für die Zukunft gu beseitigen, allein er werte sich erst dann zurückziehen, wenn die „ruhige Eiittvicteluiig gesichert sei". Nun kommt iirdej'sin eine Er klärung vom M'i»isterilim selbst in einem Artikel des Regie riiiigsblatteS, worin die Uneinigkeit bervorjzehoben wird, die zwischen Stadt und Land zu entstehen droht in Folge der Tendenzen, die sich bei dem äußersten Flügel der Agrarier zeigen, und die daraus auSgchen. nur und allein die Interesse» der Land wirtbschast einseitig fördern zu wollet». Besonders wird cs in diesem Artikel hcrvorgchoben, daß die Agrarier bei den bevorstehenden LaiitStbingSmablen Llöst zeigen, die Städtcverlrctcr zu verdrängen, um nur Vertreter des platten Landes zu wählen. Der Artikel schließt mir idcr Erklärung, wen» die politische Entwickelung fortfahrcn sollte, dieser Richtung zu folge», so würde inan sich daduvch von den ge ichcrlcil Zuslänke», die der Ministerpräsident als Garantie üir seinen Rücktritt verlangte, entfernen. Mit anderen Worle»: der Zcilpunct für den Rücktritt deck Ministeriums Estrup scheint »och ziemlich cnlscrut zu sein, lind gerade aus diesen Rücktritt ballen die Liberalen gerechnet, als sie den eonservalive» Agrarier» die Hand zum Au-gleich reichten. Die Agrarier wurde» für denselben gewonnen, weil die Re gierung ibren berechtigten Wünschen cntgegenkani. Bebarrcn sie aus ibren extremen Forderungen, so können sie leicht wieder zu Störer» tcS Friedens werden, den sie erst selbst gestiftet habe». Tic beunruhigenden Nachrichten über eine aufrühre rische Bewegung in Indien werden in der englischen Presse auf das Lebhafteste besprochen. Im Allgemeinen hält inan die alarmircndrn Meldungen dcS in indischen Fragen sonst gut untcrrichlclcii „Spektatvr" sür übertrieben und glaubt nur an eine locale Bewegung. Jedoch fcblt cS nicht a» einzelnen abweichenden Stimme». In der „Time-" z. B. stellt der Ober» Maltesen die Frage auf, ob die Engländer sich in Indien so benommen baden, daß die Indier sic tosznwcrkcn wünsche». Er bedauert, in dem schon »» M'orgciiblalt erwähnte» Artikel, die Frage bejahen zu müssen: „Wir haben keine Lehre aus dem Aufstand von 1857 gezogen. Wir haben rin Mal »ach dein andern untere europäische Art »nd Sitte emem asiatijchen Volke aufdrangen wolle». Wir haben Ehe- gejetze a»getastet, die einem Volke von 200 Millionen Seelen heilig sind. Welche Ursache Hallen wir, Gebrauche anzutasten, die be standen Hatten, ehe unsere Vorfahren das Land eroberte», und welche Niemandem schadete»? Wir wollte» in Indien gesetzgebende .sivrperjchasleii eiiisuhren, die aus Wahlen nach der Mehrheit hcrvorgehc» sollten. Co etwas bat inan in Indien nie gekannt. ES paßt anch nicht dort. Tie Hindus sind der zahl- reichsie Volksstanini, die Mohammedaner aber der trästigste und i» den nördlichsten Provinze» auch der einsluhreichste. Tann kam die Opium-Commission, an deren Verhandlungen säst A>0 Millionen persönlich interessirt waren. Die Commission will den Matu-« guo belassen. Aber Jeder weiß, daß eS zum ossenen Aufstande gekommen Ware, wenn die Entscheidung anders ausgesolle» wäre. Gegen den Ansstand, der sich in einem solche» Falle erhoben hätte, wäre der von 1857 »inderspiel gewesen. Schon die bloße Einsetzung einer solche» Commission muß ein so seinsühliges Volk, wie die Indier, erschreckt habe». Ma» iniiß nicht vergessen, daß in, Jahre 1857 keine wirkliche» Ursachen sür die Vesürchtungen der Cingevorcnen bestanden. Die eingeietteten Patronen, von denen so viel gesavcll wurde, »xislirte», aber sie waren nicht gebraucht worden. Die bloße Thalsackie ihrer Existenz genügte, die Indier zur Nebellion zu treibe». Warum sollte sich so clwas nicht wiederholen? Es ist lhöricht, die Vorsehung zu versuchen, iiidem man «mein Volke FeiriHetsii. Im feindlichen Leben. 11> Roman von I. Schwabe. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Aber ich werde vielleicht sehr ungeschickt sein — schaudcr- lust ungeschickt sogar! Ich war noch niemals in einer Ge sellschaft und kann wahrscheinlich nicht einmal eine anständige Verbeugung machen." „Das lernen wir, o das lernen wir! Sie brauche» cS auch nicht gerade so zu mache», wie die Anderen. O, diese Gcsellschaftsiiieiischcii mit ihre» ewig sich gleich bleibenden NelenSarlcn. Sie sind für mich frisch wie ein Waltgucll, wie eine Lase in der Wüste! Und „schautcrbast", welch' ein kräs- ligeS Wort! Ick liebe die kräftigen Menschen! — Also — Sie bleiben zunächst bei mir. In vier Wochen reisen wir Hu- saimiien nach EmS oder Bade» Baten. — Gehalt sollen Sic auch baben — ick weiß, daß Sie das brauchen und Zeit zum Musiciren laste ich Ihnen auch und zum Schreiben auch. — Herr von Hockbeii» wird sich freuen, seinen Schützling zu jeden, und da fällt mir gerade ein, daß er mir gestern erzählte, er bade ein paar Novellen und zwei Gedickte von Ihnen irgendwo angebracht. Sic haben wirklich Glück. Aber man im»; nicht zn viel Wcr.h aus solch kleines Talent legen, man muß erst jeden. wie es sich weiter entwickelt, und ich denke mir außerdem. taS Theater müsse doch eine viel größere Anziehungskraft aus Sic auSüben! Sic meinen nicht? Nu» jedenfalls muß man erst etwas erleben, ehe man gut schreiben kann! Ibr Leben war doch biSber so trocken, so einförmig — man muß sich nur wundern, wie Sie überhaupt den Muth zum Schreiben fanden!" Rose wollte so gern ibrer Freude über die Annabme ihrer Arbeiten Ausdruck geben» wollte gern sage», wie cS ihr jetzt siwiel angenehmer erscheinen würde, mit der Feder, in ruhiger, stiller Weise ibr Brod zn verdienen, und wie sie sich Müde den werde, daS Leben zu sludircn, und wie daS Leben im ause der Baronin ibrem bescheidenen Talent doch gewiß sebr zu gut kommen muffe — die Baronin ließ sie aber gar nicht dazu kommen; lebhaft plauderte sie weiter: Herr von Hockbeim wundert sich übrigens aleich mir sehr, wo m aller Welt sie die gründlichen Kenntnisse, welche Ihre Geschichten verrathen', aufgelesen haben. Auch eine so genannte höhere Töchterschule reicht dafür nicht auS und junge Damen pflegen das in der Schule mühsam Erlernte leicht und gern zu vergessen." „O, ich vergaß nichts", lachte Rose, „cs interessirte mich Alles viel zn sehr!" „Aber nach der Schule — Ihr Leben bot Ihnen doch wenig Gelegenheit, sich weiter auSzubildcn?" „O, ich batte eine große Bibliothek allzeit zu meiner Beifügung!" Sie sagte cS mit solch reizender Schelmerei, daß die Baronin sie ganz verwundert ansah. „ES war freilich nur Packpapier", fuhr Rose scherzend fort, „aber ich las Alle-, Alles, was ick in die Hände bekam kein winzig Blättchen entging meiner Lescwutb. Seit Iabr und Dag trieb ich cs so und wie oft bat man mich auSgctackt. Aber welche Schätze enthielten die grossen, allseitig bedruckten Bogen sür mich! So babe ich Naturgeschichte und Philosophie, Weltgeschichte und Literatur, Verse von allen Sorten und — leider auch Theologie durchaus studirt mit heißem Bemüben!" „Ei siebe da — auch der Faust ist Ihnen geläufig?" „Natürlich, und ich liebe ibn sehr. Aber ibn kenne ich nicht auS meiner Maeulaturbibliotbck, ick besitze ihn selbst, sonst hätte ick ihn nicht fast auswendig lernen können. Denn das wunderbare Packpapier war doch immer nur für kurze Stunden mein, oft nahm man mir cS unter den Händen fort, wenn ich gerade an der interessantesten Stelle war, und nur zuweilen kam ick dazu, mir ein tüchtiges Packet sür ruhige Minuten aus mein Zimmer zu retten." „Ein »lüheseligeS Studium!" spottete die Baronin. „Mührselig, aber lustig, nicht wahr?" meinte Rose beiter. „Nu», wie mann'S nimmt — mrineBibliothek dürfte Ihnen übrigens sehr imponiren." „Ich zweifle nicht daran und ich werde sehr glücklich sein —" „Herr von Hochheim", meldete plötzlich der Diener und lieft Gluth stieg ebenso plötzlich in Rose'S schönem Gesicht ans; hastig erhob sie sich und sah den Eintretenden glücklich lächelnd an. Auch die Baroin erhob sich bastig; sie sah da- tiefe Roth der Freute auf Rose'S Wangen und sie sah auch, wie des Hauptmann- Auge ganz selbstvergessen auf dem schlanken Mädchen ruht«, da er ibr ganz unvorbereitet so plötzlich gegenüberstand. Zwar vergaß er keine-weg», der Baronin die Hand zu küssen, wa< so hübsch «nd ritterlich «»«sah, vir Rose fand, aber wie leuchtete sein Blick, mit dein er Rose begrüßte, da er in ihrem schöne», offne» Antlitz die reinste, unverhüllte Freude über sein Erscheinen laS. Und zornig flogen die Blicke der Baronin von ihm zu ihr und hart und kalt klang ihre Stimme, da sic sagte: „Meine neuste Gesellschafterin — vorzustcUcn brauche ich wohl nicht!" Er reichte Rose unbefangen herzlich die Hand. „So schnell schon, Fräulein", sagte er sichtlich erfreut, konnten Sie sich so rasch frei machen?" Sie wollte antworten, aber die Baronin ließ sie wieder nicht zu Wort kommen. „Rasch genug", lachte sie hart aus, „eS ist wirklich zum Lachen: eS ist lbal)ächlich komisch! Hören Sie nur, Erwin", und Rose zuckte leise zusammen bei der vertraulichen Anrede — „hören Sie nur: Eckhardt hört sie zufällig im Laden singen — eigentlich haben Sie ein sebr lustiges Leben höchst leichtsinnig ausgcgcbcn, mein Fräulein — also, Eckhardt hört sie singen und hält sogleich dem alten Möller einen Vortrag über den neuentdecklcn Stern. Möller läßt sic am nächsten Abend Probe singen, taS war gestern, »nd Eckhardt ist so närrisch, sie vor der Tbllr zu erwarten — Sic müsse» eS ihm wirklich sehr angelha» haben, mein schöne- Fräulein! — Er will sie nach Hause begleiten — cs war etwa» toll, wie Sie seben, Erwin, sic aber ist in scheuer Mädchenhaftigkeit nicht einmal entzückt über die Ebre, welche ihr widerfährt. Doch wandelt sie mit ibm die Promenade entlang, wobei er ihr selbstverständlich den Arm angebotcn hat »nd dabei ein wenig übertrieben böslich — Fräulein Müller sagt zudringlich — gewesen ist. Fräulein Müller aber verläßt ib» eiligst, höchlichst cnipört, gicbt auch ebenso eilig jede» Gedanken an die doch so beiß ersehnte Theaterlaiishahn ans und läuft und läuft, um nur au« der Nähe dieses schrecklichen Menschen zn kommen und lau t — ibrem Ehef gerade in den Weg, der noch weit zudringlicher als Eckhardt, ibr, ebne Weiteres, eine Liebeserklärung macht. — DaS läßt die durch Herrn Eckhardt angesachte Empörung in ihr in Hellen Flammen cinporlotern; sic ist außer sich über die Schmach, die ibr widerfahre», sagt dem Herrn Ehef nachdrückliH't ihre Meinuna »nd säbrt heute mit dem Früdzuge davon. Mvci von ihren Freundinnen, ebenfalls empört von dem schaudcHastcn Vorgang, sind gleich ibr entflohen — Ibre überspannte Eousinc gekört natürlich auch zu ihnen. — Es ist wirklich zuni Lachen — ich kann mir nickt helfen. Für die Romantik der Sache hat Niemand Sinn gehabt, wie mir scheint — welch' nüchtern« Tugendengel!" „Verzeihung", sagte da Rose bescheiden aber fest, „nüchterne Tugend erscheint mir immer noch besser, als Unehrcnhaftigkcit, auch wen» sic daS Mäntelchen der Romantik umbängt." Tic Baronin sah sie überrascht und herrisch an. „Ei. mein Fräulein", sagte sic schncidciib, „so herausfordernd? Meinten Sie, noch unter Ihren Eolleginncn zu sein'?" „Aber Melanie", bat der Hauptmaiin leise und nach drücklich — „sie »»iß sich doch erst an die neuen Verhältnisse gewöhnen!" Er warf der ganz bestürzten Rose einen ermunternden Blick z»; sic aber senkte still den Kopf — wo war die Sonne geblieben, die ibr doch vorhin so hell über kein Hause der Baronin zu stehen schien? Nein, daS war doch nickt- für sie — ihre Ansichten zu ver leugnen, würde sie nickt lerne». Auch dieser Traum war aus. Würde sic nie das Träunicn verlernen und endlich vernünftig werde»? lind ihr lebcuSwarnicS Gesicht ward plötzlich Han und eisig; stolz richtete sie sick auf: ein kiiblcS Lächeln der Verachtung spielte sür einen Augenblick um ihren Mund; entschlossen knöpfte sie den letzte» >dnopf ibre« langen, eleganten HaiibschnbeS wieder zn, greift nach ihrem Schirm und sagte »lit leichter VkrbeuzunH: „Ich bedauere, gnädige Frau, meine Zusage von vorbin nicht halten zu können. Ich tauge doch nickt sür Ihren Salon, n»d ich bin wohl zu alt, um ans einem mir fremden Bode» eiiizuwurzcln. — Gestatten Sic also, daß ich mich empfehle und »ur nochmals für Ibre guten Absichten danke!" Die Baronin war ganz starr. WaS, daS Mädchen wollte fort, wollte dein glänzende» Leben in ibrem Hause entsage», bevor sie es noch kannte? Was batte sic ibr den» gcthan? Sic batte sie ein wenig beslig i» ihre Schranken zurück- gcwicse» — wie loimlc man so cnipsinblich sein, wenn man acht Jahre lang Ladcninädche» war! Es war der Baronin beinahe »»faßlich. Aber sic ließ sic nicht fort, natürlich nickt. — Der Hauplmaiin wäre ini Stande, ihr »achzureisen. Welch' ein Blick das war vorhin! Nein, da würde sic doch mehr Rübe babe», wenn sic sic selbst biitete. '.Ind dann verbot ibr doch auch sckon die Dankbarkeit „Aber liebe- Fräulein", begann sie dcSbalb in ihrem wärmsten Tone, „wie können Sic ein heftiges Wort so schroff nehmen? Dir besten Menschen sind heftig — wissen Sic daS noch nickt? Seben Sie nun. daß Sic nock recht sebr Scelenkunde stukircn iniissc»! Und nun sieben Sic einmal Ibre Handschuhe auS — versuchen können wir eS doch wenigstens mit einander!" Und damit begann sie selbst eifrig die vielen kleinen Knöpfchen lo«zu- knopsen und nahm Rose mit einem Scherzwort den Hut vow
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