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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894051102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894051102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-11
- Monat1894-05
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Tie Erfahrung der jüngsten Zeit lehrt, daß in dieser Hinsicht gegen früheres Her- iominen ein gewisses mißbräuchliches Uebcrmaß eingetrelen, wobei ein praktischer Lcutzen und Zweck nicht mehr zu er reichen ist. Niemand wird den Landtagen an sich daS Recht bestreiten, Stellung zu wichtigen Zeilfragcn zu nehmen, auch wenn die Entscheidung darüber der stieichsgejetzgebung zusicht, und den Negierungen die Wünsche und Ansichten der Landes- Vertretungen auch über ßceichssachcn vorznlragen. Tic meisten wichtigen ReichSangclegenheitcn greisen ja sehr tief auch in die Interessen jedes einzelnen Bundesstaates ein. So wird man z. B. gewiß nicht behaupten können, daß cS ein llebergrisf sei, wenn gegenwärtig die Rcichostcucrreform in den Landtage» verhandelt wirk. Die Rückwirkung der tzesmig dieser Frage auf die Finanz- »nd Stcucrvcrbällnissc der Bundesstaaten ist so bedeutend, daß bei diesen und ähn lichen Fragen gegen eine Erörterung in den LandeSvcr- irclungen der Einzclstaalen nichts cinzuwenden ist. Aber kaS muß eben doch seine Grenze haben und mit Zurück- balluug und Einschränkung geschehen. Sehr richtig hat in ler letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses Herr Ho brecht bemerkt: „Wir dürfen uns daS Recht nicht nehmen lassen, aus die Regierung cinzuwirke», ihre Stimme im BundeSrath »nd in de» Angetcgenheilcn der ReichSpolitik in einer gewissen Aichlnng geltend zu machen. Aber das hat doch gewisse Grenzen; wir können doch unmöglich allmählich dahin kommen, taß jede Angelegenheit, die vor raS Reich gehört, aus Grund licscr unserer eventuellen Befugnis; auch hier vorher noch vcr- triwclt wird. Wohin sollte taö führe», wenn wir die Majo mal dieses Hauses auSspiclcn wollten gegen die Majorität tcs ReiwStagcü '? " Tic lange Tauer nnsercr parlamentarischen Perhaudlungcn und die allgemeine Müdigkeit daran ent springen auch znm großen Theil der überhandnebmenden Sitte, Gegenstände in die Erörterung zu ziehe», die nicht zur Zuständigscit der betreffenden Körperschaft gehören, waS zu beständigen Wicterboluiigen sichren muß. Bor allen Tinge» aber ist cS eine nationale Ehrenpflicht und dient der Anfrcchl- crhaltung guter Beziehungen i» nnscrm tnnstvvU gebauten BuntcSstaak, daß mit Tact und Zurückhaltung die Grenzen in den Wirkungskreisen dcö Reichs und der Einzelstaatcn gewahrt werte». Eine Zuschrift, welche dem „Hann. Cour." über die Polcnpolitik des neuen Enrscs, spceicll der preußischen Negierung znging, ballen wir bisher unerwähnt gelassen, weil wir ihre Glaubwürdigkeit bezweifelten. Heute aber wird sie re» der „Post" an hervorragender Stelle als im Wesent lichen zutreffend bezeichnet. Wir geben daher die Aus lassung im Borstcbcndcn wieder: „Unter de» Vorwürfen, die der gegenwärtigen Regierung wegen idrer PoleiipoHlik gemacht werden, suidct sich auch immer wieder tic Bezugnahme auf die bekanntc Bestimmung über die (Yarni- io»sorle siir polnische Reernten. Dabei ist diese Frage aus mn imlitairischen und militairisch-tcchnischcn Gründe» seinerzeit rem commandircndcn General des V. Arnieccorps in An- nzuug und alc-bald auch durch den obersten Kriegsherrn zur Entscheidung gebracht worden, ohne dast überhaupt das Llaatsmiiiistcriui» in die Lage gekommen wäre, jeinerjeits Stellung zu der Angelegenheit zu nehmen. Tie Regierung kann also als solche mit der Maß regel nicht in Verbindung gebracht, geschweige denn dafür verantwortlich gemachl werden. Je mehr man sich das Recht wahren möchte, die Polkiipolitit des neuen CurseS angebrachter- masten einer nachdrücklichen Kritik zn unterwerfen, um so mehr wird man sich Lavor hüten müssen, aus das Conto der Regierung auch Auvrbuuiigcn zu setzen, mit deren Vorprüfung das Ministerium gar nicht besaßt worden war."' Ter „Hann. Evur." bemerkt hierzu: „Tb dieser Versuch der Entlastung der StaatSregicrung den Wünschen derselbe» vollkommen cnlspricbr, wollen wir nicht entscheiden." — Man darf wohl, ohne der preußischen SlaatSrcgierung vorzugreiscn, behaupten, daß derartige Entlastungöversuche ihren Wünschen durchaus nicht entsprechen. Rach der preußischen Verfassung sind die Minister desKönigs verantwortlich; alle RegicrnngS- actc bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, der dadurch die Verantwortung übernimmt. Was soll es also beißen, wenn behauptet wird, die Regierung sei für die Bestimmung über die polnischen Recrulcn nicht ver antwortlich? In Wirklichkeit sind die Minister dafür allein verantwortlich. Wollten sie die Verantwortung ablchnen, so müßten sie ikrc Entlassung nehmen. Ein Drittes giebt es verfassungsmäßig nicht. In Oestcrrcichisch-Schlesien, in dem großen Ostrau-Kar- wincr Kohlenrevier bat der bisher obnc bedeutende Ruhe störungen verlaufene Bergarbeiter-Streik eine unglück selige Wendung genommen und 12 Tode und .15 Berwundele sind einem Zusammenstoß der Streikenden mit der Polizei zum Opfer gefallen. DaS Unglück hat sich in Polnisch-Ostran, ans dem dem Grafen Wilczck gehörigen „Dreifaltigteits"- Schacbte ereignet und ist um so dcklagcnSwcrther, als nach Aenßernngcn österreichischer Blätter der Verlauf der Ercig nisse die Ucbcrzeugung ausdrängt, daß cS durch recht zeitiges Aufgebot genügender militairischcr Macht sich batte vermeiden lassen. In dem westlichen, zu Mäbrcn gehörigen T heile dcö Ostraner Beckens sind die Kohlenarbeitcr seit mehr als acht Tagen im AuSslande, und die mäbrischc Statthaltern hat auf die ersten Anzeigen hin, daß der Streik einen größeren Umfang gewinne, nicht gezögert, die mili- tairischc Macht zu reqnirircn, um die Schächte und die noch in Arbeit befindlichen Bergleute gegen die in solchen Fällen regelmäßig sich ereignenden Angriffe der Streikenden zu schützen. In der That ist in Folge dieser Maßregel dort der Streik bisher unblutig verlausen. Nicht das Gleiche war in dem östlichen, zum Amtsbereiche der schlesischen Landes regicrung gehörigen Tbcil des Kohlenreviers der Fall. Als die Streikenden in einer Anzabl von nahezu Tausend den „DreisaltigkeilS"-Schacht in dem Wahn, cS werde in demselben noch gearbeitet, stürmten, standen ihnen — acht Gendarmen gegenüber! Tie Letzteren wegen des Blutbades anzullagcn, Ware die höchste Ungerechtigkeit; sie tbatcn einfach unter Aufgebot große» MntbcS ihre Pflicht, in dem sie nicht bloS das Bergwerk, sondern auch ihr Leben schützte», denn dieses war anfö Ernstlichste bedroht. Aber daß cs acht Gendarmen überlassen war, in einer großartigen Streik bewegung auf einem Puncte, der notbwendiger Weise zu den bedrohten gezählt werden mußte, die Ordnung aufrecht zu er halten. daS war der Fehler und das ist zu bedauern. Bei einer Massenbewegung, welche an die dreißigtausend Arbeiter ergriffen bat, ans einem Gebiete, das in Oesterreich geradezu als der classischc Boden der Streiks angcschcn werden muß, hätte cs sich, wie gesagt, gehört. mitilairische Assistenz recht zeitig aufzubietens, eine Polizeitruppe, auch wenn sie noch so zahlreich und nock so gut tiseiplinirt ist, genügt unter so abnormen Verhältnissen überhaupt nicht, die Staatsautvrität aufrecht zu erhalten. Berliängnißvolle Tage sind über Ungarn bcrcingcbrochen. Wie schon telegraphisch mitgelbcilt wurde, bat das Oberhaus den Eivilehegesctzcntwurs mit der nncrwarlct großen Mehrheit von 21 Stimmen (1.10 gegen III) abgclehnt. Die Art und Weise, wie diese Mehrheit zn Stande gekommen ist, babe» wir schon zur Genüge charaktcrisir!: nur den un glaublichen Zntrigncn ronservativ-klerikaler Hosschranzen, die sich sonst nie uni Ungarn gekümmert babcn, nur dem schamlosen Hinein zerren der Person des Monarchen in den Parleistrcik, des cebt coiistiliilionclltcnkcnden Fürsten, der erst vorKurzem in nicht »lißzuverstebendcn Worten sich eine solche „Verwerlhung" seiner Persönlichkeit aus taSEntschiedenste verbeten batte, nur dem Uebcrgreiscn des Grafen Katnokv, des Hauptes der Wiener Ka marilla, in rein interne nngarischc Angelegenheiten ist es gelungen, dem libcralenMiiiisteriiim und der von diesem so geschickt und glück lick, inaugilrirten Ehcgcsctzgebung, für welche sich daS UnlerbauS, also daS eigentliche Bolk in Ungarn, vor wenig Wochen mit so überwältigender Majorität ausgesprochen batte, eine Nieder lage zu bereite». Ob dieselbe eine cndgilligc sein wird, darüber wird daS Ministerium Weierle jedenfalls sehr bald Klarheit schassen. Wie unS der Telegraph meldet, begiebt sich der Ministerpräsident bereits morgen »ach Wien, um entweder seine Entlassung zn geben oder Bürgschaften dafür zn verlangen, daß nicht zum zweiten Male mit dem Ansehen der Krone gegen die Regierung agitirt und vom österreich- ungarischen Minister des Auswärtigen dem ungarischen Ministe rinin hinterrücks in dicParadcgcsallcn werte. Werden dicsesclbsl- verständlichcn Garantien nicht gegeben und scheidet das liberale Eabinct von dem Schauplatz seiner bisher so ruhmvollen Tbätigkeii, dann ist die Lage eine so cmincnt kritische, daß ihr nur durch die Auslösung tcS Abgeordnetenhauses ein Ende gemacht werden kann. Tann aber wäre die nolbwendige Folge die, daß die radikalen Elemente eine bedeutende Ver stärkung crsabrcn. Dem jetzigen Eabinct ist cS gelungen, durch seine aufrichtig liberale Politik die Radiealcn fast in vcn Dienst der StaatSidee zu ziehen, wofür cö natürlich nach oben kcnuncirt wird, daß eS ein Bündnis; mit de» Raticalen geschlossen habe. Neuwahlen aber und fortgesetzter Hochdruck von Wien auS gegen den ungarischen Liberalismus würden die Radiealcn nicht mehr im Schlepptau der Liberalen zeigen, sondern da- Verhältnis; umgekehrt gestalten. BiSbcr war die liberale Partei die beste Gewähr für daS feste Zu sammenhalte» der beiden Reichöhälstcn; ein llebcrwiegcn der radiealcn Elemente dagegen involvirt eine eminent nationale Gefahr und giebt daS Signal zn einer Aera »euer Kämpfe des MagyarcnthiiinS gegen dcir österreichischunga rischen Einheitsstaat. DaS bedeutete, wie kein Einsichtiger leugne» wird, eine entschiedene Schwächung eines der Drei- bundmächtc und damit des Dreibünde- selbst, und dann hätten die Römlinge in Ungarn allerdings ihr Ziel erreicht. Rock hoffen wir, daß cö so weil nicht kommt, denn eS ist kaum denkbar, daßdcr Monarch das EntlassunaSgcsnch Wekerte'ö anniinmt. Zn diesem Falle wird daS Ebegesetz nochmals an daS Abgeord netenhaus zurückgchen, voraussichtlich mit noch gewaltigerer Majorität angenommen und dann wiederum dem Magnalcn- bausc vorgclegt werde», das dann schwerlich »och einmal in die Lage kvinnien wird, so wie gestern zu votiren. „Nene Ideen klopfen an die Thür," so schloß Wckerle sein Plaidoyer für die Regierungsvorlage, „wenn man sie nicht einläßt, werden sic wicdcrkoinincn, dann aber die Thür stürmen". Daß cö ohne Sturm in Ungarn nicht z» der Entscheidung darüber kommen wird, ob dort der Liberalismus oder die Rcaclion im Bunde mit Rom herrschen soll, dafür sprechen verschiedene uns vorliegende telegraphische Meldungen a»S Pest, denen zufolge in den weitesten Kreisen dcö Volkes eine noch kaum erhörte Erregung herrscht, die sich in bedrohlichen Aeußcrungcn gegen daS Oberhaus Luft macht. Zu bedenklichen Tcnwn- strationcn kam cS gestern Abend auf der Andrassystraße. Vom Wettrennen bciinkekrende Magnaten wurden beschimpft. Tie Menge hielt den Wagen der Gräfin Szaparyi an und insnllirle dieselbe Ibättick'. Die Polizei schritt zu spät ein. Auch vor dem liberalen Elnb wurde lärmend kemonstrirt, so daß man von der blanlen Waffe gegen die Masse Gebrauch machen mußte. Diese Ausschreitungen sind tief bedauerlich, aber wenn die ratiralc Fluth binnen Kurzem noch mächtiger anschwillt, dann weis; mau, wo man die Schuldigen zu suchen bat. Ans der uuiimebr ganz russischen Univ crsität Dorpat, die jetzt bekanntlich ofsieicll Juriew beißt, ist das Deutsch- t b n m bis auf die EorpSmützen auSgetöscht. Tie Studenten müssen nach jüngst crslesscner Verordnung ^lcsanimt Unisorm tragen. Wie sich in russischen Köpfen das Bild der Studenten-Verbin tniigen und Stndenteneorv- spiegelt, davon giebt der „Rischli Westnit" eine crbcilernde Vorstellung. Bisher, sagt dieses Blatt, hätten an der Zuricw'schcii Universität Evrporationrn be standen, deren Mitglieder EorpSmützen und andere Zierratbe trugen, die sie vcn der übrigen Studentenschaft unterschieden. Es sei sehr begreiflich, daß die Einführung einer allgemeinen Studenten-Uniform diesen Abzeichen ein Ente mache, zu gleich aber i» erheblicher Weise die Anziehungskraft der Evrpvrationcn für die stndircnde Zngcnd abschwäche, welche durch die Möglichkeit, die Eorporattonssarben zu tragen, bauplsächlick, veranlaßt wurde, in die Eorporationcn einzu- trctcn. Diese Znstilulc hatten einen gewissen Thcil der ört lichen Slndentcnschaft isolirt, die Studentenschaft von der Arbeit abgchalte» und in ibr einen Geist »nd Neigungen befestigt» die eine gebildete Zngcnd wenig zieren. Arme deutsche Bnrschenhcrrlichkcit! — Zn HclsingforS ist die Enthüllung des von den Fi »ländern dem Andenken des Zaren Alexander H. errichtete» Denkmals am Geburtstage dcö verstorbene» Herrschers vollzogen worden, dem Finland sein wichtigstes Grundgesetz, die Land- tagsordnung, verdankt. Die sämmtlicken Redner, vor allein der Sprecher der Stadtverordneten, Senator L. Mecheli», vor einigen Jahren vom Grafen Heyden gcmaß- regelt, betonten lebhaft ihr Vertrauen, daß der Zar die sinläntisckcn Grundgesetze und die selbstständige Staatsordnung mit siarlcr Hand gegen die Bestrebungen der panslawistischcn Glcichinachcrci schützen werde. Diese Bestrebungen machten sich übrigens auch bei dieser Feier mehr oder weniger deutlich geltend und riesen vielfach in sinnischen Kreisen böse- Blut hervor. Man ließ nickt gelten, baß cS sich bei der Errichtung des Denkmals um eine Kundgebung aufrichtigen Dankes gegenüber dem verstorbenen Kaiser-Großfürsten handle, der stets die Selbstständigkeit des Landes beschützt hatte; mau suchte das Fest vielmehr als eine politische Gegcnkund- gcbuiig gegenüber der jetzigen, diese Selbstständigkeit unter grabenden, bas Land zn russischen Gouvernements umwaudcln- ten panslawistischcn ^trömuiig darzustcllcn, und diese Aus- sassung sand auch in mannigfachen kleinlichen Regierungs- uiaßrcgclu Ausdruck. Weil in die Fcstcantate ein <Latz attsgcnoninic» war. wonach nicht so sehr der äußere Glanz des Thrones und dcS kaiserlichen NamenS als da- Blatt, das Alcrandcr in die Geschichte dcö Landes (durch Verleihuna der LanblagSordnung) geschrieben, ihm tic warme Liebe der Finn länder gewonnen bälte, wurde das ganze Gedicht als an stößig vom Gcneralgouvcrncur Grasen Heyden mehrere Tage vor dem Feste beanstandet und gestrichen. Am Festtage selbst erschien, da der Zar tic Einladung der Stände, selbst oder durch c>» Mitglied der kaiserlichen Familie tbeilzunehmen, ab- gclclmt balle, der niit seiner Vertretung beauftragte General- gouvcrneur in russischer, statt in sinischer Unisorm; die be antragte Theilnabiue der sinischc» Truppen war verboten FeiriHetsii. Im feindlichen Leben. ILj Roma» von I. Schwabe. (Nachdruck virdotcn.) (Fortsetzung.) Rose bedauert, auf diese wichtige Frage leine Antwort zeben zu können, und Fräulein Ata ließ das feine Köpfchen mit dem seidenweichen Haar gar trübselig hänge». Liebte sie ihn auch? dachte Rose und sah das Kind mit ganz be sonder»! Interesse an. Aber schon lackte Ada wieder hell und lustig. „Herr von Bergen", ries sie, „Herr von Berge»!" Ein schlanker, eleganter, tunller Herr ging suchend durch die Gartenwege. Er hörte Ada'S Stimme, aber er sah nur Rose. War kas Rose? Das teS alten Schneider Müller jüngstes Töckter- lcm? Wie stolz sie dahin schritt, als schwebe eine unsichtbare Krone über ihrem Haupte! Säumte nicht königlicher Purpur idr weißes Gewand ? „Herr Tocloc Franz von Bergen", versuchte Fräulein Ata vcrzustellen. — „Wie reizend, daß sie doch noch ge- lommen sind! Wie gehl cö dem süßen Baby? — Fräulein Müller, Tantc'S Gesellschafterin —" Fremd grüßend neigte Rose leicht das Haupt. „Aber, Fräulein Rose, Sie kennen mich roch!" ries er lebbast und dann halb bewundernd, bald bedauernd: „O Rose, Rose, wie haben Sie sich verändert!" — Und dann zu Ada erklärend: „Ich kenne Fräulein Müller schon seit vielen Jahre», mein gnädiges Fräulein! Wir waren Nachbarkinder." „Wie interessant", rief Ada verwundert, daS muß ick Großmama crzäblcn! Waren Sic schon bei Großmama? Ater koinmcii Sie, kommen Sie doch, Sie auch Fräulein Müller — eben tritt Eckhardt zum Elavier!" Aber Rose batte cs gar nicht so eilig. Prüfend ruhten ibre Blicke auf den rasch Dabincilcnde»; sic mußte lächeln, ihr Herz klopfte so ruhig — wo war ihre erste Liebe geblieben? „Und Ihre Jugendfreundin ist sie?" bvrte sie Ada sage», »tas ist ja reizend! DaS muß ich doch Großmama sagen, »eiche Tante immer Vorwürfe macht und meint, Gott möge »iffen, wo Taute dies vbscure Fräulein Müller aufgelescn!" Nos« lachte still sür sich hi». „Wie entzückt wird Groß mama Exellen; sein, wenn sie erfährt, daß ich des alten Schneider Müller und jetzigen Verwalter- bescheidene Tochter bin!" Und ihre schöne Gestalt richtete sich noch einmal so stolz auf bei dem Gedanken, ihre Augen funkelten kühn, als stehe sie wieder einmal, allein ans sich selbst gestellt, einer Welt gegenüber. Und stolz und vornehm gelassen stieg sic die breiten Stufen der Terrasse empor. „Tu meine Seele, Tu mein Herz!" sang eben Herr Eckhardt mit schmelzendem Ausdruck, und seine Blicke suchte» »»verhüllt Rose, welche eben über die Schwelle schritt. Still lauschend blieb sie sieben; die Baronin sixirte sie scharf — wohin nur gingen Rosc'S große, glückstrahlende Augen? Ab, dort an der Säule da stand er und lächelte ihr zu, so traulich und so beglückt, so herzlich und so bewundernd zärtlich — und sie und sie — sah sie nicht auS, als wolle sie auf ihn zucilen, ihm die Hände cntgegenstrcckcn, gab sie ihm nicht ikre ganze Seele mit ihrem Blick und er lächelte wieder so stolz, so glücklich, so zufrieden! „Wie bist Tu meine Königin!" sang Eckhardt weiter, aber Frau Baronin körte nichts davon; ihr 'Auge ruhte einen Moment voll tödtliche» Hasses aus Rose, und mit einem zornigen „Fräulein Müller!" rief sie das Mädchen an ihre Seite. Er aber lächelte noch imiiicr und nickte ibr gar zu und dazu die zärtlichen Töne des Liedes — Rose lächelte auch und fragte die Baronin ganz freundlich, was sic wünsche? Eine vollendete, getäbrliche Eomödiantin! dachte die Baronin und sie war aus- Höchste verwunden, da Rose Herrn Eckhardt begrüßte, so ruhig und unbefangen, als sei nie etwa- zwischen ihnen vorgefallen. — Er hatte eben geendet und alle Welt klatschte ihm Beifall zu — Rose aber reichte ihm herzlich die Hand, wie eine Königin, die einen Unterthancn mit ihrem Handschlag beglücken will. „Eö ist cinpörcud, sie kokettirt mit Men, in der Hoffnung, daß endlich dock einer in ihren Netzen hängen bleibt!" dachte voll Zorn die Baronin. „ES scheint mir, als seien viele Jahre vergangen, seit ich Sic nicht gesebcn", sagte itidcß Rose mit vollkommener Be herrschung; „mein Leben bat, Dank der großen Güte der Frau Baronin, eine so gewaltige Veränderung erfahren, daß ich erst von jenem Tage an, da sie mich bei sich ausgenommen, mein eigentlichstes Leben zähle vielleicht muß ich auch noch ein paar Tage früher zählen", lächelte sie träumerisch. „Aber eS ist wohl leicht zu begreifen, daß mein frühere- Leben davor versunken ist, wie Nebel vor der Sonor, daß ich zu lächeln vermag über Dinge, die mich damals furchtbar empörten — daS liegt heute so weit hinter mir, als ginge cS mich gar nichts mehr an." Tie Baronin süblte sich dock sehr geschmeichelt durch oaS Lob, das Rose ihr hier so öffentlich aussprach — man borckle bereits von allen Seiten auf Roses wohllautende Stiniuie. die so eingehend mit dem berühmten Sänger sprach. Woher kannten sich die Beiden? „Sie sind wunderbar verändert, Fräulein", sagte der Sänger mit bewunderndem Blick, „und ich würde cs heule nicht mehr wagen —" „Das macht die gesellschaftliche Schule", lachte Rose leise, welch' ein melodisches, wohlabgctöntcS Lachen! ES that dem verwöhnten Ohr des Sängers wohl. „Ich hoffe, mein Fräulein", sagte er warm, „wir sehen uns doch »och auf de» weltbedeutcnden Brettern!" „Ich hoffe — nicht", cntgcgnele Rose, den strahlenden Blick in die Ferne gerichtet und mit einem glückseligen Zug um den seinen Mund. „Wer kann cs wissen, Rose, wer kann cS wissen?" sagte die Baronin fast atbcniloS, und cs brannte ein düsteres Feuer in den schwarzen Auge», welche Rose so scharf beobachteten. „Wer kann cS wissen", flüsterte Rose ganz leise, und dann mit harter, fester Stimme: „Es giebt ja so viel Schranken im Leben, von Lenen man sagt, daß sie unüber windlich sind." „Sie sind cS, mein Fräulein, sie sind cS — lassen Sic cS sich gesagt sein", fiel die Baronin hastig ein, und dann mit weicher, schmelzender Stimme zu Eckhardt! „Lieber Freund, ick sehe Sie noch, ehe wir unS trennen — doch die jungen Damen möchten Ihnen gern einige Liebens würdigkeiten sagen — opfern Sie sich ein wenig den reizenden Kindern!" und nun aufgeregt und zornig, wie Rose sie nie gesehen: „Ich muß eS Ihnen sagen, Fräulein Müller — ich habe eS längst bemerkt und eS ist sehr thöricht vcn Ihnen, sich etwa- rinzubilden — Herr von Hochbeim wird Sie niemals hrirathen, kann Sie niemals heiratben — Niemand weiß da- besser als ich!" Und rrnergisch ergriff sie de- jungen Mädchen- Hand gelenk und zog die völlig Ueberraschle tiefer in den sich mehr und mehr leerenden Saal hinein. „Frau Baronin!" versuchte Rose, todteublaß vor Er- regunH über die plötzliche Rede, cinzuwenden. „Still, sagen Sie nicht« — ich habe es längst bemerkt; sagen Sie nichts — nian wird sonst auf u»S aufmerksam! Tie Gefahr lag freilich nahe genug — er ist ja ein ganz hübscher Man», dem des Königs Rock vortrefflich steht; er ist auch ein geistvoller Mann mit einem argen Stich ins Ideale, was Zbncn mehr imponirt als mir, weshalb Sie aber gerade sebr schleckt zu ihm passen würden. Ideal an gehauchte Männer bedürfen praktisch bcanlagter Frauen und er besonders bedarf cincr Fra», die — seine Schulden bezahlt." Rose stockte der Athei», da die Baronin das Alle» so liebenswürdig, boshaft lächelnd vorbrachte; sie süblte. wie sie noch blasser wurde als zuvor, die Baronin aber sixirte sic scharf nach dieser Wendung und meinte dann nachlässig: „DaS erschreckt Sie, nicht wahr? — Za. er hat Len großen Fehler, Schulden zu babcn, ich weiß da- ganz genau, denn — ich bin seine Hauptgläubigerin!" Und dabei funkelte cS boS- baft und grausam zugleich in ihren schwarzen Augen auf. 'Armer Erwin! Zn den Händen dieser Frau! Wie mußte seiner stolzen Seele zu Mulbe sein — in den Händen dieser Fra», welche Rose als die größte Enttäuschung ibreS Lebens meinte bezeichnen z» müsse»! Wenn sie nur wüßte, warum sie ibr so großniütbig ihr Haus geöffnet? Ah, warum zer brach sie sich darüber den Kopf! Gott mochte eS wissen — ihr sollte eS gleich sein! — Aber er — liebte sie ihn wirklich — wollte sie ibn doch noch beirathen? Sie hatte sie dock» nur wenig beobachtet — sie dachte so viel an ibn — sie war ja so glücklich! War sie cS nur? O, »ein, keine Macht der Erke konnle ihr daS Glück, ibn zn lieben, rauben! — Und wenn sie ibm entsagen mußte —? Nur daß sic nicht —! Ibr war eS, als niüsse sic wabnsinnig werden, zu denken, die Baronin könne sein Weib Werken! Tie. die ihn am goldenen Faden hielt, wie der Vogelsteller den Falk! Schulden! Konnte er »nchrenbaste Schulden gemacht haben? War er nickt die Ehrcnbajtigkeit selbst? Hatte sie Lech »och kein leichtsinniges, nickt einmal ei» oberflächliches Wort anö seinem Munde gekört! — Vielleicht für seine Mutter — seine Schwester? Sie lebten in ganz bescheidenen Verhältnissen, nur von cincr schmalen Pension, wie er ihr noch jüngst erzählt. Vertraulich ließ die Baronin sich berab, ibr mitzutbeilen, daß er sich endlich bcmübe, die bösen Schulden abzutragen, daß cs aber noch eine große Summe sei; mit Behagen er zählte sie, wie schon der junge Lieutenant sür sie geschwärmt und wie eS nur an ihm liege, sich di« bösen Schulden sosoN vom Halse zu schaffen, und wie er nur zu stolz sei, sich etwa«
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