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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940524027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894052402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894052402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-24
- Monat1894-05
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Sic knüpft an die Ablehnung der Kanalvorlage folgende Betrachtungen: „Es ist sicher kein Zufall, daß die Vorlagen der Regierung von einer sehr verschieden zusammengesetztcn Mehrheit bald ongeiiommen, bald abgclehnt wurden. Die Vorlagen selbst waren nicht das Ergebnis, eines einheitlichen Planes und nicht oo» einheitlichci» politischen Gepräge. Ter Gedanke, die Mehrheiten zu uehnicn, wo man sie findet, ist in der Theorie ganz schon, in der Praxis führt er, wie die Erfahrung zn allen Zeilen gelehrt bat und auch in der laufenden Session wieder lehrte, in der Siegel dazu, daß die Regierung die leitende Rolle, welche ihr gebührt, verliert. Unter Umständen muß die Regierung wohl oder übel mit verschiedenen Mehrheiten arbeiten: das ist aber immer ei» recht bedenklicher Nothbehelf. Tie Ausgabe einer starken und »ielbewußtcn Regierung wird es vielmebr fei» iniissen, sich eine sichere Mehrheit heranzubilden. Eine Partei hat bei uns ja nirgends die Mehrheit: es gilt also, eine Mehrheitscombination so zu consolidiren, daß die Regierung in ihr eine zuverlässige «luxe findet und gegenseitiges volle» Vertrauen ei» gedeihliches Zusammenwirken sichert. Dazu gehört allerdings eine vollständig einheitliche und planmäßige Regierungs- volitik, welche neben ihren sachlichen Zielen auch immer die Parteien, mit denen man arbeiten will, und ihre Anschauungen voll berücksichtigt. DaS ist der springende Punkt betreffs dessen, was künstig für unsere gedeihliche Entwickelung in Preußen noth thut." DaS ist zweifellos richtig; aber nicht minder richtig ist, taß gerade die preußische Regierung am schwersten zu einer einheitlichen und planmäßigen Politik gelangen kann, wenn sie gezwungen ist, ihre besten Kräfte dem Reichskanzler zur Durchführung seiner Pläne zur Beifügung zu stellen, ohne auf tzezendier.ste von ihm rechnen zu können. Gerade die Kanalvorlagc, lie doch eine hohe Bedeutung für das ganze Reich hat, hätte die wärmste Unterstützung des Reichskanzlers verdient und würde rnlleicht ein anderes Schicksal gehabt haben, wenn ihre Prlcutung voni Reichskanzler in das rechte Licht gerückt worden wäre. UebrigenS ist gerade jetzt dem Herrn Reichs kanzler die beste Gelegenheit gegeben, dem preußischen Ministerium für dessen Unterstützung im Reichstage sich dankbar zu erweisen und ihm neue verlorene Schlachten zu ersparen. Ein neuer Ansturm der Polen steht bevor. Statt dem preußischen Ministerium für die Begünstigung de» polnischen Sprachunterrichts in der Provinz Posen zn danken, geht die polnische Fraction damit uni, dem EultuSminister Bosse in einer längeren Denkschrift den Nachweis der völligen Unzulänglichkeit der bisherigen Zugeständnisse zu führen und um weitereGewährungen zu bitten. Ferner wird für das Jahr 1895 in Posen eine große Provinzial- GcwerbeauSstellung geplant, die von deutschen und pol nischen Interessenten beschickt werden soll. Den Letzteren ist von vornherein jede billige Gleichberechtigung mit den deutschen Eoncurrenten, besonders auch hinsichtlich der Anwendung der polnischen Sprache, zugesichert worden. Die in die beiden vorbereitenden ComileS aufgenommene Anzahl pol nischer Gewerbetreibender würde man gern vermehrt baden, wenn die Polen der constituirenden Versammlung zahlreicher beigewohnt hätten. Die maßgebende polnische Presse war aber mit der Entwickelung der AuSstellungs- anzclegenheit ganz zufrieden, bis das kleine Organ der polnischen Arbeiter, der „Goniec WielkopolSki", herauS- fand, daß den, EhrencomitS auch der Präsident der könig lichen Ansiedelungscommission, vr. von Wittenburg, an- zehört. Die Zugehörigkeit desselben erscheint nun dem genannten Ardeiterblättchen als eine „Verhöhnung der yarmonie zwischen den Nationalitäten", als ein „den Polen hingeworsener Fehdehandschuh". So lange der Präsident der Ansiedelung»-Eommissicn Mitglied de- Comites sei, so lange dürfe kein Pole dem Comitä ange hören. In dieser und ähnlicher Weise wird die Person des Herrn Or. von Wittenburg, der nur seine Beamtenpflicht erfüllt, verunzlimpst. Der demokratische „Orcntownil" und der vornehm sein wollende „Dziennik PoSnanski" können eS sich nicht versagen, dem „Goniec" zu secundircn. Das ComitS wird ersucht, dem Herrn AnsiedclungSpräsitenten den Austritt nahezulcgen, da sonst auf die Betheiligung der Polen an der Ausstellung nickt zu rcckncn sei. Auf wessen Unter stützung die Polen bei ihrer Denksckrist und bei ihren an das AuSstellungS-Comitö gerichteten Bitten in erster Linie rechnen, weiß der Herr Reichskanzler, der in der Angelegenheit der preußischen Lantwirthsckaflskammern für das polnische gegen daS deutsche Interesse cingetreten ist, ganz genau. Es liegt zu einem großen Tbeil in seiner Hand, ob daS Ministerium Eulcnburg zu andern Niederlagen auch noch eine neue Niederlage durch die Polen erleidet. Zu einem andern Thcile freilick auch an dem Ministerium Eulen- vurg, das sich am Ende selbst das Grab gräbt, wenn cS sich zum Werkzeug einer Kanzlerpolitik macht, deren Kosten der preußische Staat zu zahlen hat. In spanischen Blättern wird ein gereizter Don gegen Deutschland angeschlagen, weil verschiedene deutsche Zeitungen mit vollem Recht die unwürdige Behandlung sich verbeten batten, welche die maßgebenden spanischen Factore» in der Frage des Handelsvertrages Deutschland gegenüber sich herauSgenomincu. Das hat gerade nock gefehlt. Die Unterstellung, als ob einige kräftige Worte der Abwebr auf Eingebung der deutschen Regierung zurückzusübren seien, ist natürlich nur anS der argen Unwissenheit spanischer Redaktionen zu erklären. Die spanische Presse setzt sich jetzt aufS hohe Roß und gebcrdct sich, als ob der Vertrag für Spanien gar keinen Werth habe und nur Deutschland Nutzen bringe. Wenn die Spanier wirklich diese Ueberzeugung hegen, warum haben sie nicht schon vor einem halben Jahre den Vertrag abgclehnt, statt die Frist de« Ablaufs immer ausS Neue zu verlängern ? UebrigenS muß betont werden, daß ein deutsch-spanischer Handelsvertrag jetzt überhaupt nicht mehr besteht. Ein solcher müßte erst von Neuem wieder geschlossen werden. Am 9. Juni wird die Bürgerschaft der Schwei; über das socialistische Iniliativbegehrcn um Aufnahme des „Rechts auf Arbeit" in die Verfassung abstimmen. DaS Ergebniß ist nicht zweifelhaft, nachdem die Freisinnigen, die Liberalen und die Eonjervativen die Ablehnung beschlossen haben. Die große Mehrheit des Volkes will von einem Erperiment nichts wissen, das alle wirtbschaftlichen Verhältnisse durcheinander- wersen und namentlich daS bestehende Produktionssystem aufbcben würde. Für den Antrag werden stimmen die Social- demokratcn mit einem demokratischen Anhang, eine An- ahl Bürger, welche die Tragweite des Begehrens nicht er- cnnen und etwas für Diejenigen lbun möchten, die nichts besitzen als ihre Arbeit, und die Gruppe der katholischen Socialpolitiker. Ist einmal diese Initiative verworfen, dann dürfte der vom BundeSrath gestellte, vom Nationalrath nur mit geringer Mehrheit abgelehnte Antrag ernstlich in Berathung gezogen werden, wonach der BundeSrath untersuchen soll, ob und in welcher Weise eine Mitwirkung des Bundes bei Ein richtungen für öffentlichen Arbeitsnachweis und für Schutz gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit möglich und gerecht fertigt sei. Der Nationalrath konnte sich zur Annahine einer solchen Forderung nicht entschließen, weil er wünschte, daß das Volk die Initiative rund und nett ablehnc und nicht durch einen Nebeuantrag verwirrt werde; er behielt sich vor, auf die Anregung, gegen welche sachlich nicht viel vorgcbracht wurdc.zurllckzukommen. Hierzu bietet sich nun eine gute Gelegen heit, indem der Ständerath darüber noch nicht berathen und seine Eoinmission dieser Tage beschlossen bat, den bundcS- rätblichc» Antrag, betreffend Arbeitsnachweis und Arbeitslosen versicherung, zur Annahme zu empfeblen. Nachdem cinnial daS Reckt aus Arbeit, wie die Socialisten eS versieben, ab- gelcbnt ist, kann die Bundesversammlung frei und uubcsangcn an eine Ausgabe berantretcn, die dock einmal gelöst ^verkeil muß und deren Lösung in einige» schweizerischen Städten bereits versucht worden ist. Es wird sich sür de» Bund vor Allem darum Hantel», die zersplitterten und daber nock un fruchtbaren Bestrebungen zusammcnzusasscn und einem geniein- samcn Ziel cntgegenzusührc». Der Stand der sranzüsischcn Ministcrkrisc ist nach den unS vorliegenden lelcgrapbischc» Meldungen nock unver ändert. Bourgeois, der Iustizminister der Panamazeit, soll die Bildung deö CabinctS abgelcbnl babcn, weil die Stiinmenvertheilung in der Kammer ibn nicht zum Minister präsidenten bezeichne, indessen soll Earnot seine Bcmübunge», Bourgeois doch »och zur llcbernahme der Minister Präsidentschaft zu bewegen, sortsetzen. Jedenfalls dürste die Krisis nicht so bald beseitigt werden. Am 27. d. M. findet auf dem Pere-Lackaise eine rcvolutionaire Manifestation statt, und eS dürfte dem neuen Ministerium keineswegs daran gelegen sein, schon an diesem Tage sich im Amte zu befinden. WaS die Gründe der unerwarteten Ministerkrise betrifft, so stimmen fast sänimtliche Pariser Blätter darin mit unserer Auffassung überein, daß Spuller'S und Perier's Kirchcnpolitik den Stein bildete, über welchen das Eabinct siel. Die Con- servativen wollten ihr Mütbckcn kühlen, weil der „neue Geist", den Spuller so empbalisch verkündet balle, nickt wirksam werden wollte. Nach der entscheidenden Sitzung sagte der Abgeordnete Prinz Brozlie: „DaS war die Revanche von Ieanne d'Arc!", deren orleanistisch-kircklichcr Verhimmelung die Regierung bekanntlich sehr kühl gegen über stebt. Ter Prinz hätte hinzusügen können: DaS war die Rache für die Maßregelung des Lnoncr Erzbischofs. Easimir Perier batte sich mit seiner Kirchenpolitik zwischen zwei Stühle gesetzt; auf der einen Seite waren die Radicale» und die Socialisten aufgebracht über daS anfänglich so versöhn liche Entgegenkommen der Kirche gegenüber, auf der anderen die Eonservatlvcn erbittert darüber, daß bei allem Entgegcgen- komuien die Kirche die Präponderanz der Staatsgewalt in allen nicht rein kirchliche» Frage» anerkenne» sollte. ES war vorauSzusebcn, daß Perier in diesem „Eullurkanips", wenn er idn auSzusechlen sich entschlossen hätte, sich rasch verbraucht hätte, d. h. da die Radikalen und Ultraradicalcn fort gesetzt der Hilfe der Confervativen sicher sein konnten, bei irgend einer Gelegenheit gefallen wäre, die ihm einen minder guten Abgang ermöglicht hätte, als der war, den er sich selbst am Dienstag ausgesucht. Casimir Perier ist als Vertheidiger der Autorität deS Staates gegenüber socia- lislischcn Zumutbungcn gefalle», welche nichts weniger verlangten, als daß der Staat seinen Beamten einen Freibrief auf den geheimen und offenen Kamps gegen sich selbst auS- stellen sollte. Dieser Fall war ein ehrenhafter, und so bat Perier in voller Kraft, auf der Höbe seiner Triumphe daS Ministerium verlassen und sich wieder volle ActionSfrcibeit verschafft für die bevorstehende — Neuwahl deö Präsi denten der Republik. WaS schon seiner Zeit, als Perier sich so energisch sträubte, Tupuy im Ministerpräsidium abzulösc», zu Tage trat, unterliegt jetzt keinem Zweifel mebr: Casimir Perier ist der ernsteste und wichtigste Nebenbuhler Carnot'S. Zwischen England und dem König von Belgien als Souverain deS CongostaateS ist über große im Nil gebiet und in Inncrafrika gelegene Landstriche am l2. Mai ein Vertrag zu Stande gekommen, während der Streit zwischen Frankreich und Belgien, beziehungsweise dem Congostaal wegen Abgrenzung der Gebiete am Übangl,i noch immer unentschieden ist. DaS englisch-belgische Abkommen bestimmt als östliche Grenze deS CongostaateS eiue ungefähr zwanzig Kilometer westlich vom Nil parallel mit demselben lausende Linie bis zum lo. Grad »ach Norden. Ferner erhält der Congostaal einen Hasen am Albert Edward-See und daS Gebiet von Babr-el-Gazal. daS beißt ein Land von kolossaler Ausdehnung, welches zwischen dem 25. und 90. Grad östlicher Länge und dem 10. Grad nördlicher Breite liegt. Für die Reaierungszeit des Königs Leopold selbst wird diesem auch noch derStreifcn bis zum Nil abgetreten, so daß dicserSlrom dieGrenze bildet. Damit er hält der Congostaal auch die Stadt Wadelai, doch sollen die Ab- trctlingen von England an den Congostaat nur so lange gelten, al« der uuabhängige Congostaal besteht oder eine belgische Colonic ist. AlS Gcgenconcession erhält England einen schmalen GcbiclSstreise» zwischen dem Tanganjika See und dem Albert- Edward-See, wodurch, wie schon im heutigen Morgenblattc kervorgchoben wurde, die ungemein werthvolle direcle Ver bindung zwischen der Capcolonie und Unjoro, resp. Uganda herbeigeführt wird. DaS Abkommen ist dem britischen Parlamente vorgelegt worden, und eS »ntcrliegt keinem Zweifel, daß cö geiiehinigt wird. Dasselbe befriedigt beide Thcile, ermöglicht ein gemcinsamcS Vorgehen, setzt dem Vordringen der Mahdistcn einen nachhal tige» Widerstand entgegen und verhindert die Ausbreitung der Franzosen über ihr bisheriges Gebiet im Schari- und Ubanghibecken. Daß dieses Abkommen in Paris großes Aussehen erregt, läßt sich denken, denn eS ist ein Gebiet von nickt weniger als 400 000 glcm, zu dessen Besetzung König Leopold ermächtigt wird. Seit Emin Pascha die Acquatorialprovinz (um diese handelt eö sich in der Haupt sache! verlassen hatte, gelt dieses ganze Gebiet für herrenlos, obgleich England dort einen Vorzug bean spruchte. Seil zwei Jahren sind indessen die belgischen Erpeditionen unter dem Obersten Van Kerkhoven und dem Capitain Baert bis Lado und Warclai am Nil vorgc- truiigkn. Schon damals, als die Nachricht von de» Eroberung LadoS durch Va» Kerkhoven ciutras, wurde trotz aller Ableugnungcn dem Gerüchte Glauben geschenkt, daß der Congostaal im Cinverständniß mit England diesen Feldzug »»Icrnommcn habe. Das Abkommen vom l2. Mai bestätigt diese Vermuthung vollständig. Nun drängt sich aber dir Frage auf, wie die in Asrita intcressirten Mächte dasselbe ausnebmen werden.» Man wirst die Frage auf, ob der Cougostaat, dessen Neutralität von den Mächten auf der Berliner Consercnz anerkannt und garantirt wurde, zu einer derartigen eigenmächtigen Ausrelmung seines Gebiet« durch Sondervertrag mit einer einzelnen Mackt befugt ist. und weist ans das Vorzugsrecht Frankreichs hin sür den Fall, daß der Congostaal sich auslöscn und au einen ander» Staat übergehen sollte. Dem gegenüber wird belzisckerscitS betont, daß di« „Pacht" wohlweislich nickt dem Congoftaat als solchem, sondern Leopold II. als König von Belgien übertragen worden sei. Bisher hatte Niemand geglaubt, daß daS ..l>roit,lo pretö- rrmeo" Frankreichs auch Belgien gegenüber Anwendung finden könne, aber die französische Regierung dehnt daS Recht auch in dieser Beziehung aus, seit sic sicht, daß Belgien die Coiigobcsitznngc» gänzlich zu übernehmen gesonnen ist. -Vckliun Sill, jiulikv liic «>K, und ohne ernstliche Verwickelungen dürft« er nicht zu Ende geführt werden. lieber die in Rußland entdeckte Verschwörung erfährt die „Köln. Ztg." »och, daß doch eine Verschwörung ernste; Art vorlicgt, mit der Absicht, einen Mord an sch lag gegen den Kaiser im Hochsommer auszuführen. In der Nähe der Bahnlinie WitebSk - Lrcl liegt ein Herren sitz, ein Schloß nebst einem Dorf mit einer ortho dopen Kirckc, daS zum mehrtägigen Hauptquartier des Zaren während der diesjährigen Kaiscrmanövcr bestimmt ist. DaS Schloß bezw. die Kirche wollten die Verschwörer während der Anwesenheit des Kaisers in die Lufh sprenge», ballen auch bereits mit den Vorarbeiten, Minen- gängen, begonnen. Besonders viele Beamte der WitebSk- Lm feindlichen Leben. NI Roman von I. Schwabe. <1!»<hdriiä vnboini.) (Schluß.) „Wasser!" schrie Rose, „die Spritze oder nur der Schlauch, den Ihr zum Rascnsprengen im Garten braucht!" „Ah, die Canaille", schrieen sie, „seht, sic brennt an allen Ecken! DaS geschieht ihr Recht, das hat sie nun davon!" Daß sic die Canaille war, konnte Rose sich allenfalls denken, aber noch bemerkte sie nicht, daß sie an allen Ecken brannte. Doch gab sie ihr mühselig Fackellöschen auf. Mochten sie sie noch alle Hinüberschleudern. Es war glcichgiltig — dort brannte cS wirklich an allen Ecke»! — Sic schienen dort alle geflüchtet zu sein, das kleine Kind in die kühle Nacht hinaus. Durch den Garten wahrscheinlich, und Rose stand allein vor der tobenden Rotte und jetzt, wo sic sich einen Moment auf sich selbst besann, jetzt roch sie auch den Brandgeruch in ihren Kleidern, jetzt fühlte sic heftige Schmerzen am Halse, sie griff danach — ihr Haar, ihr Haar — brannte nicht ihr Haar?! Und da und dort an Mantel und Kleid — waren da» nicht kleine gelbe züngelnde Jlämmchcn, die entsetzlich qualmten und lustig um sich fraßen ? „Hurrab, noch ein paar Fackeln!" schrie Wagner wieder, „dort ist noch ein Zimmer dunkel!" — Aber schon rauschte eS wie Wassermafscn durch die Luft und während Rose die Flammen au ihren Kleidern mit den Händen zu erdrücken flickte, sah sie die Schläuche, die auS den unversehrten Wirth- tckast-gebäuden und von der andern Seite her au« dem Walte zu kommen schienen. Und da — da — die Uniform! „Da« Militair!" sckrie der Haufe und prustete über die Waffermasten, die unbarmherzig trafen. „Die Fackeln fort!" Und die letzten Fackeln flogen dem brennenden Hause zu, und sie sab in ihrem Schein deutlich die Uniform und nun auch da« Gesicht und „Erwin, Erwin!" rief sie mit einem Schrei so tiefer Erschütterung, daß sie daran zu sterben «einte und stürzte auf de» Kir-platz dicht vor das brennende Haus — die Fackeln flogen dicht über ihrem Haupte hin, sic I fühlte einen glühenden Schmerz über der Stirn, sie fühlte eine Gluth» als wäre die Hölle um sie, über ibr, sic tbal noch ein Paar wankende Schritte und stürzte zusammen. — 2l. War da« der Tod? Wie schwarz die Nacht um sie her und die Gluth in ihrer Stirn! Wie daS schmerzte! Welch' dumpfes Gemurmel — rauschende Wasser — stuckende Stimmen — ferner und ferner! — Nun schwebte sic höher und höher — trugen sie Engel hinauf zu Gottes Thron? — Und diese liebe, geliebte Stimme, würde sie nun immer an ihr Ohr klingen, immer und ewiglich? O, daS machte den Tod so süß! — Wenn sic nur die Augen öffnen könnte, ihn zu sehen! wenn sie nur die Arme heben könnte, ihn zu umschlingen! Aber so schwer war Alle-, so dumpf und schwer — gewiß, eS war der Tod, und wenn sie endlich erwachte, wo würde sic fein ? Würde sie ihn endlich sehen? O, die Stimme, die geliebte Stimme! Welch' ein Trost, daß sie sie hörte in dieser dunkeln Nacht! Würde sic sie nun hören, bis sie erwachte? Sie hörte sie viele Tage lang, nur so leise wie im Traum, und sie fühlte nur dumpf die tödtlichen Schmerzen, denn ibr Geist lag in tiefem Bann. Sic wußte nicht» von dem Jammer ihrer Mutter, die von Dora'S Lager hinabeilte, da ein fremder Mann ihr die Tochter einer Todten gleich ins HauS trug; sie hörte nichts von des VaterS Verzweiflung, der dem Irrsinn zu verfallen drohte, da er die Saat aus- gehcn sab, di« er so sorgfältig gesäet; sie hörte nur wie aus weiter Ferne die geliebte Stimme, sie fühlte nur, er ist da, und als sic endlich die schweren Lider zu heben vermochte, da fand sie eS so natürlich, ihn neben ihrem Bette sitzen zu sehen, als seien sie noch in Frau vom Sande'» Neinem Salon und er schicke sich eben an, ihr etwas recht Angenehme« vor zulesen. Aber er sah doch recht blaß und angegriffen au«, und Sie, ah, sie lag ja im Bette — wie seltsam — ein sonderbarer Traum! lind dir Binden über ihren Händen und der Druck im Gehirn! Und der Vater in Thränen zu ihren Füßen — und dort Frau Doctor Bergen und Lulu und Christel Werner und Dora, und wo war deun Miezchen — ? Die war wohl weit voraus? Wie seltsam Alles — war das nicht daS Wohnzimmer? Und sie lag doch im Belte! Und nun die weiche, schier mit Thränen kämpfende Stimme: „Siehst Du mich, mein Liebling — siehst Du mich endlich ?" Und größer und größer werden ihre tiefen Augen. „Ich sehe Dich", flüstert sie leise, „ich sehe Dich endlich! Sind wir beide gestorben und Wachen im Himmel auf?" „Nein, Liebste, wir leben — erst wollen wir u»S den Himmel auf Erde» erbauen!" „Und Tu bist c» wirklich ? Tu gehst nicht wieder fort?" sie sagte c« so ängstlich und hielt seine Hand. „Nicht ohne Dich, mein Liebling. Gott lasse Dich bald gesunden!" „O, ich bin krank — wie kam das nur? Ich war doch nie krank! Und der Vater — was bat er nur? Weine doch nicht, Vater, wir sind ja nickt gestorben! — Und, siehst Du, nun ist er doch gekommen! Und — Mutter — sichst Du es auch? Und — Dora, Dora — weine doch nicht! Liebe ist immer Glück! Aber wenn ick nur wüßte —" „Frage jetzt nicht, mein Liebling", bat Erwin. „Grüble nicht — Du bist noch viel zu schwach. Tu warst sehr krank und ich kam gerade, da Du zusammenbrachft — so bin ich schon lange da und warte, daß Du genesen wirst. Und Dora war auch krank, und da kam Frau Werner und Fräulein Werner — Lulu und Christel, wie Du sagst und sie pflegten Euch beide treulich und Frau von Bergen auch — Du hast so viele Freunde, meine Rose —" „Und ich habe Dich", flüsterte sie mit dankbarem Ausblick. Dann reichte sie Allen die Hände. „Wie gut Ihr seid!" Und dann war sie müde, o so sehr müde und dehnte sich bebaglich in den weißen Kisten und schloß die Augen — welch' ein erquickender GenesungSschlas! Und wieder erwachte sie. Ihr Kvpf war leicht und frei, ihre Augen blickten so bell, so weit, so glänzend umher und nach und nack erwachte die Erinnerung in ihr und wie ein blutig rotheS Nordlicht, trat jener Tag lebendig vor ihre Seele. Sie schauerte erbebend zusammen — befühlte die Narbe auf ihrer Stirn, die Narben au ihren Händen und dort im Nacken, da schmerzt eS nock immer! „Und der Vater?" fragte sie leise. »Er ist ganz zerknirscht; er geht den Menschen scheu au» dcm Wege. Er will seine Stelle ausgeben und in aller Be fcheidcnbcit wieder Schneider fei», aber baS werden wir nicht ^ugcbcn, nicht wabr, Rose ?" „Nein, daS werden wir nicht leiten", sagte sie träumerisch, „Und das Haus?" „ES ist vollständig »iedergebramit. Herr von Bergen wobnt mit seiner Familie beim Schichtmeister drüben, und die Lehre, welche er erhalten, ist ihm eine scbr gute Lefire gewesen. Er hat cS wobl cinqesehcn, daß Gewalt und Mackt und Gold ein gar schwacher Grund für ein mächtiges Gebäude sind und er will cs nun versuchen, ob er die Liebe seiner Arbeiter als Kitt dasür erwerben kann. — Die Leute selbst aber waren dock sehr erschrocken, da Du, eine wandelnde Fcucrsäule, plötzlich, nock von einer Fackel getroffen, wie tobt zusaininciibrachest Viel, viel stiller, als sie gedacht, sind sie »ach Hause gezogen. — Am ander» Tage aber sind sie gedrückt und scheu umhergeschlichen und babcn sich nicht in die "Nähe des nicdcrgcbranntcn Hauses getraut und als am Montag eS einige wagte», sich zur Arbeit zu melden, im Vertrauen daraus, daß man im Dunkel der Nacht und bei der große» Menge, dc» Einzelnen nicht erkannt, da sagten ibiien die Beamten, daß die Werke feiern würden, bi- fremde Arbeiter eingctrossen, mit Brandstistcrn könne man unmöglich arbeite». So zog die Sorge in ibre Häuser und die Noth, be sonder» da, wo eS keine fleißigen Töchter gab, die da» Aergste abwendctcii, und der Winter war vor der Tbür und r- ist kalt in dc» Bergen. Und die trotzigen Gesellen begannen nackzudenkeii. Der alle Mann allein, der sich noch in letzter Stunde von ihnen lcögcsagt, war in der Arbeit geblieben; er wurde jetzt der Bermittler in der Noth. Der furchtbare Sturm aber bat auch Herrn von Bergen zum Nachdenken gebracht: er siebt ein. daß auch er gefebl», da er so blind in seines Schwiegervaters Fnßtapsen getreten, den Arbeitern stets nur ei» sernstcbendcr Herr gewesen sei; er nahm die bittenden Leute aus, wie rin Vater seine ver lorenen Kinder ansninimt »nt Frau Louise ging von Haus zu HauS, das Elend z» mildern, das die Leute im blinden Wabn sich selber zugesügt." „Und Dora, Erwin, Dora — ich sak sie doch — wo ist sie?" „In der ArbeitSstube; sie sind sehr fleißig da; auch Fräulein
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