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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940530022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-30
- Monat1894-05
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BezugS-PreiS «uptexvedilion oder den im Gtad^ ad den Vororten errtchtelea Au«- nabgeholt: vierteliLürtlch^IS.üO. maliaer laalicher Anstellung in« Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgail für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. A«zeige«-PreiS Ne Sgespaltme Petitzoile SO Psg. Nrelame» »ater dem Redacttou«srrich (4 g»» ipnltan) büsß, »or den FamiUeuaochrichrea (SgejpaUenI 40-H. Grünere Schriften laut unserem Preis- v«»e>ch»ch. Tadellarischer uud Zisferusatz »ach höherem Tarif. Extra-veilagk« (gefalzt», nur mit der Margen-Aurgade. ohne Postbeförderuog -Sl SV.—, mit Posldefördrrnag ^ 70.—. Annassmkschluß für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge ».Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ss,9 Uhr. Bei den Filialen und Ännadmeslellen >e eine halbe Stund« früher. Anzeige, sind stet« an di« Erhe»tti«, zu richten. Druck und Verlag von <k. Pol» in Leivzig. 272. Mittwoch den 39. Mai 1891. 88. Zill-MW Das neue französlsche Ministerium. r. Endlich ist es dem Vorsitzenden der französischen Deputirtcnkammer und Vorgänger Casimir Perier'S im Mniisterpräsidium, Lubowic Dupuy-DutempS, geglückt, das neue Cabinet zu Stande zu bringen, nachdem sich PoincarS nach längerem Zögern zur Annahme de« Kinanz- xortefeuille« entschlossen bat. und eS bleibt nur noch zweisel- daft, ob Hanotaux da« Portefeuille des Auswärtigen über nehmen wird, nachdem Campo dasselbe abgelehnl bat. Die meisten Mitglieder des Cabinets sind progressistische Republikaner, weshalb dasselbe von der republikanischen Presse im Allgemeinen gut ausgenommen wird. Die radikalen Blätter wüthen dagegen über den für ihre Partei so blamabcln AuSgang der Sache. Nach den ungeschriebenen Gesetzen des Parlamentarismus hätten die Führer der Radi kalen,Bourgeois, Peytral, Brisson, an die sich Carnot sowohl wie Dupuy sich wiederholt behufs Uedcrnahme der Cabinet-bilkung gewandt hatte, die gemäßigten Republikaner in der Re gierung ablösen müssen, da die Radikalen eS ja waren, die im Verein mit den Socialisten und einem Theil der Reckten das Ministerium Perier zu Falle brachten. Seit Jahren schon forderten die Radikalen die Regierung für sich; seit den letzten Kain,»erwählen behaupteten sie, daß sie allein im Stande seien, ein dauerhaftes Ministerium auf- wsiellen. Das Pericr'sche Cabinct betrachteten sie als eine llsurxation der Staatsgewalt, deren die Gemäßigten sich siimldig machten. Als die LkrisiS am 22. Mai eintrat, faßten sic sofort den Parteibeschluß, daß sie ein eigenes, rem radikale« Ministerium bilden wollten. Und dann? Als der Siegesrausch der Ernüchterung Platz gemacht hatte, lehnten ihre Koryphäen, einer nach dem andern, mit der Erklärung ab, daß sie sich nicht im Stande glaubten, eine Majorität in der Kammer zusammen zu billigen: Keiner hatte den Muth, die Verantwortlichkeit der Regierung aus sich zu nehmen. Allerdings haben die drei ebeiiaenannten Parlamentarier sich gleichzeitig dem Präsidenten bei Republik zur Versügung gestellt, um bei einem anderen, ibneu genehmen Ministerium mitzuhelsen. Aber gerade tie« kennzeichnet die radikale Taktik, die darin besteht, die eigenen Ideen nur dann zur Anwendung zu bringen, wenn andere die Verantwortung dafür tragen müssen. Die radikalen Zeitungen sind nun gegen Bourgeois, Peytral und Brisson sehr erbittert, beschuldigen sie des Verratbs an der Parteisache und erkennen sie gar nicht als Führer der radikalen Linken an. E« ist klar, daß ein rein radikales Cabinet sich keine vier Wochen hätte halten können, aber auch einem Ministerium Dupuy prophezeit Niemand eine lange Dauer, denn es entspricht nickt dem Bestände der Parteien und ihrem gegenseitigen Verbällniß. Venn Dupuy, die radikale Hälfte seiner Seele beschwichtigend auch nicht gerade den Faden da anknüpft, wo Casimir Perier, der nach recht- neigende Republikaner, ibn fallen ließ, so wird er, nachdem er die Regierungeunsähigkeit des Radikalismus eiilgeseben, bei einigem, freilich vergeblichem Entgegenkommen gegen die Radikalen von Fall zu Fall, doch im großen Ganzen, auf sein Programm, mit dem er am 2l. November 1803 ror die Kammer trat und — stürzte, zurückkommen. Diese« Programm war eine förmliche Absage an den Radikalismus, so weit er mit dem SocialiSmus und Anarchismus sraternisirte, es war der Kampf gegen die Revision der Berfassung, die Trennung der Kirche vom Staat, die Ab- änlerung keS WahlmoduS, dir Einführung einer Progressiv- sieuer; auf der anderen Seite trat es auch der Rechten ent schieden entgegen, indem es Schulgesetz und Militairgesctz als unantastbar bezeichnet« und den Rückschrittlern dadurch jede Hoffnung benahm, daß die Priester von, Militairkienst aus genommen unddieVerweltlichung ver Schulen wieder aufgehoben werden könnten. Dupuy wird also dieselben Gegner in der Kammer bereit sinken, denen sein Vorgänger unterlag, und auch er wird dein Ansturm der verbündeten Rothen und Schwarzen nicht Stand zu halten vermögen. Von besonderem Interesse im neuen Cabinet ist dir Person des Finanzministers PoincarS, der früher Ilntrrstaatssecretair für die Colvnien war. Vor einigen Tagen veröffentlichte er über die afrikanische Angelegenheit einen bemerkenswertben Artikel, in dem er selbst die Schwierigkeiten betonte, denen das neue Cabinet entgegenseben müßte Er betonte insbesondere, daß Frankreich auf keinen Fall seine Zustimmung zu dem zwischen England und dem unabhängigen Congostaate abgeschlossene» Vertrage vom 12. Mai geben dürfte, weil es sonst um sein Prestige ge schehen wäre, und (England sich in Zukunft Alles berau»- nchmen würde. Auch Dupuy, der Mann der kaltblütigen Energie, der bei dem Dynainitattentat aus die Deputirten- kammer gezeigt bat, daß er sich durch NicktS verblüffen läßt, wird dein Prestige Frankreichs schwerlich etwa« vergebe» wollen. politische Tagesschan. * Lei»,«,. 30. Mai. Angesichts der beiden, in Plauen und in Pinneberg, bevorstehenden Ersatzwahlen ,nm Reichstage, bei denen die Gefahr eines Siege« der Socialdemokratie sehr groß ist, veröffentlicht die.Nationalliberale Correspvn- denz- beute unter der Ueberschrifr „Socialdemokratie und Anarchismus" eine dringliche Mahnung, die in erster Linie an die nationalliberalen Wähler in beiden Wahlkreisen sich richtet, aber auch von allen anderen Elementen, die zu einer der LrdnungSparteien sich kalten, beherzigt zu werden verdient. Tic „N. L- C" weist zunächst daraus bin, daß diese Gefahr lediglich deshalb eine so große ist, weil die nicht- socialdemokratischcn Parteien nicht die Selbstüberwindung haben, dem alten gemeinsamen Feinde gegenüber sich zu ge schlossener Abwehr zusanimenzufchaaren, und fährt dann fort: „In Plauen bat der bereit- erfolgte erste Wahl gang sonnenklar bewiesen, daß bei einem derartigen geschlossenen Zusammengehen der bürgerliche» Parteien an das Obsiegen des socialdemokratifchen Canditaten gar nicht zu denken wäre. Wie kommt eS, daß man an Dem, was selbstverständlich sein sollte, überhaupt zu zweifeln Veranlassung bat? Ter Grund liegt einerseits in der durch eine maßlose Agitation bewirkten Verfeindung der bürgerlichen Parteien unter einander, sodann aber >» einer weit verbreiteten Täuschung über die Gefährlich keit der Socialdemokratie, zu welcher man sich durch die Entwickelung einer besonderen anarchistischen Richtung hat verleiten lassen. Vielfach ist man der Ansicht, dag da« wirklich gefährliche revolutionaire Element in der Socialdemokratie durch den Uebertritt zu dieser Richtung auSscheide und daß in der socialdemokratischen Partei schließlich nur noch eine allerdings entschieden reniokratische Arbeiterpartei zu erblicken sein werde. Bestärkt werden Viele in dieser Auffafsung nicht nur durch die demonstrative Ent rüstung, mit welcher die Socialdemokratie die anarchistische Richtung von sich weist, sondern auch durch die Erbitterung, mit welcher die letztere die erstere bekämpft. Rein theoretisch genommen, besteht zwischen SocialiSmus und Anarchismus allerdings ein entschiedener Gegensatz, aber es wäre mehr als naiv, den Herren Liebknecht, Bebel u. s. w, glauben zu wollen, daß sie die Anarchisten lediglich wegen der theoretischen Differenzen über tie Gestaltung der der- einstigen neuen Gesellschaft, oder gar wegen ihre« Abscheues über die Tvnamilverbrechen mit ihrer Feindschaft bedächten. Nein, der wahre Grund der letzteren siezt lediglich darin, daß die Herren von der „Propaganda der Tbat" zu früh losschieben, daß sie denen, welche an der Erhaltung der bestkbenden Staats- und Gesellschaftsordnung inter- esürt sind, mehr und mehr die Augen darüber öffnen, wohin die revolutionären Wühlereien führen, und daß damit die Gesabr der Wiederherstellung schärferer Maßregeln auch gegen die Socialkemokratie berausbeschworen wird. Deshalb das Weitabrücken der Sccialdeinokratcn von den Anarchisten. Wäre es möglich, daß sich da« deutsche Bürgend»»» durch die« Manöver täuschen »nd einsckläsern ließe? Dem deutschen Bürgend»»» kann das Au-sede» des sogen. ZukunslSsiaateS und der Streit der beiden Parteien über dasselbe herzlich gleickgiltig sein; sür da- Bllrgerthuin bat allein Interesse, daß das nächste praktische Ziel der Socialtemokraten wie der Anarchisten die Zer störung der bestehenden Staat-- und Geiell- schaftSordiiuii^ ist. Unterscheiden thun sie sich dabei nur dadurch, daß die «ocialdcmokratie ans die planmäßig vor- bereitete und mit de» größtmöglichen Machtmitteln auszu- führende Revolution binarbcilet, während rer »uigedulrig« Anarchismus sich in wahnwitzigen Emzelversuchen verrusst. Daß die Socialbcmokralie wen gefährlicher ist, als der Anar chismus, ergiebl sich daraus von selbst." Schon gestern wiesen wir ans die ossiciöse Mittbeilung des „Hamb. Corr." hin, daß von deutscher Seile da zwischen England und dem Eongostaatr geschlossene Ab kommen als eine einseitige Abänderung der durch eine inter nationale Vereinbarung festgesetzten Grenzen de« Congostaate« werde beanstandet werden. Uebcr Brüssel ist inzwischen die Melkung eingetroffen, daß die deutsche Regierung beim Congostaate gegen da- Abkommen mit England bereits Ein spruch erbeben hat, und zwar unter dem Hinweise, daß eine Veränderung in den zwischen Deutschland und dem Congostaate im Jahre 188 t vereinbarte» Grenzvcrbält- nifseii vbne Zustimmung Deutschlands nicht getroffen werden dürfe. Ob man diesem Einspruch eventuell weitere Folgen aeben wird, das hängt wahrscheinlich zumeist von dem Verhalten Frankreich« ab. Jedenfalls darf die Reicheregierung bei diesem Schritte der Zustimmung der Nation sicher sein — vorausgesetzt, daß nicht die Ansicht besteht, diese Angelegenheit als CompenfationSobject in der Samoa frage zu ver- werthen. um in letzterer England zur Nachgiebigkeit gegen Deutschland zu bewegen. Wir können uns den „Bcrl. Neuest. Nachr." nur anschließen, wenn sie gegen eine derartige Absicht entschieden prolestirten, indem sie schreiben: „Eine Regelung der Samoa - Angelegenheit im Sinne Deutschlands wird einer zielbewussten starken Vertretung deutscher Interessen dock nickt entgehen. Den» eine andere al« die deutsche Schuyherrschaft auf Samoa wäre schlechtweg eine Caricatur der thatsäcklichen Verhältnisse; die Dentsche» besitzen dort 70 000 Acres Land, die Engländer Woo Acre-, davon 300 unter Cultur, und die Amerikaner 0500 ohne jode Culturversuche, während von de» Deutschen 15 000 Acre- culti- virt sind; das deutsche Element ist unbest»itlc» der wichtigste wirtkschaftlicke Macktfactor dort. Bei den erheblichen Schwierigkeiten, die Englank in Bezug auf das neue Congo- „Gesckäft" erwachsen, wäre eS dock zu bequem sür die Herren in Towningstreet, durch eine Schcinconcession in der Sainoa- srage den Einspruch Deutschland- gegen den Congoverlrag lo« zu werde» und dadurch Frankreich zu isoliren. Hoffent lich berechtigt der frischere Zug, der neuerdings erkennbar in der Führung dieser Dinge zu Tage tritt, zu der Annahme, daß cs sich um eine nach feste» Zielen und großen Gefickt- Punkten zugeschinttene Aktiv» hantelt." klebrigen- heißt cS in einer Zuschrift, die dem „Berl. Tagebl." au« angeblich dem Congostaate nahestehenden Kreisen zugebt: „Welchen Verlaus die Anfechtung des Vertrage« haben wird, ist nicht vorauszujehe». Möglicherweise wird König Leopold, wenn er bei der Durchführung de« Vertrages aus allzu große Lpposition flößt und die Schwierig keiten nicht aus freundschaftlichem Wege beseitigen kann, freiwillig Von dem Vertrage zurücktrcteii. Jcden- sall« bat nicht dir geringste Absicht bestanden, Deutschland zu verletzen." Da die letztere Behauptung zweifellos begründet ist, so ist auch der freiwillige Rücktritt König Leopold'- von dem Ver trage nickt unmöglich — vorausgesetzt, daß ibm genügende Schwierigkeiten bereitet werten. Daß zwischen Heer und Flotte i» Eiiglanv ein gewisser Coiikurrenzneiv besieht, ist eine allbekannte Sache; daß die- Veibällniß aber soweit gebt, um aus dem Mehr oder Minder von OrdeiisauSzeichnunge» bei festlichen Gelegenheiten einen Anlaß zur Bethätigung jenes ConcurrcnzneikcS berzulciten, dafür haben soeben die Coinmciitare einen Beweis geliefert mit denen die letzthin gelegentlich des Geburtstages der Königin Viktoria vollzogenen Orken-verleihungcn begleitet worden sind. Es haben nämlich 10 Officiere der Armee uno nur ein einziger der Flotte Orden erhalten — abgesehen von jenen Aus zeichnungen, welche wegen tapferen Benehmens vor dem Feinde erthcilt worben sind. Diese anschcineiite Zurücksetzung der Marine wird nun vielfach den LortS der Admiralilät zur Last ge legt, denen vorgeworse» wird, daß sic, im strikten Gegensätze zu der Generalität de» LantheereS, tie Inlcresscn rcS See- officiercorpS nach dieser Richtung hin viel zu wenig wabr- »ebnien. Schon im vergangenen Iaüre batte die Marine cö niißsällig vermerkt, daß sie am Geburtstage der Königin mit OrvenSauSzeichnungc» in, Vergleich zum Lantbcerc sehr spärlich bedacht worden war. Damals vertröstete man sie aus das kom mende, also auf diese-Iahr.Nachdem nun aber die Flotte wiederum leer auSgegangen, ziehen die enttänschten Interessenten daraus mit bitterer Ironie den Schluß, cs müsse wohl um die traditionelle Meinung, daß die Flotte Englands Stolz und Hauplschuywekr sei, sehr schleckt bestellt sein, da, »ack dem Verhältiiiß der OrtenSverleihunge» zu urtheilen, die Flotte so gut wie gar keine» Anspruch aus Dank uno Anerkennung von oben erheben dürfe. DieDcnionstrationcn, welche kürzlich zuEbren de«polnischen Revol ut ionai» « unk Schuhmachers Kinski, der vor hundert Jahren da- Signal zur Nicdcrnictzelung der in Warschau lebende» Russe» gab, in der polnischen Hauptstadt stattfandcn, werden, wie schon angcdeutct wurde, möglicher weise nicht ohne bedauerliche Folgen bleiben. Die Tüatsache nämlich, kaßan dieserDemonstration fast durchweg Studenten der Warschauer Universität tbcilgenoinnien haben, scheint den Bestand dieser .^Imu inator zu bedrohen. Viele Zeichen sprechen dafür, daß die russische Negierung die Schließung der Warschauer Universität plane. Die „Nowojc Wrcmja" spricht sich zwar i» einem Artikel entschieden gegen die Schließung a»S, allein die Strömungen gegen tie Polen sind in Petersburg so mächtig, daß eine solche Regierungsmaß regel, zumal bei der augenblicklich wieder in Petersburg wehenden reactionaircn Luft, incht anSgcschlvssc» ist. Tic von Kaiser Alexander 1. 1817 errichtete Warschauer Universität ist übrigens bereits mehrere Male von der Schließung heiingcsucht worden, so »n Iabre 1830 während des ersten polnischen Auf standes, wo sie provisorisch und später unter der Statthalterschaft des rasen PaSkicwilsch cndgiltig geschlossen und erst unter WiclopolSki wieder eröffnet wurde, um 1803 ncucr- dingS geschlossen zu werden. Nack dem letzten polnischen Aufstande gelang eö dem bekannten russischen Staat«- Der Liebe und des Glückes Wellen. Lj Roman von M. v. Eschen. Nachteils «ertöte». (Fortsetzung.» Graf HanS von Fersen. Seconde-Lieutenant in Sr. Majestät Dragonern, ist der gerade Gegensatz von diesem, ibm seit kurzem durch gebeimnißvolle Bande verwebten Begleiter in den, Rettberg'scken Hause. Er ist klein und zierlich, bat einen blonden KrauSkops und ein rundes, rosiges, etwas sonnen verbranntes Gesicht; einen blonden Flaum über einem Paar sristen Lippen, denen man ansiebt, daß sie gern Champagner trinken und gern küssen, dazu ein Paar blaue Augen, die immer lachen, wie sich sein ganzes Wesen durch eine immer bessere, qn-cksilberne Beweglichkeit auSzcicknet. Nachdem er, die Füße geschlossen, die Schultern ein wenig in die Höhe gezogen, die Arme in einem kalben Rundbogen ron dem Körper abbaltend, jedem der Anwesenden seine Reverenz gemacht, bei der man unwillkürlich denkt, er babe einen Muskel mehr in der Kreuzgegend als andere Leute, slbassirt Graf HanS ungenirt zu Gerda hin. Unbekümmert um ihre Umgebung bilden die beiten ein lustiges Gte-ö-iSte ans dem kleinen Divan, hinter dem ein großer chinesischer Fächer die Ecke de- Salon« abrundet, worüber dann wieder da« Wappenschild der Grasen Rogge von Roggcndorf unter Palmcnwedeln prangt; ein etwa« bunter, etwa« capricöse« aber moderne« Arrangement, vor allem ein Plätzchen wie «schaffen sür zwei Leute, die sich gern etwa- abseit der Gruppe unterbaltcn, welche sich inmitten de- Salon- zu- sammengelban bat. AIS Hilde wieder herabkommt, ist man bereit« bei Tisch Glücklicherweise bat man sich nock in letzter Stunde erinnert, daß ein Gast im Hause» und glücklicherweise ist Otto bereit gewesen, Fräulein Moran abzubolen, daß sie dock nicht ganz allein einzutrcten brauchte. Vielleicht aber Kälte sie da« kaum bedrückt. Sie ist nicht schüchtern, ob auch auS einem ganz »»deren Grunde als demjenigen, den die Präsidentin meint, denn sie erklärt: „Aberrr da- sind solche Mädchen niemals. — Sie will Malerin werden, richtige Malerin. — Ick mag M «un einmal nicht» dir« HerauStreten in die Öffentlichkeit, die Arbeit zum Erwerb für eine Dame. Unangenehme Akqui sition sür un« da« Mädchen! Aberrr mein Mai», .. Und »ui» tuschelt sic leise der Rose» ins Ohr und rückt damit die Ausnabmc von Hilde in ibrcm Hause in die Be leuchtung, in welcher die Gesellschaft dieselbe anseben (oll. Windig bat selbstverständlich da- Haupt bei den Worten der Präsidentin geneigt, dann sieht er Tilli dankbar an, daß sic niemals eine Neigung zu dergleichen Taktlosigkeiten ver spürt bat. Der Präsident will etwas entgegnen; Fersen aber hat gerade einen Kalauer erzählt, man lackt. So spricht nur der Blick, mit dem der Vater seine Töchter streift, von einem frommen Wunsche, der allerdings unter den Verhältnissen besser binter den Lippen zurückbleibt. „Haben Sie Tonach schon gesehen?" fragt tie Gcncralin, eigentlich nur, um eine eben entstandene Pause üi der Unter haltung auSzufüllen. Die Damen verneinen. Er bat ihnen Besuch gemacht, natürlich; sie waren nickt zu Hause. „Was ist es sür ein Mensch?" fragt Tilli. „Tanzt er?" wirst Gerda ein. „Famos" — Fersen schlägt die Hacken zusammen, daß die Sporen klirren; Frau von Rissen lackt aus über den Kinds kopf, der einen Mann nur nack dem Tanzen taxirt. „Es ist der Lohn eines meiner Jugendfreunde", erklärt der Präsident... „Aberrr, davon hast Du ja noch gar nicht- gesagt", ent schlüpft es in nssßmuthigeni Staunen der geborenen Grästn Rogge zu Roggendorf. Windig nimmt sich zusammen, daß seine Miene nickt die Spannung verräth, in welcher sich seine Obren befinden. „Es ist ein interessanter Mann", sagt er mit dem volle» Ton der Anerkennung, dann, denselben kaum merklich ein schränkend: „Ob er aber gerade zum Landrath tanzt, für den er sich bicr einardeiten will — warum mag er wohl den Staatsdienst quiltirt haben? Und nun klingt e« doch recht deutlich, wenn nicht mit Worten, so im Tone: „Dahinter muß doch etwa- stecken." „Ab", meint dir Generalin und knackt eine Mandel, „da« batte einen sehr romantischen Grund. Bielliebchen" — sie bietet tie Schale mit dein doppelte» Kern dem Herrn Assessor und Tilli — „eine unglückliche Liebel" „Warum nicht gar" — eben lachen alle, nur Hilde und Otto bleiben davon unberührt; sie haben sich an einer kleinen Privatunterhaltuna betheiligt. „Doch", die Generalin setzt dir Miene eine« verzogenen Kindes auf, „doch". Er liebte eine Dame, sie beiralbele einen andern. „Verrückt, darum! Konnte sich ja eine andere kooscn; Frauen doch mebr wie eine in der Welt." — Unverfroren harmlos, als habe er seinen beste» Witz gemacht, hält Hans von Fersen der eigenen Angebeteten ein Knallbonbon entgegen. Unberührt in ihrem Vergiiüge», greift diese darnach. Mit lautem Krack verpusst daS bißchen Pulver in die Lust, die papicrncn Flitter geben ihren süßen Inhalt frei; er rollt aus tcn Boden Wie zwei anSgelasseno Kinder Kaschen der junge Man» und das junge Mädchen darnach. Bent von Windig wollte gerat« dem Grafen in seine» Meinung secundirrn. „Immens reich?" vernimmt da sein stet- gespannte« Obr. Fräulein Tilli bat cS gefragt nud siebt dabei an« wie jemand, der eine keimende Hoffnung nicht gestört zu sehen wünscht. „Ja, ein paar Güter, glaube ick", erklärte die Rosen. „Darum bat er ja auch Lantwirtbschast studirt." „Ach, wie interessant", beginnt Tilli von neuem. ..Er zählen Sie dock, Herr von Windig, wo liegen denn die Güter de- BarvnS, mich intcressirt die Laiidwirliischaft so sebr!" Der Assessor der Regierung lächelt überlegen: „Geboren aber nickt i» mein Ressort. Würde nntrvstssch sei», wenn gnädiges Fräulein eine ^chweiilnng von der Verwaltung z» rer Oekonomie machen wollten " — Sein Ton, sein Vlick sind so vielsagend bedeutsam, wir nie, seitdem er als Tilli'ö Verehrer gilt. Trotzdem siebt sich diese im Augenblick ganz gern einer Antwort überboben, wie sie dieselbe zu wollen sonst schon öfter als notkwendia herbeigewünscht bat. Dann: „Helltors", klingt es >eyt grüßend im Kreis, „ad Heilders!" Auch Hauptmann von Helltors batte versprochen, beute Abenv zu kommen. Er batte gehofft, das LiebeSmabl »» Casino sollte früher z» Ente sein; aber Walrstcin, den sie abgkgcssen, war so lang geblieben, bis zum Zug — bi» zum Zug. C- tbat ibm riesig leid, aber nun, na, er war ja dock da! — Nein, er dankte iür Alle«, wirklich — er bedauerte riesig diese Störung! — Dann schwirrt es von neuen, durch einander in Plaudern und Lacken. Wolf Helltors bcr« alle Fragen, antworte» allen zugleich, immer slolt, immer schneidig, immer bei der Sacke. Er ist überhaupt überall zu Hau«, Entrepreneur von Allem, wa« in der Gesellschaft vorge- nommen wird, höflich, gefällig gegen tie altern Herrschaften, artig und galant gegen die jungen Danicn, dabei ein tüchtiger Lfsikicr und ei» ehrlicher Kamcrad. Ja, tie Sclililtenpartic soll in den Tagen scin. E- ist reckt, tcn früh gcsaUenc» Schncc zu bkiiutzcn, wer weiß, wann das Wetter wieder so günstig ist. Der Zufall will cs, daß Hauptiiianu Helltors nass, dein allgciiikiiicn (Nivirrc, das der Tischausdruch »ssl sich bringt, iichcu Hilde zu sieben kommt, als gerade die Strahlen des Kronleuchters im Salon mit vollem Lickt »m ikr blondes Köpfchen spielen. Ist daS eine nette Akquisition, denkt der Hanpkmaiin, und da»» mit Ver gnügen wcitcr, daß der eiste Rang im Theater, wo die hübsche» Dame» durch die »iigü»sl,gc Beleuchtung wie sic behaupte» iinnicr seltener werde», um ein Gcsichtchcn reicher scin wird, daS allem standhält. „Sie werde» mit sein von der Partie, meine Gnädigste?" fragt er artig. „Ick möchte wobl" — Hilde crrvtbct vor Frenke bei dein Gedanke» — „doch ick kenne niemand, und leider bedarf cö eines Herrn zum Fahren." Helltors freut sich an dem cinsack natürlichen Wort. „Wollen Sie mir die Ehre geben, meine Tarne zu sein?" bittet er gutiniilliig. „Nur zu gern" — in der ibr eigenen lebhafte» Weise reicht Hilre taiikbar dem Hauptmann tie Hand DaS bleibt nicht »»bemerkt. Die Generalin halte auf Helltors gerechnet: „Na, wen» die harmlos ist — aber sic bat Talent und spielt mit Glück", sluslerlc sic Freundin Tilli zu. „Habe gar nicht gewußt, wie hübsch Fräulein Moran ist", klingt cS von der ankeren Seite zu bcr jungen Dame bin. Dabei siebt Windig nach dem jungen Märchen, welches da» Engagement von Wolf Helltors erst seiner Beachtung werlb gemacht hat. K>c»dig eilt Hilde ans die Damen zu, ihnen zu sagen, daß sie mit sein wird von der Partie. Der Hauptmann folgt ibr aus den, Fuß Er gönnt der Kleinen den Spaß, der ibm selbst ein Vergnüge» tunkt, und amüsirt sich über den Blick, welchen Tbca Rosen mit Tilli Reltberg über Hilde Moran hinweg taissckl. Unwillkürlich ahnen die beiten, daß ibnen hier eine Rivalin erwachsen kann, gegen die e« Front macken beißt. Nock wirbeln die Ereignisse de« Tage« in Hilden - Kopf durcheinander, da sic spät am Abend ibr Zimmer betreten hat. als Gerda auf dessen Sckwellr erscheint. Es thal ihr Loch leid, daß sie nicht mit Hilde auSpacken
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