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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-04
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Labellartscher «X tzifferafatz »ach höhere» Tarif. Otzlr«-Beilagen (gesalzt). nur mit der Morgen - «utaad» . ohne Poslbesördrrang SO.—, mit Postdeförderuug ^ ?V.—. Ännalfmeschlaß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Ubr. Morgrn-AuSgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/^ Uhr. Bei den Filialen und Annahmesiellea je »ix halbe Stunde früher. Anzeige« stad stet« an di« Er»eSttta» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. E^ö 281. Montag den "1. Juni 1894. politische Tagesschau » Leipzig, 4 Juni. Wiederholt haben wir in letzter Zeit auf Vorkommnisse hingewiesen, welche die Anmaßungen de« PolrnthiimS im grellsten Lichte zeigen. Man sollte meinen, daß solchen Anmaßungen gegenüber die deutsche Presse durchaus eine« Sinnes sein müßte. Da« ist adcr nicht der Fall. Ein Tbeil der „freisinnigen" Presse — wir sagen ausdrücklich ein Theil, weil einzelne Blätter, wie z. B. die „Vossiscke Zeitung", schon seil längerer Zeit in dieser Frage auf dem nationalen Ekandpuncte stehen — glaubt noch immer e« mit ihrer Pflicht gegen das Vaterland vereinigen zu können, wenn sie den Polen Helsersbcljerdienste leistet. So giebt ein langer Leitartikel des „Berliner Börsen-Couriers" den Polen in allen Puncten ausdrücklich Recht. DaS Blatt leitet den Artikel mit einer sehr übel angebrachten Verspottung des Fürsten BiSmarck ein, der nach der Ansicht der Herren rom „Börsen-Courier" sich i» seinem Kampfe gegen die Polen lediglich von Vorurtbeilen hat leiten lassen. Zu den Vorkommnissen selbst übergebend, meint der „Börsen-Courier" hinsichtlich der Boycotlirung dcS Schützengarlcns in Posen durch die Polen und der Bezeichnung als „polnische Erbe", daß die Polen das Reckt hätten, bie Provinz Posen als Theil des früheren polnischen Königreichs als polnische Erde zu bezeichne», die allerdings preußisches Staatsgebiet ge worden sei. Beides könne aber gut und friedlich neben einander bestehen. Ebenso giebt das Blatt de» Polen Recht, wenn sie verlangen, baß in bei, Geschäften der Provinz Posen polnisch gesprochen werke, denn es entspreche den gegebene» Verhältnissen, daß nian sich auf beiden Seiten wohlwollend entgegen komme. Es ist freilich nicht ganz klar, worin der „Versen-Courier" das wohlwollende Entgegenkommen gegen dieDeutschen erblicken will. Seinen bcscheidcneiiAiisprüchcn genügt eS offenbar, wenn die Deutschen sich dazu bereit finden lassen, polnisch zu sprechen. Daß das Land seil WO Jahren in preußischem Besitz ist, baß der preußische Staat ein deutscher Staat ist: all' das scheint deutschen Männer» vom Schlage ter Gelehrten des „Börsen-CourierS", nicht klar z» werden. Tai Unglaublichste aber ist eS, daß das Blatt die unerhörte Anmaßung der Polen, dem Präsidenten der An- sieteluiigS-Eommisslon, Herrn v. Wittenburg, nicht als Mit glied LeS ComitöS sür die Gewerbe-AuSslcllung in Posen dulden zu wollen, als Ausfluß berechtigten Ehrgefühls ansiebt. E« ist nur gut, daß die Ausfassung teS Blattes von der an geblich verfehlten Polcnpslitik dos Fürsten BiSmarck gerade von den Deutschen der Provinz Posen, die doch wohl als leidliche Sachverständige in dieser Frage anzuscben sind, nicht gelbeilt wird; Zcugniß dafür ist die geplante Reise vieler Deutschen der Provinz nach FriedrichSruh. Ein nach Schluß der Redaction des heutigen Morgen- hlatteS eiiigelrofsciieS Telegramm a»S Brüssel meldet, daß nach einem Berichte der „Independcnce Belge" der belgische Gesandte in Berlin dem deutschen auswärtigen Amte erklärt habe, „die Coiigorroteruiig verbürge die deutsche congostaatliche Grenze unverändert in ihrer ganzen Ausdehnung." Eine Bestätigung dieser Meldung liegt aus Berti» »och nicht vor. Dagegen drucken einige Bläter folgende Auslassung der angeblich ossiciösen „Militair. u. Polst. Corr." ab: „Wenn hier und da gemeldet wird, das Zustandekommen einer Einigung zwischen Deutschland und dem Longo staat hi», sichtlich des englisch-beigifchen Abkommens in Afrika sei bereits so gut wie gesichert, so Horen wir aus bester Quelle, daß die« keines wegs der Fall fei. Man sucht seilen« der Congoregierung dem denllchen Einspruch dagegen, daß der neutrale Longoslaat durch ein- seitigeAbmachungen mit einer der MarantiemSctite sein Gebiet verändert, dadurch die Spitze abzubrechen, daß inan sich bereit erklärt, den an Eng land zu vervoailknden Strecken de« EonaogebielS weiter in daS Innere de« Letzteren bineinzulegen, so daß zwischen der deutschen Grenze und Lei» an England verpachteten Strecken Lande- noch Longogebiet liegen würde. Deutschland wird sich aus »ine solche Lötung der Frag» nicht etnlassea können, besteht auch aus einer principiellen Entscheidung darüber, daß der von ikin eingenommene Standpunct richtig sei, wonach der neu trale Longoslaat nicht berechtigt ist, einseitige Verände rungen icines Gebietes vorzunednien, de,» nur so, wie e- 1884 bestand, die Neulraliiät garantirt worden ist." Ist diese Auslassung wirklich ossiciöS, so darf man wenigstens erwarten, baß Deutschland auf das ,.Auskunft« mittel", aus das die Congoregierung verfallen ist, nickt ein gebt. Ob ihrem Verlangen, daß eine principielle Entscheidung über den von ikr eingenoniuienen Standpunct getroffen werke, auch diefranz esis ck e Regierung sich anschließt, muß abgewartei werben. Denn hat auchFrankreich unter denscibenVorauSsetzunac» wie Deutschlanb in dem Vertrage von l884 die Garantie sür den Bestand deS EonzostaateS übernommen, so hat eö sich doch betanntlich noch besondere Rechte auf den Erwerb dieses Gebietes sür de» Hall Vorbehalten, daß der König von Belgien auf seme» Besitz verzichten würde. So ganz undenkbar ist e- daher nickt, daß Frankreich in der Hoffnung auf den Erwerb dcS CongvgebieteS der Congoregierung das Recht dinbicirt, einseitige Veränderungen ihres Gebiete« vorzunchmen. Man ist daher mit Reckt aus die Antwort gespannt, die der neue französische Minister des Acußeren, Hanoteaux, am Donnerstag in der Depulirtenkammer auf die Interpellation über die Stellung Frankreichs zu dem zwischen der Congo regierung und England getroffenen Abkommen crtheilen wird. lieber die ungarische M i nistcrkrise liegt heute lediglich die Bestätigung der Nachricht vor, daß der mit der CabiueiS- bildung betraute Banuü von Kroatien Khuen-Hcdervary seine Versuche, liberale Capaciläten zum Eintritt in das Ministerium zu bewegen, als erfolglos ausgegeben hat und die Mission voraussichtlich in die Hände des Königs rurück- lcge» wird. DaS dürfte bei der Stimmung, die in Ungarn augenblicklich herrscht, auch daS Beste sei». Die liberale Partei bat die Mitglieder des gestürzten EabinelS ausgesor- dert, die Leitung nicht aus den Händen zu geben, sie haben zugesagt, und wenn Gras Kbuen mit der liberalen Partei verhandeln will, kann er e« nur durch Vermittelung — Wckcrlc'S. DaS ist eine unhaltbare Situation. So lenken sich, schreibt die „N. Fr. Pr.", Aller Blicke wieder auf Weker'.e »iS den Bevollmächtigten der Ma>orität de- Ab geordnetenhauses. Graf Khuen versichert, dah er sich dem liberalen Programm vollständig anschließen und die Magnaten ohiie Garantien zur Annahme des Etiegesetze« bewegen werde. Darin liegt die große Verschiedenheit der Meinungen. Durch welche Mittel will Graf Khuen beweisen, daß er die Magnaten umsliminen könne, nachdem die Anstrengungen Wekerle's vergeblich geblieben sind? Wekerie wollte nicht in Ungewißheit bleiben und er machte den Vorschlag, den Widerstand deS Ober- haufeS durch einen PairSschub zu brechen. Diel« Maßregel hat sich historisch bewähr», und sie isi>überall angewendei worben, wo die geborenen und ernannten Gesetzgeber die unbesiegbaren Siröuiungen des Volkes nicht verstauben und nicht in sich ausgenommen habe». Gras Khuen verzichtet aus die Ermächtigung, einen solchen Druck ausüben zu können, aber man wird in Ungarn schwer ver- stehen, woraus er die Gewißheit schöpft, daß sich die Gesinnung der Magnaten ändern werde. Vielleichl ist Gras Khuen im Rechte, aber eS wurde damit der Verdacht beslärkt werden, daß die aristokraliiche Ovposilion den Minister bürgerlicher Herkunft stürzen und p-tzi dem Grafen geben wolle, was sie dem Plebejer srübcr verweigecl halte. Dann würbe sich erst zeige», Laß der erbitterte Kampf im Magnalenhause inebr aus dem Durst nach Rache an den Urhebern der Rejorm als au- der Bertheidigung religiöser und conservalivcr Grundsätze entsprungen ist. Wo ist dir Quelle jener Zuversicht, welche den Grasen Khuen erfüllt und ihn an den heißuinsiriitenen Sieg der Livil-Eüe glauben läßl? Graf Kbuen muß von der Voraussetzung ausgehen, baß die Magnaten da» neue Eberecht nur dem gestürzien Ministerium verweigert haben, »nd wenn diese Ansicht richtig ist, so wurde der leidenschaftliche Trotz »ichl durch echte Ueberzeugung entstanden, sondern nur der heuchlerische Schein gewesen lein, welcher eine Jntrlgue verhüllt». Warum ioll Gras Khuen bekommen, waS W-kerie trotz der großen An strengungen nicht zu erreiche» verinochie, und warum soll jetzt der Wink eine- Minister-Präsidenlen genügen, wäbrend früher da« Auf gebot der größte» Krait nutzlos blieb? Wenn es jo leicht ist. die Meinung der Magnaten zu »erlauschen, jo war die ganze Krise überflüssig und konnte eine Umwälzung verhält! werden, welche den inneren Zusammenhang deS Reiches locken, weil sie die ungarische Nation verbittert. Wie weil diese Verbitterung schon fortgeschritten ist, läßt sich daraus entnebm-», daß selbst der „Pestcr Lloyd", der, wo der Wiener Hof im Spiel ist, aus Socken zu geben ge wöhnt ist, nickt leiser austritt, als die „N Fr. Pr.". DaS einflußreiche Blakt wirst heule dem Grasen Khuen vor, etwas übereilt gebanteit zu haben, und meint, die Rückkehr zum Ministerium Wekertc sei der beste Ausweg. Daß eS dem Kaiser, der beute in Pest eintrifft, gelingen wird, die erregten Gemüther zu beschwichtigen »nb bas Mißtraue», daS man nun einmal den Versprechungen Kbuen'S enlgegen- bringl, zu beseitigen, ist möglich aber nicht eben wahrschein lich. Man ist i» weiten Kreisen verstimmt gegen den Monarchen, daß er den Grasen a» die Spitze ter Regierung stellte, bevor die scheidenden Minister iu ver Lage waren, einen Vorschlag über die Berufung zu uiilerbreite», und be vor irgend eine Füblung mit den Präsidenten der beiden Häuser und den Führern der Partei gesucht wurde. DaS von den schweizer Socialdeiuokratcn eingctrachlr Initiativ-Begehrcn auf Garantie des „Rechtes auf Arbeit" durch die Bundesverfassung wurde, wie uns der Drabt meldet, in der gestrige» Volksabstimmung mit 290 000 gegen 170 000 Stimmen ab gelehnt. Rur ein einziger Slaal stimmte dafür. E« gehörte keine große Propvetengabc kazu, daS Resultat vorauSzusagen, denn ab gesehen davon, daß das Schweizer Volk die Tendenz de» BegebrenS kannte — die Schweizer „Genossen" forderten die Abstimmung in dem Sinne, wie bei un« da- Eentrum die Zurücksührung der Jesuiten, dir Parität der Eonsessionen und Anderes aus dir Tagesordnung bringt, nämlich um die Partei in Bewegung zu erbalten — mußie das kühne Projcct einfach an der Uuiuöglichkeit seiner Rcalisirung scheitern, die selbst den Blödesten einleuchtct. Die Forderungen der Antragsteller waren geradezu über spannt, sic verlaugien, daß der Staat, ter Canton, die Stadt, die Gemeinde Jedem eine seiner Leistungsfähigkeit entsprechend« Arbeit anwcisen und, wenn die Gclegcnbeu fehlte, sie schaffen sollten» daß der Lohn nicht karg bemessen sei und daß, wenn die Arbeitsgelegenheit nicht berzustellen ist, dein Arbeitslosen zu einer behaglichen» nickt blo« nothbürsligen Existenz dir Mittet gewährt werden müßten. Dabei ist über sehen, daß der Staat nicht geben kann, ohne genommen zu haben. Er kann weder unbegrenzt prokucircn. noch beliebig den Waarenabsatz ordnen. DaS Recht aus Arbeit geht weiter, als der CommuniSmuS, denn dieser greift nur die Prokucie, jenes greift auch die Productionskraft an. Und welches märe die wahrscheinlich unmlttelbarc Folge der Einführung deS Rechtes aus Arbeit gewesen? Die, Laß die Arbeitslosen der ganzen Welt die Schweiz überschwemmt haben würden! Zu verständigen sociale» Reformen herrscht dagegen, wie wir schon wiederholt hervorbobe», große Bereit willigkeit, die Kranken- und die Unfallversicherung, deren Ein- 88. Jahrgang fübrung durch den Wunsch, die Erfahrungen in anderen Ländern zu benutzen, Aufschub erlitten bat, werden nun sehr bald ins Leben treten. Für den Arbeiterschutz ist gut gesorgt, und wo auS besonderen Verhältnissen sich Härten ergeben, bemüht man sich, sie zu beseitigen. Hoffentlich bleibt taS nüchterne Votum der „freien Schweiz" nickt ohne abkühlcnde Wirkung auf bie svcialbemokratischen Hitzköpfe, deren eö ja auch außerhalb der helvetischen Grcnzpfähle übergenug giebt. Bei der Bcralbunz de» österreichisch-russischen Handels vertrages im österreichische» Abgeordnctenhausr hat der Handelsminister auch der politischen Bedeutung des Vertrages gedacht. Er bezeicbnete dessen Zustandekommen als ein Zeichen gegenseitiger freundlicher Beziehungen zwischen den beiten Staaten. Die russische Presse ist bezüglich dieses PiiiicleS etwas skeptisch. So kommt die „Nowoje Wremja" bei Erwähnung der möglichen politischen Folgen teS handelswirthschafllichen Einvernehmens auf angeblich in Wien ausgelauchte Gerüchte, daß Rußland und Oesterreich- Ungarn sich nun auch wegen der „B a l k a n s r a g r einigen würden. Dem »gegenüber sagt da« genannte russische Blatt: „Mit der Verbreitung solcher Gerüchte hat man «S gar zu eilig und man ist dabei allem Anschein nach geneigt, den eigenen Wunsch, die bloße Hoffnung als eine fast schon perfect gewordene Tbaisache zu betrachten. Wenn man bei uns in St. Pettrsburg im Prineip gewiß »ich!» gegen eine politische Allnäherung a» die Mon- arclue der Habsburger hat, so Lars man aber doch nicht außer Acht lassen, daß vom russischen Slaii-puncle aus solche Annäherung mög lich ist nur unter solchen Bedingungen, die wenig Verwandtschaft mit den derzeit vorhandenen «usweisen. Für die österreichische Dynastie war die potitische Unscrtigkeit und Unordnung der slawischen Balkan- siaaien von 1879 an bis augenscheinlich auch noch aus de» beutigen Tag stets etwa« Wllnschenswcrihes und „Vvrlhcilhafles". Rußland dagegen hat stet- bedauert und bedauert »och immer diese Zustände. Rur die ruhmvoll-unerschüllerlichc Friedensliebe uuserer Regierung hält sie von Maßnahmen ah, die aus Einbürgerung gesetzlicher Ord nung in den slawischen Ländern gerichtet wären, die von und durch Rußland von der Türke»!,crrschafi befreit worden sind. Die Zukunft Bulgarien- und seit einiger Zeit auch die Serbiens läßt die russnche Gesellschaft teineSwegS gleichgillig. Wien und St. Peters burg können sich aus dem Boden der „ Balkanirage" nur unter der Bedingung nähern, daß in der Hauptstadt Lester- reich-Ungarn- man endlich aushört, zu eigenen Gunsten, zum Schaden aber s-hc wesentlicher Interessen unseres Vaterlandes die unnormale Lage zu erplouiren, in der sich jetzt Bulgarien und Serbien befinden. Die „Now. Wr." hält eS ober keineswegs sür unmöglich, daß solcher Umschwung einträie, und sie meint, daß sie sich von Herzen freuen würde, wenn es dahin käme. „Der Zweck unserer heutigen Bemerkungen" — fügt sie hinzu — „besteht nur darin allein, zu kennzeichnen, daß ioiche Illusionen nicht wünichenS- werth sind, zu denen die üsterreichtsch.ungarischcn Kreise geneigt zu jein scheinen, die plötzlich zu reden begannen von einer bevorstehen den politischen Annäherung zwischen Rußland und Lesierreich- Ungarn als von einer nalürliche» und logischen Folge der in Aussicht stehenden ivirthschastliche» Annäherung zwischen beiden Mächten." Wenn die österreichische Diplomatie nach „berühmten Mustern" sich mit der Hoffnung getragen hat, eine handels politische Annäherung zwischen Oesterreich-Ungarn werde ein freundschaftliches Vcrhäiliiiß auch auf rein politischem Gebiete zeitigen, so ist ihr die Lebre, die ihr die „Nowoje Wremja" §icdt, die sie aber schon längst aus kompetenterem Munke hätte hören können, nur dienlich. Von actuellerem Interesse ist daS Zngeständniß dcS Petersburger Blattes, daß Rußland auf dem Balkan, bei den serbischen, wie bei den bulgarischen Wirren, noch ebenso sehr „intcrcssirt" ist, wie je zuvor, wenn auch ossiciöS geflissentlich daS Gegentheil ver sichert wird. FririHet»n. Der Liebe und des Glückes Wellen. -I Roman von M. v. Esche«. Nachdruck »erdotm. (Fortsetzung.) Tilli Weiß ganz genau, daß der Direktor die Comtesse wegen ungenügenden Einhaltens der Stunden fortgeschickt hat; daß Mutter und Tochter Rache brüten gegen die Aka demie »nb wer daraus sortkommt. Ebenso weiß sie auch von Hilde selbst, daß iu dem letztern Puncte die Dinge sich ganz anders verhalten. Nichtsdestoweniger nickt sie beistimmend; eS kann ibr nur Lngenebm sein, wenn Jemand etwas sagt, waS Hilde diS- crekitiren muß, WaS noch einmal die Abneigung des BaronS gegen Blaustrümpfe verschärft. „Ah!" macht sie eben erstaunt. Gilt es der prächtigen Zeichnung oder dem Zufall, welcher ihr, als sie eben achtle« in der Mappe auf dem kleinen Tischchen blätternd, gerade die« Blatt in die Hände gespielt. Es ist der Michel Anzelo'scke David, eine herrliche, kraftvolle IünglingSgestalt, den die Kohle hier mit köstlich markigem Strich und seiner Behandlung treu im Sinne seine- Meisters wiedergrzebcn dal. An dem unteren Rande des EartonS, in der Ecke recht-, steht mit kleinen Lettern „H. Moran". „Ta babcn wir'-! skocliing" — Frau von Rosen schwenkt Iriumphirend das Blatt. „Na, wenn da» die Gräfin und die Excellcnz zu sehen bekommen, dann gnade Gott dem Fräulein Hilde!" Erstaunt blickt Tilli auf, dann wird eS ihr klar, di« Generalin bat diese Copie für eine Actfigur, für eine Zeichnung nach dem Leben gehalten. Nur die anerzogenr Beherrschung bewahrt die fungc Dame die-mal vor einem AuSbrucy heitersten Gelächter». Schnell, mit bitterm Grimm fällt e» ihr «ia. die Freundin bat Glück gehabt! Sie brauchte nicht liebenswürdig zu sein, alle« Mögliche zu lernen und zu lesen, »a« einen gar nicht interessirt, weil man e- für die Unter haltung wissen muß. Ebe Tilli zu einer Antwort kcmmt, beginnt die Rosen von Neuem: „Sie warten auf die Pferde bahn, Liebste" — die junge Frau ist ausgestanden und hat durch da» Fenster Comtesse Line den Georgen-Platz drunlen kreuzen sehen. „Dann entschuldigen Sie mich, ich möchte die Comtesse einholen. Sie wissen, wir haben einen Weg. Aber Sie dürfen mir auch nicht böse sein, wenn ich Sie verlasse." „Nein?" „Bitte, bitte nicht I" Und die junge Frau verabschiedete sich so schnell wie möglich. Tilli sieht ihr nach; sie weiß ganz gut, WaS die Freundin so eilig von binnen und zu der Comtesse Line treibt. Erst lacht sie spöttisch über die Unwissendest. Dann blickt sie finster, und finstere Gedanken kreuzen sich in dem zierlichen Köpfchen unter dem hohen Krönchen von seidenweichem, dunkelm Haar. Ob »ur die Unwissenheit blind oder auch die Bosheit blind, je nachdem sehend machen kann? Eben ist der letzte Nachzügler, der Bewunderer von 129, vorüberacgangen. Jetzt schließt sich die Thür mit lautem Fall. Niemand ist nahe, der Aufseher mit seinem Millag- brod beschäftigt — sie hört da- Klappern dcS Löffel« auf dem Teller. Noch einmal duscht rin schwer beschreiblicher Ausdruck über ihre Züge. Schnell entschlossen jedoch nimmt sie einen Stift zur Hand, mit riesengroßen, rigcnthümlich verschnörkelten Lettern setzt sie eS unter die Zeichnung LeS Michel Angelo'schen David: .Actfigur Hilde Moran". — Ebenso entschlossen löst die junge Dame einen Carlen von der Wand und bängt den David dafür hin; e« ist eine Stelle nahe dem Eingang de» CabinetS zur rechten Hand, wo er einem jeden Eintretenden sofort in da» Auge fallen muß. An demselben Mittag noch batte Excrllenz von Meiering ihren kleinen Spielkaffee mit den Beta « und den Wenderoden S. Die Excellenz ist sehr engherzig »nd sehr orthodop; die Beta'S nehmeu da« Leben leicht, sehr leicht sogar, und darum Ibun sie nach außen furchtbar anständig. Wenn die alte Gräfin einen jungdeutschen oder französischen Roman liest, so tbut sie da» nicht — um mit einem bekannten Kritiker zu reden — wegen der Kraftbrühe, die er trotz alledem enthalt, und nimmt dieser zu Liebe dir kleinen Ferkelchen, dir darin herum- schwimmen, mit in den Kauf, sondern lieber wegen dieser selbst. Allerdings gebraucht sie die Vorsicht, solche Bücher in einer Atlrape zu verwahren, welche al« ein in schwarzen Sammt gebundene», mit goldnrn Letter» bedrucktes Gebet buch auf ihrem Nachttisch liegt. Dir Wenderoden'S, eine Mutter und zwei den Flügelkleidrrn entwachsene Töchter, sind arme Verwandte der Meiering « und der Beta'S, eifrig bemüht, die Gunst ihrer reichen Verwandten zu verdienen. Außerdem naffaueru sie gern, wobei ihnen in Rücksicht auf ihre Verwandten die besten Familien freundlich entgegen- kommen, wodurch dann wieder Alle«, WaS man bei Beta'S sagt, bei Meiering'« wünscht, mit fast telcphonartiger Ge schwindigkeit bekannt wird. Am nächsten Tage schon wird die Ausstellung geschloffen, nacktem ein ungemein zablrcichcr Tamciibeslich, namentlich auS höheren Kreisen, ronstatirt worden ist. An den nächsten Tagen wieder cmpsängt Tilli ein Billct, Parfüm Jockey-Club, von ihrer besten Freundin. Fräulein Tilli wechselt die Farbe, rieht die Stirn kraus, schiebt die Unterlippe vor unv zurück. Und nachdem sie sich so eines Vesser» überlegt, als was ihr die Freundin geschrieben, sagt sie kurz: „Ich werde beute Abend nicht mit zu WaUcnsteln'S gehen; ich habe Migräne." — Leickt wird Mama beredet, gleichfalls ru Hause z» bleiben; der Präsident ist von seinem neulichen Unfälle entschuldigt. Gerda — sie ist ein kleine» dumme- Ding, meinen dir beiden Damen, lassen wir sie geben und Hilde mit ibr. In einem hübsch decorirtrn Salon empfangen die Wallcn- stein's ibre Gaste. Tie Lbrrstlieutenantin in einer schillern den Seidenrobe mit langer Schleppe, ihr liebenswürdigstes Läcdeln aus den regelmäßigen Zügen; er in seiner neuesten Uniform, sämmtliche Orden aus der Brust, ritterlich und höflich gegen Jung und Alt. Und Jung und Alt, die schon in reicher Zahl über dir Schwelle geschritten, bat er ritterlich und höflich in die an stoßenden Gemächer geleitet, wäbrend fick seine bessere Hälfte nur auf einen freundlichen Handschlag oder eine formelle Verbeugung an dem Eingang beschränkt Eben macht Gerda ihren Knick»; Hilde wartet vergeblich, daß auch ibr die Dame vom Hause die Hand reichen soll zum freundliche» Gruß. Kaum, daß ein Neigen de» KopseS dem Mädchen dankt sür den Knicks, während e« aus de» Zügen der Dame fast feindlich fragt: „WaS willst Du den» hier?" DaS Blut steigt Hilden inS Gesicht. — Gerda ist längst schon weiter geflattert; der Oberstlieutenant tritt rasch hinzu und führt sie in den anstoßenden Saal, wo die jungen Leute sind. Thea von Rosen steht hier dem Eingang zunächst; freund lich eilt Hilde, die junge Frau zu grüßen. Wieder trifft sie der gleiche feindselig erttaunte Blick, nur daß die Generalin, obne irgend eine weitere Notiz zu nebmen, den Rücken wendet, Eomteß Line Beta ungenirt hell auslacht. DaS ist eine brrauSfordernde Ungezogenheit, und peinlich befangen, atS habe sie dieselbe begangen anstatt erlitten, steht das Mädchen da. Sie fleht die Frauleio von Werder — eS sind nette Mädchen, die nur die eine Schwäche haben» sie möchten etwas in der Gesellschaft gelten, vielleicht nur soviel, als ihr« Persönlichkeit Werth ist. Aber Papa ist pensionirt, eö giebt keine Bälle und Diners in ihrem Hau», so heißt eS denn auch hier nach oben sehen, von wo der Wind verkommt, auf daß man mit ikin segeln kann. Frau von Rosen aber und Comtcß Beta sink tonangebend unter den jungen Damen i» Grünbergen. So muß denn Else Werter »otbwendig einer Bekannten guten Abend sage», und auch Milli verabschiedet sich schnell, kaum daß Hilde zu ibnen tritt. Ahnungslos mack't Liese noch einen Versuch. — Der gleiche Erfolg. WaS bedeutet da«? fragt sie sich. Wo doch nur Gerda steckt? — Ja, die bat längst ein interessante» Plaudereckcken in dem letzte» Ziinmerckc» der Reibe unter grünenden Palmen, auf bunte» Pdstkrn, beleuchtet von dem rothcn Lichte der Ampel, für sich unv den Grafen gesunden. Jetzt kommt Windig, um Hilde zu grüßen. Sic hängt am Ende dock mit dem Hause seines Präsidenten zu sammen, und besser ist besser, denkt der kluge junge Mau». Da aber taucht plötzlich ihnen gegenüber die Excellc»; von Meiering vor ibnen auf. Vertraut mit der Parole, welche sich zwar »ur rin kleiner Kreis gegeben bat, der Kreis, an dessen Herrschaft der große Kreis, der sich Gesellschaft nennt, feine Macht abgetreten hat, wie eine Republik au ihren Senat — findet er ebenso schnell eine Entschuldigung für sein Gehen. Lieutenant Bender will Fräulein Moran guten Abend sagen, ein scharfer Ruf seiner Schwester hält ihn zurück. Wieder slebt Hilde allein; sie macht keinen Versuch mehr, sich Jemand zu näbern; wohin sic tritt, weicht man aliö — man tuschelt, wispert, tbut sebr erstaunt und sehr empört. Die Herren — c- kouimen immer »ur scbr wenige zu dergleichen Soiröen, wo man nicht tanzt und nickt soupirt — werden von den Damen beschäftigt und lassen es sich gefallen. Von Hilden'- nähern Freunden, so scheint es, ist keiner anwesend. Peinlich, immer peinlicher wird eS Hilda zu Sinn. Man soll eS nicht merken; sie schränkt die Arme zusammen und bebt den Kops; ibre Blicke wandern von dem Boten z» dem Plafond, von den Fenstern zu dem Kamin, zu den Wände», der Tbür, >n welcher eben Donach mit einigen Herren unter dem grotesken Zickzack von buntem Plüsch seinen Platz ge- nemmen hat, um, jo scheint e«, die Vorgänge hier zu über schauen. (Fortsetzung folgte
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