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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940608021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894060802
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-08
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In Vertretung: v. Boetticher. Politische Tagesschall. " Leipzig. 8. Juni. Ter Verlauf der palnischen Nationalversammlung, die vnler dem Namen eines Katholikentages abgehalten wurde, ist kennzeichnend für unsere „BersöhnungS-Acra", in der alle Parteien für national befunden worden sind, natürlich für dtulsch-nalional. Die Herren in Posen verlangten, wie aus den jetzt vorliegenden ausführlichen Berichten sich erzieht, mehr und mehr, selbst eine Universität, an der hauptsächlich kalholischeProsessoren in polnischer Sprache lesen sollen. Daß man diese am weitesten gehende Forderung in der . deulschen (!) Mbeilung deS polnischen Katholikentags" vernehmen ließ, zeigt deutlicher al« alles Andere die vollkommene Identität roa polnischer und klerikaler Agitation. Wie zum Hohne wurde hiazugefügt, in Posen bedürfe eS einer polnischen Ullivnsllät als Bollwerk gegen die immer weiter ausgreifende rujjijtz-fanslavistische Propaganda. Innerhalb der ReichS- greazeu aber ist keine Spur eined solchen Propaganda zu mtkecken, sie fände auch nicht den geringsten Boden. DaS ualioualc Schicksal der deutschen Katholiken in Posen und uLmenllich ihr UniversitätSbeschluß hingegen beweist, daß die polnische Agitation sich zu einer immer größeren Ge fahr sür da« Deutschthum au-wächst. So plump der Hinweis auf das Russenthum aber auch ist, vielleicht drwirkt er dock» daß eine eigenartige RegierungsweiSheit die AuSbrrilung deS sehr natürlichen polnischen Feuer» zum Schutze gegen daS gemalte russische weiter begünstigt. DaS Frendengefchrei, das sich in der Posener Versammlung bei der Erwähnung des Sturzes deS Fürsten Bismarck erhob, ist ja wohl nicht ungeeignet, da und dort die Ge neigtheit, durch die polnische Brille zu sehen, zu er höhen. Die „Carriöre macher", die ausfälligerwcise ron zwei Rednern al- Hinderniß der Erfüllung polnischer Wünsche ausgeführt wurden, werden ein solches Beginnen gewiß nicht zu hintcrtreiben suchen. Die „Carriörcmacher" im blutigen Deutschland und Preußen sind keine Deutsch schwärmer, sie sind für Alles zu haben. Der Grundzug, der durch alle Posener Reden ging, ist der bekannte: man klagt überGermanisirung, während man die Verpolung des deutschen Elements betreibt. Die Unverfrorenheit geht dabei so weit, daß man die .Germanisirung" sür die „materielle Noth unter den Polen" verantwortlich macht. Wo aber wäre der ganze polnische Wohlstand ohne Preußen und seine deutschen Beamten? Uebernommen hat eS die ehemals pol nischen Provinzen im Zustande tiefer Barbarei, in die sie — eine Folge der polnischen Selbstregicrung — versunken waren. In Galizien, das bei weitgehender Autonomie von Polen verwaltet wird, ist heute die wirtbschaftliche Lage der polni schen Bevölkerung eine weit gedrücktere, als die der Polen in Preußen. Wem Anders als der deutschen Bildung verdanken es die Polen, wenn heute ein Mittelstand ihrer Nationalität an der Verdrängung deS DeutsckthumS sich betheiligen kann und ein Redner in Posen auSrufen durfte: „Kaust nur von Polen!" — eine Aufforderung, die nachträglich als gegen die Juden gerichtet hingestellt wurde, in Wahrheit aber den Deutschen gilt! Daß die Katholiken mit deutschen Namen, weil sie Katholiken sind, sür das Polenthum und ihre Kinder den polnischen Unterricht reclamirten, versiebt sick von selbst. Ebenso, daß der polnische Unterricht, als im Interesse der religiösen Erziehung gelegen, verlangt wird, während in Wahrheit die kirchliche Erziehung in den Dienst des Polen- thumS gestellt wird. Der Kaiser wurde zweimal des Ver trauens der Polen versichert »nd in leicht erkennbarer Absicht als ein Monarch gekennzeichnet, der Besserung schaffen möchte, aber durch die „deutschen Chauvinisten" und die schon er wähnten Carriöremacher daran verhindert würde. Bei aller „Anerkennung" fehlt aber doch nicht ein sehnsüchtiger Blick nach Galizien, wo die Dinge unter katholischem Herrscher besser lägen. Ueber die diplomatischen Folgen des zwischen der Vongo- regierung und England abgeschlossenen Vertrags bat sich die Brüsseler „Jnd6p. Belge" bisher sehr schweigsam ver halte». Jetzt berichtet das Blatt, der deutsche Kaiser habe einen eigenhändigen Brief an den König Leopold gerichtet, um dem Protest der deutschen Staatsleitung gegen jene einseitige Vereinbarung deS CongostaaleS mehr Nachdruck und Gewicht zu verleihen. Ferner schlichtet daS Brüsseler Blatt die Controverse, ob von Berlin aus nur nach Brüssel und nickt auck nach London eine Vorstellung ergangen sei. Sir Edward Grey, der ParlamentSsecretair deS englischen tnreign ot'tico, batte bekanntlich erklärt, bei der Londoner Regierung sei ein Einspruch des deutschen Reiches nicht erfolgt. Die „Indö- pendance" stellt diese Aeußerung des englischen TtaatS- functionairS in einer Weise richtig, die dafür zeugt, daß Mr. Grey nur dem Buchstaben, aber nicht dem Geilte nach die Wahr heit gesprochen bat. Der Protest Deutschlands ist aller dings an die Regierung de» CongostaatS adressirt, die deutsche Botschaft in London ist aber gleichzeitig von diesem Sckritte unterrichtet worden »nd diese hat wiederum ohne Verzug die engliche Regierung davon in Kenntniß gesetzt. Die „IndSpendance" will ferner wissen, daß der sranzösische Botschafter in Berlin mit dcm Grafen von Caprwi über die Congo-Angelegenheit bereits conferirt habe. Ob daS richtig ist, sei dahingestellt. Jedenfalls aber ersieht man aus der Debatte, die sich in der gestrigen Sitzung der französischen Deputirtenkammer an die Interpellation Etienne über die französische Politik in Afrika knüpfte und über die wir an anderer Stelle ausführlicher berichten, daß die französische Regierung sehr energisch in Brüssel und in London vorgeganaen ist »nd auch soviel erreicht bat, daß England sich zu Verhandlungen bereit zeigt. Solange diese Verhandlungen noch schweben, betrachtet die französische Regierung den Vertrag als null und nichtig und ohne jede rechtliche Tragweite. Da die Deputirtenkammer mit 527 Stim men diese ^Erklärung ihrer Regierung gebilligt bat, so erhält die Letztere einen starken Rückhalt. Sehr zu beklagen ist eS, daß der deutsche Reichstag nicht auch seine Stimme er beben und der Reichsregierung nicht auch einen solchen Rück halt geben kann. Als Haupthinderniß sür die Lösung der ungarischen Ministerkrisc gilt bekanntlich die Person deS InstiziniiiisterS Szilaghi. Wekcrle bat mehrfach erklärt, er könne ohne Szilagyi, dem er politisch, aber auch persönlich aus- engste verbunden, der der oberste Träger der ganzen Ebegesctz- resorm sei, ein Cabinet nicht bilden. Seitens des Monarchen dagegen scheint der Entschluß unabänderlich zu sein, Szilagyi nicht im Cabinet zu dulden. Man wirst ibm im Allgemeinen seine schroffe rücksichtslose Art vor, und im Besonderen macht man eS ihm zum Vorwürfe» daß er im Abgeordnctenhause. in seiner Rede über die Garantie- srage, eine drohende Sprache gegen die Krone geführt habe, und daß er in einer anderen Sitzung dem Abgeordneten EötvöS, der die Einmischung der Wiener Erzherzoge scharf kritisirle, nicht entgegengetreten sei. Bliebe Srilagyi im Cabinet, so wäre das, wie man behauptet, ein Rückzug der Krone vor dem Einfluß der ParlamenlSniebrheit. Um diese Personeiifrage dreht sich heute noch der Streit der Meinungen. Sollte Wekcrle sich von Szilagyi nicht trennen wollen, so dürfte der König Szapary, den ehemaligen reactionairen Minister, berufen, um ein Koalition-Ministerium zu bilden, was da» Fallenlassen der Kirchcnpolitik bedeutet. Angesichts dieser unerschütterlichen Willenskund gebung des Monarchen bleibt der liberalen Partei keine Wahl, als den Schöpfer de- CivilebegesetzeS zu opfern, da sie nickt aus Anhänglichkeit a» die Person Szilagyi'S die Kirchenpolitik, sür die sie ihr Alles eingesetzt bat, und daS liberale Regime aufgebcn kann. Sie vermag das um so weniger, als der König bestimmt ausspricht, er wünsche dringend und so rasch als möglich die Kirchenvorlage erledigt, um aller Aufregung ein Ende zu machen; er wünsche auch die liberale Partei in der Herrschaft zu erhalte». Es bleibt also bloS die Frage: Liberales Cabinet mit Wekcrle oder ohne Wekcrle? Sollte Werkcrle ablehnen, unter solchen Umständen ein Cabinct zu bilden, so würde er voraussichtlich den Freiherr» Desider Banssy, derzeit Präsident des Abgeordnetenhauses, einen Protestanten und eifrigen Freund der Kirchcnvotitik, als Nach folger sür die CabioetSbildung empfehlen. Banssy ist beim Kaiser sehr beliebt und würde bestimmt durch die Krone an genommen werden, wie er denn bereits gestern vom Kaiser empfangen worden ist. Offenbar käme eS nur zu einem UrbergangSministerium. Nicht ausgeschlossen ist, daß Wekcrle auf Wunsch Szilagyi'S und der Partei verbleibt. Die Haltung Szilagvi'S ist musterhaft. Schon vorig« Woche gab er die schriftliche Erklärung, er stelle die Sache höher als seine Person, er wolle kein Hinderniß sein und verzichte darauf, in Combination gezogen zu werden. Diesem Beispiele wird voraussichtlich die liberale Partei folgen, unter den herrschenden Verhältnissen aus ihren Lieblings wunsch, daß Szilagyi die Borlagcn im Parlament vertrete, verzichten und vor Allem trachten, die Reformen sicher zu stellen, die ihren Ruhm auSmachcn. Wahrscheinlich wird Szilagyi daS Präsidium des Abgeordnetenhauses angebolcn werden. Die endgiltigc Entscheidung deS Kaiser- wird heute Abend erwartet. Noch immer harrt die italienische Ministerkrise ihrer Lösung; so viel darf aber als sicher angenommen werden, daß CriSpi, wenn er sich auch zu sträuben scheint, wieder an die Spitze deS neuen CabinetS trete», und daßSonnino dem selben fcrnbleibcn wirb. Offenbar hatte eS CriSpi nur daraus abgesehen, sich desselben zu entledigen, da sein Finanzpro- gramm, an dem er hartnäckig festhielt, ohne wesentliche Modifikationen aus Annahme schlechterdings nicht mehr rechnen konnte. Sehr werthvvll wäre sür CriSpi daS Gelingen einer Verständigung mit Zaaardelli, an der, römischen Meldungen zufolge gegenwärtig eifrig, doch nicht mit allzu große» Aussichten auf Erfolg, gearbeitet wird. Zanardelli, der im vorigen Herbst so nahe daran war, der Erste im Staate nach dem König zu werden, und diese- Ziel seines leidenschaftlichen Ehrgeize» nur darum nicht erreichte, weil ein »och Größerer im Hintergründe stand, dürfte sich mit einer zweiten Stelle Wohl nur bescheiden, wenn er z» der Auffassung gelangt, daß sie ein zuverlässigere- Sprnngbret darstclle, al- seinerzeit die Kammerpräsident- schast. Vielleicht trägt eS zur rascheren Klärung der Lage bei, wenn die von der „Agenzia Stefani" signalisirten französischen Uebergrifse nach Tripolis ihre Bestätigung finden sollten. Denn die zur Zeit in Italic» herrschende Zwietracht dürfte im Handumdrehen einem festen Zusammenschluß aller zur Hochhaltung der nationalen Fahne entschlossenen Elemente weichen, wenn in Tripolis etwa- geschähe, was gegen die mit Bezug ans diese» Stück von Afrika genährten Hoffnungen und Pläne der italienischen Politik verstieße. Die Art und Weise, wie Frankreich, unter Verleugnung formell eingegangenrr Ver pflichtungen, seine Hand aus Tunis legte, ist in Italien unvergessen geblieben. Zwar konnte Italien eS damals so wenig wie beute aus einen offenen Bruch mit Frankreich an- kcmiuen lassen, aber die Erkenntniß der wahren Absichten Frankreichs im Mitlelmeere ist mit der tunesischen Erfahrung von Italien z» thcuer bezahlt worden, als daß eS irgend eine Regierung in Italien wagen dürste, sich in Tripolis abermals von den Franzosen das Prävenire spielen zu lassen Diese Möglichkeit aber, von Frankreich auch um die Anwartschaft aus Trixolitanien gebracht zu werden, erscheint durch das Vorrücken sranzösischcr Truppen auf tripolitanischeS Gebiet und Anlegung von Befestigungen daselbst um so näher gerückt, als da» ganze von den Franzosen a»S diesem Anlaß beliebte Verfahren in einem Maße den Ebaraktcr der Heimlichthuerci trägt, wie eS nur bei solchen Affaircn der Fall zu sein pflegt, welche aus irgend einem Grunde daS Licht der Oessentlichkcit zu scheuen haben. Mit anderen Worten: die Franzosen dürsten sich wohl bewußt gewesen sein, daß sie bei ihren Grenzexpeditioncn nach der tripolitanischen Seite hin weiter verrückten, als in der Ord nung war, sonst hätten sie wohl kaum ermangelt, sich vorder mit der Türkei, als der souzeränen Macht in Tri polis, in» Benehmen zu setzen. Sie unterließen da» und schufen dafür eine Thatsachr: den Odn und die Besetzung von Forts, welche als Berlheidigung gegen nomadisirende Wüstenstämnie gelten sollen, ebensowohl aber auch als Operation-bafis für weiter auSschaueude Unternehmungen gegen den tripolitanischen «tatu« nun an gesehen werden können. Daß sich Italien bei der Meldung der „Agenzia Stefani" ohne Weitere» beruhigen werde, ist wenig wahrscheinlich. Allerdings, wenn die italienischen Parla mentSpolitikcr sorlfahren, der Welt da» Schauspiel trostlosester innerer Zerfahrenheit zu bieten, können sie nicht erwarten, daß die Coneurrenzniacht im Mittelmeere ihre EzpansionS- gelüste aus Rücksicht auf Italien in Schranken halte. Die Gegner de- englischen CabinetS Rosebery scheinen die Einzclberatblinb kcS Budgets vvrübergehcn lassen zu wolle», ebne deiiiielben ernstlichen Widerstand entgegenzu- stelle», denn sie wissen zu gut, daß ihre WablauSsichten sehr zwcisclhast wären, wenn sic auf diesem Gebiete daS Cabinet zwingen wollten, Berufung an daS Volk einzulcgcn; eS kommen ja der besseren Gelegenheiten noch genug. So kam eS, daß ain Montag nach mehrstündiger Bc> Feuilleton. Der Liebe und des Glückes Wellen. Uj Roman von M. v. Eschen. Nachtruck »krbotr». (Fortsetzung.) Merkwürdig, je wobler und sicherer sich Bent in seiner Stellung fühlte, je kühler wurde er dem Bewußtsein gegenüber, Till, Reitberg seine liebe Braut nennen zu dürfen. Er dachte nicht daran, sie auszugeben, o behüte, er hätte so leicht, da man doch einmal beirathen mußte, keine geeignetere Frau sinken können. Sie wollten auch heiratben im nächsten Vinter. Er meinte nur, wer e» nicht gerade wüßte, brauchte e- nicht zu wissen. Denn er fand mit einen Male ein iiierlwiirdige- Vergnügen daran, wie dock manch ein hübsches Mäkcken nack ibm ausschaute und die Mütter ihm freundlich und höflich entgcgrnkamcii. Er fühlte sich überhaupt mollig im Zug. Nur eine trübe Stunde konnte ihm dennoch im Verlause der Zeit nicht geschenkt werden. Da- war, al- eine- Tage-, um mit seinen Worten zu reden, die Katharine Elise ihm auf die Vude gerückt kam. Da« Verlassen von Grünbergen» da» Verlassen der Katharine Elise waren ein- für Herrn von Windig gewesen. Da- Mädchen batte im Stillen gebangt und gejammert, bi» da» Schlimmste wahr geworden war und sic die Herrschaft Knall und Fall au- dem Hause geschickt hatte. Die Eltern wollten nicht- wissen von der Tochter, die sich nur Schimpf »nd Schande in der Stadt geholt, und verweigerten ihr die Äusnabmc. Ein Zufall ließ sie in dem Augenblick der höchsten Verzweiflung erfahren, wo ihr Verführer lebte. So war sie zu ibm geeilt. Bent von Windig saß gerade vor seinem Schreibtisch. Er wandte den Kopf, al- die Thür leise in den Angeln ging. Staunend und erschreckt, regungslos, wie angenagelt, hielt e» ihn aus der Stelle, als da« Mädchen eintrat. Mit finsterm Blick streifte er sie: „Darum kommst Du hierher?" entrang eS sich seinen kippen. .Ich habe Dir doch gesagt, daß es an« sein muß zwischen un» ' Da» war schon richtig. Er batte ihr durchaus keine Versprechungen ßemacht; aber sie hatte ihn lieb gehabt und a»ch a» seine Lieb« geglaubt. Eia Meer von Jammer lag dazwischen. Noth und Verzweiflung hatten das Mädchen eben instinktiv zu ihm getrieben; Zorn und Groll aber wallten auf in ihrer Brust, als sie ihn dasteben sah: nur erschrocken über ihr Wiedersehen, nur mit einem finstern Blick zum Gruße für sie, die alles über ihn vergessen, alle« um ihn geopfert hatte, waS daS Weib einem Manne opfern kann. Und doch, gerade diese kühle, fremde Haltung, seine Er scheinung. die ihr noch nie so vornehm gedünkt, die Art seiner Arbeit, die ganze Umgebung ließen dem armen Geschöpf die Kluft erst reckt erkenntlich werden, die zwischen ihr »nd dem Manne lag. den sie geliebt — den sie immer noch liebte — die Kluft, über die eS keine Brücke gab, über die keine Hand reichte, um eine Verlorene wieder zu reiten. Stöhnend sank sie auf einen Stuhl, barg den Kopf in ihren Armen aus den Tisch und brach in Thrancn auS. Und wie Bent von Windig einst diesem Mädchen gegenüber empfunden hatte, daß er jung war, so empsand er auch jetzt wieder, daß ihm immer noch ein Herz schlug in der Brust. DaS Mädchen that ihm leid, wirklich leid. Er trat zu ihr hin; seine Hand strich über ihr Haar. Sie schluchzte aus, lauter, heftiger. — Sofort erinnerte er sich der Situation und der Fatalität, welche damit über ihn selbst kommen konnte. Gewiß, derlei Dinge kommen vor; sie mußten nur mit dem nöthigen Anstand hinter den Couliffen verborgen bleiben. ES würde ibm seine Carribre nicht kosten; aber e» würde gerade eben hier am Orte sür seine Stellung fatal sein. ES durfte sür den Bräutigam von Tilli Rettberg nickt be kannt werden. Nimmermehr! Die Katharine Elise war ihm störend jetzt, er haßte sie beinabe, und der Augenblick der Gefahr gab Bent all seine kaltblütige Geschicklichkeit wieder. Er trat von dcm Mädchen fort: — ernst, ruhig und kalt verwies er ihr Gebaren. Zorn und Groll machten die Thränen versiegen. Sie hob den Kopf, ein Zug von Trotz trat in da- noch immer hübsche Gefickt. Er muß sie fort haben, aber im Guten! — Nun nimmt er ihre Hand, geschmeidig nnd schmeichelnd sucht er sie zu begütigen, zu »rösten. Er will sie nicht vergessen, gewiß nickt. ES tbut ihm ja selbst leid; dock e» kann nicht ander» sein. Er will für sie sorgen, aber sic muß auch brav sein — schweigen und ihm sein Leben nicht verderben. Sie hat ihn doch lieb, immer »och, so wie er sie! Und hatte Katharine Elise zornig den Kopf geschüttelt, indem sie deS eigenen verlorenen Lebens gedacht — schon nickte sie leise und lehnte die Wange gegen jcine Hand. Ja, er will sür sie sorgen. „Ob sic Geld braucht?" — Er geht an sein Bureau; er bietet ihr Gold. Sie schüttelt den Kopf und wehrt mit beiden Händen. Doch die bittere Nothwendigkeit, mit der das Mädchen an dern Volte bekannt ist, siegt über den Stolz ihres Geschleckt-. „Es ist nur wegen" — sie steckt die Rolle ei», dann beginnt sie von Neuem zu weinen. Bent hätte am liebsten mit dem Fuße gestampst, die Sache zog sich i» die Länge, jeden Augenblick kann jemand kommen. Er zwingt sich zur Geduld: sie soll ihm schreiben, wenn sie etwa- »ötbig hat. Sie möge fortgeben, bittet er, an «inen andern Ort; später, später können sie sich eininal Wiedersehen. Und die Katharine Elise begreift; sie will nach seinem Willen tbun, sie sieht ihn an, zum letzten Lebewohl: „Hab' mich nur einmal noch lieb, Bent!" bricht sie alle- vergessend au-, schlingt ihre Arme um seinen Nacken, birgt ihr Haupt an seiner Brust. Und noch einmal schleicht ein menschliches Rühren über Bent von Windig's Seele und leiht dem von klügelnder Be rechnung dictirten Wesen einen warmen Hauch: „Vcrrath' mich nickt!" flüstert er: wieder streicht seine Hand über da» braune Haar, die verbannte Wange. .Nie!" Fester schlingt sich de- MädchrnS Ar», um seine» Nacken, heiß küßt sie >bn auf den Mund. „Nie!" — daS galt ihr gleich einem Schwur, und fort eilte sie mit flüch tigem Fuß. Einen Moment stand Bent wie betäubt: „Fatale Geschichte daS. — Gott sei Dank, diesmal war- noch so abgelaufen!" — Er ging zum Fenster; er ließ frische Lust herein, als sollte sie den letzten Hauch der Erinnerung mit ihrem frischen Strome wegwehcn. Leise« Radrrrollcn tönt von der Straße heraus. „Ab" — Bent von Windig verbeugte sick, einmal, zweimal, verbindlich erfreut. Baron von Danach fuhr eben vorbei in seinem kleinen, gelben Iagdwagen mit den neuen Füchsen. Die beiden Herren sahen sich selten. Wo« sie in Grün» bergen zusammgebaltrn, vereinte sie nicht länger. Vielmehr war der Landrath zwischen sie getreten; noch mehr hielt sie die Verschiedenheit ihrer Ansichten, die nun immer offenkundiger zutage traten, auseinander. Verdrießlich bat Bent dem Baron nachgeschaut, so lange, bi- sich die letzten Wirbel de« von seinem Gefährt erregten Staube« wieder gelegt. Nicht unmöglich, daß ihm dieser Mann noch einmal etwa« zu thun gicbt! Er war neuerding- dabei, immer mehr Billigung sür seine Bestrebungen zu finden. — Die Wahlen standen vor der Thür. Und wenn das Recht derselben auck frei bleiben soll, so wird eS doch gern gesehen, wenn der Einfluß an maßgebender Stelle sich geltend macht. Es war also natürlich, daß Bent von Windig wünschen mußte, in seinem Kreise mit einem Candidaten durchzukommen, wie er sür ihn, daß heißt für ihn selbst am vortheilhaftesten war. Nun aber fing man an zu munkeln, daß Danach sich neuer dings auck um Politik zu kümmern pflegte — da- konnte unter Umständen eine Verschiebung in den Verhältnissen er zeugen, die durchaus nicht mit dem von Bent erstrebten Ziel in Einklang stand. DaS alle« ging ibm eben durch den Kops. „Aufpassen", murmelte er. „zur Stelle sein." Und so war eS am Ende ganz natürlich, daß, nachdem er rin paar Tage seine Obren gespitzt, ob nicht etwa- von jenem Besuch unter die Leute gekommen sei, nirgend« aber nur eine Andeutung erfuhr, diese alte dumme Geschichte vergaß. Mittlerweile war der Herbst in« Land gegangen; die langgcschlossciien Laden in der kleinen Villa zu Hroohausen batten sick geöffnet, Hilde, Gerda und der Präsident ihre» gastlichen Ei»;»g hier geballen. Gerda batte sich keinen >Augenblick in ihrer Zuneigung für Hilde beirren laste». Klügelnde Berechnung, schlau con vcntionelle Rücksicht czistirten, sobald das Herz >»S Spiel gcrietb, sür daS junge Mädchen nickt. Wenn sie in ihrem anmuthig spielenden Wesen unwillkürlich an ein Kätzchen erinnern mochte, so glitt sie auck gleich spielend über alle» hinweg, waS ihr nicht gefiel, entwischte kätzchengleich flüchtig, wenn sie jemand zu fassen Miene machte da, wo sie nickt gefaßt sein wollte. Diesmal batte noch dazu Papa ihr die Stange gehalten. Er schwört auf Hilde, erklärt Gerda nickt ohne einen Anflug von Stolz. Tic Präsidentin hatte den Vorfall bedauert, hauptsächlich, weil sie derselbe um einen hübschen Zuschuß brachte, der sich im Interesse ihrer Kinder — sür sich bedurfte sie kaum etwa« — prächtig verwen den ließ. Da aber bald in der Gesellschaft eine andere Beurtheilung oder Verurtbeilung de- Geschehenen um sich griff, zumal da mit dem Bekanntwerden jene- verhängnißvollcn Irrthum« die ganze Affaire einen komischen Anstrich erhielt, wenn man nicht
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