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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940611022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-11
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Abend-Ausgabe. Anzeiger. Legan fSr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Montag den 11. Juni 1894. Anzeigen'Pret» die -gespaltene Petitzeile SO Ptg. Reclamra unter dem Redactio»«strich <4g«» spalte») ÜO>^, vor den Famitiemoachnchte» <6 gespalten) 40-^. »röhere Schraten laut nulerrm Prei«. »aieichuib. Tadellanjcher und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Murgec-Ausgabe, ohne Postbesürderung ^tz 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ^nnahmrschluß für Äuzrlgea: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen« Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ze eine halb« Stund« früher. >»ret««» s'lld stet» an di« Expetzttiav zu richten. Druck und Lerlag von E. Pol» in Leipzig. 88. Jahrgang Politische Tagesschan. * Leipzig. 1l. Juni. Der heutige Tag wird voraussichtlich von der Ruine dcS InUschfreisinnS wieder einige Steine loSbröckcl». Die frei sinnige BolkSpartei des 2. Berliner ReickStagSwahlkreiseS fäll eine Versammlung ab, welcher eine früher eingesetzte Kommission Vorschlägen wird, die Ausnahme einer Reihe re» socialpolitischen Forderungen in das Partei- kregramm zu verlangen. Die Vorschläge sind nebst einer Begründung seit Freitags veröffentlicht, aber die „Freis. Ztg." des Herrn Eugen Richter hat ihrer noch mit Imiein Worte Erwähnung gethan. Hat Herr Richter «blich eingeschcn, daß seine rednerischen Erfolge durch daS ditber übliche vorausgegangene Verschießen dcS Pulvers in skinem Organ beeinträchtigt werde», oder ist ihm nachgerade bei Muth zu der gewohnten kurzangebundenen und hoch- «illhig-bornirten Abkanzelung von Distidcntcn abhanden ge kommen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls sind Programm- citwurf und Begründung von der Art, daß Herr Richter sic imversöhnlich bekämpfen muß, wenn er nicht einränmen will, Uß ihm auch seine focialpolitische Haltung dreizehn Jahre hin durch nur Mittel zum Parteizweck gewesen ist. DaS Programm deiont zwar den frcihändlcrischen Standpunct und den Grundsatz lmer, wie man herauslesen muß, unbeschränkten Gcwerbe- sniheil, im klebrigen aber bekundet eS völligen Abfall von der im Freisinn herrschenden Wirtbschastölehre. Es verstrigt sich sogar zu der Forderung eines nach Berufözweigcu fest- M'esendcn gesetzlichen Maximalarbeitstages für craachsene Arbeiter und vcrräth damit allerdings die dem bisherigen Herrn und Meister abgelauschte Kunst seiner Urheber, mit unerfüllbaren Verheißungen zu operiren. Auch »den Programmpuncte gehören in dieses Gebiet, daneben imtea sich aber unzweifelhaft auf dem Bode» praktischer socirlpolitik stehende Forderungen. Vor allen Dingen wird di« Revision der Arbciterversicherun gSgesetzc ver langt und damit der Standpunct der kaiserlichen Botschaft rom 17. November 1881 acceptirt. Die deutschsreisinnige Partei bat bekanntlich noch vor zwei Jahren in Bayern gegen i»1 InvaliditätSgesey einen PetltionSsturm entsacht und ihn, «lim auch vergebens, über die Grenzen deS SüdstaatcS zu tilge» versucht. Der einzige deutschsrcisinnige Abgeordnete, der die llumöalichkeit, das VerlorgungSgesctz abzuschaffen, anerkannte, ««vr. Max Hirsch,aber gerade zwischen diesem Herrn und Herr» Richter hat sich auf dem vorjährigen ersten Parteitag t« BolkSpartei eine in socialpolitischen MeinungSverschieden- heueii wurzelnde unversöhnliche Gegnerschaft herausgestellt. Ne Bersasser dcS Berliner ProarammentwurfS berufen sich kam auch aus vr. Hirsch zum Beweise der Behauptung, daß- die ilbkehr vom Manchesterthum kein neuer Gedanke inner» balj der Partei sei. Die Verurtheilung der Haltung bet Deutschfreisinns in einer bestimmten gesetzgeberischen zraze liegt auch in der Forderung nach Schaffung .mittlerer wie kleiner Bauerngüter." Ml welchem Ingrimm hat jene Partei die Rentengüter- nsetze, welche diesem Zwecke dienen, bekämpft! Die dem Programmentwurs beigegcbenc Begründung gipfelt in dem Tatze: „Die freisinnige Volkspartei wird eine sociale Reform- krrlei sein oder sie wird nicht sein." Man wird diese Be- llinrug, deren Anfänge übrigen- weiter zurückliegcn, weder m Bezug auf ihre Aufrichtigkeit, noch hinsichtlich der Kraft der Bekehrten überschätzen dürfen. Aber parteipolitisch kommt ihr zweifellos Bedeutung zu. Mögen die Forderungen im 2. Berliner LahlkreiS angenommen werden oder nicht: nachdem ein jelche-Programm einmal ausgearbeitet und veröffentlicht ist, kann der zweite Parteitag der Volkspartei nicht ohne jene jmntliche Auseinandersetzung verlaufen, die auf dem ersten durch ein unerhörtes Mamelnkentreiben unterdrückt worden ist. Auch die äußeren Umstände kommen diesmal einer freien Meinungsäußerung zu Statten. Der erste Parteitag war nach dem Zwing-Uri in der Berliner Zimmerstraßc befohlen, der zweite findet in Eisenacb statt, nabe dem Wohnort dr ob antimancbestcrlichcr Ketzerei cxcommunicirten früheren Abgeordneten vr. Harmening. Zu dem Capitel der osftciösen Miflwtrtlffchast liefert, wie wir den beute vorliegenden Berliner Blättern entnebmen, die „Militair. und Polit. Corr.", die alle Welt für ein Sprachrohr deS Reichskanzlers Grafen Eaprivi hält, einen neuen Beitrag, indem sie schreibt: „ES besteht bei den verbündeten Regierungen jetzt ein weitgehendes Einverständnih darüber, daß der dem Reich-, tage in der letzten Session vorgelegte Steuerresormplan ein zu Vieles u in fassender gewesen sei. Die Möglichkeit, an der Reichssinanzresorm in dem Sinn« sortzuarbeitcn, in dem dicS ins besondere vom Finanzniinister vr. Miquel nrgirt wurde, ist dadurch sür die nächste, um nicht zu sagen für absehbare Zeit durch- auS in Frage gestellt. Jedenfalls dars alS sicher betrachtet werden, daß in der nächsten Reichstagssession das Reichssinanz- resormgesetz nicht wieder zur Vorlegung gelangen wird. WaS daneben bereit- über Pläne verlacctet, die in Bezug aus die Um arbeitung deS Tabaksteuergesetzes beständen resp. verfolgt würden, so kann aus das Positivste behauptet werden, daß alle bezüqlichen Nachrichten den Ereignissen weit vorauseilen." Wenn man sich erinnert, daß die Landtage der aller meisten Einzelstaaten unter ausdrücklicher Zustimmung ihrer Regierungen die Notbwendigkeit einer Reichssinanzresorm von der Tragweite des von den verbündeten Regierungen dem Reichstage vorgclegtc» und von dem Schatzsecretair Grafen PosadowSky Wchncr mit ebensolchem Nachdruck wie von Herrn vr. Miguel verfochtenen Reformentwurfes betont haben, so kann man kaum darüber in Zweifel sein, daß die vorstehende Meldung auS der Luft gegriffen ist und die verbündeten Re gierungen nicht daran denken, dem Reichstage in seiner nächsten Session einen neuen Rcichöfinanzrcsormplan vor zulegen, der in seinen Zielen wesentlich von dem un erledigt gebliebenen Plane abweicht. Immerhin wird die angeblich ossiciöse Meldung die Folge haben, daß die Gegner dieses letzteren Planes in »hrcr Opposition sich bestärkt fühlen, als Bundesgenossen den Reichskanzler reclamiren, der hinter der „Militair. und Polit. Corr." liebe unk durch dieselbe die Väter der in der verflossenen Reichstagssession vorgelrgten Rcsormentwürf«, besonder- aber Herrn vr. Miguel, zn diS- crrditiren suche. Mag nun auch wirklich Graf Eaprivi, der seit seinem Rücktritt vom Posten deS preußischen Minister präsidenten die preußische Finanzklcmme nicht mehr wie ehedem spürt, dem ReichSsinanzrcformplane kühler gegen über stehen als die cinzelstaatlichen Minister» so kann eS ihm doch nicht gleichgiltig sein, wenn er von einem, namentlich von ihm iuspirirten Organe in den Geruch versetzt wird, er lasse gegen eine Reform agitiren, aus deren Zustande kommen die Regierungen und Landtage der Einzelstaaten sehnsüchtig Kossen. In seinem eigenen Interesse liegt eS, wenn er derartigem, unter der MaSke der Officiösität aus- tretendcn verwirrenden Treiben entschieden entgegentritt und mit dem ihm zugcschriebeneu Plane einer gründlichen Reform deS ofsiciöscn PreßwesenS nicht lange zögert. Da daS Mandat der Hälfte der belgischen Kammer» Mitglieder am 12. Juni abläuft, so müßte versassungS- gemäß an diesem Tage, obne daß eS eine- besonderen Aus- lösungSbeschlS durch den König bedürfte, die parlamentarische Tagung ihr Ende erreicht haben. Die Regierung und die Rechte scheinen aber die Tagung nicht eher beendigen zu wollen, als bis sie die schutzzöllnerische Regierungs vorlage durchgedrückt haben, wohl wissend, daß die nächste, auS dem allgemeinen Wahlrecht bervorgebende Kammer daS Schutzzollgesctz schwerlich annebmcn würde. Die liberale Presto zeigt sich mit Recht entrüstet über den beabsichtigten Verfassungsbruch, ganz abgesehen davon, daß eine Kammer, die auS dem für abgeschasst erklärten Wahlrechte hcrvorgegangcn ist, unmöglich zuständig sein kann, über ein o wichtiges, die ganze wirtkffckastlichc Lage veränderndes Gesetz abzustimmen. DaS haben die liberalen Depu- tirten dem Ministerium vorgestern zn verstehe» gegeben, als sie, wie im Morgenblait telegraphisch gemeldet wurde, durch Fernbleiben von der Sitzung die Abstimmung über den Antrag dcS Finanzministers, an die Spitze der nächsten Tagesordnung den Gesetzentwurf, betreffend die Einfuhrzölle, ^u setzen, unmöglich machten. Sollte die Regierung im Bunde mit den Klerikalen vor dem VcrfassunaSbruch nicht zurück- cheuen, und, um ihre sckutzzöllncrischen Pläne durckzubringen, ?ie Kammer morgen nicht vertagen, dann würden die Liberalen sich nicht anders Kelsen können, als durch fortgesetzte Abscntirung gegen ein solches Verfahren zu protestiren. — Durch daö von der belgischen Kammer am Mittwoch mit 70 Stimmen gegen 11 der Rechten und deS linken CentrumS angenommenen neuen Wahlordnung wird die Zahl der Wähler für die Kammer t 856 620 beiragen. also bedeutend mckr als früher. DaS Pluralsystem bringt eS mit ich, daß eine starke Minorität dieser Wähler über mehr als Eine Stimme verfügt. Die Zahl der Stimmen wird mehr als zwei Millionen sein. Der Wähler für den Senat giebt eS l t 10 782, der Stimmen 1 802 31t. Wer auS der Ver allgemeinerung dcS Wahlrechts dauernden Nutzen ziehen wird, die Klerikalen, oder die Fortschrittler und Socialdemo- kraten, läßt sich nicht Voraussagen. Die Niederlande stehen wieder vor einem Colonial- Kriegc. In der ersten Kammer erklärte, wie mitgctheilt wurde, am Freitag der Colonial-Minister, daß gegen die kleine Sunda-Iuscl Lombok eine militairische Expedition geschickt werde, wenn der dortige Radjak die Souveraiuetät der Niederlande trotz dcS Vertrages vom Jahre l818 nicht anerkennen sollte. Die Insel Lombok zählt 405 000 Ein wohner, worunter .800 000 SassakS, 20 000 Balinesen, im Ucbrige» Malayen und Buginesen. Bis t728 war daS Reich im Besitze der mobammedanff<hen SassakS, doch in zenem Jahre bemächtigten sich desselben die Balinesen. Im Jahre 1880 warf sich der Fürst von Mataram zum Alleinherrscher rer vier Reiche auf. Der gegenwärtige Sultan bat seinem Sohne Anak Agung Made: Gelegen heit gegeben, sich des Thrones zu bemächtigen. Dieser bedrückt daS Volk in unmenschlicher Weise und sengt und mordet unter den SassakS, die sich empört haben, seit dem Jahre 1801. Nur während der ReiSernte wird Waffenstill stand geschloffen. Schon vor einem Jahre haben sich die ver zweifelten SassakS mit der Bitte um Hilfe an daS indische Gouvernement, unter dessen Oberhoheit sie stehen, gewendet; der Sultan von Lombok aber weigert sich, den Gesandten des General-GouvernemcntS zu empfangen. Werden die Nieder lande hiermit wieder in einen Colonialkrieg verwickelt, dann kann man ihnen nur wünschen, daß sie die Expedition dies mal nickt, wie dies im Kriege gegen die Atschinesen au Sumatra der Fall gewesen, wieder mit unzureichenden Kräften und Mitteln unternehmen, um nicht ein zweites Atjeh zu erleben. Während von den russischen Blättern in Bezug auf Bulgarien die „Nowoje Wremja" eine Schwenkung zu vollziehen scheint, indem sie eS als nicht ausgeschlossen be zeichnet, daß nach der Beseitigung Stambulow'S die Möglich keit sür den Fürsten Ferdinand gegeben sei, auS seiner gegen wärtigen „falschen Lage" herauszukommen, wird nunmekr die in der russischen Presse sofort nach dem Rücktritt Stam- bulow S auSgedrückte Uebcrzeuaung, daß diese- Ereizniß ohne jetcRückwirkung aus die seiten-Rußlands gegenüber dem Fürsten Ferdinand beobachtete Haltung bleiben werde, durch Acußerungc» auS Negierung-krcisen in vollem Umfange bestätigt. Mau betont, daß Rußland unabänderlich an dem seit Langem ciiizcnommenen Standpuncte festhalten werde, wie er durch die wiederholten formellen Erklärungen der russischen Regie- riing, wonach sie die Wahl deS Prinzen Ferdinant zum Fürsten und dessen Anwesenheit inBulgarien als illegal^ ansiebt, gekennzeichnet worden ist. — D«e unter Vorsitz dcS Senators v. Plehwc eingesetzte Commission zur Erweiterung dcS bäuerlichen Grundbesitze- i» Rußland hat nun ihre Arbeiten beendigt. Sie ist zur Ucberzeugung gelangt, daß daS gegenwärtig bestehende Areat der Bauern eine Erweiterung erfahren müsse, und plaidirt deS halb sür eine Ausdehnung des jetzigen bäuerlichen Grundbesitzes Die letzte HungerSnotb in Rußland hat thatsächlich gezeigt, daß der karg bemessene Grundbesitz der Bauern eine der Haupt- ursachcn deS NothstandeS war. — DaS düstere Bild, das der russische Arzt Nr. SchusckzinSkij kürzlich in Petersburg über die grauenvollen Zustände im Centralgefäng- nissc zu Tjumen enlworse», hat seinen Eindruck auf die maßgebenden RcgicrungSkreise nicht verfehlt. Wie die „Nowoje Wremja" nämlich meldet, begiebt sich demnächst der Direktor der Central-Inspection sür Strafanstalten im Reiche, Gebeimratl, Galk,» Wraßkij, nach Ostsibirien und Sachalin, um die dortigen Gefängnisse und Strafkolonien zu inspiciren. Galkin Wraßkij ist in Rußland durch seine humanen A»> chauunge» auf dem Gebiete des SlraswesenS allgemein geachtet. Wenn cö ihm gelingen sollte, die unhaltbaren Zu- tänte in den Gefängnisse» Sibirien- auszuhcben und die Lage der Sträflinge menschlicher zu gestalten, würde er sich den Dank aller Menschenfreunde erwerben. Tic bulgarische Kirche hat mit dem Fürsten Ferdinand ihren Frieden gemacht. Be, dem am Freilag erfolgten Empfange der Mitglieder der Synode wurden zwischen dem Präsi denten der letztere», de», Bischof Gregor von Rustschuk, und dem Fürsten Reden gewechselt, in welchen daS schönste Ein vernehmen sich kunrgab. DaS ist die erste wichtig« Tbal- sacke, die sich seit dem Rücktritte Stambulow'S und dem Antritte de- Ministerium« Stoilow in Sofia ereignete. Noch bevor sich dies zutrug, wurde ihr von dem Peters burger „Swjet", dem Organ de« Obe,-Procura»vrS PobedonoSzew, in eigenthümlicher Wc^sc präludirt. Der „Swjet" nimmt cs als au-gemacht an, daß die bulgarische Geistlichkeit russopbil sei. Er wisse, sagt er. au« genauer Quelle, daß ein beträchtlicher Tbeil der obersten bulgarischen Geistlichkeit mit dem Exarchen und Metropoliten Gregor, dem Präsidenten der Synode, an der Spitze geneigt sei, den Fürsten Ferdinand im Sinne seiner Anerkennung seitens Rußlands krästig zu unterstützen. (??) Hieraus ergäbe sich, daß, wenn Fürst Ferdinand wirklich von den, Wunsche beseelt sein sollte, sein Land wieder in einen normalen Zustank u versetzen, er den einzigen zum Ziele und zu seiner Aner- ennung fiilirentcn Weg betreten habe Aber selbst wen» er dock nicht anerkannt werden sollte (und da« wirr er nie!), so würde er dabei nicht verlieren. Den»! ob anerkannt oder nicht, jedenfalls werde seine Stellung weit fester und sicherer sein als jetzt, weil er nunmehr sich stütze» könne auf die Sympathie der Volksmasse». Sollte eraberBulgaricn verlassen wollen («ic), so könnte er da« mit Ehren tbun, als Wohltbäter dcS Landes» dem er sozusagen dann sich selbst geopfert haben würde. Das hat, wie gesagt, der „Swjet" geschrieben, noch bevor die Mitglieder der bulgarischen Synode im Palais des Fürsten Ferdinand sich cinfanden. Ver Liebe und des Glückes Wellen. Uj Roman von M. v. Eschen. Nachdruck «erbot«!. (Fortsetzung.) .Ich würde ihnen rathen, das lieber nicht zu tbun", sagt Ich Beut mit wahrhaft wolwollender Leutseligkeit — und nicht dem finstern Gesellen die Hand — „lieber daS Mädchen läse» lassen. Mit großen Herren ist schlecht Kirschen essen. Lei» Sie lieber daran denken wollen, den Einfluß de« Beter« für den Doctor Köding zu benutzen, da« wird jeden- sül« den Mann am meisten ärgern, wenn Sie etwa« mit lim auSzuesscn haben." .Adieu, mein lieber Herr Bürgermeister" — Johanne« Lrruliaam hat mittlerweile den Wagen verlassen und die ilmke seiner HauSthür gefunden. .Litt-, bitte, war mir ein ganz besondere- Vergnügen. Gele Nacht, meine Herren" — Bent von Windig hält au«, geschmeidig und höflich bi« auf den letzten Moment. Däan klappt der Schlag am Wagen zu. Und wie der Herr Landratb jetzt dahin fahrt, zeigt er ein andere« Gesicht. Dan» und wann streicht seine Hand über die Stirn, als ob ihm warm wäre — und e« ist doch eine recht herbstlich kühle Nacht. Sr seufzt und stöhnt, rückt hin und her, als könne er de» rechten Phatz nicht finden, und doch ist der Wagen sehr bequem, die Landstraße sehr gut. Endlich scheint er ruhiger zu werden; er steckt sich eine Cigarre an. Schließlich, wa» geht eS ibn an, wa« kann er dafür, wa« « solch dummem Bauerngehirn vorgeht. Sein Schade ist H ja nicht. Und da« beste bei der Dummheit ist, daß man sit oeuutzen kann. Zu einem Studiengange in da« Freie gerüstet, schreitet Hilde eben die Treppe hinunter. Ein leichter Tritt hallt «ff dem Flur; eS stürmt Jemand herauf: athemlo«, mit iMeuden Wangen, dir Augen in feuchtem Glanz, schlingt Lrrda di« Arme um der Freundin HalS: „Ich bin so glück- uch, so glücklich!" jubelt daS Mädchen leise und birgt da« Gefichicheu an der Freundin Brust. ^E»tt fei Dank!" — E« klingt etwa« wie Humor in Hwa« Glimme. Bei Gerda ist man ja immer auf der- sieichcn Uebergänge gefaßt; Hilde hat stets etwas skeptischen lnsichteu über die Tiefe und Innerlichkeit ihrer kleinen Freundin gehuldigt. Sie weiß auch zur Genüge, daß man bei deren Ergüßen nicht vorsichtig genug sein kann, und schnell gefaßt hat sie da« erregte Mädchen in das Zimmer gezogen. „Er hat e« mir gesagt! Er liebt mich. . ." Hilde erfährt, daß der ernste, sehr würdige und gescheite, nur etwa« schüchterne Doctor Neubcr doch den Muth gehabt hat, um daS Töchterchcn des Präsidenten zu werben. „Nein, blick nicht so fremd drein", schmeichelt Gerda. „Ich weiß AlleS» WaS Du sagen willst — was sich dagegen sagen läßt. O, ich bin klug geworden mit einem Mab" — Wehmüthig sinnend: „Ja, eS bat sich schnell geändert mit mir, schneller als ich selbst je — mir gedacht. Doch sei nicht böse, schilt mich nickt. Ich bin nicht leichtsinnig, wetterwendisch, wie Du denkst. Ick halte ihn lieb, doch, ich harte ibn lieb, sehr lieb! Aber" — und der Schatten, der ibr Gesichtchcn umdüstert, klärt sick in einen nachdenklichen Ausdruck aus — „ich bin nicht wie Tu. Ich kann nicht arbeiten, nicht schaffen sür da« allgemeine Wohl. auS Princip, wie Du eS nennst. Nein» ich bin eben ein rechte-, echte-, schwachseliges, klein- müthigeS Frauenzimmerchcn." — Dabei lacht sie schon wieder schelmisch heiter auf: „Ich bin selbst nicht einmal im Stande, mich zu amüsiren ohne Jemand, der mich ganz im Spccielle» intcressirt. Nein, bitte, die Stirn nicht kraus ziehen, süße, weise, strenge, goldene Hilde! Ich war so unglücklich — so erbärmlich unglücklich, elend und allein! Und er hat mich lieb, er hat mich lieb!" ES scheint, daß diese- Argument, welche« immer wieder den leitenden Punct für Gerda ergiebt, nunmehr auch aus Hilde seinen Einfluß übt. Milde blickt sie eben auf die kleine Freundin hernieder, streicht mit der Hand über das goldblonde Köpfchen. Dann, gewohnt, mit den Tbatsacken zu rechnen, meint sie bekümmert: „Aber Deine Familie, Tu selbst, kleine verwöhnte Prinzeß — daS wird noch manchen Kampf kosten." Und wirklich doch betrübt neigt Gerda da- Köpfchen; ziemlich kleinlaut klingt ibr „Ja". — Sofort aber richtet sie sich in die Höhe, dir zierliche Gestalt scheint zu wachsen mit der Bewegung, mit dem Don: „Er bat mich lieb; er bleibt mir treu, aus jeden Fall, sür alle Zeit! Wir werden warten — ich werde bitten, b,S Papa und Mama damit zufrieden sein müssen I O, wenn Da wüßtest, wie schön daS ist, sich zu lieben, obne Ende! Da« andere" — wie Sonnenschein fliegt r« über Gerda « Gesichtchea: „Nein, ich bange nicht. Er hat gesagt, ich solle nicht bangen; die Liebe könne Alles — nur nicht Jedermann verstände zu liebe». Ich aber kann lieben, ich muß lieben, wenn ich glücklich sein soll. Und darum werde ick, einfach sei», werde ich sparen lernen. O, wir brauchen die Welt und die Gesellschaft nicht! Ich kann auch arbeiten, süße Hilde. — Doch" — wieder im jugendliche» Muthwillen bricht cs neckend hindurch: „doch sür einen Mann muß eS sein. Nein, nicht zanken" — ein spielendes schmeichelnde- Kätzchen, schmiegt Gerda sich zärtlich in den Arm der stolzen Freundin, lehnt sie ihr heißes Gesichtchcn an deren Wange: „Er hilft mir; er lehrt mich Alles, was mir noch fehlt. Wir werden Alle« überwinden; ich muß Jemand haben, für den ich lebe: ich will ja nur leben sür ihn!" Und ein eigenthümlicheS Gefühl zieht in dem Augenblick über Hildens Herz: „Gott segne Dich", sagt sic innig; liebevoll wie »ie beugt sie sich zu ihr nieder und küßt sie auf die Stirn — als möchte sie mit diesem Kuß abbitten, WaS sie neulich mit ihrem verächtlichen Lächeln, eben noch ihr mißbilligende« Staunen — ihre skeptischen Anschauungen — jemals an Gerda gethan. ES ist Mittag geworden, als Hilde endlich dem Walde zuschreitct, zum ersten Mal, seitdem sie dem Baron von Do- nach darin begegnet ist. Lange bat daS Mädchen gezögert mit diesem Gang. Doch die Schönheit der Tage ist bedenklich am Schwinden; und gerade die herbstliche Färbung von Laub und von Luft ist so besonders köstlich in diesem Jahr. Nein, sie will sich nicht länger darum kümmern, lieber sorgen, daß sie etwa« Gute« schafft. Sollte er ihr begegnen — gut, in Grünbergen sind sie sich auch begegnet — dann zieht er den Hut; sie neigt den Kopf; wenn sie miteinander reden, wird eS höchsten- vom Wetter sein. Außerdem ist er heute nach Grünbergcn gefahren, um sich eine neue Maschine anzuseben. Er hat eS ihr selbst bei dem Fest de« vr. Ködding erzähl». Sie haben sich da zum ersten Mal wiedergeseben seit jenem Abend, da er so ritterlich zu ihr stand trotz alledem — und sie — ein leise« Schütteln de« Köpfchen- unterbricht den Gedanken. — WaS hatte sic denn gehofft — daß er ihr Adieu sagen — daß er sie besuchen möchte, weil fie schließlich unter dem Einfluß jene« Momente« dock au« sich berau«- gegangcn war ibm gegenüber — und mehr ihm gegenüber als — all den Ander». Hier wurde e« Hilde plötzlich recht warm, sie nahm den Hut von dem Kops. Unsinn, sich derlei einzubildea! er hält nicht viel von den Frauen — und am wenigsten macht er sich au« denen etwa», die rin ernste» Ziel im Leben verfolgen, anstatt über den Künsten zu sinnen, mit denen man ein Paschaläckeln gewinnt. Doch warum kränkt sie da«? — Warum bat sie darunter gelitten, daß er sie nickt noch ein mal gesehen hat, wie er doch in jenem Augenblick gewollt? O, sie fühlt sich nur gekränkt in der Würde ihre« Geschlechtes. — Sie hat dock wohl recht getban, daß sie gestern so kühl, so ablehnend gegen ibn gewesen ist. Da ist sic zur Stelle gelangt, einer prächtigen Gruppe alter Bäume, mit einem kleinen Ausblick in die blaue Ferne; unter den herbstlich bunten Zweigen, rin verfallende« Holz kreuz auf moosigem Hügel, nicht weit davon einige pyramidale Steinblöckc verstreut, da wo die Bergkante de« kleinen Pla- teau« sich nach dem Gelände senkt. Und bald ist Hilde dabei, diese Idylle festzubaltcn. Nur ein wenig bleich sieht sie beute au«, zuweilen legt sich eine kleine Falte zwischen die seinen Brauen, um den Mund spielt wechselnd ein herber oder träumerischer Zug, was daS reizende Gesicht aber nur noch anziehender erscheinen läßt Ein leises Rascheln, ein Knacken von dürren Arsten — ein Stöhnen endlich schlägt an Hildens Ohr. Sie fäbn zusammen; nicht« rührt sich , sie hat sich dock wohl getäuscht l Da wieder da« gleiche Rascheln, da« gleiche Knacken, wie schleichende, tastende Tritte. Und e« fällt Hilde ein, der Platz ist nicht geheuer, wie sich da« Volk erzählt, e« ist Einer umgebracht worden hie», der, der unter dem Kreuze dort rubt. Hilde ist aber kein Mädchen, dergleichen Phantasien zu huldigen; muthig entschlossen springt sie aus, zu sehen, was e« giebt. „Holla — jetzt Hab ich Dick — und Du entkommst mir nit!" tönt eS da binter dem FelSblock hervor, der sie, so scheint e-, von dem Redenden scheidet. „Jetzt wirk gesprochen. Gnade Dir Gott, wenn Du de Wahrheit nit sprichst!" „Und der Danach ist'« dock, der Donach vom Erlen- Hof, den Du zum Schatz mir vorgezogen bast! Verdammte Dirne Du!" Ein lähmende Gewalt scheint jener Name ans Hilde zu üben; rrgung-lo- lehnt sie an dem Stein; jeder BlntStropsen weicht au» ihrem Gefickt. „Laß mich geben!" schreit eine Frauenstimme nun. „WaS geht« Dich an! Wir haben nix mit '«ander zu tbun. wir zwei Beikel" (Fortsetzung folgt.)
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