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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940612024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-12
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Ausgetreten sind der Kultusminister Graf Esaky, der längst geben wollte und keinesfalls geblieben wäre, der Ackcibaumimster Graf Bethlen, welcher die Hauptursache rer Episode mit dem Grasen Kbuen-Hedervary war, und der Minister a latere Gras Ludwig TiSza, der krank und längst nmlsmüde ist. Ueber die ne »ernannten Minister ist Folgendes mitzutbeilen: Ter CultuSminister Lorant EötvöS ist der Sohn deS als Staats- mann und Dichter berühmten Barons Joseph Eötvös, deS ersten Kultusministers Ungarns im Jahre 1848 und im Cabinet des Grasen Julius Andrassy. Lorant Eötvös ist «in politischer Neuling, denn von einigen Reden im Magnatenhause abgesehen, welche sachlichen Fragen galten, hat er es bisher vermieden, politisch hervorzutreten. Er beschrankte sich aus seine wisscnschastliche Thätigkelt als Professor der Physik an der Pester Universität. Bor einigen Jahren wurde er zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften gewählt, in wrlcher Stellung er gleichfalls der Nachfolger seines Baters wurde. Er jag in Heidelberg und Königsberg zu Len Fügen von Bunsen, Kirchhofs und Helmholtz und erwarb sich in der reizenden Neckarsladt summa oum lauilo den Doctorhut der Philosophie. Bon dort kehrte er nach Ungarn zurück, und nach dem Tode seines Vaters wurde er zuni Professor an der Pester Uni versität ernannt. Baron Eötvös publicirte viele Einzeldarstellungen über Versuche in seiner Wissenschaft, ein großes systematisches Werk ist von ihm nicht erschienen. Dagegen besorgte er die Uebcrjetzung dir populären kleinen Borträge von Helmholtz in das Ungarische. Haron Lorant Eötvös betheiligte sich an allen Enqueten in llnter- riLtSsragen, und »S ist bekannt, dag er den organisatorischen Ver suchen aus dem Gebiete des Mittelschulwesens, die unter Csaky gemacht wurden, in hartnäckiger und principieller Opposition gegenüberstand, seiner Gesinnung nach ist er ein entschiedener Liberaler, der das lncheupolitische Erbe deS Grafen Csaky uneingeschränkt aus voller litderzeugung antreten, dagegen in der Unterrichts-Verwaltung offenbar »udere Bahnen einschlagen wird. Baron Eötvös steht in der Voll kraft seiner Jahre. Er wurde lm Jahre 1848 geboren. Bei der levte» Reform deS Oberhauses wurde er für Lebensdauer zuin Mit- aliede desselben gewählt. Er ist ein Schwager des österreichischen Fmauzminislers Or. v. Plener und mit einer Tochter des ehe malige» Justizministers Balthasar Horvath vermählt. AlS Redner u»d Lebalter wird er sich im Parlamente erst zu bewahren bade». Sein Bortrag ist klar, ungesucht und immer aus die Lach« gerichtet. Brat Julius Andrassy, der Minister am Hoslager in Wen, sieht erst im 34. Lebensjahre. Er ist der zweitgeborene Loh» des ehemaligen Ministers des Aeugern und beileidet seit de« Jahre 1892 die Stelle eines politischen Staatsjecretairs ia Ministerium des Innern. Als sein Vater vom Posten naeS Ministers des Aeugern znrückgetreten war, dachte der Sohn daran, sich der diplomatischen Lausbahn zuzuwcndcn, und verweilte einige Zeit hindurch bei den Botschaften in Konstantinopel und Berlin. In der deutsche» Rcichshanptstadt war er ein häufiger und gern gesehener Gast im Hause des Fürsten Bismarck. Es zog ihn »dessen immer nach der Heimath zurück, und er betrat später die rarlamentarische Carrivrc. Sie brachte ihm als Redner noch wenig Lorbeeren, aber sie verschaffte ihm die höchste Achtung der älteren politischen Genossen, die sein geschärftes Urtheil w allen schwierigen Lagen rühmen. Gras Andrassy hat sich von eien, Anfang an in die vorderste Reihe der Streiter sür die liberale rirchenpolitik gestellt. Seinem ganzen Wese» nach ist er das treue äbenbild seines Vaters, der als Mensch und Staatsmann sich in Vien jo großer Bolksthümlichkeit erfreute. Tie persönlichen Eigen- ihasten des neuen Ministers, seine ausgebreiteten Beziehungen in den vornehmen Kreisen der österreichischen Hauptstadt sichern ihm daselbst eine gesellschaftliche Stellung, deren ein ungarischer Minister im Hoslager nicht entrathen kann. Diese Position ist gerade in den gegenwärtigen Zeitläusten und bei den jetzigen Strömungen van besonderer Wichtigkeit. Man rechnet zuversichtlich daraus, daß Gras Andrassy di« auf ihn gestellten Hoffnungen vollauf recht- jeUiaen werde. Allseitig wird anerkannt, daß Kaiser Frau; Josef durch die Wiederannahme deS ihm unsympathischen Justizministers Szilagyi eine» neuen Beweis sür sein Bestreben gegeben bat, seine Person hinter die politische StaatSraiso» zurücktreten zu lassen, und daß andererseits die liberale Partei durch daS Verbleiben Szilagyi'S eine erhebliche Stärkung erfahren hat. Allerdings bestätigt cs sich, daß die klerikalen Magnaten ihren Widerstand gegen die Eheresorm sortsetzc» wolle», daß sie also im Begriff sind, gegen den Willen des Kaisers sich aufzulehncn, aber dieser hat ihnen die Antwort bereits in der Ernennung dreier reformfrcundlicher lebenslänglicher Mitglieder deS Magnaten- bauseS zukommen lassen, ein durchaus versassungömäßiger Schritt, der den Schein einer Vergewaltigung de» Ober hauses völlig verloren bat, da in der Ernennung nicht mehr eine Gewährung der von Wekerle verlangten Garantien er blickt werden kann, dieselbe vielmehr als ein freier, spontaner Willcnsentschluß des Monarchen anzusehcn ist, nachdem Wekerle schließlich aus den PairSschub verzichtet hatte. Der hoch herzige Entschluß des Kaisers hat schon den Erfolg gehabt, daß einzelne Magnaten erklärt haben, sie wollten der ent scheidenden Abstimmung im Oberhause fernbleiben. Ihnen dürften noch andere folgen. Sollte trotzdem das Ehcrcform- gcsey zum zweiten Male abgelehnt werden, dann würde der Kampf zum dritten Male entbrennen, dann aber nicht bloS um die Eivilehc, sondern um Sein oder Nichtsein de- Ober- Hause- geführt werden. politische Tagesschau. * Leipzig, 12. Jum. Daß die moderne vtrsetzgebuugsmaschine in reckt über eilter Weise arbeitet, ist schon an Tausenden von Beispielen nachgewiesen worden. Ein neues entnimmt die „Köln. Ztg." dem jüngsten Jahresberichte der Handelskammer zu Hagen. Dieser Bericht theilt nämlich das Folgende mit: In einer Fabrik deS Bezirkes dauerte die Arbeitszeit von 7>/, Morgen- bis ?>/, Uhr AbcndS; die Pausen waren von 8—8r/s, von 12—1 und von 4—t>/« Uhr; der Fabrikherr hatte im Winter seinen jugendlichen Arbeitern gestattet, erst um 8»/, Uhr zu kommen, um ihnen den Dienst zu erleichtern, ohne ihnen deshalb einen Lohnabzug zu machen. Er ist wegen dieser Wohlthat, die er seinen jünger» Arbeitern erwiesen hat, bestraft worden, weil er den 8- 138 der Gewerbe ordnung verletzt habe. Dieser Paragraph schreibt nämlich vor, „den jugendlichen Arbeitern muß mindestens Mittags eine einstündige, sowie Vormittags und Nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden". Der Arbeitgeber gab seinen jugendlichen Arbeitern statt dieser halbstündigen Pause Vormittags sogar eine ganze Stunde Erholung, aber diese Erholungsstunde wurde nicht als „Pause" angesehen, weil vorher noch keine Arbeit geleistet worden war. Die Hagener Handelskammer weist mit Recht daraus hin, daß bei gleicher Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung auch derjenige Fabrikbcrr bestraft werden müsse, welcher wegen mangelnder Aufträge seine Fabrik statt um 7>„ Ubr Abends schon um 4 Uhr, also vor der sonst üblichen Kaffcepausc schließe; denn in diesem Falle kämen die jugendlichen Arbeiter um die nach der Gewerbeordnung ihnen unbedingt gewährleistete „halbstündige Nachmittagspause". DaS rheinische Blatt be merkt dazu: „So wird Verminst Unsinn, Wohlthat Plage. Es wirst ein bedenkliches Licht aus unsere Behörden, Lag sie vorziehen, einen Fabrikbrrrn, der den Wortlaut des Gesetzes verletzt, um seinen jugend lichen Arbeitern eine höchst erwünschte Arbeitserleichtcrung zuzu- wcndcn, zur gerichtlichen Bestrafung anzuzeigen, statt dag sic ihrer, seits alles ausbietc», jene unglücklich geiahte Gesetzesbestimmung so schnell wie möglich zu beseitigen. Nicht weniger bedenklich erscheint es uns, daß Behörden sür solche Fälle den Rath geben, der Fabrik herr möge dann so lange, als diese verfehlte Bestimmung in Krast besteht, seine ganze Fabrikordnung ändern. So wird thatiächlich die arbeitersreundlichsle Gesetzgebung zu einer geradezu arbeiterfeindlichen. Die Klagen der Hagener Handelskammer sind, wie wir erfahren, schon über vier Ja kire alt: die Novelle vom 1. Juni 1891 hätte sie ohne jede Schwierigkeit beseitigen können. Wir bedauern lebhaft daß die Regierung daS unterlassen hat." Wir können dem nur zustimmen und den Wunsch hinzu fügen, daß die betreffende Bestimmung bald einer sorg fältigen Revision unterworfen werden möge. Mit diesem Wunsche aber verbindet sich der andere, daß auch vorsichtiger mit den Anregungen zu neuen gesetzlichen Bestimmungen ver fahren werde. Eine nach unserer Uebcrzcngung wenig vor sichtige Anregung gebt jetzt von der „Braunschw. LandeSztg." aus, die Angesichts der Brauerei-Boycot tirung en durch die Socialdcmokratie den folgenden, von anderen Blättern befürworteten Vorschlag macht: „Tie bürgerliche Gesellschaft verlangt immer dringender darnach, dag diesem Gebühren gesetzlich gewehrt werde. Schon im nächsten Reichstag mug der Versuch dazu gemacht werden. Verruss- crklärungen waren im Mittelalter aufs Aeuhersle verpönt und wurden schwer bestraft, weil der gute Rus eines Menschen damals noch mehr galt als heule und von ihm Leib und Leben und Wohlbefinden abhing. Das Boycottiren ist eine Abart dieser Verrusserklärung. Warum sollte es heute weniger straf- bar erscheinen, als in früheren Tagen, da doch die Wirkungen bei- nahe die gleichen sind, heute wie damals? Aber nicht allein crimi nelle Strafe, sondern auch Buße, beziehungsweise Schadenersatz muß hinzutreten, denn daß eine gewisse Schädigung bezweckt wird, ist doch unleugbar. Wenn die Regierungen eine solche Ergänzung des Strafgesetzes Vorschlägen sollten, so wird sie unbedingt die Zu- stimmung einer Mehrheit finden. Thun sie eS nicht aus eigener Entschließung, so muß au-s dem Reichstage aus sie antreibend cin- gewirkl werden. Denn Las Uebel wächst rapid." Wir wollen nicht behaupten, daß die Gesetzgebung der BoycottirungSwuth der Socialdcmokratie gegenüber unihätig bleiben solle ; der vorstehende Vorschlag aber würde jedenfalls, wenn er berücksichtigt würde, ganz ähnliche Erscheinungen zu Tage fördern, wie der 8- 136 der Gewerbeordnung. Wenn Eonsumentcngruppen, die sich gegenseitig verpflichten, bei un sauberen Geschäften, denen man betrügerische Manipulationen nicht direct Nachweisen kann, nickt zu kaufen, deshalb zu Strafe und Buße vcrurtheilt werden sollten, so würde daS zu nichts weniger als erfreulichen Folgen führen. Und wenn nian die socialdemokratischen Boycottirnngcn mit Strafe und Buße belegte, so würde man auch jenen In dustriellen, welche den boycottirtcn Brauern durch Entlassung socialdemokratiscbcr Arbeiter zu Hilfe komme», mit gleichen Straf- und Bußmittcln in die Arme fallen müssen. Ucbcr- ciltc Gcsetzmacherci ist immer vom Uebel und schädigt zumeist die von einem Uebelstante Bedrohten ebenso, wie die Veran lasser des UcbelstandcS. Der Erzbischof von StablewSki hat durch den Er laß, welcher den Geistlichen befiehlt, die Eltern von der Kanzel herab zur Forderung deS polnischen Sprachunterrichts zu „ver pflichten", seine kirchliche Autorität amtlich sür die VrrpolungS- bcstrrbiiiigc» in seiner Diöccsc eingesetzt. Daß cö sich dort in der Tbat vorzugsweise um die Verpolung deutscher Katholikenkinder bandelt, babcn die geistliche» Redner auf dem Posener „Katholikentag" aus- Neue dargetban. Man be gegnet hier derErschcinung, die inallen miltcleuropäischenNatio- nalitätenkämpfcn zu beobachten ist, daß nämlich die römische Kirche sich zum Deutschthum anders verhält, als zu j edem anderen VolkSthum. Wie in den cbmalS polnischen LandeStheilen, so wurde und wird überall, wo Deutsche sich mit einer anderen Nationalität berühren, zu Gunsten der Nicktdcutschen der Grundsatz geltend gemacbt, die sittlich- religiöse Erziehung der Kinder erfordere den Unterricht in der Muttersprache. An der religiösen Bildung der deutschen Kinder wird diese« Interesse aber niemals bethatigt, ihre Entnationalisirung vielmehr mit, im klebrigen geistlichem, Eifer betrieben. Wenn da- Deutschtbum in Frage kommt, ist die Pflege de- VolkSthumS „heidnische" Verehrung de- „Götzen" Nationalität, bei den ander-redenden Katholiken ist die Mutter sprache ein auch um de- Glaubens willen hochzuhaltendes Heilig- tbum In Böhmen, Mähren, in Krain, Kärnthen, in West- und Südungar», überall bat der Klerus zur Slawistrung oder Magnarisirung der deutschen Kinder die Hand geboten, obwohl vom römischen Slandpunct der hussitlsche Geist der Tschechen und der confessivnclle JndiffcrentiSmuS der magya rische» Katboliken weniger Vertrauen verdienen, als die kirchliche Gesinnung der Deutschen. Wenn c- gegen das Deutschtbum geht, so steht eben die Nationalltat über der Religion Am Deutlichsten tritt diese ultramontane Maxime in Südtirol hervor. Mit ganz vereinzelten Ausnahmen arbeitet dort der Klcru» mit der Unterstützung deS Fürstbischof- von Trient an der Verwälschuna der deutschen Bevölkerung, d. h. er entfremdet sie in Geist und Gcmüth dem strcngkatholischen Kaiser von Oesterreich, um sic dem — »ach römischer Ausdruck-weise — kirchenräuberischen Italien zuzusühren. Diese- allgemeine Verhalten der römischen Kirche darf gegenüber der polnischen Propaganda nicht außer Acht gelassen werden. In Italien ist die Ministernoth noch nicht beseitigt; eS ist Erispi nicht gelungen, mit Rudini und Zanardelli zu einer Verständigung über die vorzuncbmenden Ersparnisse zu gelange». Diese sollten sich vornehmlich auf da- Militair« budgct beziehen, und Rudini forderte bier eine Kürzung der Ausgaben sür das Heer um 35 Millionen, und zwar um 19 Millionen sofort und um It> Millionen binnen Jahresfrist, ferner eine Ersparniß von 25 Millionen in der Eivilverwal- tnng, ebenso daS übrige Programm de- Fünfzehner-AuS- schusscS, als: die 15proccntigc Mobiliensteuer, die Erhöhung der Salz- und Erbstener, ein Grundsteuer-Zehntel und eine Militairstcucr für die Dienstuntauglichen nebst den bekannten Steuerrcformvorschlägc» für Alkohol- und Zuckerfabrikation, Zündhölzchen-Monopol :c. EriSpi erbat sich Bedenkzeit, gab jedoch zu versieben, daß der Plan Rudini's dem Staatsschätze »nr problematische Wohlthatcn sichern, Italien aber in poli tischer Hinsicht matt setzen würde. Der zu deckende Bedarf des Staatshaushalte-, führte er aus, belauft sich auf 170 Millionen, während durch Rudini's Vorschläge kau», 100 ge sunden wären. Ihm scheine dabcr, daß man auf diesem Wege die Großmacktstcllung des Reiche- vernichten und, anstatt daS Gleichgewicht herznstellen, noch traurigere Irrungen und Drangsale vorbcrcitcn würde. Und dabei blieb er. Zanar- dclli's Forderungen waren fast ebenso weitgehend wie die Rudini's, weshalb auch mit ibin die Verhandlungen abgc brochcn werden mußten. Mit Giolitti in Verbandlungcn ein zutreten, ist nach den Entbüllungen im Banca Romana- Proccß nicht mehr möglich, und wenn EriSpi auch den Bei stand Brin'S, mit dem er noch gestern conscrirte, nicht ge winnen kann, so bleibt dem König allerdings nicht« Anderes übrig, alS die Demission de« EabinetS abzulchnc», und daun würde Sonnino, sür den einen Ersatz mann zu finde», nicht gelingen will, sein Programm nochmals vor die Kammer bringen. Um die Agrarier zu versöhne», würde, wie verlautet, Erispi in diesem Falle auch auf das zweite Zehntel der Grnndsteucr verzichten und dadurch vierzig klimmen in der Deputirtcnkammer gewinnen. Ein ossicicllcS russische» Telegramm meldete dieser Tage bekanntlich aus Petersburg die Ernennung des General- adjutanten Tschercwin zum Dujour- General deS Zaren. Diese Ernennung ist nicht obnc politische Be- Feuilleton. Der Liebe und des Glückes Wellen. ISs Roman von M. v. Eschen. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Katharine Elise war in den Wald gegangen, um Holz zu lksen. Jost Bräutigam ist ihr »achgeschliwen. Oester schon, snllem sie wieder zu Haus, hat er versucht, sich dem Mäd- tc» zu nähern. Immer ist sie ihm auSgewichcn. Seit gestern »der läßt eS ikm keine Rübe, und die Gelegenheit kommt so lcichl nicht wieder. Fest hält er sie am Arm gepackt, wüthcnd lonnerte er aus sic ein. Hilde kann die Beiden nickt sehen, sie versteht auch nickt Alles, was der Jost schilt. Nur so viel, da sie die Verhält nisse in des nunmehr verstorbenen Hartmann'S, jetzt Walther'S Hause, kennt, wird ihr klar, daß cö Jost Bräutigam nicht rerivmdcn kann, wie das Mädchen, welche- cr gern hatte, sich an einen vornehmen Herrn gehängt bat und verdorben gezüngen ist sür einen ehrlichen Mann. »Nun raus, wer'S iS?" klingt eS eben deutlich wieder. DaS Mädchen schreit aus, er muß ihr wehe gethan haben. Hilde weiß, daß nur ein paar Schritte um den Felsblock sie von den Beiden trennt, die paar Schritte erscheinen ihr wie ein grausig gähnender Abgrund. Doch nein, sie will der Bedrängten zu Hilfe eilen, da beginnt eS von Neuem: „Sterben soll der verfluchte Hund!" Einige Minuten herrscht ticseS Schweigen. Der Katharine Elise ist, als stieße ihr das Herz ab, aber auch Hilde scheint wie von Neuem gelähmt. Katharine weiß, der Jost ist in seiner Wuth im Stande zu solcher Tbat. Gleich einer Ver suchung fliegt eS sie an: Wenn er den Richtigen träfe, den Richtigen wüßte, um den sie den ganzen Jammer er duldet, der frei auSzeht, herrlich und in Freuden dahinlebt, »ährend sie — iS der Baron? Ich weiß-, braucht'- nit zu leugnen »ehr!" beginnt eS von Neuem. Hilde erbebt; jede- verleumderische Wort, da- Bent einst gegen Tonach gesagt, aber auch jeder skeptisch frivole Scherz, de» sich dieser nial erlaubt, bi- auf den versuchten Kuß, ^rdeo ia ihr lebendig, Wersen ihren Schatten aus ihn zurück, vie «aß sich halten au dem Gestein, um nicht zu wanken. Katharine aber denkt eben nur, noch ein Glück, daß der Jost den Richtigen nicht kennt. Dann aber packt sie die Angst vor dem ungerechten Gericht und sie bricht in ein Schluch zen aus. Blind vor Wutb zerrt der Bursch daS Mädchen an den Händen, daß sie zu Falle kommt. Nun bebt sie die Hände in die Höbe: „Habe Erbarmen, Jost, mach Dick nickt auch noch unglücklich!" „Ha, ha! — Haste Furcht vor Dein' feinen Schatz? Nu hör» denn wissen sollst - doch. Morgen ist Treibjagd in Kugelsdorf — ich schleich mich mit meiner Flint' in de Reih, mit meiner Flint' nchm' ich ihn aufs Korn, mit meiner Flint' ich ibn todt!" aS Mädchen klammert sich an den Burschen mit einem Schrei — „ich leid'S nit!" „Daß de kein Mur Dich nit unterstehst — ich dreh Dir de Hal« rum, uffem Fleck! Es liegt mir gar nix dran: ich schieß uns noch alle zwei Beide!" „DaS kannst!" ruft sie außer sich — „aber den Baron — de- tcrfstc nit!" — Von Neuem wirst sie sich ihm in den Weg: „Erbarmen, Jost, nee, deS thu mer net an!" „Verflucht!" — in höchster Wuth schlägt er daS Mädchen in- Gesicht: „Verlaß Dich drauf, ich lreff!" — mit gellendem Hobngelächter springt er das Gelände hinunter. Nur ein Stückchen seiner Filzkappe schaut drunten noch über dem Unterholz heraus, als Hilde, mit Gewalt jene lähmende Regungslosigkeit abscküttelnd, um den Felsblock eilt. Katharine Elise ist wieder zu Boden gesunken — ein Schütteln geht durch ihren Leib ; die Zähne sind fest auseinander gebissen, da- Gesicht ist todtensarbig, die Züge starr, die Arme fchlagen ab und zu durch die Luft. Unwillkürlich prallt Hilde zurück. Dennoch viel heftiger als der entsetzensvolle Anblick wirken Zorn, Empörung, Abscheu und Ekel in ihr vor dem Mädchen, da- seine Geliebte gewesen, vor ihm, der — Wieder einmal gebt eS wie ein zweischneidig Schwert durch ibr Herz; sie möchte der Welt den Rücken wenden, sür immer! Tie Katharine Elise wimmert. Und der eigenen Noth vergessend, Abscheu und Widerwillen bezwingend, beugt sich Hilde über die Unglückliche hin — „Er darf- nicht, darfS nicht!" — jammert sie leise. ES scheint, dies ist die letzte Sorge ihre- schwindenden Bewußtsein- geblieben. Unbewußt einem Gefühl gehorchend, da- mächtiger ist als alles Andere, fragt Hilde schnell: „Er war, er ist — nein, cr ist cs nicht?!" Mit wirrem Blick schaut da- Mädchen auf. „Erkennst Tu mich nicht, Katharine? Ich binS, Hilde Moran. Weißt Du, wie Du noch bei uns im Garten gearbeitet oder geholfen hast im Haus!" ES scheint daS Bewußtsein gegen die Ohnmacht zu kämpfen in deS Mädchens Blick: „Sie sind gut — der Baron. . ." „Der Baron — Katharine, ich bitte Dich, sage mir die Wahrheit!" Ta schon wieder verzerren sich deS Mädchen-Züge: „Ich wollt, daß ich sür ihn sterben dcrst!" haucht sie mit ihrer letzten Kraft. Mit einem gellenden Webschrei wirft sich Hilde über die Ohnmächtige hin. Doch dazu ist jetzt keine Zeit; eS muß Hilfe werden! „Katharine —" Hilde schauert, indem sie daS Mädchen berührt; aber sie ist an Beherrschung gewöhnt. Sie versucht, eS ibr ein wenig bequemer zu machen — eS scheint, der Anfall geht vorüber. „Katharine, verstehst Du mich?" — Ein Schimmer von Bewußtsein dämmert aus in dcS MädcbenS Blick; doch nur die Lider bewegen sich. „Bleibe hier ruhig liegen; hörst Tu? Ich will Leute holen." Angstvoll greift de- Mädchens Hand nach Hildens Kleid, gleichsam eine Bitte, sie nicht allein zu lassen in dem einsamen Walde. Und Hilde findet noch ein paar beruhigende Worte, daß sie nicht zu bangen braucht; daß sie nur so Hilfe schaffen kann und daß sie wiedcrkommt! Wäbrenddcsscn schiebt sic der Kranken etwa- Laub unter den Kops und legt ihr zuletzt den eigenen Plaid über die Füße. Dann, Hilde kann nicht widerstehen. Von Neuem regt eS sich in ihr gegen DaS, waS zu entsetzlich ist. „Katharine", bittet sie noch einmal, „wir sind allein. Niemand soll e« erfahren, Katharine, liebste Katharine, wer ist Dein Schatz gewesen?" Die Katharine ist so müde und so matt, daß sie kaum noch weiß, WaS mit ihr vorgeht: ein« nur erinnert sie sich klar, immer noch: sie hat Dem, de» sie liebt, zu schweigen versprochen! Dann öffnen sich ihre Lippen: „Der Baron muß 'S wisse Der Jost halt, WaS er sagt", da- ist Alle-, waS einem Hauche gleich über ihre Lippen kommt. Erschöpft, von allen Kräften verlassen, liegt da- Mädchen da. Hilde begreift, daß sie hier nichts weiter erreichen, daß eS auch keiner Frage Weiler bedarf und sie nur da« Zunächstlicgcndc im Auge bebaltcn muß. Entschlossen eilt sic nach dem Dorf hinunter. Sorge und Angst um die Zurückblcibendc, ein Sturm unaussprechlicher Empfindungen im Herzen beflügeln ikren Schritt. Es währt eine ganze Weile, bis Hilde die nöthige Hilfe zusamnicnzcbracht bat. Auf einen Beistand in der Villa Moran konnte sic nicht rechnen; Tante Annette, der Präsident »nd das junge Paar waren auSgcsahren. Der Bauer aber ist nickst leicht beweglich: wie der SportSman seinen Renner über Alles schätzt, ein guter Eavallcrist lieber seine Angehörigen einer Strapaze auSsetzt, als seinem Pferd einen Schaden geschehen läßt, so geht auch dem Bauer oft die Kuh über Kind und Frau, und eine Gcsabr für seine Ernte scheint ihm bedenklicher als die sür ein Menschenleben. Tie Leute sind grade dabei, die letzten Kartoffeln, Kraut »nd Dickwurzcln einzubeimsen. Zuletzt aber hat Hilde die Mutter und den Nachbar — der Vater meint, daS Mensch könne verrecken, wenn- nit Zeit zum Warten hält' — überredet, mit einer Trage an Ort und Stelle zu gehen. Man langt rade an. als, so scheint es, die Katharine einen abermaligen lnsall von Krämpfen erleidet. Schließlich geht auch da- vorüber, und sie wird heimwärts getragen. Allein bleibt Hilde aus der Höhe. Sie blickt den Davon- zicbendcn nach; eben sind sie um da« Holz gebogen, ihrem Blick entschwunden. Sie atbinct leichter : Gott sei Dank! Sic hat eS fertig gebracht, zu Helsen, da — wo — Wenn der Jost auSsührt, waS cr gedroht — der Gedanke löst plötzlich alle andern aus. Ja, Tonach muß darum wissen; auf jeden Fall! Nur wie? — Spät erst kommen sie zurück, in der Villa Moran.— Morgen mit dem Früheste» wird er ausbrcchc» zur Jagd. — Schreiben, einen Boten schicken — aber die fremden Leute sind so unzuverlässig. — Angstvoll schlägt Hilde die Hände zusammen. Selbst geben. — ES bäumt sichln ibr aus gegen den Schritt Doch wenn da- geschäbe! — Sie siebt ihn liegen in seinem Blute. — Barmbcrtiger Gott — die Hände greifen in da- Haar; sic fühlt sich schuldig an diesem Blute. Fes« schon setzt sie den Fuß an Der Weg ist weit; stundenlang führt er durch den Wald. Dunkler wird eS ringsum; gleich finstern Gestalten stcbcn die Bäume da; unheimlich düster klaffen die leeren Stellen zwischen den Stämmen. — Stiller wird eS überall, nur die graulichen Laute, daS Knackru der dürren Aeste, da- Rascheln
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