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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940614026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-14
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Ertra-Vetlaaen (gefalzt), nur mit der Mocgcn.Ausgaöe, ohne Poftbeforderuag Xt 60.—, mit Posibeförderuilg -X 70.—. Annatimelchlnb für Änzeigea: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Eon», und Festtag« früh '/.S Uhr. Vek den Filialen und An iialnneslellea >« ein« halbe Stunde früher. Anteilen sind stet« an die Eppetzitiov zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 88. Jahrgangs politische Tagesschan. » Leipzig. 14. Juni. Die als ossiciös geltende „Militair.- u. Polit. Corr." lehauplele bckanntlick) dieser Tage, die verbündeten Re gierungen hätten den dem Reichstage >n seiner letzten Lession vorgelcgten Steuerreform»»«», der „viel zu umfassend" sei, sallen gelassen. Wir wiesen diese Behauptung sofort a>- durchaus unwahrscheinlich zurück und sprachen den Wunsch au-, der Herr Reichskanzler, dem Beziehungen zu jener Cerre- lkondenz zugeschricben werden, möge ein Dementi veranlassen. ViS jetzt hat der Herr Reichskanzler eS nicht für nöthig kracktet, dem Gerüchte, daS begreiflicher Weise Wasser auf tu Mühlen der grundsätzlichen Gegner jeder zu höheren Einnahmen führenden ReickSstcuerreform treibt, cntgegen- mlrelcn. Vielleicht veranlaßt ihn dazu die folgende Auslassung der „Nat.-Lib. Corr.": „Obgleich in der heu- uzen essiciösen Publicistik nachgerade auch daS Unglaublichste nickt mehr überraschen kann, so möchten wir doch der hier in Rede stehenden Nachricht bis aus Weiteres die stärksten Zweifel entgegensetzen. Selbstverständlich ist nicht davon kie Rede, daß auch auf die Vermehrung der eigenen Ein nahmen deS Reichs durch Einführung neuer Steuern ver zichtet sei, sondern cs bandelt sich um den Plan, eine dauernde Ordnung deS finanziellen Berbältnisscs zwischen dem Reich unk den Einzetstaaten durch Herstellung einer festen Relation zwischen den Matricularbciträgeu und den Ucberweisungen m schassen. Eine solche Ordnung ist ein dringendes Onleressc aller einzelslaallichen Finanzverwaltungen, wie da- b>« zum Ueberfluß, noch vor Kurzem bei den Verhand lungen des preußischen Landtages über die Finanzresolu- lionen, auSgeführt worden ist. Sic liegt deshalb aber auch im Interesse eines ersprießlichen Verhältnisses zwischen den Einzelslaaten und dem Reiche, und wir habe» sie dem gemäß stets al- eine nationale Frage ersten Ranges bezeichnet. Die lünsliich verwickelte Art, wie die Reform in der dem Reichstage gemachten Vorlage gefaßt war, erschien »ns von upsrrem Slandpuncte aus wenig sympathisch, ader wir haben unS nicht verhehlt, daß unter den auf absehbare Zeit ge- gebenen Verhältnissen eine bessere Lösung deS Problems nicht zu erreiche» sei, und so haben wir dem Entwürfe im Wesenl- licken zugestimmt in der Ueberzeugung, daß mit der Verwirk lichung desselben in einer Periode unersrcnlicher Verdunkelung le« nationalen Gedankens endlich einmal wieder eine werthvollc Stütz« für de» Bestand deS Reiches gewonnen werden würde. Eine der tröstlichsten Erscheinungen seit Jahren war cS, daß sämmiliche Bundesregierungen unter der Führung deS Reichskanzlers und des RcichsschatzsecrctairS eimnüthig und mit Entschiedenheit für diese Reform ein traten. Und nun sollte plötzlich der ganze Plan aufzcgcben sei«? Wer das verbreitet, der hat offenbar die Namens der vkrbündelen Regierungen abgegebene Erklärung ganz vergessen, mit welcher der Reichskanzler am 19. April d. I. den Reichstag schloß, eine Erklärung, die ausdrücklich versichert, die ver bündeten Regierungen hielten „mit aller Entschiedenheit an der Ausfassung fest, daß cs im nationalen und finanzpolitischen Interesse deS Reichs wie der Bundesstaaten geboten ist, zur Erhaltung eines geordnete» Finanzwesens der letzteren ihre Sicherstellung vor der wechselnden Einwirkung der Ansprüche der ReickSverwaltung herbei- zusühren", und die mit der Hoffnung schloß, daß nach dem Wiederzusammentritt deS Reichstags eine Verständigung „über die Reform uud über die Beschaffung der hierzu nnentbchv licken Mittel" werde erzielt werden. Wir wüßten nicht, was in den letzten zwei Monaten eingetrcten wäre, um die rirbündcten Negierungen zu bestimmen, von dem so feierlich bctheuerten „entschiedenen Festhalten" abzugchen. Daß der letztjährige Entwurf ganz unverändert wieder vorgelcgt werde, wird Niemand erwarten; namentlich aus die viel- umstrittene Frage einer festen Minimalgrenze für die Mcbr- übcrwcisungen wird kein entscheidendes Gewicht zu legen sein. Auch mag erst noch erwogen werden, ob der umfassende Finanzreformentwurf dem nächsten Reichstage sofort vorzu legen, oder ob cs nicht zweckmäßiger wäre, zu warten, bis eine entsprechende Vermehrung der eigenen Einnahmen dcS Reicks erlangt sein würde. Einen ausdrücklichen Verzicht der verbündeten Negierungen aus die Finanzrcsorm aber würden wir für ein so b c bau erl i ches und folgenschweres Er eigniß halten, daß wir nur wünschen können, die erwähnte, angeblich ofsiciöse Ausstreuung recht bald in unzweideutigster Weise dementirt zu sehen." Die Handelskammer in Hagen hat sich bekanntlich darüber beklagt, daß aus Grund des tz. 43L der Gewerbe ordnung, welcher bestimmt, daß die Pausen für die zwischen 14 und 16 Jahren alten jugendlichen Arbeiter mindestens Mittags eine und Bor- sowie Nachmittags je eine halbe Stunde dauern müssen, ein Fabrikant bestraft worden ist, der für diese Arbeiterkalegorie die Arbeitszeit im Winter um eine Stunde ermäßigt hatte, dafür aber am Vormittag, an dem die jugendlichen Arbeiter eine Stunde später zur Arbeit kamen, die halbstündige Pause hatte sortfallcn lassen. Wir haben uns mit vielen anderen Zeitungen dieser Klage an geschlossen und den Wunsch ausgesprochen, daß der H. 136 der Gewerbeordnung bald einer sorgfältigen Revision unter worfen werden möge. In juristischen Kreisen ist man der Meinung, daß zu einer solchen Klage keine Berechtigung vor liege, da der Wortlaut jenes Paragraphen zur Vcrurtheilung deS betr. Fabrikanten gezwungen habe. In den Berliner Regierungskreisen scheint man anderer Ansicht zu sein, wenigstens schreiben heute die ofsiciösen „Berk. Polit. Nachr.": „Nach dem Wortlaute deS 8- 136 ist die Bestrafung ja möglich, sie steht aber mit den Intentionen der Gesetzgeber nicht in Uebereinstimmung. Bei der Bestimmung der rn die Arbeits zeit der jugendlichen Arbeiter einzulegenden Pausen ist man natürlich von der Voraussetzung auSgegangen, daß diese Arbeitszeit 10 Stunden täglich dauere. Man wollte verhüten, daß die Körper der jungen Leute durch eine längere ununterbrochene Arbeit zu sehr angestrengt würden. Wenn aber die Arbeitszeit von dem Arbeit geber selbst gekürzt wird, so müßte diese gesetzliche Borschrist entsprechend maßvoller gehandhobt werden. Der 8- 136 hat in der Novelle vom 1. Juni 1691 schon eine Ab- änderung bezüglich der Pausen der jugendlichen Arbeiter erfabren, welche nur 6 Stunden täglich beschäftigt werden dürfe». Nach dem alten Wortlaut deS 8. 136 hatte das Reichsgericht seinerzeit entschieden, daß innerhalb dieser sechs Stunden mindestens zwei selbstständige Pausen «»treten müßten. Man hat dies bei Berathnng der letzten Novelle für völlig überflüssig gehalten und demgemäß ausdrücklich festgesiellt, daß täglich nur ein« halbstündige Panse gewährt würde. Wenn daraus bestanden würde, daß die im 8- 136 für die über 14 Jahre alten jugendlichen Arbeiter vor- geschriebenen Pausen innegehalten werden müssen, auch wenn die BeichästigmigSzeit dieser Arbeit beträchtlich gekürzt ist, so könnte eS ja kommen, Las, für die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter über 14 Jahre strengere Borschristen als für die der Arbeiter unter 14 Jahren platzgreifen. DaS kann man bei dem Erlaß der Bestimmung nicht gewollt haben." Die Frage, ob die Verurtbcilung mit den Intentionen der Gesetzgeber in Uebereinstimmung stehe oder nicht, wird übrigens allem Anscheine nach bald eine müßige werden, denn auS den weiteren Ausführungen der „Berl. Polit. Nachr." geht hervor, daß an zuständiger Stelle eine Vorlage ge plant ist, durch welche der §. l36 der Gewerbeordnung eine Abänderung erfährt, durch welche ähnliche Verurtheilungen in Zukunft unmöglich gemacht werden. Daß im ungarischen Abgcordnetenhausc sofort nach seinem Zusammentritt die Sprache auf die Stellung deS gemein- samcn Ministers deS Acußeren, Kalnoky, zu Len Ehcgesetz- vorlagen der Regierung gebracht werden würde, war voraus zusehen. Der Führer der UnabhängigkeilSpartei, Ugron, warf den, Ministerpräsidenten vor, daß er während der Ministerkrise sich so lief erniedrigt habe, wiederholt sich zu Kalnoky zu bemühen und mit ihm zu verhandeln. WaS I)r. Wekcrle dem etwas exaltirten Grafen erwiderte, haben wir schon erwähnt, vr. Wekerle sagte, daß der Minister des Acußeren sich nicht in die ungarischen Angelegenheiten gemengt bade, daß er aber niit ihm con- scrirt habe, »veil die Notbwendigkeit vorhanden war, mit ihm in politische Berührung zu treten. Diese Erklärung dürfte den oppositionellen Gruppen kaum genügen, denn sie scheint doch zuzugeben, daß Graf Kalnoky in der Ehercsorm- angelegenhcit eine, wenn auch nicht so einschneidende, Rolle wie Anfangs angenommen wurde, gespielt hat, denn sonst würde der ungarische Ministerpräsident eben nicht nöthig gehabt haben, in der kritischen Zeit „vor und nach dem Speisen, vor und nach der Audienz beim Kaiser", wie Ugron sich auSdrückte, zum Minister deS Acußeren zu gehen. Allerdings gehen die extrem Liberalen zu weit, wen» sie Kalnoky als daS sichtbare Haupt der .Verschwörung" bezeichnen, die sich in Wien gegen die Annahme deS Cwilehegesetzcs gebildet hatte, aber daS ist richtig: Graf Kalnoky machte nie ein Hehl daraus, daß seiner Ansicht nach die Civilche der Entwickelung dcS ungarischen Volkes voraneile; er suchte daS Ministerium deshalb aus der betretenen Bahn zurück zuhalten. Da seine Bemühungen vergeblich waren, ließ er die Dinge schließlich gewähren. Er trat aus seiner Reserve erst zur Zeit der Kossutk-Feicr hervor. Damals hielt er mit seinem herben Tadel des nationalen UcberschwangS nicht zurück. Er fühlte sich in seiner dynastischen Empfindung ver letzt und hob zugleich hervor, daß das Ansehen der Monarchie im Auslande darunter leiden müsse, wenn der Schein geweckt werde, als ob ihre Grundlagen in Ungarn m DiScussion ständen. Zm weiteren Verlauf der Dinge gehörte Graf Kalnoky zu Denjenigen, welche annahmen, die Magnatentafel werde mit großer Mehrheit daS Civilehcgesetz ablchnen; dann sei eS Zeit, die Recon struction dcS ungarischen Ministeriums in Angriff zu nehmen. Gerade das Schwanken in der Mehrheit der Magnatcntafel machte diese Berechnung zu nicht« Ucber- haupt war Graf Kalnoky während der ganzen Krisis nicht so sehr der Fürsprecher des KlerikaliSmuS, als vielmehr der Anwalt der monarchischen Autorität, deren nachdrückliche Wahrung er befürwortete. Es liegt nicht in der Natur deS Grafen Kalnoky, sich rückhaltlos einer mächtigen Strömung entgegenzuwersen. Er hätte den Rücktritt Szilagyi'S ge wünscht, aber cS fiel ihm nicht ein, auS dessen Entfernung eine CabinelSfrage zu machen, wie man eine Zeit lang bc- bauvtete. Besser wäre eS jedenfalls gewesen, auch nicht den Versuch der RückwärlSstanung der liberalen Bewegung zu machen, und die äußerste Linke wird cS ihm noch mehr als einmal verwerfen, daß er ein Hemmschuh in der Entwicke lung deS ungarischen Liberalismus gewesen sei. In Belgien ist eS nicht zu dem erwarteten Ber- fassungSconslict gekommen. Dem Protest der Liberalen gegen eine Weitcrtagung der Kammer über den l2. Juni binauS, dem sich auch die der Rechten angchörendcn srci- händlerischcn Deputieren von Antwerpen und anderen Hafen städten angeschlosscn hatten, vermochte die Regierung einen ernsten Widerstand nicht entgegen zu setzen und schloß am TienSlag die Session. Sie hat sich damit eine erhebliche Niederlage zugezogen und nicht wehr erreicht, was ihr be- Feirillrtsir. Der Liebe und des Glückes Wellen. l»! Roman von M. v. Eschen. (Fortsetzung.) Nachdruck rirbolr». Tie Liebe und die Ehre durften einem Manne gleich ihm keinen JünglingSstrcich spielen. So gab er sich drein, eine günstigere Zeit für fernere Fahrten abznwarten, schrieb ein pari Zeilen an Hilde, die ihr nochmals seinen Dank, seine Er gebende» und seine Person zur Verfügung stellten, zugleich um eine Unterredung baten, die Beider Schicksal besiegeln sollte: einfach und männlich, dazwischen aufquellend wie tie Perlen in dem Wein, ein leichter Anflug seines alten Humor-. Fräulein Tilli war gerade zu Besuch bei Papa und bolle eS für schicklich befunden, auch einmal bei Fräulein Hilde rorzusprecke», als Gerda jenen Brief nicht unähnlich einer Trophäe schwenkend bei der Freundin cintrat. .Von den, Erlcnhos", neckte sie lustig. „Ob ich das nicht längst gewußt habe! Leine Ruhe ist hin, Lein Herz ist schwer, ES treibt ihn immer zu fragen her." Eine ärgerliche Rötbe tauchte Hilden- blasse Wangen in Olulb. Heftiger als je verbot sie die Neckerei. .Nun, nun", begütigte Kätzchen. „Aber willst Du denn »cht lesen?" — Dabei machte sie eine Miene, als hätte sie sei-st am liebsten ihr NäSchen zwischen die Blätter gesteckt .Tr Volk wartet." .Im Augenblick, nein. Du siehst» ich habe Besuch." Hilde wandte sich gegen Tilli und legte daS Papier weit ««» sck sott aus den Tisch »Lolche Briese liest man allein", lachte die junge Dame.— «Hie etwa« Verletz«,»«- in ihrem Ton geklungen haben. .De meinen Sie daS?" fragt Hilde plötzlich scharf. ,1a. t,, werden Sir nur nicht gleich so enragirt, lieber Eigel! H« war ja nur ein Scherz. Aber —" in dem Augen blick geht der Groll gegen Hilde mit Tilli'- tadelloser LiebenS- »itmgktU durch — „aber im Ernst, Sic haben Glück. xowrUch jch denke nicht- Unrechte- — ich glaube immer da« «mr. E» romanhafte« Glück: dieser wunderbare Zufall, dieser heldcnmüthige Waldlauf! — Und nun — ein schöner Mann; ein charmanter Mann — die brillanteste Partie im Land! — Natürlich, er bietet Ihnen seine Hand; er kann ja gar nicht anders. — FamoS!" Hier klingt das sonst an- muthige Lachen recht häßlich: „Famos! — Ja ja, so geht eS diesen verrannten Junggesellen. Die werden geheirathet. Es giebt immer noch kluge Frauen. Ich mache Ihnen meinen Glückwunsch und mein Complimcnt. — Komm', Gerda, über lassen wir Fräulein Moran sich selbst und diesem bedeutsamen Document!" Mit einer Verbeugung, liebenswürdig, tadellos, wie ge wöhnlich, flattert Tilli Rettberg hinaus. Gerda folgt, weil sie sich eben der Schwester schämt. Es dauert eine Weile, bis sich Hilde zu dem Lesen ent schließt. Und wie mit brennenden Leitern steht eS vor ihrer Seele, WaS Bent von Windig an jenem Abend gesagt; gleich brennenden Tropfen fällt cS ihr auf da« Herz, jede- Wort, da- seinen Weg über Tilli'S feine böse Zunge gefunden, gleich züngelnden Flammen spielend, aber doch gefahrdrohend, sängt ,S Feuer, jeder unschuldige Scherz, den die heitere Gerda gemacht. — Wie von einem feindlich grellen Licht beleuchtet, sieht eS Hilde klar: er mußte so handeln — darum diese Zeilen geschrieben! Sie werfen einen verklärenden Schein mehr über daS Bild, von welchem daS letzte Bckenntniß einer Sterbenden den Rest jenes bösen Fleckens hinwcggclöscht hat; Hildens Entschluß ist gefaßt. Aber eS währt doch ein paar Tage, ehe sie sich zu der Antwort entschließt; eS ist auch wirklich im Augenblick keine Rübe im HauS, um einen vernünftigen Brief zu schreiben. Die Gefahr für den Präsidenten ist vorüber — aber trotz seiner ErbolungSbcdürstigkeit, dem Land mit seiner Stille und seiner guten Lust, drängt de» Arzt auf die Reise nach HauS. Er wird ja wohl wissen, warum. So ist man immer erregt und bewegt, lebt jeden Tag, al« sollte e« der letzte sein, den man noch zusammen bleibt, schiebt, wa« man heute thun müsse, ganz arwiß für den nächsten auf. — Hilde macht die«mal keine AuSnayme von der Regel. Zuweilen schsint e«, al- ob ihre Willenskraft nicht mehr ganz so unerschütterlich sei. Endlich aber muß geschrieben werden: Fräulein Moran bittet Herrn von Donach, er soll nicht sorgen um seinen Dank; wa- sie grtban» war Mcnschenpflicht. Sie wünscht ihm Glück für sein fernere« Leben, bedauert, daß die Zeit zu kurz gemessen ist für seinen Besuch, da sie mit Taute Annette aach München geht, dort ihre Studien zu vollenden. sonder« am Herzen lag: die Annahme dcS SchutzzollgesetzeS u»d die Bewilligung von weiteren 10 Millionen FrcS. zum Baue der Congo-Eisenbabn. Vielleicht aber ist der Regie rung der Schluß der Tagung gar nicht so unangenehm, denn der Riß, den die Zollvorlage in ihre Majorität ge bracht bat, hätte ibr selbst sehr vcrhängnißvoll werden können, weinig die Kammer länger beisammen geblieben wäre. Auch die Congo-Vorlage ist unpopulär, da die Congobahn, die nur bis Matadi^zeht, schon ungezählte Millionen verschlungen bat, so daß die Strecke förmlich mit Gold gepflastert ist. Dabei ist gar nichts erreicht worden, und die zehn Millionen hätten nur für wenige Dutzend Kilometer auögereicht. Der Heim gegangenen belgische» Kammer ist ein ehrenvoller Nachruf nicht zu widmen. Es ist gut, daß sie ging; ihre Aufgabe hak sie nie verstanden. Die Liberalen werden sich allerdings jetzt noch einen Siez zuschreiben, weil sie die Regierung zwangen, auf ihre Vorlagen zu verzichten, aber die belgischen Liberalen baden, wie tie „Boss. Ztg." mit Recht hcrvorbebt, ihren Namen stet- mit Unrecht geführt; sie haben die sreibeitlicbe Entwickelung durch Jahrzehnte lahmgclegt, und sic allein er- möglichten cS, raß so lange ein klerikale« Regiment Platz greise» kennte. Tic nach einem freieren Gesetz zu vollziehen den Wablcn werde» zeige», ob der belgische Liberalismus noch die Kraft bat, daS Ruder den Händen der klerikalen Reaction zu entwinden. Bezüglich der Lage in Marokko äußert sich der dem französischen Ministerium nabe siebende „TempS" sehr ruhig und vernünftig dahin, daß die Unabhängigkeit und Integrität Marokkos gewährt werken müsse; jede einseitige Action sei verwerflich, weil sic zu verbängnißvollen Complicationen führen könne. Spanien verlange' »nt Recht Garantien sür die Ausführungen des letzten Vertrags, und die Mächte sollten eS dabei gemeinsam unterstütze», keine möge egoistische Vor- tbcile a»S der Krise zu ziehe» suchen. Wenn alle in Marokko intcrcssirtcn Mächte so denken, wie der „TempS", dann braucht man fick allerdings keinerlei Besorgnissen binzu- gcben und könnte cS Abdul-Aziz überlassen, wie er mit (einen Rivalen fertig wird, allein man traut nirgends, auch in Frankreich nicht, dem Frieden, und überall geht die öffent liche Stimmung dahin, sich lediglich ans die eigene Kraft zu verlasse» und sofort zum Eingreifen bereit zu sein, wenn cS nöthig sein sollte. Die Erklärung des „Journal dcS DöbatS", an der marrokkaniscken Küste dürfe nicht- geschehen, was sich der wachsamen Controle Frankreich- entziehe, nntz nichts gctban werden ohne Einvernehmen mit Frankreich nnd ohne dessen Mitwirkung, spiegelt zweifellos die AuffSffünst allkt Franzosen wieder und hat ihre ofsicielle Sauclion bereit» durch die unverzügliche Absendnng eine« imposanten KriezS- gcschwaderS nach de» marokkanische» Gewässern gesunde». Auch die übrigen näckstbclbeiligten Mächte, England und Italien, babcn Kriegsschiffe nach Marokko entsandt, und spanische Truppen sind dorthin »nlcrwcgS, um die Beitreibung der KriegSeiilschädignng nötbigcnfallS mit Gewalt zu er zwingen. Ebenso wie die ossiciösen italienischen Blätter die Lage als ernst anschcn — sic fordern, tie Regierung solle ängstlich darüber wachen, daß da« Gleichgewicht im Mittcl- meerc nicht gestört werde —, sprechen sich auch ansehnliche deutsche Zeitungsstimmen nicht ohne Bedenken über den Fortgang der Ereignisse in Marokko auS und dringen daraus, daß Deutschland, wenn nöthig, seine Interessen energisch wahren solle. In diesem Sinne schreibt die „Köln. Ztg." n. A.: ..ES kann Deutschland nicht gleichgittig sein, wenn eine europäische Macht sich an der Ltraye von Gibraltar sestsetzt und mit den, Schlüssel zum Mittelniecr nicht »nr eine» Gebietszuwachs erwirbt, der wegen der Fruchtbarkeit des Bodens, der Lage an zwei Welt meeren, deS Klimas und der Nähe Europas überaus schätzbar ist, sondern auch einen der besten Zufuhrwcge zum Innern Afrika« DaS hatte der Baron nicht erwartet. Ungeduldig schon ist er damals dem Diener entgcgengctrelcn, WaS er sür Ant wort bringe, wann er kommen dürfe. — Erregt hat er den Tag zu Ende gebracht, nervös während all der Tage ans die Post gewartet und trotz seiner sechsunddreißig Jahre, seiner Geschäfte, seiner Erfahrung, seiner Grundsätze und einer immer wieder versuchte» Anleihe bei seinem sonst so bereiten Humor, überflüssige Empfindungen zu ironisiren, an Hilde mit klopfendem Herzen gedacht. — Und nun — er kann sich nicht darein finden; daS muß ein Mißverständniß sein. Hilbert von Donach kann sich gar nicht denken, daß ein Mädchen, wenn ein Mann ernstlich um sie wirbt, widersteht. Trotzdem recht bedenklich neigt er eben einen Augenblick sein stolzes, siegeSsichcreS Haupt. Er will sie wenigsten- noch einmal sehen, ehe — sie fortgebt. — Nein, das läßt sich ja gar nickt auSdenkcn! — eine Welle heiße» BlutcS flutbct von dem Herzen nach dem Kopf: „Herr Gott, wenn das Mädchen schon fort wäre. . ." . „Den kleinen Wagen!" ruft er dem Kutscher zu, der über den Hof schreitet, „und die Jucker, damit eS schnell geht! Halt, die neuen Geschirre und große Livröe!" In kaum einer Stunde hält der kleine Wagen vor der kleinen Billa in Frohnhausen, Baron von Donach öffnet die Thür. Die Magd, die einzige ihres Zeichens hier und für Alles geschickt, ist nicht daraus dressirt, daß ihre Herrschaft mög licherweise nicht zu Hause sein mag. „DaS alte Fräulein ist im Garten; die junge, na oben", erklärt daS Mädchen in einem Ton, als ob daS sclbstver- ständlich sei. „Gch'nS nur bitte 'nauf —" dabei greift ihre linke Hand nach dem kupfernen Kessel, den sie einen Augen blick hingcstellt hat, während sic mit der Rückcnfläche der mit einem Scheuerlappen bewaffneten reckten über die Stirn wischt, wa« wohl ihre Entschuldigung sein soll, daß sie nicht milgehen kann. Donach läßt sich da- nicht zweimal sagen. Schnell nimmt er die Treppen, jedc«mal zwei Schwellen mit einem Schritt. Er klopft an der großen Thür in der Mitte, wie er beschieden ist, noch einmal und noch einmal; eS rübrt sich nicht» ES überschleicht ihn «n Gefühl, wie eS Kinder haben mögen, wenn sie vor verbotenen Früchten stehen: verlangend und zaghaft, zaghaft, doch über Alle- verlangend. Dann klinkt er entschlossen die Thür auf. Niemand ist in dem kleinen^ einfach, doch behaglich gehaltenen Salon, worin nur ewige wirklich ausgezeichnete Kunstwerke zum Schmuck verwandt sind. Jetzt in dem Zimmer nebenan rührt cS fick leise: „Taute, Du?" DaS ist Hildens Stimme, und ein fast betäudcnder Schreck nimmt dem Baron sür einen Augenblick den Alhem. Da steht sic schon aus der Schwelle, und Alle-, wa» Hilbert in seiner Erregung so selbstverständlich und leicht erschien, was er fick vorgcnonimcn zu sagen, zu bcthciiern, eS geht doch nickt, wie sic da vor ihm slchl, so ernst, so dlag, die graue Malschürze über dem dunkeln Kleid, nicht unähnlich einem symbolischen Gewände, das sic von den andern scheidet, unter dem sie Schutz »nd Schirm gesucht sür gewisse Em- psindnngen, deren sie Herr werten will. Und er bringt eben doch »ichlS Anderes bcrauS, als daß er Fräulein Moran noch einmal sehen, ibr noch einmal persönlich danken mußte, cbe sie ging. Dabei reicht er ihr beite Hände Nun sieben sic Hand in Hand. Gleich einem elektrischen Strom slntbct eS von ihm z» ibr hinüber. Hilde, so scheint eS, ist gcscsligt gegen jeden gefährlich betäubenden Rausch, unbewußt beugt er sich ikrem Wille», suhlt er. daß noch keine Heit ist, zu reden von Dem, was immer hesligcr i» ihm Mb:. So nimmt er Platz, ruhig, böslich, wie sic ihn bittet. Eine Weile aber balle c» doch gewährt, ehe die starke Hiltc ihrer Stimme und Bewegung Herr geworden war. Run sitzen sic einander gegenüber; Hilde ein wenig im Schatten; er kann nur ibr Profil sck-n. Sic bält den Blick von ibm sortgewandt und sckant durch das Fenster hinaus, al« müsse ihr da von draußen eine Hilfe kommen, um auch äußerlich damit fertig zn werten, womit sie im Inner» längst fertig geworden ist. Die Sonne spielt mit ihren letzten Strahlen in dem Zimmer um de» Mädchen- Gesicht. Hitbert'S Blicke basten an de» reine» Linien, als sähen sie dieselben zum ersten und zum letzte» Male. Weiß Gott, er hat sich »och nie in seinem Leben so wenig imponirt, so a»S allen Himmeln herabgcsallcn gefühlt — wie in diesem Augenblick! — Weiß Gott, eS hat ibn noch nie in seinem Leben bedrückt, weiche Gedanken »vohl hinter solch blüthenweißer Stirn gehen — wahrscheinlich, daß er an Gedanken bier überhaupt nickt gedacht bat. — Er hat aber auch noch nie eine so unauslöschlich verlangende Sehnsucht empfunden, ein Weib in seine Arme zu schließen, zu sagen: Sei mein — und doch so vor dem Moment der Entscheidung, dem richtigen Worte gebangt! So webt denn tiefe Stille ringsum; Stille und Ruhe, wie sie nur aus dem Lande, fern von allem Hasten, Kämpfen
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