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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940615028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
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vezug-.Pret- tz»« tza»»t«U»di»ion oder de» Im Stadt, lqick »»> d« Vororte» erricktricn Au«. M>Me» «bgetzolr: vierteljährlich.«I4.5Ü. « Ml««Iigkr täglicher Zufteltoiq mt ta« » Üäiü. Durch dir Post bezogen iür taMa»d ood Oesterreich: viertel.chrUch Direkte tägliche -r»uzbandiendu»g IM «s«la»d: monatlich ?.äü. «,»orge».r»«gabr erlcheint täglich '/,7 Uhr. t» «iettd-Nu-gab« Wochentag« b Uhr. Lrklkti», «ad Lrpeditio«: J»tz«nne«,affe 8. «elachitior ist Wochentag« ununterbroche» »Met srüh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«. c«» De»«'« e«rti«. (Alfred Hatz»^ NniversttütSstrabe I. L-chi« LSsche. »chennenstr. I«, pari, und KSnigSpla» 7. Abend-Ausgabe. twMr Anzeiger. Lrisan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen,Preis die ffgejpaltene Prtitzeile 20 Psg. Reclamea untrr demRedamon«fkrich (4g» spalte») 50->j. vor de» Famitie»nachrichtea (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften lallt uniermn Preis- verzrichniß. Tabrllarischer und Ziffern: a- nach höherem Tarif. kkxtra-Vetlancn (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderun; 60.—, mit Postbejorderung >l 70.-. ^nnntsmeschluk für Anfkigeu: Abend-Ausgabe: vormittags lO Uhr. Margeo-AuSgabe: Nachmittag« 4Uhr- Sonn- und Festtag- früh '^9 Uhr Vri den Filialen und Annablnestnlen ie ein« halbe Stund« früher. >»iei§rn sind stet» an die Erpedrtiap zu richten. Druck und Verlag von K. Polz i»> Leipzig. ^ 3«2. Freitag den 15. Juni 1894. 88. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Juni. lieber die im RrichStagSwahlkrrise Pimirbrrg-islinShorn asvlzte Ersatzwahl für reu Grafen Moltke, tessen Wahl »m Reichstage für ungiltig erklärt wordcil war. liegt jetzt, pie es scheint, raS vollständige Ergcbnih vor. Der viele löbliche Bezirke, aber auch eine zahlreiche Zndustricbcvölkerung m sich schließende Wahl.reis bat eine sehr wechselnde Ber- inlllng erlebt. Nationalliberalc oder sonst gemäßigt Liberale lösten sich mit FprtschrittSmännern ab. Im Jahre 1890 drang zum ersten Mal ein Socialdemokrat durch. 2m Zadre 1895 erhielt im ersten Wahlgang der zur Reichs- Partei gehörige Graf Moltke 6526, ein Kandidat der sreisinnigen Bereinigung (Hänel) 6225, ein Socialdemokrat 1ZVS7, ein Antisemit 718 Stimmen. Zn der Stich wahl wurde Gras Moltke mit 15277 gegen 15 751 socialdcmokratische Stimmen gewählt. Vorgestern erhielt der secialdeinokratische Canbidat, Cigarrenarbeller von Elm, INK7, der nationalliberale Fabrikant Mohr 6091, der volkS- xarleiliche Rector Kopsch 5052, der auch vom Bund der handwirthe unterstützte Antisemit, Porzellanmaler Raab, Ilvl Stimmen. Den 12 267 socialdemokratischen Stimmen stehen sonach >5 544 nichtsocialistische gegenüber und es sinket Stichwahl zwischen Elm und Mohr statt. Es hatte eine Wahlagitation von einem Umfang und einer Er regung statlgesunden, wie sie selbst in unserer an heftige Wahlkämpfe gewöhnten Zeit selten ist. Auffallend ist auch hier wieder der bedeutende Rückgang der freisinnigen Liimmen. Zn den Blättern dieser Partei konnte man noch kii in die letzten Tage die Versicherung lesen, Herr Kopsch werke ohne Zweifel mit dem Socialdemokratcn in die Stich wahl kommen und dann durch Unterstützung der andern Par- irim wahrscheinlich durchdringen. Zn Wahrheit ist seit dem rerigen Jahre die freisinnige Stimnienzahl von 6215 aus öüir zurückgezangen. Auch die Socialdemokraten sind gegen kr» Wen Wahlgang des Vorjahrs um über 800 Stimmen ziiriickzegaiigen. Die Anstrengungen der Antisemiten sind nur ron geringem Erfolg gewesen. Man darf annehmen, daß die Zocialbemokraleu, die bereits die unglaublichsten Anstrengungen gewacht haben, iu der Stichwahl nicht mehr viel hinzuFewinnen werden: bei der vorjährigen Stichwahl wuchs ihre «timmen- rahl auch nur ganz unerheblich. Die Aussichten für Herrn Mohr stehen sonach nicht ganz schlecht, wenn die Antisemiten, Lauernbiindler und Freisinnigen jetzt den Hader vergessen und emwülhig gegen den Socialdemokraten zusammenstehen. Bei trr vorjährigen Wahl war dies gelungen unv die Folge war kn Sieg deS Grafen Moltke. Namentlich batten damals auch die Freisinnigen vollauf ihre bürgerliche Pflicht aethan. Wir wollen hoffen, daß jetzt gegenüber dem 46. Social- knnokrrten im Reichstage die bürgerlichen Parteien einmal lest zusammenhalten. Wir begegnen denn auch bereit- in irtiiimiigen Blättern der Aufforderung, ihre GesinnungS- gruoffen in jenem Wahlkreise möchten jetzt für den bürger- i:cheil Eandidatcn stimmen. Wenn die Gegner der Social- icmokraten nicht wenigstens in den Stichwahlen zusammcn- lalten, dann ist in allen Wahlkreisen, wo die Socialdemo- lratea überhaupt Boden haben, fernere Gegenwehr ganz unnütz. Daran muß man namentlich in einer Zeit erinnern, wo der Kamps der Umsturzpartei gegen die bürgerliche Gesellschaft eine immer gefährlichere und unheimlichere Gestalt annimmt. Ueber die Stellung Deutschlands zu dem Abkommen zwischen Höglau» und dem Hongostaale liegen beute zwei ebenso interessante, wie erfreuliche Auslassungen vor. Die eine, die sich in der „Kreuzzeitling" findet, lautet folgender maßen: „Bon einem gelegentlichen Correlpondenten wird unS aus London berichtet, daß dort im Publicum wie i» den leitende» Kreisen die feste Meinung verbreitet sei, daß Deutschlands An sprüche und Proteste nicht ernst zu nehme» seien. Man könne mit voller Sicherheit daraus rechnen, daß der deutsche Kaiser nie die Hand reichen werde, wo es sich um eine Schädigung englischer Interessen handle. Man ist so naiv, dabei auf die Royal Tragoons, aus (lower und Svithead z» verweise», und meint damit die obige These bewiesen zu habe». Gegenüber dieser geradezu lächerlichen englischen Verblendung können wir daraus Hinweisen, daß gerade Se. Majestät der Kaiser — wie selbst verständlich ist — mit größte 114 Nachdruck die deutschen Interessen in der Samoa- wie in der Congo-Bertrags- Frage betont, und wenn wir nicht sehr irren, dürfte der englische Botschafter davon zu erzählen wissen". Der anderen begegnen wir im „Hamb. Eorr.", dem von einem anscheinend ofsiciösen Berichterstatter geschrieben wird: „Jedenfalls wird man in London noch Gelegenheit haben, sich zu überzeugen, daß die Frage des englisch.belgischen Vertrages nicht mit einigen freundlichen Redensarten gelüst werden kan». Daß die deutschen Interessen nicht identisch sind mit denjenigen Frankreichs und der Türkei, ist zweifellos; ober in der Auffassung, daß die Congoocte nicht ohne Zustimmung der an ihr interessirtcn Mächte einseitig obgeändert werden könne, be- gegnen sich die Gegner des Vertrages vom 12. Mai. Mit dem „theile und herrsche" wird also England nichts ausrichten." Uebrigens haben auch die „Times" in der letzten Zeit e!n- gesehen, daß es nicht woblgethan ist, die in Deutschland herrschenden Ansichten und Stimmungen einfach zu ignoriren. DaS Cityblatt giebt seinem Berliner Correspondenten das Wort zu einer im Ganzen zutreffende» Darstellung der in Deutschiand bestehenden Ausfassung deS Abkommens; am Schlüsse dieser Darstellung heißt eS: „Der Kaiser und der Kanzler, obgleich sie ernstlich wünschen, in der gegen England freundlichen Politik zu beharren, die den neuen Curs auszeichnet, ohne daß sie seine Popularität erhöht hat, sind, wie ich weiß, fest entschlossen, daß in dieser Angelegenheit Deutschlands Stimme gehört und seine Interessen ge- achtet werden sollen. Man sollte nicht vergessen, daß es viel leichter ist, in Deutschland mit den, antieng tischen Strom zu schwimmen, als sich ihin zu widersetzen. Was den Congostaat betrifft, so glebt es offenbar Mittel, durch welche Deutschland sein Mißvergnügen einem Staate zeigen kann, besten Existenz »hat- sächlich von der Anerkennung seiner Neutralität abhängt. Und auch in der Rüstung Englands fehlt es nicht an schwachen Puncten, wo, wie man hier glaubt, der Verlust von Deutschlands moralischer Unterstützung sich sehr rasch empfindlich sühlbar mache» würde." Diese Darlegung hat auf die „Times" sichtlichen Eindruck gemacht, der dem Blatte sogar daS Zugeständnis; abnöthigt, daß Lord Kimberley, der Colonialminister, ungeschickt ver fahren sein möge. Aber dann folgen wieder Beschönigungen und Ausflüchte, auS denen man schließen muß, daß die bisher in Deutschland geführte Sprache doch noch lange nicht deutlich genug gewesen ist. Dem läßt sich leicht abbelfen. Die deutsche Presse wird wissen, was sie zu thun hat. Und auch die deutsche Diplomatie scheint sich trotz der gegen England freundlichen Politik, die den neuen Curs auszeichnet, ohne seine Popularität zu erhöhen, allmählich wieder an BiSmarck'scheS Deutsch zu gewöhnen. Die aus Anlaß der marokkanische» Ereignisse statt gehabte Entsend un g ein es französisch en Gesckwad crS in die algerischen Gewässer, also in die nächste Nach barschaft deS von inneren Verwickelungen bedrohten Lande-, dürfte »ach Lage der Dinge vielleicht nicht als eine lediglich platonisch gemcmte Kundgebung ausznsasscn sein. Man wird vielmebr, wie ein die Ansichten amtlicher Kreise anscheinend wicdcrspicgclnder Artikel der „B. P. N." auSfübrt, daran erinnern dürfen, daß Frankreich schon seit geraumer Zeit darnach strebt, in Marokko GcbietScrwcr- bungen zu machen, die ihm zur besseren Sicherung seines algerischen Besitze- unumgänglich nötbig dünken. AlS vor etlichen Monaten die französischen Truppen in Tim buk tu ciurücktcn, wurden in Pariser Blättern Stimmen laut, welche diesen Erfolg als den Anfang der Ausrottung deS marok kanischen Problems charakterisieren. Sic batte» dabei den Krieg gegen die TuarcgS im Auge, welcher Wüsienstamin allerdings nach übereinstimmendem Gutachten aller algerischen MilitairS nicht eher gebändigt werden kann, cbe ibm nicht die Möglichkeit beliebigen Rückzuges ans marokkanisches Gebiet abgeschnitten ist. Die natürlichen RnckzugSlinicn der TuaregS gegen Norren, also gegen Marokko, bezw. die Straßen, auf denen sie sich mit Lebensmittel» und Kriegs bedarf versehen, gehen aber über die Oasen von Zn-Salab, Tuat, Rbat und RbadameS. Timbnktu ist, wie gesagt, jetzt französisch. Die Besetzung Zn-SalabS ist nur noch eine Frage kurz bemessener Zeit. Bleiben noch die anderen Oasen, bezüglich deren Marokko daSOberbobeitSrccht in Anspruch nimmt. DieTuatsrage.unterwelcherBezeichnungdiesranzösischenPolitiker daS Ensemble aller algerisch-marokkanischen Grenzstreitigkeiten verstehen, datirt aber erst vom Zabre 1861. Bis dabin hatte Marokko keinerlei Ansprüche auf Tuat, Tidikclt oder eine andere Wüstenoase geltend gemacht, wobl aber hatten die Be wohner genannter Oasen schon 1857 um französisches Pro tektorat nachgesucht. Damals schenkte man diesem Ersuchen aber kein Gehör, weil Frankreich nicht daS Protectorat, sondern kurzer Hand die Annexion jener Puncte anstrebtc. Als 1861 eine Art militairischer Expedition gegen Tuat und Tidikelt auSrückte, wandten sich die Bewohner jener Oasen mit dem Gesuch um Schutz an Marokko, und cS scheint, als ob daS marokkanische Protectorat von einem der späteren algerischen General-Gouverneure quasi osficiell anerkannt worden sei. Wie dem auch sei, beute bestreiten die französischen Politiker aus» Entschiedenste, daß Marokko jemals praktisch sein Protectorat über lene Oasen anSgeübt habe. Diese Oasen wurden nur von d.n TuaregS gelegentlich nach dem Rechte des Stärkeren ausgeplündert. Zetzt sei der Moment gekommen, um diesem Zustande ein Ende und Frankreich zum Herrn der dortigen Situation zu machen. Wenn das seitens der französischen Politik ernst gemeint ist, so wird sie kaum Widerstand zu besorgen brauchen, aus dem einfachen Grunde, weil Niemand vorhanden ist, der den Franzosen entgegentreten könnte. Diese baden durch den Bau einer Eisenbahn bis Ain-Scfra die Sache strategisch schon zu ihren Gunsten ent schieden. ES bedarf nur noch deS Ausbaues der verhältniß- mäßig kurzen Strecke bis Zgli, und die Tuat-Oasc ist von der Verbindung mit Marokko völlig abgcschnitten, der fran zösischen Machtsphäre verfallen. ES leidet keinen Zweifel, daß dieser Bau ehebaldigst in Angriff genommen werden wird. Damit wäre denn die Marokkosrage für Frankreich, soweit Tuat in Betracht käme, erledigt. Wie man vcrmuthen konnte, hat die italiriiischrMinister- krisiS damit geendet, daß daS Cabinet Crispi in der früher» Gestalt der Kammer sich wieder vorstellte, nach dem eine Neubildung nach vielen Versuchen, durch sic breiteren Boden in der Kammer zu gewinnen, gescheitert ist. Eine Acnderung ist nur insofern eingetreten, als Sonnino, der bis jetzt die beiden Portefeuilles de- Schatzes und der Finanzen verwaltete, letzteres an den bisherigen Ackerbauminäster Bo se l I i abgetreten bat, während daS Ackerbauministerium mit dem Dcpntirtcn von ToScana, Barazzuoli, neu besetzt worden ist. Gestern hat sich das Ministerium dem Senat und kerDeputirten- kammer vorgestellt, wobei CriSpi von dem Ende der Krisis Mittbtilung mack'tc und einige Acnderungen deS Finanz Programm- erörterte. Letztere sind durchaus nicht unbedeutend, denn sie involvircn mit Einschluß der Preisgebung von zwei Zehnteln der Grundsteuer und dem Verzicht auf die Erhöhung der Einkommenslcuer einen Ausfall von nickt weniger als 25 Millionen Lire, und lim diesen Ausfall zu decken, bat (icb'kaS Ministerium entschlossen, abgesehen von der viel erörterten Vornahme einer Reform der Alkoholgesctze cinc Cvmmision von Generalen zur Einführung von Er sparnissen im Ressort deS KriegSminilterS cin- zusetzen, zu denen der Finanzministcr, der bereits 45 Millionen Ersparnisse für daS Finanzjahr 1894 95 versprochen bat, noch weitere 20 Millionen für 1895 96 gesellen wird. So weit aber auch die Regierung den Wünschen der Kamnier entgegengekommen ist, die pitzve ,i»> rö^iütsuos des Sonnino'schen FinanzprogranimS. die Couponsteuer er böbung, die so viel böses Blut gemacht, ist völlig unangetastel auS der Krise hcrvorgegangen, und damit war die Möglichkeit des Verbleiben- Sonnino s als Schatzminister im Cabmet gegeben. Der Empsang des Ministeriums seiten- der Kammer war ein freundlicher, ja sympathischer, und der Verzicht auf die Grundsteuer, der die große und einflußreiche Gruppe der Agrarier der Regierung znfübrt, sowie die in Aussicht gestellten Ersparnisse, namentlich die im Ressort deS KriegSminiskeriumS, wurden mit lebhaftem Beifall und Bravo rufen begrüßt. CriSpi verfehlte nicht zu betone», daß cS daS - unerschütterliche Vertrauen deS König- sei, das ibn wieder an diese Stelle geführt, nachdem raö Cabinet aus Feingefühl dcmissionirt habe, um der Krone vollste Freiheit zu lassen. Das Cabinct habe zwar ani 1. Juni nur über eine geringe Majorität verfügt, aber »ach reiflicher Prüfung sei die Krone zu der lleberzeugung gelangt, daß diese Abstimmung eine für daS Ministerium günstige gewesen sei, denn die Majorität der Kammer bilde ein homogenes Ganze, während die Minorität sich ans nicht übereinstimmenden Fractionen zusammen setze. Es ist lein Zweifel, daß riese Vcrlrauen-knndgebung der Krone eine erhebliche Festigung der Position CriSpi'S be deutet, und eS ist zu hoffen, daß auch die Kammer dem Rechnung tragen wird, zumal, da sie ans den Schwierig keiten, die sich der Lösung der Krise entzegenstellten, die Lehre ziehen muß, daß cS unlcr den obwaltenden Verhältnissen zwar leicht ist, ein Ministerinin zu Fall zu bringen, aber säst un möglich, Männer zu finden, die diele» Verhältnissen gewachsen sind und den Mntk haben, die Schäden selbst ans Kosten ihrer Volköthümlichkeit auSznrotten Besonder- in diesem Augenblick, der wegen der ernsten Gestaltung der afrikanischen Angelegen heiten den ersten Staatsmann der Nation am Ruder erheischt, ist C'iSpi unersetzlicher und nncntbchrlichcr denn je, und das wird ihm die Kammer, vielleicht mit Ausnahme der äußersten Linken unter Zinbriani und Cavalotti, die aber den Ausschlag kaum mehr geben wird, voraussichtlich bezeugen, indem sic der revidirtc» Sonnino'schen Fiuanzreforin nunmehr ihre Zustimmung erlhcili. Wenn aus Terbie» schon wieder eine CabinetSkrise und damit eine nenc Wendung in der Stellung der Krone zu den Parteien als scbr bald bevorstehend signalisiit wird, so darf Einen daS nicht Wunder nehmen, denn die kleinliche Eifersucht der Parteien, die persönlichen Zntrignen der leitenden Männer Frrirlletsii. Der Liebe und des Glückes Wellen. l»! Roman von M. v. Eschen. (Schluß.) Nachdruck verbot«». Ein paar Zahre sind vergangen. Hilde hat sich längst «I< eckte Gutsfrau auf dem Erlenhose eingelebt. Freilich bat sie die geliebte Kunst drangcben, manches andere dafür i-riitn müssen. Doch eS ist ihr nicht schwer geworden, viel- mbr baden der streng geschulte Verstand, die streng geübte äaerzie eS ihr nur leichter gemacht, all die Aufgaben zu lösen, welche ihr nunmehr die Liebe gestellt. Schnell hat sie sch einzelebt in die Interessen ihres Gatten. Er nennt sie tic einzige Frau, die ihn versteht; sie ist sein Rath, seine Hilfe bei allem, was er unternimmt: aber auch seiner Seele Venne, seines Herzens Glück. Tie kleinen DonachS aber, »«Icke nachgerade daS alle Herrenbaus lebendig machen, dänzen an ihrer frischen, immer liebevoll für sie bereiten Rima, daß der Papa fast eifersüchtig werden könnte, freute tt fick nicht zu scbr, daß die „kleinen Schlingels" damit erst nckt beweisen, daß sie eckte DcnacbS sind. Mit solcher Frau in e« Hilbert leicht, de» Erlenbos als eine Musterwirtbschast » ballen weit und breit — möglich, jedem bcizustehen mit Xald und Thal, allen ein Beispiel zu geben an tüchtigem Lchassen, bänSlich-glücklichem Leben auf dem Lande, wie er kn Ausgabe deS modernen Grundherrn saßt. An einem Eingreifen in die Politik hat sich der Baron, »ii seinen Pflichten in private» Kreisen zufrieden, noch nickt Wirker betheiligt. Lb man sich jedoch daS bei einem Manne wie Hilbert «en Donach gefallen kaffe», ob er nickt doch einmal der gme» Sache zuliebe einem cbrcnvollen Ruse in die Oeffrnt- IMit folgen wird, ist wobl nur eine Frage der Zeit. Um die Leitung deS Erlrnbose« braucht er in solch einem nille nicht zu sorgen. Unter seiner Leitung bildet sich dafür >me luchiige Kraft Hera». Otto Rcttberg nämlich bat e- kinchgese-t, mit Hilfe seiner Gönnrrin Hilde und ihre- Italien, daß er kein Lieutenant z» werden braucht, sich zum -iitwirlh heranbilden darf. Da- ist natürlich sebr gegen tn Dünsche von Frau Zna gegangen. Aber, leider, der Aeldpinct half diesmal bei der Entscheidung gegen sie. hatte überhaupt kein Glück mit ihren Kindern, «chrr Vr»n«, an dem der mütterliche Stolz und die Familien traditionen der Roggc von Roggcndorf zu ihrem Rechte ge langen. Dennoch, auch diese Freude ist nicht ungetrübt, denn er braucht entsetzlich viel Geld. ES wird ihm schließlich nichts anderes übrig bleiben, als sich zu mesallürcn, da eS, um mit Frau Zna zu reden, ordentlich heimtückisch von dem Schicksal ist, wie heutiges TageS allein die gewöhnlichen Leute noch Geld haben, während die vorncbmen Damen meistens blank sind. Vielleicht ist aber, waS Frau Zna eine Heimtücke deS Schicksals nennt, nicht so böse gemeint, vielmehr eine weise Fügung der Natur, auf daß die Scheidewand falle, welche die Claffen der Gesellschaft trennt, daß mit dem alten blauen und dem frisch kräftig rotben Blut auch die durch Generationen und Generationen erworbenen und geschulten Fähigkeiten sich ergänzend mischen, die Bortheilc der erworbenen Cultur immer weiteren Kreisen gemeinsam zu Gute kommen. Wenige Wochen nachdem der Präsident zurückgekehrt war, machte daS schon länger bestehende Herzleiden seinem Leben ein Ende. Die letzte Bitte Ferdinand Rettberg'S an seine Frau war, daß sie nunmehr mit gutem Herzen in die Ver bindung von Gerda und dem Doctor Wilhelm Neuber cin- williaen möchte. Mit gutem Herzen die Heirath ihrer Tochter mit einem Gymnasiallebrer billigen: eS war eigentlich eine Zronie. Drotzdeni, zum ersten Mal, fügte sich Frau Zna tcm Willen deS Gallen, auch hier gaben der Geldpunct, die veränderten Verbältnisse und andere traurige Erfahrungen den Ausschlag. ES schien fast, als ob der Tod Revanche forderte für daS, was man dem Lebenden gethan — was sein Ende vielleicht beschleunigt hatte. Glücklicherweise besaß Gerda die ganze Elasticität solcher Naturkinder, wie sie trotz alledem und alledem ein- geblieben war, Sie weinte ein paar Thränen, daß sie zum enkant terrikls für Mama und Schwester Tilli und alle Rogge von Roggendorfs geworden war. freute sich aber im selben Augenblick unbändig, daß sic ihren berzlieben Wilhelm gesunden batte, ließ sich durch mchtS beirren in dem, waS er als daS Richtige für sie erklärte. Als dann später dieser seiner jungen Frau die ersten Karten zeigte und halb im Scherz, halb mit bedeutsamem Ernst meinte, daß nun über ihrem Namen jete Krone fehle — da lachte sic bell aus. Dann aber trat ein sinnend ernster, weicker Ausdruck in ihr liebe- Gesicht, reckt wie e- sich für daS Wcib von Wilhelm Neuber schickte. Und ebenso flüsterte sie leise: „Krone deS Leben-, Glück ohne Rnh, Liebe, bist Du! Gerda giebt sich redlich Mühe, ihrem Herrn und Meister Ehre zu machen; anmuthig unv schmeichelnd spielt sie um ihn der, zärtlich sorgend sieht sie ihm jede» Wunsch a» de» Augen ab, daß er glücklich sei wie sie selbst. Natürlich ver zieht der seine kleine Frau, die er eigentlich zu erziehen sich berufen fllblte, über die Maßen. So ist cS renn gut, daß ihm die Pädagogik ins Blut übcrgegangen ist, und je nach dem sich auch daS Erziehe» in dem Verziehen mit einbegreife» läßt. Daß er dem letztem nicht zu wiverstehen, seiner eigentlichen Berufstbäligkeit also nicht ganz zu entsagen braucht, erhöht nur den Reiz seiner lieben Frau und daS Familicnglück. Ten andern Tag, nachdem die Katharine Elise gestorben, empsing Bent von Windig einen Brief: einen Wisch: schlechte- Papier, blasse, glänzende, wie mit Zucker getränkte Tinte; ein grauenhafter Stil, keine Grammatik, keine Orthographie — und doch, welch ei» Schatz von Gemülh, von Liebe und Selbstvergesscnhcit in der elenden Form: „Mein herzlicher Schatz! So will ick dir noch einmal nebnen. ES geht schlecht init mich, sie sage», daß ich sterpen muß. Zcb ergreife die Feder, um dich zu sagen, daß du ruhig sein kannst. Unser Gebeimniß soll ruhen mit mich, in mein Grab. Sie haben mich arg »ugesctzt wegen deS Zost und seinen Schuß auf den Baron. Aber ich halte mein Wort. Lebe Wohl ich kann nicht länger" — hier war ein großer Flecken, wahrscheinlich eine Tbränenspur — „Mein lieber" — wieder war alles verwischt. „Deine bi« in den Tod getreue Katharine Elise Walter." Und Bent hätte doch kein Mensch sein müssen, wenn ibm daS nicht zu Herzen gegangen wäre. Wirklich, seine Augen feuchteten sich über dem Wisch. — Bald aber empfand er es über sich kommen wie eine Erleichterung, zuletzt empfand er nur diese noch allein! Damit sagte er sich los einmal und für immer von jeder gemüthlichen Regung, aber auch jeder jugendlichen Lust, jeder gesunden Freude: allem, waS den Menschen im Guten zu beglücken, >m Bösen zu verderben vermag. Kalt wie Eis, unerschütterlich, einem Felsen gleich, sah er nur noch ein Ziel vor seinen Augen: Carriöre! Und obwohl nun, da die Katharine Elise gestorben, der Zost Bräutigam wahrscheinlich durch Vir Hilfe seiner Familie und irgend eine rätkselhaste Unterstützung auSgebrochen war, diese Geschichte für Bent nicht zum AutraSg kam, ward ihm sein Amt hier, daS heißt die Gegend, verleidet. Die Wahl , de« Herrn Doclor Gustav Ködding war be- anstanbel worden von seinen politischen und persönlichen Gegnern. Und ob sich auch wieder hier keine directen Klagen oder faßlichen Beschwerden gegen de» Einfluß oder die Ein mischung de« Herrn LankrathS anstelle» ließen, so ging doch inanchcö darüber u»i, waS die Dinge in einem unangenehmen Lichte erscheinen machte. Sogar die Excellenz von Meierinz erklärte, der' junge Man» bade sich li»gesck,ickl benommen. DaS aber hing allerdings mehr noch mit einem plötzlichen Wechsel in dem Ministerium zusammen, nach weichem der Wind in einer anter» Richtung ilingcschlagen hatte, als man sür möglich gehalten. Da sich aber die Excellenz gleichzeitig erinnerte, daß die Ungeschicklichkeit seines GünstlingS doch im Grunde nur ein Feuereifer in seinem Dienst gewesen war. daß solch ein Eifer eine nickl zu unlerschätzendc Eigenschaft sür einen Beamten sei, namentlich im Verein mit einem so seinen Kops und außerdem inliner glänzenden Leistungen, so legten sic höher» Orts ein gutes Wort für den jungen Mann ein. Bent wurde ans sein Nachsuchcn an die entgegengesetzte Grenze deS Reiches versetzt. Meileiiweile Entfernung lag nun zwischen ibm und seiner Braut. Es war ibm wirklich iininer uiigcuiülhllcher in der Nabe von Tilli Rellderg geworden. Es ist ja eine bekannte Sache: WaS auch ein Man» sich selbst verzeiht, duldet er am wenigsten bei seiner Frau: und die Eigenschaften, die am wenigsten sein eigen, verlangt er meiste»- von derjenigen, die ihm, »ach Gott, von Recht- wegen geboren soll. — Der Präsident war gestorben, er konnte ihm nicht länger nützlich sein und auch nicht schade» — WaS übrigens Lessen Charakter doch aus geschlossen hätte. 'Auch Tilli'S Oheim in dem Ministerium hatte infolge jenes oben erwähnten Wechsels seine Entlassung genommen: Siiiniiia siiiiiniaruin, der Werth, Pen Fräulein 4-iÜi in seinen Augen besessen, war bin. Ten» kaß sie selbst, wie selten eine Frau, geeignet war, dem Gatten bei der Carrivre zu helfen, kam jeyi bei Bent nickt nicbr in Betracht. Er meinte sogar, sür de» Augenblick käme er allein noch besser fort. Die Gesellschaft ist iininer lieber bereit, einen uiiverhciralhetcn Mann unter ihre schützenden Flügel zu nehmen. — Und dann, wer konnte denn wissen, ob ibm sein Geschick nicht einmal wieder im entscheidenden Moment zuni Cbes einen Vater mit einer allerliebsten bcirathSsäbigen Tochtec bescheerte. So gab Bent von Windig ihr Wort an Tilli Rettberz zurück niil dem nichtige» Grunde, daß er ibr unmöglich zu- mulbcn könne, ihre sonnige Hcimath im Westen mit dem kalten rauben Nordosten zu vertauschen. Die Präsidentin nannte ihn einen NicktSwürdigen; Tilli blieb still. Sie war viel zu stolz; eS durfte niemand wissen, WaS sie litt. Vielleicht dachte sic auch, daß Herr von Windig
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