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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940621023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-21
- Monat1894-06
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Hat aber wirklich England in Uebcreinstimmung mit derRczierungdes Congostaates„die von der deutschenRegicrnng aazesochtene Bestimmung" rückgängig gemacht und hat man sich in Berlin mit dieser Rückgängigmachung begnügt, so ist tie deutsche Regierung der englischen recht weit entgegen» gekommen und hat ihren vurchauS berechtigten Protest gegen tcn ganzen Vertrag ausgegeben, um die unbequemste Be stimmung desselben auS der Welt zu schaffen. Wenn England zu einer solchen Lösung der Frage die Hand bietet, so ist das begreiflich genug. Hatte Deutschland aus dem Standpunctc verharrt, daß der neutrale Congostaat ohne die Zustimmung der seine Neutralität garantircnden Mächte keinerlei Verträge abschließen dürfe, so würden die Eongoregicrunz und (England bei sämmtlichen Garanticmächtcn um Ge stattung von Vertragsverhandlungen haben nachsuchcn und den Vertrag der Billigung einer Eonferenz unterstellen müssen. Einer solchen Eonferenz aber möchte England um jeden Preis auS dem Wege gehen, weil aus ihrer Tagesordnung auch die cgyptiscke Frage erscheinen könnte. Es liegt also im eigensten Interesse Englands, auf dem Wege der Zonderverhandlungen und durch Preisgcbung einer obnc- din unhaltbaren VertragSbestimmung Deutschlands prin- cixielle Zustimmung zu der widerrechtlichen VcrtragS- schließung und dem Reste des Vertrags zu erlangen. Damit wäre die Confcrenzfrage beseitigt, Frankreich und die Türkei müssen Wohl oder übel von der Forderung einer Eonferenz absehen, die Verlragsschlicßung gleichfalls principicll anerkennen und durch isolirte Verhandlungen mit England und dem Eongo- staate eine Abänderung der für sie besonders anstößigen Be stimmungen zu erreichen suchen. Wie man inFrankreich über ritte deutsche Politik denken würde, die einen unanfechtbaren RechiSboden verläßt, um für sich eine Eoncession einzutauschcu, die übrigen Garantiemächte aber ihrem Schicksale zu über lassen, brauchen wir Wohl nickt zu sagen. Wir nehmen cs daher trotz aller ofsiciösen Vorbereitungen aus eine Be schränkung des deutschen Einspruches auch nicht als erwiesen an, daß eine solche Beschränkung wirklich stattgefunden hat. Er wäre dies um so weniger verständlich, je bestimmter der Londoner Eorrespondent desselben „Hamb. Eorr.", der die Meldung von einer solchen Beschränkung bringt, ein voll ständiges Nachgebcn des englischen EabinetS in Aussicht stellt, indem er schreibt: „Streng genommen, bedarf es in der Congo-Angelegenheit keiner „Wiederherstellung des früheren Zustandes": denn der von der eng lischen Regierung versuchte Entwurf eines Abkommens ist nach allen Regeln des Völkerrechtes und der vorhandenen Verträge null uud nichtig. Darf eS sich die Schweiz als neutraler Staat erlauben, an ihrer Nord- oder Südgrenze eine» Streisen Gebietes an Frankrcick abzutretcn? Ist etwa Belgien in »er Lage, dies für seinen französischen oder deutschen Nach- bar zu tljun? Die zwischen 1884 und 1890 abgeschlossenen Verträge über den Congostaat sprechen klar und laut genug. Man weiß Lies auch in Downing Street so gut wie anderwärts; ober man hat sich nach der mißlungenen Anfrage, die man vor ein paar Jahren an Deutschland richtete, den Erlkönig zum Muster nehmen zu können gemeint: „Und gehst Tu nicht willig, so brauch' ich Gewalt I" Ne Gewalt steht jedoch nur auf dem Papier; und mit der Sache selber ist es nichts. ES ist bei dem freundschaftlichen Verhältnisse, das sich unter der vorhergegangcnen unionistische» Regierung zwischen England und Deutschland ausgebildet hatte, lebhaft z» be dauern, daß eine derartige Mißhclligkeit entstanden ist. Wundern können wir unS freilich unsererseits nicht besonders darüber: hatten wir doch schon zur Zeit, wo Lord Roscbery »och Minister de-Z Auswärtige» war und wo er aus Grund einer bekannten Privat- srcundschaft als ausnehmend deutschfreundlich galt, Worte der Warnung gegen diese Ausfassung erhoben. Roseberq'S Be ziehungen zu dem „Verein für Reichssöderation", der unter Andern! die Kleinigkeit des Ausbaues eines großafrikanischcu Reiches ron Kairo bis zum Cap erstrebt, reichen schon bin, um zu zeigen, welche Wünsche der jetzige Premier in Colonialsragen hegt. Daß er dem Dreibünde günstiger gesinnt ist, als Gladslvne, der ihn gern ganz aufgelöst sähe, unterliegt keinem Zweifel. Im klebrigen möchte sich Roseberh nach jeder Züchtung hin freie Hand bewahren: und wie frei diese Hand gelegentlich zuzugreisc» trachtet, hat inan soeben am Congo gesehen. Dies ist jedoch durchaus kein Beweis dasür, daß Deutschland irgendwelche» Anlaß hat, von seinem natürlichen und gerechten Standpunkte auch nur um eines Haares Breite abzugehen. In der öffentlichen Meinung Englands giebt sich auch in beträchtlichen Schichte» der Bevölkerung bereits eine deutliche Wendung in der Richtung der Anerkennung dieses Staudpunetes als eines vollkommen berechtigten kund. Tie Stellung des Cabinets im Innern aber ist fortwährend s e b r schwach; und persönlich ist Lord Roseberh ein Mann, der vor der Entschiedenheit eine- Widerspruches, gleichviel ob er ihn für be gründet hält oder nicht, rasch zurückzuweichen oder seit wärts auszubiegen weiß." Gegen Mißbräuche und Uebrrvortheilungen aus wirth- schastlichrin Gebiete hat die ReichSgcsctzgebung in de» letzten Jaliren manches gelhan, hauptsäcklick aus Anregung auS dem Reichstag heraus. So ist das Wnchergesctz ver schärft. gegen die Mißbräuche im Abzahlungsgeschäft sind Abwchrmaßrcgeln getroffen, der Schutz der Waarenbezeich- nungcn ist gesickert worden. Manche andere Anregungen aus diesem Gebiete haben gründliche Erörterungen bervorgerusen, ohne bisher zu einem positiven Abschluß zu gelangen, und der Zukunft bleibt »och manches Vorbehalten. Im Reichs tag giebt sick im Allgemeinen eine weitgehende Uebcrein- stimmung einer großen Mehrheit über diese Fragen kund, lieber Einzelheiten herrschen Meinungsverschiedenheiten, aber das Streben, dio wirlhschastlich schwachen gegen Aus beutung zu schützen und betrügerische Manipulationen auS unserm geschäftlichen Leben möglichst fernzubalten, wird von einer großen Mehrheit des Reichstags als be rechtigt und nothwendig anerkannt und über fernere Maß regeln zur Erreichung dieses Ziels wird cs sicherlich zur Verständigung kommen. Bei der Beratlmng deö Gesetzes zum Schutz dcr Waarenbezeichnungen gab der Minister v. Bocttichcr das bestimmte Versprechen ab, eine umfassende Vorlage zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs anSzuarbciten und, wenn irgend möglich, bereits in der nächsten Session im Reichstag cinzubringen. Diese Vorlage ist in der Aus arbeitung begriffen und daS Versprechen deö Ministers wird somit eingelöst werden. Ein EcntrumSantrag, gleich in das WaarcnbczeichnungSgcsctz einige Bestimmungen gegen den unlauter» Wettbewerb aufzunehme», wurde nicht aus Gegnerschaft gegen das Ziel dieses Antrages abgclchnt, sondern nur darum, weil diese Bestimmungen in den Rahmen des Gesetzes nicht paßten, noch zu wenig geklärt und in ihrer Wirkung übersehbar waren. Auch sonst erwartet man, daß in nächster Zeit die Regierung den Anregungen des Reichstages hinsichtlich der Abwehr von Mißbräuchen und Ausbeutungen im geschäftlichen Lebe» praktisch Folge geben wird. ^euilletsir. Die alte gute Zeit. Eine Erzählung aus Niedersachsen von Greg. Sam arow. bl Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Eine Stunde war schnell vergangen. Der Dechant bat Hilmar herzlich, wicderzukommcn, und dieser folgte der Einladung schon in den nächsten Tagen. Obwohl der Lberamtmann gern Abendgesellschaften bei sich sab und seinen neuen Auditor häufig einlud, um eine Partie Wbist mit ihm zu machen, so verging doch keine Woche, in welcher dieser nicht ein- oder zweimal nach Landcrscn hiuübergeritten wäre. Ter Oberamtmann sah diesen Verkehr mit seinem alten Freunde gern, er begleitete Hilmar zuweilen selbst, der Dechant war auch häufig der Gast des ObcramtmannS, und so entstand denn bald eine aufrichtige und herzliche Freundschaft zwischen dem geistlichen Herrn und dem jungen Baron, der sich in der Psarrwobnung zu Landersen wie zu Hause fühlte. Der geistliche Herr liebte ein gutes Glas Wein zu trinken, was er jedoch niemals allein tbat, und rS kam ihm auch nicht darauf an, der ersten Flasche ein zweite und dritte folgen zu lasten. Er war ein klassisch gebildeter Herr, liebte die alten römischen und griechischen Dichter und freute sich, wenn er ml seinem jungen Freunde Gespräche führen kcunte, zu denen er sonst selten Gelegenheit fand. Ob freilich Hilmar so häufig dem würdigen Herrn diese Freude gemacht baden würde, wie er es thar» möchte wohl -weffelbaft gewesen sein, wenn Anna nicht im Psarrhause gewesen wäre. Hilmar fand immer irgend welche Gelegenheit, daS junge Mädchen mit in die Gesellschaft zu ziehen, und der alte Herr war erfreut, daß seine Nichte nach dem schmerzvollen Verlust, de» sie erlitten, einige Abwechslung und Zerstreuung in seinem einsamen Hause fand, so daß er meist Hilmar'- Aufforderung nicht erst erwartete, sie aus ihrem Zimmer rufen zu lassen, um seinem Besuch mit Gesellschaft zu leisten. Wenn dann der alte Herr sich in dem Rubni der Schönheiten de- Hvmer oder Horaz erging, so daß sein alte» freundliche- UefiHt sich mrt einem Schimmer der Jugend und Poesie ^erklärte, dem, blickt« Hilmar wohl zu Anna herüber, die, mit einer Arbeit beschäftigt, am Fester saß, und daS vom Licht der Abendsonne überstrahlte anmuthige Gesicht des jungen Mädchens ließ ebenso viel Poesie in seinem Herzen ausblühen wie die Eitate dcS alten Herrn. Wenn er dann auf des Dcckanten Einladung zum Abendessen im Pfarr- hausc blieb und Anna ab- und zuging, um den Tisch zu decken und mit frischen Blumen zu schmücken, dann suhlte er sich so wohl und behaglich, wie kaum in seinem väterlichen Hanse, in dem er seit Jahren schon immer nur zu kürzeren oder längeren Besuchen anwesend gewesen war. ES überkam ihn ein wohltbätigcs HeimathSgefühl, und die weite Welt, die er durchflogen hatte mit all ihrem wechselnden Reiz, trat in seiner Erinnerung zurück vor dem freundlich wohlthuciide» Eindruck der Gegenwart. Anna selbst fand eine nie gekannte Freude darin, hier gewissermaßen als Hausfrau die Wirtbin zu machen, und auch für sie schlangen sich die ersten Blütbcn der Poesie, welche ihr bisher so enges und beschränktes Leben in ihrem Herzen aufsprießen ließ, zu immer vollerem Kranz um das Bild des jungen Mannes, der ihr zuerst aus ihrem mit banger Furcht betretenen Wege in die Welt cntgegen- gckoninien war und der ihr nach der kurzen Bekanntschaft so nahe stand, wie noch Niemand bisher. Zuweilen auch fand Hilmar sie allein, wenn der Dcckant auSgegangc» war, und bat sie um die Erlaubniß, in ihrer Gesellschaft ihren Oheim erwarten zu dürfen. Sie gingen dann in dem kleinen Garten umher, oder saßen zusammen in dem behaglichen Wohnzimmer, und Anna, welche zuerst nur bangend und scheu in solchen Fällen ibm Gesellschaft geleistet batte, was sic ja ohne Unböflickkeit nickt abschlage» konnte, fand immer größeren Reiz in solchen traulichen Plauderstunden. Hilmar war in großen Verhältnissen ausgewachsen, batte die Welt weit hinaus gesehen und sein reich gebildeter Geist öffnete dem au» enger Beschränktheit herauSgetretcnen Mädchen tausend neue Gedanken und weite Gesichtskreise» die ihr früher völlig fremd gewesen waren, so daß sich eine ganz neue Welt vor ihr aufthat, und der Mittelpunkt dieser Welt war wieder er, der einzige Freund, den sie in ihrem Leben gefunden. Auch der Dechant fühlte sich in seinem Hause so beimathlich angcmuthet, wie nie vorher. DaS stille, bescheidene junge Mädchen, daS ibm überall kleine Behaglichkeiten bereitete und ihn mit Aufmerksamkeiten umgab, wurde ibm täglich eine liebere Gesellschaft, und er sagte oft freundlich, die immer mehr in frischen Farben erblühenden Wangen seiner Nichte klopfend, daß jede gute That immer ihren Lohn in sich selbst trage. Anna küßte ihm dann mit thränenden Augen die Tic päpstliche Unryklika, deren Veröffentlichung noch be- vorstckt, auS der wir aber die Hauptzüge bereits mitthcilc» konnten, enthält daS alte Programm einer llnivcrsaltbco- kratie deö römischen Pontifex und ist ei» Appell hauptsächlich an die griechisch-katholische, wie an die protestantische Ebristen- hcit, i» den SchooS der „allein berechtigten", „allein selig machen den" Kirche zurückznkehrc», von der sic ja nur als verirrte Schafe in bcklagenSwerthcr Verblendung abzcfalle» sind. Etwas Neues an Gründen und GcsichtSpunctcn enthält daS Schriftstück nicht. Namentlich die Vorspiegelungen, mit denen der Papst den Protestanten ihren Glauben und ihre Kirche zu verleiden sucht — den Protestanten fehle die feste Richtschnur für den Glauben und die Autorität, einige Protestanten seien dahin gelangt, die Gottheit Ehristi und den göttlichen Ursprung der heilige» Schriften zu leugne», die „despotische Seele" der Freimaurer verhindere die GlaubcnSeinheit der Völker und damit die Be schwörung deö Krieges und der gegenwärtigen socialen Zustände Europas, die einer zweiten Auflage der französischen Revolution zusteuerlcn —, all' diese Vorspiege lungen, directc» Unrichtigkeiten und Halbwahrhcitcn sind schon so oft von Leo XIII. und seinen Vorgängern wiederholt »nd so schlagend von protestantischer Seile widerlegt worden, daß wir ruhig darüber zur Tagesordnung übergebe» könnte», wenn man nicht zugestebe» müßte, daß der Zcit- pnnct, in welchem der Papst seine» Lockruf wieder er tönen läßt, günstiger denn je gewählt ist, denn er darf hoffe», daß er bei dem reactionaircn Zuge, der zweifel los durck unsere Zeit gebt, hier und da Widerhall findet. Aber die päpstliche Encyklika wird aus der andern Seite auch den Erfolg haben, daß sie die führenden Geister naincnilich dcS deutschen Protestantismus zu noch energischerer Abwehr der päpstlichen Macktgelüsle und zu immer angen- fälligerer Erhärtung der Tbatsache anspornt, daß daS evan gelische Ebristeiithum dcS Protestantismus de» Bedürfnissen der Zeit weit mehr entspricht und eine sicheren Stütze für de» Bestand der Nationen, der Staaten, der Träger der Staatsgewalt und der Ordnung ist, als die bald mit der monarchischen, bald mit der republikanischen StaatSform liebäugelnde, zum unbedingten Gehorsam gegen die kirchlichen Oberen erziehende römische Kurie, der Wesen und Geist deö Protestantismus auch heute noch fremd und uner- faßbar geblieben sind. Für die protestantische Kirche in Deutschland liegt die Antwort auf die päpstliche Ausforkerung i» den beiden Schreiben beschlossen, welche Kaiser Wilhelm I. am 8. September l873 und Kronprinz Friedrich Wilhelm am 10. Juni 1878 in Vertretung seines Vaters an den jetzigen Papst bczw. seinen Vorgänger ge richtet haben. Papst PiuS IX. hatte in einem Schreiben an Kaiser Wilhelm I. vom 7. August 187.8 ausgesprochen: „. . . . denn Jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in irgend einer Beziehung oder auf irgend »ine Weise, welche hier näher darzutegcn nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dein Papste an." Kaiser Wilhelm I. erwiderte unter dem 3. Sep tember 1873: „. . . . Noch eine Ncußerung in dein Schreiben Eurer Heiligkeit kan» Ich nicht ohne Widerspruch übergehe», wenn sie auch nicht aus irrigen Berichterstattungen, sondern aus Eurer Heiligkeit Glauben beruht, die Acußerung nämlich, daß Jeder, der die Taui'e empsangen hat. dein Papst« angehöre. Ter Evangelische Glaube, z» dein Ich Mich, wie Eurer Heiligkeit bekannt sein muß, gleich Meine» Vorfahren und mit der Mehrheit Meiner Unterlhanen bekenne, gestattet uns nicht, in dein Berhältniß zu Gott einen andern Vermittler als unser» Herrn Jesum Christum onzunehine». Diese Verschiedenheit des Glaubens hält Mich nicht ab, mit denen, welche den unseren nicht theilen, in Frieden zu leben und Eurer Heiligkeit Hand, sie trug Wohl den Schmerz um ihre Mutter tief im Herzen, aber dieser Schmerz verlor die Bitterkeil, und sie cmpsand dennoch ein Woklgefübl deS Glücks und der Dank barkeit gegen Gott »nd gegen ihren Oheim, der ihr die lichte und freundliche Existenz eröffnet hatte, in welcher sie wie zu einem neuen Leben aufblüble. So waren den» Alle mit tcn Verhältnissen zufrieden, nur die alte Köchin Johanna nicht, sie wollte die Herrschaft im Hause, die sie so lange unumschränkt und allein geführt, auch nicht zu ibrem kleinsten Theile aus den Händen geben; sic litt nicht, daß Anna irgendwelche Verrichtungen in der Küche ihr abnabm und alle die kleinen Aiifmerksanikciten, welche dem Dechanten so wohl tbaten, erklärte sie in halblauten Bemerkungan für durchaus überflüssig. Obwobl sie niemals die Ehrerbietung, welche sie der Nichte ihres Herrn schuldig war, unmittelbar aus den Augen setzte, waS der Dechant, wie sie wobl wußte, streng geahndet haben würde, so batte sie koch stets für daS Mädchen ein murrendes Wort unv einen feindlichen Blick, WaS Anna Wohl bedauerte, was sic aber nur zu dem Bestreben vcr- anlaßle, sich daS Wohlwollen der allen Dienerin ibreS OheimS durck um so größere Freundlichkeit zu erwerben. Der Unmuth der Alten wurde noch gesteigert durch die Entdeckung, daß Anna Protestanlin war; sic selbst war eine eifrige Katholikin und hielt es für unerhört, daß im Hause Seiner Hockwürdcn dcS Herrn Dechanten eine nicht zu ihrer Kirche gehörige Per sönlichkeit bcimisch sei. Ueber riesen Fall erlaubte sie sich sogar zuweilen einige hingcworfcne spitze und anzügliche Be merkungen, welche Anna ,n ihrer Harmlosigkeit freilich kaum verstand. Dieser Unmuth der guten Johanna blieb jedoch nur eine leichte Wolke an dem freundlichen Himmel, der sich über dem Leben des jungen Mädchen» wölbte, und sic hoffte, dieselbe durch Geduld und freundliche Begegnung zerstreuen zu können. Einige Wochen waren so hingegangen, da erhielt Hilmar von seinem Vater einen Brief mit Vorwürfen, daß er noch nicht bei seinen alten Tanten sich vorzcstellt habe, welche in Rottenau, eine starke Stunde von Angersum, wohnten. Rottenau gehörte mit zu dem Majoraisbesitz der Grafen von Bergbolz und war bestimmt zum Wohnsitz und zum standeSmaßigen Unterhalt der nicht verheirathclen Familien mitglieder. Die Baroninnen Adeline und 'Kunigunde von Bergbolz, Schwestern von Hilmar - Vater, bewohnten gegenwärtig da» Gut, daS in der Gegend „der Damenhof" hieß, und die alten Damen führten dort ein stille», beschauliche- Leben, da« sie den Ausdruck Meiner persönlichen Ergebevheit und Verehrung dar- zuliringe». Wilhelm." WaS die LiebeSwerbungen dcS PapsteS um die Schismatiker der griechisch-orthodoxen Kirche betrifft, so knüpfen sie de- kaniillich an die Ernennung eine- russischen Minister- residenten in Rom an. Diese Letztere ist ja zweifelsohne ein Erfolg der curialcn Politik, sie hat da» Prestige des Papste» erweitert, fortan besser in der Lage sein wird, die Jittcrcsscn der russischen Katholiken wabr- zunebmeii. Aber schon die weitere Etappe, welcher der Valiean zustcuert, die Ernennung eine- päpstlichen NuntiuS in Petersburg, wird sowohl Leo XIH., wie sein Nachfolger schwerlich erreichen, geschweige denn die Einigung der orien talischen und der lateinischen Kirche. Die Macht deS Zaren »l iiiizcrlrcniilich von der geistlichen Gewalt, die einen ihrer Haupl- bestaiidlbeile bildet und der vom Papst erstrebte Synkrct»-mut, der in dem Worte Leos „Die Kirche ist nicht lateinisch, sie ist nicht orientalisch, sie ist universell" ihren prägnantesten Ausdruck findet, würde da» Zarthum der einen seiner beiden Hände, »nd zwar der stärkeren, beranken, denn die Fülle der Gewalt, welche sich in der Zarenkrone vereinigt, ist bedingt durch die geistlichen Attribute, welche mit den weltliche» unlrcnnbar verbunden sind. Der schiSmatische Papst, der aus seinem Haupte die Zarcnkrone trägt, wird nie vor dem römische» Pcnlijex rapiinlircn, und so ist auch nach dieser Richtung hin dasür gesorgt, daß die vatikanischen Bäume nicht in den Himmel wachsen. In Oesterreich kommt der Nationalitätenbader nickt zur Ruhe. Jminer noch liegen sick die Prager Stadt- vcrwailnng und die Stattbaltcrci wegen der zweisprachigen Slraßcnlascln in den Haaren, und erst letzter Tage mußle die Polizei eine Anzahl Aufschriften entfernen, die, der Ver fügung dcS Statthalters zum Hob», welche nur deutsche Be zeichnungen in Verbindung »nt tschechischen zuläßt, in grie- chischer, italienischer und — türkischer Sprache abgejaßt waren. Aber die SlowcnisirnngPragü mit seinen 30 000dentschcn Einwohnern wird auch »och mit andern Mitteln betrieben. Wahrend die notbwendigslen sanitären Aufgaben vernachlässigt werden, und die Tii»k>vasse>frag« ungelöst bleibt, hat man jur die „nationalen Ebrensachcn" Gcld in Fülle. So wurde kürz lich nur um die slavischc Solidarität zu bekunde», wegen Anlaufs einer Anzabl Pferde für tie Feuerwehr eine viel- köpsigc Eoinmission nach — Kiew in Rußland entsandt. Die Statthaltcrei hat dem Stadlralhc in einer Zuschrift seine Mißwirthschaft vorgehaltc» und für de» Fall ihrer Fori daucr die Betrauung eines staatlichen Organs mit der Bcaussichrigliiig der Gemcindcwirlhschast angelündigt. Eine solche Verwarnung lhätc auch in Laibach in Krain Roth, dessen Vertretung in Allem derjenige» Prags nachcisert. Die Laibackcr Sladtväler baden jüngst die Slowcnisirung der Slraßcnbezcichnnngen beschlossen, »m der Stadt, deren wohlhabende und gebildete Bevölkerung zumeist deutsch ist (fast «>000 Deutsche bewohnen die Landeshaupt stadt), äußerlich einen slawischen Ebarakler auszudrücken. Die slowenische Tbcaternntcrnehmling bezieht an- der Sladi- casse eine ansclinlichc Subvention. Als kürzlich auch der deniscke Tbcatcrvercin nm eine Subvcittio» nachsuchte, wurde bas Gesuch vom Gcmcindcratb obnc Weiteres abgcwiescn. DicS Verhalten der Laibackcr Gcmcindcvertrclung erscheint ganz darnach angctban, die Deutschen StcicrniarkS zur schärfsten Abwehr der steierisch-slowenischen Bestrebungen zu ver anlasse». Wenn jetzt daS utraquistische krainische Laibach völlig slowenisirl werden soll, dann ist eS wirklich ein starkes Stück von den Slowenen SteicrmarkS, ihren in der Majo rität befindlichen deutschen LandeSgcnosscn zuzumiithen, daß zuweilen nur durch gelegentliche Fahrten nach der Stadt und Besuche auf den benachbarlen Gütern unterbrachen, die sie in einem altmodischen GlaSwagcn niit alten Pferden, einem alte» Kutscher und ebenso alten Lakaien unternahmen. Hilmar war gewohnt, icde» Wunsch seines Vaters pünctlick »nd augenblicklich zu erfüllen: er erkannte auch die Begründung teS ihm gcniachicn Vorwurfes vollkommen an und ritt schon am nächsten Tage nach Rotlcnau, um seine Versäumniß nach- zuholcn. Der Damenbof war ein alles, einstöckiges, vornehm ge- bautes Schloß, dessen Architektur, wenn überhaupt von einer solchen die Rede sein konnte, dem italienische» Stil am nächsten kam. DaS Herrenhaus, zu dem man durch einen vergitterten Vorbof gelangte, war im weilen Umkreise von einem schön gehaltenen Parke umgeben, dessen höbe Baumkronen eS von außen der säst kaum erkennen ließen. An der Gartenseite befand sich ein großes Gewächshaus, daS zu einem Winter garten eingerichtet war, davor ein stets frisch gehaltener Blumengarten mit schattigen Lauben und Siyplätzchcn. DaS Ganze war außerordentlich behaglich, freundlich und geschmack voll, und kaum hätten die allen Damen einen angenehmeren Wohnsitz finden könne». Hilmar stieg im Hof vom Pferde, das er einem Stall burschen übergab, und trat dann, von einige» hinter den Fcnstergardine» der Mansardenzimmcr hervorlugenden alten Kammcrsraiien neugierig betrachtet, in daS Vestibül deS Hauses, mit dessen Gelegenheit er aus seiner Jugendzeit voll ständig vertraut war. Er öffnete schnell die Thür zu der Wohnung deS alten Dieners, der sich eben langsam auS seinem Lehnstuhl erbeb »nd seine HauSlivröe zurechtzuxftc, um dem Besuch, dessen Pferd er aus dem Pflaster des HoseS gehört hatte, entgegen- zugebcn. „Nun, wie siebt'S hier auS, mein aller Friedrich?" riet Hilmar. „Ihr habt Euch wenig verändert und seid wahr haftig eher jünger geworden al« älter." Der Alte mit dem dünnen, säst weißen Haar, dem welken, faltigen Gesicht, trat nabe heran und sab dem fremden Be such. der in der stillen Gleichmäßigkeit dcS Hauses eia seltene« Ereigniß war. prüfend inS Gesicht. „Wahrhaftig", rief er endlich, indem seine etwa- mürrische Miene sich ausklärte, „wahrhaftig, eS ist der junge Herr Baron. O, waS werden die gnädigen Damen für eine Freude haben — sie haben schon immer gewartet, seit sie Wußten, daß der Herr Baron in Angersum sind.
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