Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940622025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-22
- Monat1894-06
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ursa lvo« 102^0 97« im« 98.85 103- 103.- 4 — 119.- », 112.- 31.— 70.- 5050 112.- 105 — 183.- 94.- 277.- iss.sa 15750 142.- 213.50 70.- 242,- 74.- 3v.ro 150- 87.- 138.- 138.- 105 — S3.S0 233.- 103.- 192. - 193. - 80.- 13«.- VezugS-Prer- tz trr Hauptklprdittou oder den i« Stad», t«iri und de» Vororten errichtete» Aus« Affeven -bgrholt: vierteljährlich ^4.ütX iä zweimaliaer täglicher Zustellung in« üLO- Durch die Post bezogen für j«tschland und Oesterreich: vierlestädrlich ^ . Directe tägliche Kreuzbandlendung in« Ausland: monatlich ^l 7.bO. ritVorgnu-AoSgabe erscheint täglich'/,7 Uhr, »i, Adend-Au-g-be Wochentag« 5 Uhr. Rr^rtto» im- LrvrLittoa: Zatzanue-gaffe 8. »elkveditio« ist Wochentag« ununterbroche» Mfiut »»» früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen VN» Me»«'s L-rtim. (Alfrrs -ah»1g UniversitätSstrab» 1, Lo li« Lösche, shtharinenstr. 1«, pari, und Ksnlgsplttz V. Abend-Ausgabe. ripMtr.TllgMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Aazeigen-PreV : Vir 6 gespaltene Petitzeile 26 PfP < Reklamen unter dem Redactton«strich (stzls' spalten) bv^j, vor den Familiennachrichte, (ggespalteu) «0^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- vergeichuib. Tabellarischer und Zlsterasatz nach höhere» Tarif. Ertr«»Beilage« (gefalzt), aar mit der^ NNorgru. Au«gabe, ohne PvstbefSrdertnig ^ SO.—, mit Postbesörderung 70.—. ^«nahmeschluß fir Änzeigen? Abeud-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Attzeige« sind stet« an die Erpehtttav zu richten. Druck und Verlag von L. Pol» i» Leipzig. ^ 315. Freitag den 22. Juni 1894. 88. Jahrgang. 89.50 240- 59.50 25.50 94.- lu. 327*. 180.50 14380 114.2V 77 40 89. 280>, 42'^ 133.0 13« 50 183- 138.30 97- 238-, ISS- 12330 53 30 129.30 120.70 123.90 154.- reck>t»cti«!> räen —. l 134.40 138.20 123.80 143.90 130.- 129.50 97.90 95.02-, 81.40 9.97-« 128.80 212.50 218.50 er li 471 3095- 34015 277 - 107.80 224- 201 - 73.40 213.50 10370 0135 125 25 49.75 3.97 81.40 134-, 12875 100.- bedillxrer I5-. 85 >« 59-, 12--., ««-, 38 58», 22-9 Lcuiin. 102', 13 V- 28--, 6335 8387 835- «531 326 82.7S ee«ll 83 80 325.00 25.15 9^. 2283 2-, 2» b»„er« rke 3peci>- 8»ok-ii d,. -.19- Ry.8 4 t»r>!»wi>k«r I-ioyä?»l »II»»' »»-!> ilö 1. §e-u»»2 I«. «te «II veil» »» ^ 8N--I-7 -«ti» 2N» Politische Tagesschan. * Lri-zig, 22. Juni. „Wo bleibt der vom Reichstag angenommene Gesetz entwurf über die Aufhebung de» JesnitengrsrtzrS s" So sraglc die „Germania" unwirsch beim Anblick der Tages- crdiumg für die gestrige Plenarsitzung des BundcSratbs, auf ttr das Jesuitengesetz abermals nicbl stand. Wahrscheinlich vird daS ullramontane Blatt noch oft diese Frage stellen können, kkan augenscheinlich beliebt cs dem Bundesrathe, die Frage der Liishcbung des Jesuitengesetzes möglichst lange in der Schwebe zu lassen. Zum Trost in diesem Leide gereicht eS der .Germania", die Auslassung eines lutherischen Geist lichen citiren zu können, welche dieser in der Hannoverschen .LolkSzeiluiig" zu Gunsten der Riickberufung der Jesuiten gemacht hat. Der betreffende Herr hat sich nämlich nicht Umil begnügt, die ihm vom Evangelischen Bunde zugeganzene Aufforderung, beim Bundeöralhe gegen die Zulassung der Jesuiten vorstellig zu werden, zurückzusenden, sondern er hal such für nöthig befunden, die Gründe seiner Ablehnung der Lessentlichkeil zu unterbreiten. Er wiederholt dabei zu Gunsten der Jesuiten ganz die Argumente, die von den liemrumsabgeordneten im Reickstage vorgebracht worden sind, laß nämlich die wenigen Jesuiten doch unmöglich eine Gefahr für das deutsche Volk sein könnten, daß gerade das Verbot ttr Niederlassung der Jesuiten den konfessionellen Frieden siere und was dergleichen mehr ist. Wir wollen nur noch las etwas komische Beispiel, das der Herr pathetisch anführt, berdorheben. Er sagt: „WaS würden wohl cic deutschen Protestanten sagen, wenn die wenigen Protestanten aus Lpanien auSgcwiesen würden?" In dieser Frage steckt „u gutes Stückchen von JesuitiSmus, denn sie ist nur darauf berechnet, gedankenlose Leser zu fangen. Der Fragesteller selbst ist toch wohl klug genug, um zu wissen, daß ein ungeheurer Unterschied dazwischen ist, ob die wenigen Jesuiten in Deutschland olscinescstgeschlosseneOrganisation berufsmäßig propagandistisch Lirlen, oder ob die wenigen Protestanten in Spanien nichts Anderes lhun, als nach den Satzungen ihrer Confessio» ihre religiösen Bedürfnisse zu befriedige». Uebrigens ist die ganze Ldrenerklärung des betreffenden Geistlichen für die Jesuiten um so weniger verwunderlich, als auS jeder Zeile seine toelsische Gesinnung spricht. Und wir wissen ja nachgerade, tsß die Welfen die getreuen Gefolgsleute der Centrumspartei smd. Bei Leuen, die die Sachlage kennen, wird die „Germania" nicht viel Capital aus der Erklärung dieses lutherischen Geistlichen herausschlagen können. Betreffs der morgen stattfindendcn Stichwahl im Reichs- liigSwahlkreise Pimirberg-t-lnishor» erläßt der Vorstand des deutsch-conservativen Vereins zu Altona-Ottensen im Gegensätze zu dem Verhalle» der „Kreuzzlg." eine rückhaltlose Aufforderung an seine Gesinnungsgenossen, für den nalional- lil-errlen Candidaten, Fabrikant Mohr, zu stimme». Eine gleiche Aufforderung erläßt ohne Rücksicht auf die Hetzereien een Blättern wie die „Tägliche Rundschau" der „deutsch- sociale (antisemitische) Verein für den 6. schlcSwig-hol- sleinischen RcichstagSwahlkrcis". Betreffs der Freisinnigen «bl der „Voss. Zlg." folgende Zuschrift vom 20. d. auS dem Wahlkreise zu: „TaS Central.Wahlcomits der freisinnigen Votkspartel lm VI. ichleswig-holsteinischen Wahlkreis« hat es ab ge lehnt, für die »m 23. d. M. stattsindende Stichwahl zwischen dem National- Iibnalen Mohr und dem SocialLemokralen von Elm eine Wahl- ««wie auszugeben. Diese Taktik hat schon einmal den Vertust der Kreises an die Socialdemokraiie verschuldet, als bei der «mlezien Stichwahl der Naiionalliberale Peters gegen den konaidemokraten Motkenbuhr unterlag. Die Freisinnigen im VI. Kreise haben aber im vorigen Jahre diese Taktik selbst ver worfen, als sie für Gras Moltke stimmten, um aus jeden Fall den Verlust des Kreises an die Socialdemokratie zn verhindern. Nachdem der Beschlich des EimShorner Eomitss bekannt geworden ist, Hai der geschäftsleitende Ausschuß der deuischsreisinnigen Partei in SchleSwig-Holslein sich sofort mit allen Mitgliedern des Landes-Ausschusses in Verbindung gesetzt, um eine Kund gebung zu Gunsten der Eandidatur Mohr zu veran- losten. In der Erklärung deS Landes-Ausschusses, dir morgen veröffentlicht werden wird, wird nachdrücklich hervorgehoben, daß jede dirccte oder indirecle Begünstigung der Socialdemokraiie dem Wesen und dem Programm der freisinnigen Partei Schleswig- Holsteins widerspricht. Diese Erklärung trägt die Unterschrift aller bekannten Führer der freisinnigen Partei der Nordprovinz, die in ihrer ganzen politischen Thätigkeit stets den Gedanken vertreten haben, daß die Socialdemokraiie nur durch die geschlossene Kraft der bürgerlichen Parteien überwunden und der Liberalismus nur durch eine reine und klare Scheidung nach links sich LaS Vertrauen deS Bürgerthums erhallen kann." Leider erscheinen alle diese Aufforderungen etwa- spät, vielleicht zn spät, um wieder gut zu machen, was inzwischen von allerlei Hetzer verdorben worden ist. Tie Nackricht, daß die britische Regierung infolge deS deutsche» Einspruches auf den Art. 3 des Eo»govrrtra«irs vom 12. Mai (Pachtung eines Gebictsstreisens von 25 Km Breite zwischen dem Tanganika und dem Alberl-Edward- See) verzichtet habe, ist zwar noch nicht in amtlicher Form bestätigt, doch ist an der Richtigkeit nicht mehr zu zweifeln. Das geht schon aus folgender Auslassung der „Times" hervor: „Die deutjche Regierung hat niemals eine unfreundlich« oder rachsüchtige Haltung eingenommen. Im Gegenihcit hat sie sich in ihrer Note streng aus den Punct beschränkt, wo der neue Vertrag in Zwiespalt mit der deutichen Politik kommt. Als daS engiisch- deiltjche Abkommen abgeschlossen wurde, bildete die Weigerung, irgend ein Stuck Gebiet abzutreten, welches das deutsche Gebiet vom Congoftaat trennen würde, den einzigen Punct. in dem Deutschland unnachgiebig war. Lord Salisbury versuchte sein Aeußerstes, darin Concessioncn zu erlange», allein vergeblich. Er wurde deswegen in England heftig getadelt, weil er nicht diesen Vortheil erlangt hatte, während m Deutschland nichts größere Befriedigung erweckte, als daß das deutsche Gebiet in unmittelbare Berührung mit dein Eongo-Freisiaat kam. Wir können es deshalb verstehen, wie die deutschen Diplomaten von ihrem Slandpunci cs schwer sanken, unsere jetzige Handlungs weise mit sreundjchasllichcr Gesinnung gegen Teuischland zu verein- bare». Böse Absichten Hai unser auswärtige» Amt jedenfalls Nicht gehabt. Wir können uns sogar beglückwünschen, daß Teulschland die Frage so prompt erhoben hat, weil der Eongoslaat als Bcr- Pächter äußerst machtlos gewesen sein würde, seinem Pächter den ungestörten Besitz zu sichern, falls die Transaclion ipäter angcsochten worden wäre. Tie britische Negierung hat die Pacht des Gebietes jedenfalls nur als einen »ach gemeinem Rechte zn beuriheitenden Vertrag aufgcfaßt und deshalb nicht 1 «fürchtet, daß Deutschland Einwand erheben würde." Aber noch mehr, was auS dieser Auslassung nicht hervor- gebt: die britische Regierung und mit ihr die Regierung deS Congoslaales erkennt auch, wie aus einer Aeußerung deS „Standard" geschlossen werden muß, daS Recht der Mächte, welche die Neutralität des CongostaateS garantirt haben, aus Prüfung und Genehmigung des ganzen Abkommens vom 12. Mai an und möchte nur diese Prüfung und Genehmigung nicht auf einer Conferenz, sondern Lurch vertrauliche Botschafterberathungcn vorgenommen sehen. Dagegen ist um so weniger etwas einzuwenden, als eine Con- screnz von deutscher Seite gar nicht gefordert worden ist und der deutsche Einspruch seine volle Wirkung gctkan hat. Was der Congoftaat und England mit Frank reich und der Pforte auSmachcn werden, unterliegt, sofern eS die deutschen Interessen irgend berührt, der deutschen Billigung, mag es aus einer Eonserenz oder in Botschafter berathungen verabredet werden. Hat das energische Auftreten unseres Auswärtigen Amtes in dieser Frage einen vollen Erfolg erzielt, so können wir um so mehr zu frieden sein, ^ als wir weder ein derartiges Auftreten, »och solche Erfolge gewohnt sind. Freilich kann man fick, dabei des Bedauern- nicht erwehren, daß man erst so spät diesen „Ton" gefunden hat, der das Gebeimniß deS Erfolges birgt, baß er — allem Anscheine nach — den betreffenden Persönlichkeiten erst von oben sugzerirt werden mußte, während ihn die Ehre und daS Interesse des Reichs von selbst und von Anfang an gefordert hätten. DaS in den letzten Jahren Verlorene wicderzubringen, dazu genügt leider jetzt auch der entschiedenste Ton und die ernsthafteste Miene nicht mehr. Im mikarischcn Magnatenliause hat gestern die aber malige Abstimmung über den Ebegesetzentwurs statt- gesnnken, und derselbe ist, wie der Drabt schon gemeldet hat, als Grundlage für die Specialberathung mit lM gegen 124 Stimmen angenom men worden. Die erste Abstimmung im Oberbause war am 10. Mai erfolgt und hatte dessen Ver weisung mit 139 gegen l l8 Stimme», also mit 2t Stimmen gebracht. Gestern haben nur 252 Magnaten ihr Votum abgegeben; die Gesammlzahl bat sich gegen den 10. Mai um 5 verringert, die Zabl der Anhänger des Gesetzes ist um to gewachsen, die der Gegner ui» 15 ge sunken. Die Majorität von vier Stimmen, über welche dies mal die Negierung verfügt, ist allerdings eine winzige, aber wenn man bedenkt, mit welch' kolossalen Hochdruck von Seiten der klerikal-conseroativen Opposition in den letzten Wochen gearbeitet worben ist, so daß noch gestern Nachmittag die Ab lehnung beS EbegesctzeS mit einer klerikalen Majorität von mindestens 14 Stimmen auch in liberalen Kreisen als sicher galt, so kann daS Ministerium Wekerle mit dem Resultat »umcrhin zufrieden sein. Es ist kaum anzunebmen, daß daS Ergebniß der Specialberathung ein anderes sein wird, nachdem sich daS Oberbaus im Princip für die Cwilebe entschieden bat. Der Sieg deS Cabinet« Wekcrle- Szilagyi scheint damit entschieden, «nd der Jubel darob ist in Pest, wo den Ministern begeisterte Huldigungen dargebracht wurden, wie in ganz Ungarn ein gewaltiger. Charakteristisch bei der Abstimmung ist, daß die Hofwürdenträger fast aus nahmslos zur Stelle waren und wiederum gegen das Gesetz votirten. Die Erklärung de« Kaffer«, daß dir Krvne von per unbedingten politischen Notbwendigkeit der kirchlichen Reformen in Ungarn überzeugt sei und ihre Annahme dringend wünsche, hat also ihren Eindruck so gut wie verfehlt, und die klerikal- conscrvative Partei steht nunmehr nicht bloß in Opposition zur Regierung, sondern auch zur Person des Monarchen selbst. Hiernach kann von de» Gegnern der Reform, dem Ministerium nicht mehr vorgcworfen werden, das Gesetz danke seine An nahme lediglich einem von höchster Stelle geübte» Druck ; hat dock nicht einmal der Sectionschef im Ministerium, Cziraky, sich abhalten (affen, abermals, unbeeinflußt von irgendwelcher Seite, sein Votum gegen Wekcrle- Szilagy, abzugeben. Aber das Verhallen der Opposition dürste auch noch nach einer anderen Richtung von Be deutung sein: zweifellos hat es dem Monarchen gezeigt, daß die loyale, königstrrue Gesinnung, auf dir er so streng hält, auf Seiten der Liberalen, nicht der Ultramontancn ist; er weiß jetzt, wessen sich in noch entscheidenderen Momenten, als dem gegenwärtigen, die Krone von den Römlingen zu ge wärtigen hat, und er wird sein Verhalten ihnen gegenüber dementsprechend einrichten. Nicht die Cwilebe kann, wie Fürst-Primas Vaszary sagte, verhängnißvoll für das Vater land werden — sie ist ein Segen für jedes Land mit con- fessionell gemischter Bevölkerung — sondern die ultramontanc Gegnerschaft der Eivilrhe wie iedcr liberalen Reform, und eS wird auch in Ungarn noch zur Entscheidung darüber kommen müssen, ob päpstlich oder kaiserlich. Die katholische Partei Belgien» bietet im Hinblick auf die bevorstehenden Neuwahlen ein bemerkcnswcrthcs Schauspiel dar. So lange es sich um die religiösen Fragen, um die Rechte des katholischen Klerus und der katholischen Kirche und um die Herrschaft der Kirche in der Schule handelte, war alle Well einig. Damit taffen sich aber die großen socialistisch angehauchten Arbeitermasscn nicht anlockcn. Jetzt liegen sich die Klerikalen und ihre Organe in den Haaren: auf der eine» Seite die von dem Deputirten Woeste geführten Heißsporne, aus der anderen Seite die von dem bisherigen Minister Becrnaerl geführten Ge mäßigt-Klerikalen. Beite Richtungen ringen erbittert um die Herrschaft. Die erstcren haben sogar eine eigene Zeitung „L'Union" geschaffen, um die Partei Bcernacrt zu vernichten. Die Partei Becrnaert will der Zeitströmung Rechnung tragen, ernste sociale Reformen, die Vertretung der Minderheiten, de» persönlichen Militairdienst cinfübren und am Freihandel festbalte», kurz, eine Mittclpartci schaffen. Zu ibr gehören die christlichen Demokraten, die auf dem Boten der päpst lichen Encyclika die Lage der arbeitenden Classen bester» und die letzteren der katholischen Sache dienstbar machen wollen. Ihnen treten die einflußreichen Heißsporne gegen über, die, um das ganze Landvolk auf ihre Seite zu ziehen, für Schutzzölle, Abweffung dcö persönlichen MititairdiensteS, aller persönlichen Militairtasten, der Vertretung der Minder heiten und für die Beseitigung des staatlichen Einflusses auf die Schule in das Feld ziehen. Welche der beiden Parteien im Wahlkampfe siegen wird, ist beute noch nicht abzusehen. — Die Liberalen gehen mit freudiger Stimmung in den Wahl kampf, denn sie rechnen daraus, daß der Sieg, den sie am Schluß der Kammersession über das Ministerium unk seinen schutzzöllne- rischen Anhang tavongetragen haben, ihre Partei stärke» wird, zumal da sie noch für sich ansübren können, daß ihre Vertreter im Parlament die Retter der von der Regierung bedrohten Verfassung gewesen sind. Bekanntlich wollte das Ministerium, um seine Schutzzoll-Anträge noch durchzubringen, die Kammer solle über den 14. Juni hinaus lagen, waö die liberale Oppo sition als verfassungswidrig erklärte und durch Absentirunz gu veriff»p«»a «ußt«. Ob da« neue belgische Wahlgesetz, da- namentlich die Zahl der ländlichen Wähler bedeutend vermehrt, den Hoffnungen der Liberalen günstig ist, muß sick erst zeige», jcdcnfallö aber kommt ihnen die Spaltung in der katholischen Partei zu Stallen. Zu wiederholten Maten wurde von der schwei;trischen Arbeiterschaft die Abschaffung der sogenannte» politischen Polizei des Bundes gefordert. Die politische Polizei besteht in dem Rechte des Bundes, Fremde, welche die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz gesährtcn, admi nistrativ ans dem Gebiete der Eidgenossenschaft wegzuweiscn. Seit 1889 liegt die Ueberwachung der politisch gefährlichen Ausländer wesentlich dem BundcSanwalt ob. In den letzten 10 Jahren wurden vom Bundesrath meistens Anarchisten, etliche Mal auch Socialisten, Polizeispione, Hochstapler u. dgl. auö der Schweiz wezgewicsen. Verfahren andere Staaten, so Deutsch land, Frankreich, Italien, bei solchen Ausweisungen sehr summarisch, so werden dagegen die vom Bundesrath ver fügten Ausweisungen motivirt, so daß Jedermann sich Rechen schast darüber geben kan», ob die Verfügungen mit dem her kömmlicken Asylrecht in Einklang stehen. Der BunteSrath bat jetzt, wie der „Frks. Ztg." geschrieben wird, an die Bundes Ferrilletsii. Die alte gute Zeit. Eine Erzählung auS Niedersachsen von Greg. Samarow. sj Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Cr ging durch die Gartenthür hinan-, und auch draußen Int die alte Erinnerung wieder so recht lebhaft an ibn Kran — auf denselben Beeten blühten dieselben Blumen- giillungen, die Hecken waren ebenso geschoren wie früher, einer cen Baumkronen des Park« schien noch derselbe Wind jo rauschen, wie in den Jahren seiner Kindheit. In der Ziigenr freut man sick noch der Kindererinnerungen, und die Mlize Vergänglichkeit der Zeit macht noch nickt den weh- iüillhig niederdrückenden Eindruck wie in späteren Jabren, »eim der Lebensweg sich von den sonnigen Höhen abwärts M Niederzange neigt. Langsam ging Hilmar durch die hohen schattigen Alleen di», zuweilen lächelnd, wenn er sich an irgend einer Stelle fti einen oder des andern Streiche- erinnerte, den er hier k!»ii dem alten Friedrich gespielt hatte. Am Ende des Parkes befand sich ein kleiner Hügel, «a welchem au- man eine freundliche Aussicht über das Lind bin hatte. Hilmar stieg diesen Hügel hinauf und trat an die ge- muerie Brüstung, welche von außen gesehen wie eine kleine gemauerte Bastion erschien. Die Grenze de« Parkes nach dem Felde hin war von iier auS eine Strecke lang zu überblicken. In einiger Ent- 'miimz befand sich eine kleine AuSgangspsorte in der Park- ruuier. deren Gitter Hilmar oft überklettert batte, um einen snien Streifzug in das Feld zu machen. Die Landstraße Arle an dieser Pforte vorbei, und mit einigem Erstaunen flh Hilmar dort ein schönes, militairisch gezäumtes und ge- flttelieS Pferd stehen, dessen Zügel über daS offen stehende Hilter der Pforte gebangt war. Neugierig, was da« bedeuten möchte, schlich er durch ei»« bedeckten Laubgang, welcher von der AusgrngSlhüre »ich der Pforte hinsührte. Als er auS diesem Laubgang heraustrat, bot sich ihm n s» überraschendes und zugleich anmutbigeS Bild dar, daß a erstaunt stehen blieb. Er sah eine junge Dame in einem Weißen Commerkleide mit blauen Schleifen, einen Strobhut mit blauen Bändern aus den reichen Fleckten deS blonden HaareS, welche sich in eifrigem Gespräch mit einem Ofsicier in der Interims-Uniform der hannöverischen Garde du CorpS befand. Tie Dame hatte ein aiißerordentlich hübsches, jugend frisches Gesicht und eine anmutbige zierliche Gestalt. Der Lsficier war kräftig und hoch gewachsen, sein ge bräuntes Gesicht mit dem kleinen dunklen Schnurrbart hatte feine und regelmäßige Züge. Tie beite» mußten sich sehr wichtige und vertrauliche Dinge zu sagen haben, ihre Hände ruhten ineinander und die diinkten Augen deS LssicierS und die blauen Augen der jungen Damen schienen durch ihre Blicke die Worte zu ergänze», die sie sprachen. Gerate in dem Augenblick, als Hilmar aus dem Schatten desLaubgangeS hervortrat, zog der Ofsicier dieHände der jungen Dame an seine Lippen, und wenn dadurch auch seine Worte unterbrochen wurden, so schien dock auch die stumme Sprache der Küsse vollständlick verständlich zu sein, denn die Dame duldete es. daß der Ofsicier den Arm um sie schlang und sie zärtlich zu sich hcranzog. Bei dieser Bewegung aber sielen ihre Blicke auf Hilmar, der mit dem Ausdruck deS höchsten Erstaunens einige Schritte von ihr unter den Baumkronen stand. Mit einem Schreckcnsrns machte sie sich lo« und wollte davon eile», während der Ofsicier mit drohender Miene dem unbefugten Zuschauer dieser an sich so lieblichen und a»- mutbigen, aber durchaus nickt für fremde Blicke bestimmten Scene entgegentrat. Hilmar eilte der Dame nach, hielt ihre Hand fest nnd fragte: „Ich glaube mich gewiß nicht zu irren in der An nahme, daß ich die Ehre habe, Fräulein Alice von Hersenstein hier zu begegnen ?" Die junge Dame stand zitternd und hvcherrötbend da. Sie wagte eS nickt, die Augen aufzuschlagen, und vermochte kein Wort der Antwort zu finden. Ter Ofsicier aber sagte, vor Hilmar hinlretend, mit hoch» müthigcm Ton: „Sie baben ganz recht, mein Herr, Fräulein von Hersen- stein ist aber nicht gewöhnt, in diesem Park fremden Personen z» begegnen — jedenfalls ist eS an ihr, hier zu sragen." „Nun", sagte Hilmar lackend, „fast müßte ich « übelnebmcn, Laß Alice ihren Vetter von Bergholz nicht wieder erkennt, aber mir wäre es wohl ebenso gegangen; denn ich hätte kaum in dieser so schönen und vollendeten jungen Dame daS Mädchen wieder erkannt, deren Geheimnisse", fügte er mit Betonung hinzu, „ich stet» zu bewahren »nd zu verhülle» wußte, wenn es galt, die Strafe für irgend ein Ubertretenes Verbot von ihr abzuwenden." „Hilmar", ries Alice, indem sie ihre Augen aufschlug nnd Prüfend in da« Gesicht ihre- Vetters blickte, — „Du bist es? wahrhaftig, jetzt kenne ich Dick wieder, aber Du hast Dich dock sehr verändert in den Jahren, daß wir uns nicht ge sehen." Sie reichte ihm die Hand. Dann aber senkte sie ihre Blicke wieder zu Boden — von Neuem bedeckten sich ihre Wangen mit dunkler Röthe. „Und hier", sagte sic dann, sick zu einer unbefangenen Miene zwingend und auf de» erschrockenen Ofsicier deutend — „erlaube, daß ich Dir den Herrn Lieutenant v. Rombcck vor stelle, er wollte die Tanten besuchen", fügte sie mit unsicherer Stimme binzu, „die Pforte hier war offen und da begegneten wir uns." „Durch einen glücklichen Zufall", sagte Hilmar neckend, „wie auch mich der Zufall hierher führte Karl v. Rombeck hätte mich auch wobt wieder erkennen sollen, wenn er nicht mit ganz anderen Gedanken beschäftigt gewesen wäre." Er drückte herzlich die Hand deS jungen LssicierS, der schweigend tastand und nicht minder befangen schien als Alice. „Was Hilst es", sagte er endlich, „eS ist unnütz, Comödir zu spielen vor Hilmar, er bat ja gesehen und würde seinen Aligcu mehr glauben als Miseren Worten — so wolle» wir'S ihm denn nur gestehen, wie eS mit ii»S steht, er wird ja unser Feind nicht sein wollen, wenn wir ihm sagen, daß wir uns zu einander gesunden haben, wie sich eben die Herzen der Mensche» finden, und daß wir nun nicht mebr auseiiianter gehen wolle», WaS man auch zwischen uns stellen möchte." „Alice", fuhr er fort, da« zitternde Mädchen bei der Hand heranziebend, „war im Hause meiner Mutter, ich stand damals noch in Hannover, wir sahen uns täglich und —" „Nun. das klebrige", sagte Hilmar, „bat mir ja der Zufall verrathen, der mich hierher führte — erlaubt also, daß ich meinen berzlichen Glückwünsch auSspreche." „Ach", sagte Rombcck seufzend mit traurigem Blick, „zum Glückwunsch ist es noch sehr weit! Wir baden uns wobl ge sunden, aber es kommt mir gar nicht so vor, als ob man geneigt sei, uns bei einander zu lasten. Al« ich nach Hildes- Heim versetzt wurde — ich gestebe es, daß ich ein wenig thätig dafür »ae — hat man Alice gleich von Vergholz- hausen hierher geschickt, um ihre Gesundheit zu stärken, an der wohl eigentlich gar nichts auszusetzcn ist, und hier hat cs mir gar nicht scheinen wollen, als ob mein Besuch den gnädigen Damen besonders erwünscht sei. — Ich weiß nicht, ob man etwas von dem Einverständniß unserer Herzen ge merkt bat — jedenfalls kommt cs mir vor, als ob Dein Vater und Deine Mutter damit ihrerseits durchaus nicht einverstanden sein würden." „Und warum nicht?" rief Hilmar, „unsere Eltern waren doch befreundet und was sollte» sie an Alicens Wabl aus- zusctzen haben? Sollte aber irgend eine kleine Schwierigkeit vorhanden sein, so etwas ist ja ganz hübsch und romantisch — so wird es doch wobl nickt tragisch enden. Ich wenigstens bin Euer Freund, auf mich könnt Ibr zählen, wenn cs gilt Euch zu Helsen — zum Warten habt Ihr ja noch immer Zeit, und diese Zeit wird Euch wobl nicht zu lang werden; den» ich habe ja gesehen, daß Ihr e- versteht» sie angenehm und nützlich zu verwenden." Er reichte beiden die Hände und versprach ihnen feierlich seinen Beistand. Alice blickte scheu wie fragend zn ihm aus, sie wollte sprechen, aber wieder schlug sic errolhend die Augen nieder. Karl Rombeck aber sagte nach kurzem Besinnen: „Nun, da wir einmal bei den Bekenntnissen stehen und da Tu doch unser Freund sein willst, so mag denn Alles berauS, ich habe gefürchtet, daß Du gerade daS schlimmste Hinderniß unsere- Glückes sein würdest." „Ick — und warum?" fragte Hilmar ganz verwundert. „Weil", sagte Rombcck zögernd, während Alice noch tiefer crröthend das Haupt aus die Brust senkte, „weil eS so schien oder so scheint, als ob die Eltern einen bestimmten Plan gefaßt hätten, einen Plan, der Dich und Alice betrifft und dessen Aussübrung all« unsere Hoffnungen zerstören müßte." „Tic Tante sprach mir davon", sagte Alice leise, ohne die Augen auszuschlagen, „ziemlich deutlich, ick verstand sie wobl und darin» bin ich hierher geschickt, und darum fürchtete ick mich so sehr, als es hieß, daß Du kommen solltest und Dein Besuch hier erwartet wurde, nnd nun gerade — nun gerade —" Nun gerade", fiel Karl ein, „batte mir Alice die Pläne ihrer Taute mitgelkeilt, und wir ballen nnS geschworen, ein ander treu zu bleiben, in allen Prüfungen auSzubarren »nd uns nicht von einander reißen zu lasten — da tauchst Tu aus wie auS der Erde gestiegen, al« ob unsere Furcht und Sorge sich in Dir verkörpern wolle. Aber damit ist eS nicht-", ries er, seinen Arm um Alice s Schultern legend.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite