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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940627014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894062701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894062701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-27
- Monat1894-06
- Jahr1894
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Vez«gS.PrriS tz, h« Hauptepveditiou oder de» i» Sticke hqirk >>en Vororte» errichtete» >»«. -«bcsieüca abgeholt: vi,rtrljLbr!ich^4.50. Meimaliger täglicher Zustettuug ms L«,» üchO. Durch die Post bezöge» für leimchtiud »»d Oesterreich: viertel,ädrlich «.—. Direct» täglich« Kre»»bandi«»d»n> stB Ro«tanh: »o»«1Uch 7LP. N,B°rge»«»»g-b« «scheint täglich bi» Lbrus-Autgub« vuchentagF b Uhr. Rr>«rtiou >ud Lrpe-itioa: A-»«„e»,aße 8. Klelrvedttiov ist Wochealags aauntrrbrochs» ^ösiuet »», früh 8 bis Abends ? Uhr. Fitiile«.' ktt» Kle««'« Lortim. (Alfred Untvrrsitätsstraß« 1, Lo-ll« LSsch«. Kithartarustr. 14, Port. und Ksuigshlotz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Aazeigen-Prers die 8 gespaltene Petitzeile K6 PsG Neclame» ,»ter hem Nrdartlonsstrich (4GM sycrilea) 50-L, vor de» Familiennachrichta» <8 gespalten) 40>ch. Größer, Schriften lant inserem Preit- «ergrnhoih. Tadellorischer »ad Ztffrrusotz «ch höherem Tarif. Ertr»«Betla«e» (gefalzt), ,»r mit d« Pioraev.Cusaod«, ohne PostbesSrder»», ^4 DL—, mit PostbefSrdenwg ^l 7V.—. A»8tz«eschl»ß fir Anzeige«: Uhentz Nnsgo»« vormittags 10 Uhr. Marge»-««sgabe: Nachmittag« «Uhr. von»- »nd Festtags früh Uhr. Ost de» Filialen and Annahmestelle» je ei« halbe Stand« früher. Ittgeige, sind stets an di« Erpeditiap z» richten. Druck and verlaq von L. Pol» tn Leipzig. » Mittwoch den 27. Juni 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Di« Königliche Kretshavptmannlchoft zu Leipzig hat durch Ver ordnung vom 8. Iunt 1894 auf Grund von lOOo Ziffer 3 der Reichsgewerbeordnung bis auf Weiteres für den Bezirk der Tischler- Atmung r» Leipzig, welcher mit demjenigen der Stadt Leipzig zniammensällt, bestimmt, daß Arbeitgeber, welche das in der Innung vertretene Gewerbe betreiben und selbst zur Aufnahme in die Innung fähig sein wüedeu, gleichwohl aber derielbea nicht angehbren, vom I. August 1894 an Lehrlinge nicht mehr annchincn »ürfen. Zuwiderhandelnde werden nach K. 148 Ziffer 10 der Reichs- gewerbeordnung mit Geldstrafe bis zu 150 ^l, im Unvermögrnssalle aber mit Haft bis zu 4 Wochen bestraft. Leipzig, am 21. Juni 1894. Der Rath der Stadt Leipzig. VI. 1878. vr. Tevudlin. »asielt. Lekanntmlichuilg. Die Etadtpemeind« Chemnitz beabsichtigt, dir am Hedwigbad nater Nr. 2 hier gelegene unter Borbebalt de» Eigeuthums an der Wasserkraft und an dem Müblgradenareale, soweit letzteres nicht von den Slostermühl- aedäuben bedeckt bez. innerhalb des Klostermühlengrundstucks gelegen ist, wieder zu verkaufen. Die Ausnutzung der Wasserkraft, wozu eine zur Mühle gehörig« Turbine von 40 Pferdestärken vorhanden ist, soll unter gewissen Beschränkungen gegen «inen entsprechenden Pachtzins aut 5 Jahre «nküudbar und van da ab unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist dem Käufer überlassen werden. Für den Betrieb der Mühl« ist weiter eine im Jahr« l892 »eu beschaffte horizontal« Tandem-Compound-Dampfmaschine mit Londensation für eine Normallcistung von 80 bis 100 effectiven Pjerdestärkeu, sowie «in« Siederohr-Dompfkeffelanlag« von 75,9 qm heitüiche und 5 Atmosphären Uebrrdruck vorhanden. Die Mühle ist nach den neuesten Lrsahrungen der Mühlentrchnik für Wetzen- und Noggenmülleret eingerichtet. Die monatlich« Leistung hat nach Angabe des bisherigen Be sitzer« seither 8? bis 40 Doppelwagen zu >« 200 Centner betragen. Die vorhandene» Gebäude, Speicher, Stallungen, Wagen- eeuiijen re. befinden sich in bestem baulichen Zustande. Mit der Mühle ist ferner rin sehr gut gehendes Geschäft sür Liuzewerkauf verbunden. ikaoslnsttg« werden ersucht, ihre Angebote bis spätesten« «itttvoch, den 11. Juli Pf«. 2».. Ahentz« 8 Uhr bei der Stodtbauvrrwaltuna der Stadt Lhemnitz »inzureichen, wo selbst auch di» näheren Berkauss-Bedingungen mit Beschreibung der Mühle eiuzuseben oder abschriftlich zu erhalten sind. Lhemnitz, den 19. Juni 1894. Der Aattz Per Stabt Chemnitz. Andrtz, vr., Oberbürgermeister. Decker. Diebstahls - Lekanntmachung. Gestohlen wurden lant hier erstatteter Anzeige: 1) »in» Damenutzrkette von Talmi, zweisträugig, mit Würfel »ud Kugel, vom 22. April bis 16. d. Mts.-, 2) eine Ntckeluhrlette mir Compaß und Schneiderzeichen, eine MsnnShase von schwarzem rauhen Stoff, ziemlich neu, am 18. d. Mts.; S) ein» silberne Ctzlinber-Remantatr-Uhr mit Fabriknummer 201986, am 20. d. Mts.; 4) e,n FranenNrib von schwarzem buntgeblümten Stoff, während der letzte» 4 Wochen; 5) ein Plüschteppich, 2 m lang, 1'/» m breit, gelb geblümt aus schwarzem Grund, ein Sttzkiffrn von Stoff mit gelbem Grund und rolhen Blumen, vom 4. bis 5. d. M.; 6) rin Hanbmaarn, stark, zweirädrig, blau gestrichen, mit der Firma .Klonte hlllller", von Mitte bi» Ende Mat d. I.; 7) ein Paper mit Kiffenretfeu (Adler 0.)» Kreuzbau, Fabrik uummer 11759, am II. d M. Etwaige Wahruehmungen über den verblieb der gestohlenen Gk;cnslänb« oder über den Thäter sind ungesäumt bet unserer Lriminal-Abthrilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, de» 25. Juni 1894. Da« Palizetamt »er Stabt Leipzig Bretschneider. Ml. Fernsprechverkehr mit Niesa. Zwischen der Stadt-FernspreLeinrichtunq in Riesa und den Etodi-Fernlprecheinrichtungen in Letpzi> »nd Chemnitz wird am I. Jult her Sprrchvrrkrhr rröffnr». Die Gebühr sür das Gespräch dt- zur Dauer voa drei Miauteu beträgt ein» Mark. Leipzig, 23 Juni 1894. Der kaiserliche Vber-Paftbtreetar, Geheimer Ober-Pestrath Walter. Lonnabriib. ben 88. Inni er., von Vormittags 10 Uhr o soll im Geschäftszimmer des Proviantamtes zu Leipzig, Pleißenbur Tdiirmhaus, 2. Stock, »ine Porti» Maagriiklete «Nb Futzmrl öffentlich an de» Meistbietenden gegen sofortig» Baarzahlung v« steigen werdeu. Leipzig, am »7. Iuui 1894. küntgl. Prabtant-Amt. Ladi Carnot. Fast sieben Jahre, also beinahe so lange, wie die ver fassungsmäßige Amtszeit eine« französischen Präsidenten läuft, hat Sari Carnot dir Geschicke Frankreich« al« Staal-ober- b-upt geleitet, oft angegriffen und geschmäht, nicht wegen Verschuldungen im Privatleben, sondern weil in dem Wirbel der Partrikämpse auch einer so maßvollen Persönlichkeit wie der seinigen die Angriffe nicht erspart bleiben konnten. Nicht Genialität oder große Erfolge in der inner» und äußern Politik batten bezaubernd auf die Vertreter de« französischen Volke« gewirkt, ' al« sie am S. Deccmber 1887 zur Nationalversammlung in Versaille« vereinigt Earnot zum Präsitentrn wählten; aber durch dir Vorgänge unter Grsvy, dessen Schwiegersohn Wilson dem schmählichsten Orden«» und Aemterschacher gehuldigt hatte, war allgemein da- Ver langen stärker und stärker geworden, einem Mann dir Leitung de« Staate« anzuvertraurn, dessen makellose Vergangenheit die Gewähr biete, daß er de» Ansprüchen seiner hoben Stellung genügen werde. Gegen den ursprünglichen Be werber, den „Tongkinrsen" Kerry, hatten die Blätter der Naticaleu und Intransigente« so wüthend gehetzt und ge- schimpft, daß sein« Dahl ba« Z«ichrn zum offenen Aus stand in Paris gewesen wäre. Carnot, der von staat«- männischer Thätigkeit im großen Etil bisher forngeblieden war, war von solchen Anfeindungen nicht briuigesucht» man wußte von ihm, daß er seinem Vaterland in treuer Arbeit gedient hatte. Und wenn cS schwer zu berechnen war, wie er seinen neuen Berns ausfassen und verwalten würde, so lagen doch triftige Gründe vor, daß er sein Amt ehrlich und ernst nehmen und, wenn auch nicht die Genialität und Kraft seines Großvaters, so dock die verständige Führung und weis« Mäßigung seines BaterS niilbringcn würde. Lazare IkicolaS, der große Carnol, war cS. der die Heere der ersten Revolution „siegen lehrte", der glücklichere Vorläufer und daS Musterbild Freycinet'« im Jahre 1870—7l, Lazare Hippolyte, Sadi'S Vater, war Samt-Simonist bis zu der raschen Ent artung der Serie, dann von >839 ein geschätztes Mitglied der verschiedenen Kammern unler den Liberalen und wurde t875 zum Senator auf Lcbcn-zcit ernannt. Die CarnvlS lammen aus Burgunv und sind vom großen Carnot her, der Jngcnieurkauptmaun bei Ausbruch der Revolution war, praktische Leute. Auch Sabi Carnot wurde aus der Polv- technischen Schule vorgebildet und begann als Ingenieur in Annecy seinen Brooerwcrb. Unter der nalionalen Ver- tbeidigung l87l war er außerordentlicher Co.mnissar in der Normandie, dann wurde er von C»re d'Or in die National versammlung gewählt und später regelmäßig wieder- gewählt, ein Beweis seiner soliden politischen Führung. Bon 1880 datirte seine Ministerlausbahn: zuerst ArbcitS- minister im ersten Cabinet Ferry, dann im April 1885 Finanzminister unter Brisson, desgleichen unter Freycinet biS Decembcr 1886 und dann nochmal- als Nachfolger Daupkin's unter Goblrt, wo ihm vom BndgetauSschusse mit dem Wahlspruch: „keine neuen Steuern, keine Anleibe, aber Deckung des außerordentlichen Budget«" daS Leben so sauer gemacht wurde, daß er in den letzten Wochen des CabinetS Gebiet zuriicklrat. Sadi Carnot galt nicht als ein ver- chlosscner Politiker mit reinen Advocatcnknisfcn und den Be- jueinlichkeiten deS Greise«. Man war der (Überzeugung, er ei kein in Krisen unschlüssiger „Philosoph" wie Freycinet, nicht aber so zugreisend und so schlau, keck im Guten und im Schlimmen wir Ferry, kein Mnrrkvps wie Brisson, kein Streber wie Floquet; er war ein Mann in den besten Jaliren geboren t l. August >837). gewissenhaft, etwa« ängstlich, vor- urtheilösrei und freisinnig, kurz, unter seinen Mitbewerbern der beste Mann für em Amt, da« vor Allem Anstand. Ehr barkeit, Würde, Besonnenheit und ruhigen Muth erfordert. Diese Eigenschaft bat der Tahingcschiedenc während der beinahe abgelausenen Dauer seiner Präsidentschaft stet« an den Tag gelegt. Gleich zu Anfang derselben machte Frank reich die schlimmste Krisis durch, die seine ncueste Geschichte auszuwciscn hat, gleichsam eine Kinderkrankheit der Republik. General Boulanger war an die Spitze der gewissenlosesten Streber getreten, die es seil 24 Jahren im französischen Parlament gegeben hat. Lange dauerte der Kampf, und als Boulanger ii» Frühjahr 1888 in drei Departements zugleich wicdergwäblt worden war, schien der sichere Fortbestand der parlamentarischen Republik schwer gefährdet. Dazwischen sielen die Enthüllungen über den Panamascandal, die, so schien e«, dem BoulangiSmnS zu Statten kommen sollten. Ta fand Carnot den thatkrästigstcn Minister, der ihm während der sieben Jahre zur Seite gestanden hat, ConstanS. Boulanger ward por den StaatszerichtShof gefordert, allein feige sich er deS Lande«, er wurde vcruribeilk und starb elend und vergessen als Selbstmörder. Schon mit seiner Berurlkeilung war die eine Gefahr, di« von den sittlich verdorbenen Politikern drohende, glücklich beseitigt; noch blieb die Reinigung deS Parlaments von den Panamaleuten, den bestochenen Volks vertretern, zu vollziehen. Es kamen die Festlichkeiten der hundertjährigen Gedenktage der Revolution mit der Welt ausstellung: Carnot trat mit Geschick und Glück dabei aus al ter erste Vertreter der französischen Nation, und er halte den andern Erfolg, daß die republikanische Mehrheit gestärkt auö den Wahlen hervorging. Carnot hatte ein Jahr lang glück lich mit dem ehrlichen Tirard und dem schneidigen ConstanS regiert, nun kam Freycinet al- erster Minister an die Reibe, ein verschmitzter Politiker, der, viel radikaler, al- Carnet je eö gewesen, gar nicht nach dessen Herzen sein konnte. Aber Freycinet brachte Frankreich den Russen näher, während Carnol wobt selbst cS war, der den Papst mit der Republik sich versöhnen ließ. Ter Präsident war nämlich in politischer Hinsicht ein Schüler seine« Schwiegervaters Tupont-Wbile, »nd wie dieser trat er stet« für den von diesem und von seinem belgischen Freunde Emil de Lavelevc vertretenen Grundsatz ein: Lviter lu lütte contis lo cult« llmninant. Schließlich kam die Sühne für den Panamascandal, und das Grbäude der parlamcntarischcn Republik schien wieder gesäubert und befestigt. Di« Leit allein wird iehren, ob die Reinigung gründlich und dauerhaft genug ist. Ta- aber kann die „Köln. Zig." bereits jetzt mit Recht behaupten, daß Carnot selbst die auf ibn gestellten Hoffnungen in einem befriedigenden Maße er füllt bat. «Lchon dir Art »nd Weise seine- öffent lichen Auftreten« gewann ihm die Zuneigung aller seiner Land-leute, die nicht in blinder Verbissenheit da« Parteiwesen über die Ehre de« Lande- stelle». E« wirkte woblthuent, daß, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Carnot da- ibm zur würdigen Vertretung de- ersten Amte- der Republik aiiSgescyte Geld unt»r die Leute brachte, daß er, von einem Pnnctc de« Landes zum andern reisend, jede« freudige Ereigniß durch seine Gegenwart erböbte. Bald war er persönlich all bekannt und beliebt, auch in denjenigen Gegenden, wo vordem dir Republik fast nur Gegner hatte. Zu Toulon war er im vorige» Jabre von der Menge gar auf den Schultern getragen worden, und auch in Lyon, wo de« Mörder- Stahl ihn mitten in der Festfreude traf, batte das Voll ibm be geisterte Huldigungen entgegengcbracht. Es war ibm ge lungen, durch die Einführung einer eigenartigen Präsitent- schasisetiguette di« Würde seine- hoben Amte« dei allen auch noch so naben Beziehungen zu dem Volke und den Strebern, die es leiten, zu wahren, eine Ausgabe, die der Kenner heutiger französischer Verhältnisse nicht sür gering erachten wird. Daneben aber war der Präsident auch den Vertretern der auswärtigen Mächte gegenüber stet« von der einnehmendsten Höflichkeit, die etwas BornebmeS, gleichsam Aristokratische«, keinrswrg« blo« Angelernte« hatte. Deutsches Reich. ^ Berti»«, 2V. Juni. Ter Berliner Bierboycott äbrt fort, die allgemeine Aufmerksamkeit in hohem Grade auf sich zu ziehen, und daö mit vollem Reckt. Eine sich an die Einwohnerschaft von Berlin und Umgegend wendende Er klärung der vereinigten Brauereien legt mit anerkennenS- wcrlber Objectivität Entstehung und Entnickelung de- nun ckon über anderthalb Monate dauernden Kampse« dar, unk eS wird angesichts derselben lein unbefangener Beurlbeilrr im Zweifel darüber bleiben können, daß e« sich hier um einen planmäßigen Vorstoß der Socialdemokratie gegen die hestehenre Gesellschaftsordnung in einem Um- ange bandelt, wie man eine» solchen bisher nicht gesehen hat. Der springende Punct in dem ganzen Streite ist das Verlangen der Anerkennung des l. Mai als Arbeiter- cierlag. Darüber hauplsäcblich ist die erste Differenz zwischen de» Brauereien und den Böttckergesellen auSgebrochrn, und daö ist auch nock jetzt die Hanptbedingung, welche die Svcialdcmokratie für die Aushebung des Boyeoltö stellt. Eö ist also klar, daß es die Sacke der gcsammten deutschen Industrie, ja der bestehenden Staat«- und Gesellschafts ordnung ist, welche die Berliner Brancreien verlheidige». Bis jetzt ist die große revolntioiiaire Action, die inan mit der Proclamirung deS 1. Mai zum Weltfticrtagc beabsichtigte, oweit Deutschland in Betracht kommt, ein Schlag in« Wasser gewesen. Gelänge es, einen so bedeutenden GewcrbSzweig, wie die Branereündustrie, unter die Forderung der Soeial- dcmolratic zu beugen, so wäre damit in den bisher un versehrt gebliebenen Damm eine weite Lücke gerissen und man würde uiimittelbar vor der Frage sieben, wie lange derselbe der rerolulionären Hrchflntb »och Stand zu halten vermöchte. E« ist deshalb natürlich, daß in ganz Deutschland alle die jenigen Freunde deS Bestehenden, welche die volle Tragweite dieses Berliner KampseS übersehen, den bethciligten Brauereien ihre Sympathie widme», und zwar um so mcbr, als die- elben den Kampf lediglich aus ihre eigene Kraft gestützt übren. Die Brauereien legen in ihrer Erklärung großen Werth daraus, daß sic in keiner Weise nach einem Eingrisse der Staatsgewalt verlangt haben. Sie betrachten das. wie begreiflich, als eine Ehrensache. Es ist aber auch eine Frage ihre» Interesses. Mischt sich die Staatsgewalt in den wirtb- s'chastlichcn Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitern grund sätzlich nickt ein. so werden in den meisten Fällen die Arbeit geber, als der wirtbsckafllich stärkere Tdeil. den Vortbeil davon haben. Ein Vorgang aber, wir der, zu welchem sick der Berliner Blerbovcotl ausgewachsen hat, kann nickt ausschließlich unter dem GesichtSpuiictc der zunächst belbeiligtcn wirthschaftlicken Interessen betrachtet werden; hier ist eine Frage der vssent- lichen Ordnung im Spiele, »nd zwar eine Frage von schwerster Bcdentnng. Es wird deshalb dieser Vorgang auch kaum ohne Nachwirkung ans gesetzgeberischem Gebiete bleiben können. Daß einstweilen die Gesetzgebung derartige» Auswüchsen deö wirthschaftlicken Kampfe», bezm. dem Miß brauche dieses Kampfe« für die Zwecke der Revolution-Partei gegenüber keine genügende Handhabe bietet, ist bekannt. Wie dringend aber die Nolbwendiglcit einer solchen empsnnden wird, beweisen die in Sachsen mit einer mehr oder weniger angreifbaren Auslegung von StrasrecktSparagrapben gemachten Versuche. Schon Angesicht« dieser Tbalsacke wird man nickt umhin können, an der Hand der Berliner Erfahrungen in eine ernste Erwägung de- gesetzgeberischen Bedürfnisses ein- zutrcten. * Berlin, 26. Juni. Hervorragende hiesige Blätter melden übereinstimmend: In der v. Kotze'schen Angelegenheit nehmen die Ber- nehmiingen liochgestelltcr Mitglieder der Hofgesellschaft ihren Fort- gang. Sehr dringlich muß die Vernehmung des Hosnicirichall» der Kaiserin Friedrich, des Freiherrn v. Reischach, gewesen sein. Tenn kaum war d eier von hier nach Schloß Friedrichsberg abgercisr, um dort zu>» Geburtslage der Ikronprinzessin Sofie von Griechenland anwesend zu sei», als ihm sogleich eine dringende Drahtineldung nachgcsandl wurde, sofort nach Berlin zurückzukehren, um vom Auditeur veriwinmen z» werden. Gleich nach der Verhaftung des Herrn v. Kotze machte d.r Schwager des VaronS v. Rciichach, Prinz Franz von Ratibor, Major im ersten Glnde- Tragoner - Regiment, diesem mittels Militairtelegraphie von der Verhaftung Mittheilnng, wobei er sich gerade keines schmeichel- haften Ausdrucks »der den Herrn v. Kotze bediente. Zwischen dein Grafen F. Hohenau und dem Herrn v. Kotze soll in der letzten Zeit ein sehr gespanntes Verhältnis) bestanden habe», das in einer Hera»«- sorderung zum Duell den Gipfel erreicht haben soll. Ter Ge- sordcrte soll der Gras Hohenau gewesen sein und die Forderung die Veranlassung zu seiner Versetzung nach Hannover. Als nun der Verdacht der Urheberschaft der anonymen Priese sich aus Herrn v. Kotze lenkte, soll auch Gras Hohenau diese» als vermuthlichen Venaßer der Briese bezeichnet haben. Jin Uebrigen leiteil nur drei Herren die Untersuchung, der Auditeur des 1. Garde-Torp-, Gras Schönbor» und Major v. Kramsta, die zu strengster Verschwiegen heit verpflichtet sind. * Berlin, 26 Juni. Die „Berl. Polit. Nackr." wenden sich beute »i'k folgender Auslassung gegen die Gesuche uni Gewährung von Vetrranenpensioncn sür die Tbeilnebmer an den letzte» Feldzügen: „Wenn ans Grund einer i» der letzten Reick-tagStagnng von NeichSIagS- abgotrdneten gegebenen Anregung jetzt zahlreiche Gesuche »m Gewährung von Vereranenpensionen für die Tbcil- liehmer an den letzten Feldzügen nach Art de« EbrensoltcS sür die Bcteranrn von >8l3 bis l8I5 cingeben, so mag daran zu erinnern sein, daß an eine Verwirklichung jener An regung nickt zu denken ist. Man macht sick augenscheinlich die sinanzieUe Tragweite einer solche» Maßregel nickt klar. Unter Zugrundelegung deS bei Lebensversicherungen oder sonst gesammelten Ihatsäckilicben Materials über die durch schnittliche Lebensdauer derjenigen AllerSclassen, welche an den Kriegen Ibeilzenoninien haben, darf angenommen werden, daß sich noch etwa eine halbe Million Männer am Leben befinden, welche an den letzten Kriege» theilgcnvmnic» haben, also für die Gewährung einer Veteranenpeusicn in Betracht kommen würden. Die Pension für die Veteranen au« den Kriegen von 1813 di» 1815 betrug schließlich 240 e« ist nicht anzunebmen, daß diejenigen, welche die Erweite rung der PcnsionSgewährung auf die Veteranen von t 870/7t und an« den vorhergegangenen Kriegen aus gedehnt r» seben wünschen, einen niedrigeren Betrag im Auge haben. Eine Pension von 240 Mark sür 500 000 Mann macht im Jabre l20 Millionen Mark an Pensionen. Gegenüber solcher Summe ist der Hinweis auf den Capital- überschuß de- ReichSinvalidrnfondS belanglos; dieser lieber schuß würde nicht einmal sür die Deckung der ersten Jahres rate ausreichen. Die Beteranrnpensionen würden vielmehr so ziemlich tm vollen Betrage den Steuerzahlern zur Last fallen und zwar angesichts der Thatsache, daß die jetzigen Einnahmen zur Deckung der dereits bewilligten Ausgaben noch nicht hinreichen, die Erhöhung der bestehen den Steuern um etwa 120 Millionen Mark im Jabre notbwendig machen. Und zwar gleichviel, od man die Deckung durch Erhöhung der eigenen Einnahmen deS Reiches oder durch Ausschreibung höherer Matricular- nmlaaen anstrcbt. LeytcrensallS würde z. V. für Preußen ein Zuschlag zur Einkommensteuer von 60 Procent oder etwa von sieben Monatsraten nothwcndig werden. Man sicht daher, daß es sich bei jener Anregung um Illusionen handelt, welche bei der Prüfung mit dem Rechenstiste in der Hand alsbald sich in Nichts auslösen." * Berlin, 26. Juni. Die Commission für Arbeiter stat ist ik setzte am Montag die Bcratbungen über den Ent wurf, betreffend die Regelung der Arbeitszeit in den Bäckereien, fort. tz. 5 wurde, wie der „Vorw." berichtet, in der Fassung angenommen, daß in Bäckereien an Sonn- uiid Festtagen eine Ulstüntige und in Eonviloreien eine t2stnnkige Rübe im Betriebe eintrctcn muß. Die Frage, ob der BundcSralb berechtigt ist, aus Grund des 8- 120 o eine objektive Ruhezeit an Sonn- und Festtagen für Ge werbebetriebe fcstzusctzen, wurdr von der Mehrbeit der Com mission mit Ja beantwortet, tz. 6 bestimmt, daß 1) Ge hilfen in Bäckereien an Sonn- und Festtagen deS Abend« nach 6 Ubr mit Arbeiten, welche zur Vorbereitung der Wiederauf nahme der Arbeit am nächsten Werktage erforderlich sind, höch stens eine Stunde beschäftigt werden dürfen und 2) in Con- titoreien leicht verderbliche Waaren, die unmittelbar vor dem Genuß bergestkllt werken müssen, zubereitet werden dürfen. Die Gehilsen und Lehrlinge in Convitoreien, welche an Sonn- und Festtagen noch nach t2 Uhr Mittag« beschäftigt worden sind, müssen an einem Tage in der folgende» Woche von Mittags >2 ttkr an von der Arbeit frcigelasscn werden Ein hierzu gestellter Antrag, nach welchem Vir Bäcker, welche am Sonnlag Nacknnttag beschäftigt sind, auch «inen freien Nachmittag m der Woche habe» sollten, wurde abgelchnt. Der Rest des EntwurseS wurde ebne wesentliche Abänternngen angcnommkn. Es wurde daraus hingewiesrn, daß sowvbt in den Wohn- rüumen der Bäckergesellen al« in den ArbeitSräumcn arge Mißstände bestehen, obwohl der H. 120 a der Gewerbe Ord nung bestimmt: daß dir Gewerbe-Unternehmer, also auch die Bäckermeister, verpflichtet sind, die ArbcitSräume, Betriebs- Vorrichtungen, Maschinen und Gcräthschaften so einzurichten und zu unterbauen und den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter gegen Gefahren sür Leben und Gcsunrheit soweit geschützt sind, wie die Natur des Betriebes es gestattet. In ocn meisten Bundesstaaten bestehen übrigens gcftiiidheitL- polizeiliche Vorschriften, nach denen eS nicht zulässig ist, Menschen in Räumen unlrrzubrinaen, welche so beschaffen sind, wie die, welche man oft den Bäckergesellen und -Lehr lingen als Schlafräunie anwcist. E« wurvr daher beschlossen, in trr Denkschrift einen Passus auszunehmen, worin der Reichskanzler »»sucht wird, bei den Regierungen der Bundes staaten dahin wirken zu wollen, daß diese die in den Bäckereien bestehenden Mißstänbr untersuchen lassen und eventuell von den vorhandenen Vorschriften Gebrauch machen, um Rrmedur zu schasse». — Die Frage, ob der Bunde «rath von dem 8 l20o der Gewerbe-Ordnung Gebrauch machen soll, oder ob ein besonderes Gesetz erlassen werden muß, wurde drin Ermessen de- Rrich-kanzln« anheim gegeben. --- Berlin, 26. Juni. (Telegramm.) Bei der beute in Scnnenburg abgebaltencn OrdenSseier de« Johannitcr- ordenS wurden durch den Herrennieister des Orden«, Prinzen Albrecht von Preuften, gegen 80 Ebrenritter zu RechtSrittern ausgeuoinmen, darunter ver Landgraf Alexander von Hessen, der ehemalige Botschafter Prinz Rcuß und der Oberstall- meister Gras Wedel. Bei dem Festmahle toastete der Herrennieister aus den Kaiser als den Protcctor de« Orden«. Heule Abend wird Prinz Albrecht wieder in Berlin ein- tresfe» und in seinem Palais Wohnung nehmen. Der Prinz dürfte morgen voraussichtlich sich nach Potsdam begeben, ui» seinen Söhnen daselbst einen Besuch abzustatten. — Prinz Adalbert von Preußen ist gestern Abend kurz vor 6 Uhr au- Kiel nach dem Neuen Palais zurück- gekehrt. U. Berlin, 26. Juni. (Privattelcgramm.) Der Reichs kanzler Graf Caprtvi wird beute Abend 7 Uhr ein Diner veranstalten, zu dem verschiedene Einladungen ergangen sind. — Im ReichSkanzlerpalaiS sind die als erforderlich erachteten RestaurationSarbeiten in Angriff genommen worden. Der Reichstag hatte zu diesem Werk 60 000 .// bewilligt. Man hegte jedoch di« Befürchtung, daß diese Lumme zur Bestreitung der Kosten nicht auSreichcn werde. Nanientlich die Neuhersttllnng de« CongreßsaaleS. in welchem augenblicklich dir Gerüste zur Au-schmückung der Wände und der Decke angebracht sind, dürfte die AnschlagSsumme über steigen. U. Berlin, 26. Juni. (Privattelegramm.) A»S Nürnberg erfährt da« „Berl. Tagrbl", daß ein Sergeant »nd ein Einjährig-Freiwilliger Selbstmord begangen haben. Ein Unterossicirr machte eioen Selbstmord- versuch, dessen Ursache Furcht vor Strafe wegen langen Ausbleibens gewesen sein soll. «> Berlin, 26. Juni. (Telegramms Die „Post" wird durch den Fürsten Pleß zu der Erklärung ermächtigt, daß er weder in den dem Herrn ». Kotze zugeschriebenen anonymen Briese» betroffen werde, noch dem Kaiser Mit- tkeilungen gemacht bade, die Herrn v. Kotze persönlich an gingen. — Die NcchtSstelluna der Ofsiciere zur Disposition, über die bei Erörterung de« Falle- Kotze manche- Unrichtige geschrieben worden, ist, wir die „Nat.< Ztg." bervordrbt, die folgende: Zum aktiven Herr «edören dieselben nicht. Der >. 38 be» Abjchnittcs III des Reichsmllitairgeirye« vom 2. Mai 1874 sübrt sie a!s lolch« nicht aus. Di« krieasminislerirlle Vertilgung vom 25. Februar 1884 rrlLuIert dies dabin. daß die Lsficiere ». D. eine ntchi zum Heer« gehörend« bejondere Gattung voa Milttotrpersonen Hilden Die Ltficter« z. D. üben alle bürgerllche» »echt» au«; si«
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